e-Katalog - AB Gallery

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MADE
IN
IRAN
‫ناریا‬
AUSSTELLUNG
23. 7. — 18. 9. 2016
MADE
IN
Ein kleiner, traditionsreicher Kunstverein in der Bodenseeregion
kennt Grenzlagen — und möchte doch weiter über Grenzen
gehen, also etwa den Iran und seine gegenwärtige Kunstszene
kennenlernen. Die Einblicke, die Mitglieder des Kunstvereins
Konstanz bei einer Iran-Reise in der Begegnung mit Künstlerinnen und Künstlern und deren Werken, mit Galeristen und deren
Ausstellungsaktivitäten gewannen, waren ein erster Schritt.
Die Ausstellung >Made in Iran<, die der Kunstverein Konstanz in
Kooperation mit der Luzerner ORYX Foundation präsentiert,
verfolgt das Ziel weiter, zeitgenössische Kunst einer geographisch entfernten, aber kulturhistorisch wie gegenwartspolitisch
herausragenden Region zu erkunden. Drei Künstlerinnen und
vier Künstler, alle jung und im Iran, meist an Teheraner Hochschulen ausgebildet, führen uns ein:
Die bereits international bekannte Samira Hodaei bezieht sich in
ihrem malerischen Werk auf künstlerisch-historische Vorlagen
und erweitert diese: Die Tupfenoberfläche ihrer märchenhaften
Szenerien erinnert an Teppichknoten und lässt zugleich digitale
Pixelstrukturen assoziieren.
Auch in Samira Alikhanzadehs Arbeiten gehen traditionelle
Materialien wie Teppich- und Spiegelfragmente unerwartete
Verbindungen mit Plexiglas und Digitalprint ein: Die fotografische
Abbildung einer Frau im grauen Mantel löst sich auf Kopfhöhe in
klassische Muster und warme Farben eines Perserteppichs auf.
Die bildhauerischen Arbeiten Nastaran Safaeis orientieren sich
am eigenen Körper: Körperteile wie Finger, Ohren und Lippen
werden, in Bronze gegossen, entgegen aller anatomischen Regel
neu verknüpft oder mit weit schwingenden Flügeln, wie aus
Porzellan, versehen.
Hamed Rashtian konstruiert Skulpturen in Fiberglas oder Bronze,
komplexe architektonische Gebilde, mehrstöckige Türme, deren
vielgestaltige Fensteröffnungen und Treppenaufgänge in unbestimmte Innenräume weisen.
KUNSTVEREIN KONSTANZ
ORYX FOUNDATION
IRAN
IRANISCHE
Seine fragilen Bleistiftzeichnungen legt Ashkan Sanei auf Papier
an, dessen Oberfläche er mit Sandpapier rau schmirgelt, Risse
und Löcher hinnehmend — die Verletzlichkeit schemenhaft
dargestellter Körper wirkt umso bedrängender.
GEGENWARTSKUNST
Shahriar Ahmadis Malerei setzt sich u.a. mit dem Werk Rumis,
einem mittelalterlichen Sufi-Mystiker und bedeutenden persischsprachigen Dichter, auseinander und integriert kalligraphisch
anmutende arabische Schriftzeichen.
Das Leben in einer Gesellschaft mit eingeschränkter Pressebzw. Meinungsfreiheit und mit Restriktionen unterschiedlicher
Art bedeutet nicht nur die Einschränkung des Einzelnen in
seiner Ausdrucksweise. Oftmals bringt es faszinierende und
häufig ungeahnte Kreativität mit sich, welche sich gerade im
künstlerischen Bereich in einzigartiger Weise äußert. So gehört
es fast zur Norm eine Realität zwischen den Zeilen entdecken
zu können. Oftmals gilt: Es darf alles gezeigt und gesagt werden — es kommt nur darauf an wie.
Zeithistorische Bezüge, die Auseinandersetzung mit der jüngeren
Geschichte Irans kennzeichnen das Werk Babak Kazemis.
Seine fotografische Serie, 27 kleinformatige Tafeln, verarbeitet
die Vertreibung der Bewohner der Grenzstadt Khoramshahr
während des Kriegs zwischen Iran und Irak [1980—1988].
Seit Jahrzehnten konnte sich im persischen Raum daher eine
äußerst lebendige und spannende, zeitgenössische Kunstszene
entwickeln, die im Westen bislang noch ein Nischendasein führt.
Sie zeichnet sich aus durch Kreativität und Vielschichtigkeit
und basiert auf einer tiefgreifenden, reichen Kultur.
>Made in Iran< — die sieben Künstlerinnen und Künstler lassen
uns in ihren sehr unterschiedlichen Iran-Bildern westöstliche
Grenzlinien, die Geschichte, Kultur und Religion ziehen, schärfer
erkennen — und lösen zugleich Interesse, Neugier und Faszination
aus, Prozesse des Verstehens, geeignet, Grenzen zu überwinden.
Durch sowohl zahlreiche Kooperationen und Projekte als
auch intensives Reisen konnte die Schweizer ORYX Foundation
in den letzten 10 Jahren ein enges und freundschaftliches
Netzwerk mit Vertretern der zeitgenössischen, iranischen
Kunst- und Kulturszene aufbauen. In erster Linie steht hierbei
der kulturelle Austausch zwischen Ost und West im Fokus.
Die Stiftung hat es sich zur Aufgabe gemacht durch Kunst
einen grenz- und kulturübergreifenden Dialog herzustellen.
Toleranz und gegenseitiges Verständnis sollen gefördert werden.
Insbesondere die Kunst hat sich hierbei als ideales Medium
erwiesen Brücken zu bauen und Grenzen zu überwinden.
Mit der Gruppenausstellung >Made in Iran< wird diese Ambition
nun auch nach Konstanz gebracht. Die spannende Kooperation
des Kunstverein Konstanz e.V. Deutschland, und der ORYX
Foundation Schweiz, möchte nicht nur einzigartige und beeindruckende zeitgenössische Kunst aus dem Iran zeigen, sondern
ebenso einen weiteren Brückenschlag zwischen Ost und West
erreichen.
>Kunst kennt keine Grenzen, keine Religionen, keine Sprachbarrieren. Kunst verbindet und fördert Toleranz. Die Sprache
der Kunst ist universal.<
DR. DOLORES CLAROS-SALINAS
KUNSTVEREIN KONSTANZ
HEIDI + FRANZ J. LEUPI
ORYX FOUNDATION
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SAMIRA HODAEI
*1981, IRAN
›Vogelwesen, Schwerttänzerinnen, Wunderbäume — Samira Hodaei
mixt persische Miniaturmalerei mit digitaler Pixelgrafik. SufiMystik mit Feminismus. Die iranische Malerin steht für eine
junge, kritische Künstlergeneration, die die Grenzen des MullahRegimes testet.‹ [Ute Thon, Art Magazin, 2015]
Samira Hodaei wurde 1981 in Teheran Iran, geboren, wo sie
heute lebt und arbeitet. Ihre Ausbildung erhielt sie an der
Shahrivar Art School, der Shariati Art University und Alzahra
Art Universität in Teheran, Iran. Nach ihrem Studium arbeitete
sie sechs Jahre als Assistentin des international anerkannten
Künstlers Reza Derakshani. Ihre Arbeiten sind weltweit in
Ausstellungen von namhaften Galerien und Institutionen vertreten,
darunter in Dubai, Sydney, Mailand, Istanbul, Berlin, Katar und
Luzern. Des Weiteren werden Samira Hodaeis Werke regelmäßig
auf internationalen Kunstmessen und Biennalen präsentiert wie
etwa der Abu Dhabi Art Fair, Art Dubai, Viennafair, Funasaka
Biennale, und SCOPE Basel.
Samira Hodaei zählt zu den jungen, aufstrebenden Künstlerinnen
des Irans. Durch ihre sehr eigene Formsprache und spannenden
Themen findet sie großes Interesse sowohl in den Medien als
auch bei hochkarätigen Kunstsammlern. Insbesondere seitdem
sie 2010 im Rahmen des Artist-in-Residence Programms der
ORYX Foundation in die Schweiz eingeladen wurde, konnte
sie sich weltweit einen Namen machen. Ihre Werkserien wie
etwa >Philosophy of the Bedroom< [2015], >And the Dance
goes on< [2014] oder >Dancing the Sharp Edge< [2012] zeugen
grundsätzlich von philosophischer Tiefe und setzen sich mit
den Wünschen und Träumen junger Frauen auseinander.
Gezielt folgt die Iranerin ihrem selbst definierten Bestreben:
>Kunst muss ihre eigene Sprache finden. Sie muss nicht schön,
sondern kraftvoll sein, damit sie einen berührt.< [Samira Hodaei,
2015] Innerhalb nur weniger Jahre hat es die einzigartige
Künstlerin so geschafft eine völlig eigene Handschrift zu
entwickeln: Mit einer Kombination aus Druck und Malerei auf
Leinwand gelingt es Samira Hodaei ihre Bilder mit einer enormen
Haptik auszustatten. Sowohl durch diese gestalterische Finesse
als auch durch ihre thematische Vielschichtigkeit können die
Werke Samira Hodaeis nie auf den ersten Blick voll erfasst
werden. Vielmehr laden sie den Betrachter ein zu verweilen
und in eine faszinierende Welt, fern des Bekannten einzutauchen.
SAMIRA HODAEI
2016
Gordian Knot
Mixed media on canvas, 50 × 50 cm
1
SAMIRA HODAEI
2015
Madam Butterfly
Mixed media on canvas, 110 × 200 cm
2
SAMIRA HODAEI
2016
Under the sheets of Damavand
Mixed media on canvas, 50 × 50 cm
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NASTARAN SAFAEI
*1984, IRAN
›Während und gerade in verschiedenen Stadien meines Lebens
bin ich auf Aspekte meines Charakters gestoßen, die sich nicht
einfach einem simplen Muster oder einer Definition anpassen
wollen — verschiedene, oft sehr widersprüchliche Emotionen,
die ich mit mir durch die Höhen und Tiefen meines Lebens
getragen habe, sowie all die Liebe und der Hass, der mir
begegnete, in mir versteckt oder von mir getrennt. [...] Ich habe
versucht, einen sehr persönlichen Teil meines Wesens in meine
Arbeit einfließen zu lassen, gleichzeitig zeige ich so aber auch
meine Macht über das, was ich anderen präsentiere und ich
zeige, wie ich angesichts von Urteilen und Kommentaren
unsichtbar werden kann.‹ [Nastaran Safaei, 2014]
Nastaran Safaei wurde 1984 in Teheran, Iran geboren. Sie
studierte zunächst Grafik Design an der Sooreh University
[2004] sowie an der Naghshe Kowsar Art School [2001], bevor
sie sich primär auf die Medien Skulptur und Installation spezialisierte. Sie lernte mitunter beim iranischen Meister Parviz
Tanavoli und ist heute Mitglied der Bildhauer-Vereinigung Irans.
Seit 2002 sind ihre Werke in zahlreichen nationalen und
internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen vertreten,
unter anderem in der Schweiz, Großbritannien und Deutschland.
Nastaran Safaei lebt und arbeitet heute in Teheran.
Im Allgemeinen sind die Kunstwerke der jungen, iranischen
Künstlerin Nastaran Safaei eng mit ihrem inneren Wesen
verknüpft. Persönliche Emotionen, eigene Erfahrungen und
Weiblichkeit gehören zu den zentralen Aspekten ihrer Kunst,
die in erster Linie Skulpturen und Objekte umfasst. So tauchen
etwa bronzene Finger, Lippen oder Ohren auf, welche die
Künstlerin auf kreative und stimmige Weise zu einzigartigen
Objekten zusammensetzt. Wiederholt hinterfragt sie so ihre
eigenen [weiblichen] Empfindungen und den eigenen Lebensweg.
Ihre außergewöhnlichen Papierarbeiten der Serie >Connection<
[2015] wiederum zeigen einzelne Figuren, welche die Künstlerin
durch den Aufdruck von Körperteilen ins Leben ruft. Tintenabdrücke von Fingern, Lippen oder auch Unterarmen komponieren
somit spannende Wesen und Körper. Filigrane, gepunktete Linien,
welche die Abbildungen ergänzen, stehen hierbei für die [Nicht-]
Verbindung des Einzelnen zur Gesellschaft. Auf ganz persönliche
Art und Weise befassen sich diese Werke daher mit der
Einbindung eines Individuums in seine Umwelt und konfrontieren
den Betrachter unweigerlich mit der Frage nach dessen Position
und Funktion in der Gesellschaft.
NASTARAN SAFAEI
2014
Flying
Fiberglass, iron, 75 × 92 × 58 cm
4
Edition of 5
NASTARAN SAFAEI
2014
1 finger [Finger Food Series]
Bronze, aluminium, each 9 × 8 × 8 cm
5
NASTARAN SAFAEI
2015
Connection
Ink on paper, 42 × 29 cm
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HAMED RASHTIAN
*1984, IRAN
› Im Kontext des Themas >Visuelles Delirium< erforscht mein
neuestes Projekt >Reverie< die Verbindungen zwischen der
antiken Töpfer- und Baukunst des Mittleren Ostens. Bei den
Arbeiten handelt es sich mitunter um Mixed Media Installationen,
welche versuchen eine Art mystische Komplexität zu transportieren, die seit jeher Teil dieser Kultur und Geschichte ist.
Im Gegensatz zum aktuellen, medialen Bild des Mittleren Ostens,
welches von fortwährenden Unruhen und Konflikte dominiert
und definiert wird, versucht >Reverie< einen Rückgriff in die
Vergangenheit, als der Mittlere Osten in erster Linie für seinen
mystischen Charme bekannt war.‹ [Hamed Rashtian, 2016]
Hamed Rashtian befasst sich in erster Linie mit dem Medium
Skulptur. Bevor er seine Leidenschaft für die Kunst entdeckte,
studierte er Mathematik an der Beheshti Universität. Nach
fünf Semestern gab er jedoch das Studium auf um sich voll
und ganz dem künstlerischen Schaffen zu widmen. Mitunter
lernte er in den darauffolgenden Jahren am Mahe Mehr Art
and Culture Institute und verbrachte zwei Jahre als Assistent
des zeitgenössischen, iranischen Meisters Parviz Tanavoli.
Seit über zehn Jahren fertigt der im Iran lebende Künstler
mittlerweile Skulpturen aus Fiberglas und Bronze, welche er
seit 2006 international ausstellt, unter anderem in den UK,
Deutschland oder den VAE.
Dominierendes Element der neusten Arbeiten Hamed Rashtians
ist die persische Architektur. In auffälliger Vielschichtigkeit
verwendet er landestypische Baustile und setzt diese zu reizvollen
architektonischen Gebilden zusammen. Treppen, zahlreiche
Fenster, Bögen, Archivolten, Nischen und vorgelagerte Säulen
formen so mitunter turmähnliche Bauwerke. Unweigerlich
wird der Betrachter daher animiert, sich mit der Vorstellung
auseinanderzusetzen, wie sich das Innere gestalten könnte
bzw. wie das Betreten einer solchen Anlage wohl wäre. Die
daraus entstehenden Bronzeskulpturen thematisieren augenscheinlich die eigene Kulturgeschichte. Indem der Künstler
darüber hinaus seine Arbeiten bemerkenswert vielschichtig
aufbaut, versucht er die gleichermaßen vielschichtigen Facetten
der Kultur seines Heimatlandes darzulegen. Sein Hauptanliegen
ist hierbei der energische Verweis auf die bemerkenswerte
Schönheit und Vielfalt seiner schon sehr alten, reichen Kultur,
entgegen aktuellen, medialen Wahrnehmungen.
HAMED RASHTIAN
2016
From >Reverie< Series
Bronze, 55 × 45 × 45 cm
7
Edition of 4
HAMED RASHTIAN
2016
From >Reverie< Series
Bronze, 35 × 20 × 20 cm
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Edition of 4
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SAMIRA ALIKHANZADEH
*1967, IRAN
›Was als Besessenheit begann – mit Fenstern und Lichtquellen
in Innenräumen –, wurde das Hauptelement meiner ersten
Arbeiten und begleitet mich noch bis heute. Ich nehme die
Position eines Beobachters ein und so schuf ich bei meinen
Kompositionen eine vorgelagerte Schicht mit fensterähnlichen
Öffnungen zu Innenräumen, durch die uns menschliche Figuren
und Formen als Teil der kalten und grauen Atmosphäre
vorgestellt werden. Sie gehören zu meinem Eindruck einer
zutiefst von satirischen Kontrasten erfüllten Gesellschaft [...].
Die menschlichen Figuren und Formen, hauptsächlich von Kindern,
Mädchen, Bräuten und Bräutigamen durch Fotografien, die ich
gefunden habe, stellen das Vergehen der Zeit als melancholische
Wahrheit dar und drücken dennoch den Humor aus, den man
auf den meisten alten Fotografien findet – durch Frisuren
und Moden jener Tage; genauso wie Betrachter in nicht allzu
ferner Zukunft unsere Fotos amüsant finden werden. Durch
das Anbringen von Spiegelfragmenten habe ich eine durchgängige und unvollständige Präsenz des Betrachters im Rahmen
meiner Komposition geschaffen. Diese wiederum können Teil
der Komposition werden und mögliche Nachfahren der Subjekte,
indem Sie in die Vergangenheit blicken. Oder sie können vielleicht,
wie ich, ihren voyeuristischen Drang befriedigen, indem sie in
das Leben und die Erinnerungen vergangener Generationen
eintreten.‹ [Samira Alikhanzadeh, 2009]
Im Jahre 1987 startete Samira Alikhanzadeh unter der Leitung
des iranischen Meisters Aydin Aghdashloo ihre Karriere als
Künstlerin. Zwei Jahre später besuchte sie die Azad Universität
in Teheran und schloss mit einen MA in Malerei erfolgreich ab.
Seit 1995 stellt die Iranerin intensiv in Nordamerika, Europa
und dem Mittleren Osten aus. Ganz aktuell war sie ferner vertreten
im iranischen Pavillon der 56. Kunstbiennale in Venedig.
Samira Alikhanzadeh lebt und arbeitet heute in Teheran.
Alte Fotografien, Abbildungen persischer Teppiche und Spiegel
sind wiederkehrende Elemente im Oeuvre der Künstlerin Samira
Alikhanzadeh. Indem die Iranerin Porträts der 30er, 40er und
50er verwendet, verweist sie sowohl auf die melancholische
Vergangenheit ihrer Kultur als auch auf humorvolle Aspekte,
welche mit einhergehen. So kann etwa insbesondere beim
Anblick altmodischer und zeitweise sogar obskur anmutender
Bildnisse ein komischer Effekt erzielt werden. In ähnlicher
Weise vermag es die Künstlerin das Element des persischen
Teppichs einzusetzen. Auf humorvolle und ästhetische Art
thematisiert Samira Alikhanzadeh somit die eigene Identität
und Vergangenheit. Zeitweise wird der Betrachter gekonnt
mit in den Prozess der Selbstreflexion eingebunden: Durch die
Verwendung von Spiegelfragmenten in vielen ihrer Arbeiten
gelingt es der Iranerin den Außenstehenden mit in das Werk
einzubinden und ihn darüber hinaus zum aktiven Part werden
zu lassen.
SAMIRA ALIKHANZADEH
No. 1 [Journey Series]
2013 Bronze, suitcase, mirror fragments, digital print on metal net, 65 × 120 × 120 cm
9
SAMIRA ALIKHANZADEH No. 2 [Mirror Garden Series, Stroll Inside Kashan Carpet]
2013
Digital print on plexiglas, mirror and kashan carpet, 100 × 70 cm
10
SAMIRA ALIKHANZADEH >Alas, that Spring should vanish with the Rose! …<
2013
Digital print on metal net, metal mirror frame, perspex, 180 × 60 × 20 cm
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ASHKAN SANEI
*1984, IRAN
› Es liegt mir fern meine Arbeiten als reine >Zeichnungen< zu
deklarieren, auch wenn deren Erscheinung dies auf den ersten
Blick vermuten lässt. In der Tat sind sie wohl dem Medium
der Zeichnung am nächsten. Dennoch, um genau zu sein,
erscheint mir die Definition einer >Zeichnung< oder die eines
>Zeichners< sehr entfernt von dem, was ich in meinem künstlerischen Schaffen tue — bietet es doch ein sehr viel weiteres
und flexibles Spektrum. Für mich umfasst der Akt des Zeichnens
vielmehr eine bedeutungsvolle Handlung, in welcher der Künstler
eine Kreation schafft, die eng mit seinem eigenen Geist in
Zusammenhang steht. Die persönliche Entscheidungsfreiheit
und die stetige Möglichkeit das eigene Werk abzuändern, Teile
zu entfernen, hinzuzufügen oder auszubessern sind hierbei
wichtige Elemente. Dieses Verhalten kann nicht immer in
Verbindung mit dem Gebrauch der >Linie< in Einklang gebracht
werden — dem populärsten und klassischen Element einer
Zeichnung. Auch passt es nicht zum Konzept der Improvisation
oder der Skizze. Das zeichnerische Arbeiten ist für mich daher
vielmehr eine Leidenschaft neue Wege zu finden. Aus meiner
Sicht ist es somit völlig experimentell zu verstehen und bietet
immer wieder aufs Neue weitgreifende Möglichkeiten und
Entdeckungen.‹ [Ashkan Sanei, 2015]
Ashkan Sanei erwarb einen BA in Malerei von der Azad University
of Tehran und schloss 2011 an der Isfahan University of Art mit
einem MA in Malerei ab. Seit 2004 ist er regelmäßig in verschiedenen Einzel- und Gruppenausstellungen vertreten. Mit seinen
einzigartigen Arbeiten gewann der Künstler bereits verschiedene Preise. Ashkan Sanei lebt und arbeitet heute in Teheran.
Die Papierarbeiten Ashkan Saneis einfach unter der Gattung
Zeichnung einzuordnen würde seinen Werken nicht gerecht werden.
Bei genauerer Betrachtung zeigen sich intensive Arbeitsspuren
am Material, die der Künstler bewusst hervorruft. So ist etwa
die Oberfläche oftmals mit Sandpapier angeraut, was die
Erscheinung im Wesentlichen haptischer macht. Des Weiteren
belebt der Iraner seine Arbeiten, indem er gezielte Verletzungen
des Materials vornimmt wie etwa durch Risse oder Löcher.
Vermeintliche Defizite werden so zu bemerkenswerten, visuellen
Reizen ausgeformt und der eigentliche Arbeitsprozess rückt
in den Fokus. Kompositorisch gelingt es dem Künstler darüber
hinaus meisterlich das Gleichgewicht zwischen Ausgeglichenheit
und Spannung zu halten. Mit sicherer Hand weiß er es gekonnt
seine Objekte zum Beispiel zu positionieren und mit gezielt
gesetzten Akzenten zu beleben. Das Objekt an sich tritt hierbei
in seiner Relevanz zurück und spielt eine eher untergeordnete
Rolle. Auch die abstrakten Arbeiten Ashkan Saneis zeigen
vergleichbare, kompositorische Eigenschaften und fordern den
Betrachter auf zu verweilen und in die Arbeit einzutauchen.
ASHKAN SANEI
2016
Untitled
Pencil on paperboard, 30 × 40 cm
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ASHKAN SANEI
2015
Untitled [Fragile Series]
Pencil on paperboard, 42 × 60 cm
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ASHKAN SANEI
2015
Untitled [Fragile Series]
Pencil on paperboard, 42 × 60 cm
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SHAHRIAR AHMADI
*1979, IRAN
› Ich begann meine Reise in die Welt der Kunst damit, Porträts
aus Wörtern herzustellen. Dann wurde mir bewusst, dass die
Malerei etwas in mir bewirkt, was kein anderes künstlerisches
Medium zustande bringt — sie hält die Zeit an. Jedes meiner
Gemälde stellt ein Stück meiner Phantasie in einem einzigen
Augenblick dar und enthüllt alle meine Geheimnisse in diesem
einen Augenblick. Alle diese Augenblicke zeigen das Leben
und ich male, um sie aneinander zu reihen, um mich auf einen
Dialog mit der Geschichte einzulassen und eine Art Dialektik
zu präsentieren. [...]‹ [Shahriar Ahmadi, 2008]
Shahriar Ahmadi wurde 1979 im Iran geboren, wo er heute
noch lebt und arbeitet. Er erwarb einen BA und MFA in Malerei
von der University of Art — Teheran, und nimmt seit 2001
regelmäßig an zahlreichen Gruppen- und Einzelausstellungen
teil unter anderem im Iran, dem Nahen Osten, Großbritannien,
Deutschland, der Schweiz, China und den USA. 2015 wurden
seine Arbeiten darüber hinaus für den iranischen Pavillon der
Venice Biennale ausgewählt.
In seinen Werken wie etwa >Kiss the Wine< [2015] oder >Untitled — from Archaic Techniques of Lovemaking< [2010] thematisiert
Shahriar Ahmadi für iranische Verhältnisse ungewohnt offen
Liebes- oder Genussszenen. Mit Zartheit und Subtilität – an
der Grenze zur Zensur – deutet der Künstler seine Geschichten
an, ohne jedoch explizit zu werden. Insbesondere die reiche
Literatur seines Kulturkreises ist hierbei eine wichtige Quelle für
das künstlerische Schaffen des Malers. Sie dient als Inspiration
für diverse Bildthematiken oder findet sich in einigen seiner
Arbeiten in Form von textlichen Einschüben oder Bildrahmungen
wieder. Eine besondere Vorliebe hegt Shahriar Ahmadi dabei
für die Gedichte Rumis, dessen literarisches Werk oftmals
den Rahmen heutiger Sittenstrenge im Iran sprengen würde.
Um Konfrontationen zu vermeiden dehnt der Künstler abermals die
Grenzen und verwendet seine Schrift in kaum lesbaren Lettern.
Die definitive Zuschreibung wird somit unmöglich gemacht und stattdessen ein spielerischer Interpretationsfreiraum geschaffen.
SHAHRIAR AHMADI
2012
Untitled [KISS Series]
Acrylic, pencil, gold leaf on canvas, 180 × 130 cm
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SHAHRIAR AHMADI
2009
Untitled [Rumi in my Chalice Series]
Mixed media on canvas, 150 × 100 cm
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SHAHRIAR AHMADI
2015
Acrylic and gold leaf on canvas, 165 × 120 cm
Lost Way
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BABAK KAZEMI
*1983, IRAN
› Die Region, aus welcher ich komme verfügt über eines der größten
weltweiten Öl- und Gasvorkommen. Dennoch profitieren die
Menschen dort wenig von diesem Reichtum. Das Gebiet, welches
über Millionen von Jahren diese Reichtümer hervorbrachte,
wird kaum gewürdigt und schlecht behandelt. Vielmehr wurde
es zum Fokus eines der tragischsten und längsten Kriege der
jüngsten Geschichte mit Millionen von Toten und befindet sich
immer noch im Wiederaufbau. Es lebt dort eine sehr traditionelle
und religiöse Gesellschaft, welche vielfältige Interpretationen
der schiitischen Religion praktiziert [Ashouraian]. Dies sind die
Themen, die ich versuche in meinen Arbeiten zu thematisieren:
Die Geschichte jener Gebiete mit ausgeprägter Ölindustrie und
die Auswirkung dieser Industrie auf die Umwelt; deren Anziehungskraft auf ausländische Aggressoren in der Vergangenheit und die
Folgen des Kriegs für die einheimische Bevölkerung, wie deren Vertreibung in Khoramshahr Number by Number.‹ [Babak Kazemi, 2011]
Der junge Iraner, welcher 1983 in Ahvaz geboren wurde und
heute in Teheran lebt, begann seine künstlerische Laufbahn
im Jahre 1996 als Autodidakt. Diverse Preise konnte Babak
Kazemi seither mit seinen Arbeiten gewinnen und stellt sowohl
einzeln als auch in Gruppen aus. 2015 wurde überdies eine
Installationsarbeit von ihm für die Biennale in Venedig ausgewählt
und im iranischen Pavillon gezeigt.
In seiner Serie >Khoramshahr Number by Number< [2004—08]
thematisiert der Künstler Babak Kazemi die vom Irak-Iran-Krieg
zerrüttete Stadt Khoramshahr. Über einen Zeitraum von zwei
Jahren hat der Iraner Überbleibsel aus dem zerstörten Ort
zusammengetragen und diese schlussendlich mit Bildern
Einheimischer und persönlichen Eindrücken verbunden. So
tauchen beispielsweise alte, teils angerostete Hausnummern
auf, welche der Künstler zeitweise bemalt oder bearbeitet.
Des Weiteren verwendet Babak Kazemi fotografische Komponenten,
die er mit weiteren Elementen [zum Beispiel Drucke] verbindet.
Eindeutige Verweise auf die Folgen eines Krieges, wie etwa
die Vertreibung der Menschen, sprechen aus diesen Arbeiten und
ergeben in ihrer Gesamtheit einen authentischen und umfassenden Einblick in die Geschichte einer am Krieg zerbrochenen
iranischen Stadt. Auch in seinem Gesamtwerk setzt sich Babak
Kazemi vermehrt mit der Historie und dem Zeitgeschehen
seines Landes auseinander. Soziale, kulturelle und politische
Themen diskutiert er hierbei intensiv und oftmals kritisch.
BABAK KAZEMI
2004—08
Khoramshahr Number by Number [Series] 27 Pieces
Mixed media, each 17 × 20 cm [framed]
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BABAK KAZEMI
2004—08
Khoramshahr Number by Number [Series] 27 Pieces
Mixed media, each 17 × 20 cm [framed]
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BABAK KAZEMI
2004—08
Khoramshahr Number by Number [Series] 27 Pieces
Mixed media, each 17 × 20 cm [framed]
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IMPRESSUM
Der Katalog erscheint anlässlich
der Ausstellung >Made in Iran<
im Kunstverein Konstanz.
22. Juli bis 18. September 2016
HERAUSGEBER
Kunstverein Konstanz e.V.
[email protected]
kunstverein-konstanz.de
ORYX Foundation
[email protected]
oryx-foundation.com
REDAKTION
Dr. Dolores Claros-Salinas und
Anna-Maria Lacher-Rapp
AUTOREN
Dr. Dolores Claros-Salinas,
Heidi und Franz J. Leupi,
Katharina Winkler
GESTALTUNG
Studio So
Viola Vogel und Pascal Botlik
[email protected]
studio-so.de
BILDNACHWEISE
Alle Werkabbildungen wurden
von den Künstlern und
von der AB Gallery, Zürich,
zur Verfügung gestellt.
AUFLAGE
500 Stück
ISBN
978–3–9805462–4–9
© 2016 Kunstverein Konstanz e.V., ORYX Foundation,
Künstler, Autoren, Fotografen, Studio So.
DANK
Der Kunstverein Konstanz dankt allen Spendern und Sponsoren,
die das Projekt maßgeblich unterstützt haben, den Freunden
und Förderern des Kulturzentrums am Münster e.V., sowie
den drei anonymen Unterstützern.
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