Finanziert vom Programm „Strafjustiz“ der Europäischen Union Hürden und Lösungen bei der Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/909/JHA STEPS2-Wiedereingliederung: Förderung der Möglichkeit, Gefängnisstrafen im Hinblick auf die Wiedereingliederung in einem anderen Land zu vollziehen Abschlusstermin: 18.12.2015 Von: Carmen Garcia, Esther Montero Perez de Tudela, Ioana Morar, Roberta Palmisano, Vincenzo Picciotti, Simona Popa, Luisa Ravagnani, Miguel Angel Ruiz Albert, Ruiz Yamuza Florentino Gregorio, Ioan Durnescu Diese Publikation wurde mit der finanziellen Unterstützung des Programms „Strafjustiz“ der Europäischen Union produziert. Die alleinige Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt bei Ioan Durnescu (Universität Bukarest). Die Publikation muss nicht die Meinung der Europäischen Kommission wiedergeben. Der vorliegende Bericht zeigt die Hürden und Lösungen bei der Umsetzung des RB 909 unter besonderer Berücksichtigung rumänischer Verurteilter in Spanien, Italien und England im Rahmen des Wiedereingliederungsprojekts STEPS2 auf, das vom Programm „Strafjustiz“ der Europäischen Union finanziert wird. Der vorliegende Bericht wurde in enger Zusammenarbeit mit der Universität Bukarest, Universität Huelva und Universität Brescia erstellt. Alle Phasen wurden unter der Aufsicht des National Offender Management Service als leitendem Partner des Projekts durchgeführt. Forschungs-/Redaktionsleitung: Carmen Garcia Esther Montero Perez de Tudela Ioana Morar Roberta Palmisano Vincenzo Picciotti Simona Popa Luisa Ravagnani Miguel Angel Ruiz Albert Ruiz Yamuza Florentino Gregorio Ioan Durnescu Das Wiedereingliederungsprojekt STEPS2 stand unter der Leitung des National Offender Management Service (NOMS) Projektleitung: David Atkinson Projektmanagement: Craig Georgiou, Vivette Wadey Projektbegleitung: Vivette Wadey, Kim Lau Wir möchten den spanischen, italienischen, rumänischen und englischen Behörden für die Bereitstellung der in diesem Bericht verwendeten Daten danken. Die Durchsicht des vorliegenden Berichts erfolgte durch Ioan Durnescu. Die Redaktion hatte die Redaktionsleitung und Vivette Wadey. Autor Ioan Durnescu Veröffentlichung: Februar 2016 Inhaltsverzeichnis EINLEITUNG .................................................................. ERROR! BOOKMARK NOT DEFINED. A. HÜRDEN .................................................................................... ERROR! BOOKMARK NOT DEFINED. I. THEORETISCHE PROBLEME ............................................................. ERROR! BOOKMARK NOT DEFINED. I.1 Resozialisierung ...................................................................... Error! Bookmark not defined. II. HÜRDEN SEITENS DES GESETZGEBERS .............................................. ERROR! BOOKMARK NOT DEFINED. II.1 Fehlende Fristen für die Maßnahmen in den AusstellungsstaatenError! Bookmark not defined. II.2 Das Fehlen einer gezielten Verpflichtung des Ausstellungsstaats, den Vollstreckungsstaat über Führung und Fortschritt der verurteilten Person zu informierenError! Bookmark not defined. I.3. Das Fehlen einer Verpflichtung des Ausstellungsstaats, verurteilte Personen über die Haftbedingungen im Vollstreckungsstaat zu informieren ........... Error! Bookmark not defined. III. HÜRDEN MIT BEZUG AUF DAS UMSETZUNGSRECHT ........................... ERROR! BOOKMARK NOT DEFINED. III.1. Die Definition von „Resozialisierung“ .................................. Error! Bookmark not defined. III.2. Die Bestimmung des Begriffs „Aufenthalt“ und ihre Folgen Error! Bookmark not defined. III.3 Als zwingend geregelte Versagungsgründe ............ Error! Bookmark not defined. IV. HÜRDEN MIT BEZUG AUF DIE RECHTSPRAXIS ................. ERROR! BOOKMARK NOT DEFINED. IV.1 Die zuständige Behörde ....................................................... Error! Bookmark not defined. IV.2 Fristen ................................................................................... Error! Bookmark not defined. IV.3 Anhängige Verfahren ........................................................... Error! Bookmark not defined. IV.4 Bedingte und andere Formen der vorzeitigen Entlassung.... Error! Bookmark not defined. IV.5 Schwierigkeiten beim Ausfüllen der Bescheinigung ............. Error! Bookmark not defined. V. HÜRDEN MIT BEZUG AUF DIE PRAKTISCHE UMSETZUNG DER ÜBERSTELLUNGERROR! BOOKMARK NOT DEFINED. V.1. Sprache und Kosten .............................................................. Error! Bookmark not defined. V.2 Feststellung der Identität der verurteilten person................. Error! Bookmark not defined. V.3 Gravierende Unterschiede bei den Haftbedingungen ........... Error! Bookmark not defined. V.4 Der Mangel an Informationen für verurteilte Personen .... Error! Bookmark not defined. V.5 Mangelnde Zusammenarbeit zwischen den Strafvollzugsverwaltungen in Europa .......... 16 V.6 Die Arbeit mit psychisch kranken Personen.......................................................................16 B. LÖSUNGEN .............................................................................................................................. 17 LITERATURVERZEICHNIS: ................................................................................................................ 22 ANHANG 1 .................................... ERROR! BOOKMARK NOT DEFINED. FALLSTUDIEN ZUR ÜBERSTELLUNG ZWISCHEN ENGLAND UND RUMÄNIENERROR! BOOKMARK NOT DEFINED. ANHANG 2 .................................................................... ERROR! BOOKMARK NOT DEFINED. BERICHT ÜBER DIE FRAGEBOGEN DER VERURTEILTEN PERSONENERROR! BOOKMARK NOT DEFINED. ANHANG 3 .................................................................... ERROR! BOOKMARK NOT DEFINED. DIE ABSICHTSERKLÄRUNG ............................................. ERROR! BOOKMARK NOT DEFINED. ANHANG 4 ..................................................................................................................... 37 DIE RUMÄNISCHE BROSCHÜRE ...................................................................................... 37 ANHANG 5 ..................................................................................................................... 38 LITERATUR-KURZAUSWERTUNG ..................................................................................... 38 Einleitung Der vorliegende Aufsatz beschreibt die Hürden und möglichen Lösungen bei der Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/909/JI (im Folgenden „RB“ genannt) bei der Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Urteilen in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, und ist das Ergebnis der Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Fachleuten aus Spanien, Italien, England und Rumänien im Rahmen des STEPS2-Projekts. Der vorliegende Bericht stützt sich auf: 1. Literatur-Kurzauswertung 2. Fragebögen und Interviews mit rumänischen Verurteilten in Spanien, Italien und England 3. Vier Fallstudien 4. Workshops in Sevilla, Brescia und Bukarest1 Es sollte jedoch gleich zu Beginn zur Vorsicht gemahnt werden: Der vorliegende Bericht bezieht sich auf die Situation in den beteiligten vier Gerichtsbarkeiten, sodass aufgezeigte Lösungen kontextspezifischen Charakter haben können. Es ist durchaus möglich, dass diese Hürden und Lösungen auch auf andere Rechtsordnungen zutreffen; jedoch ist jeweils der Kontext genau zu prüfen. Die Lösungen wurden von den Partnern vornehmlich durch direkte Befragungen sowie durch die drei oben angeführten Workshops entwickelt (insbesondere den letzten in Bukarest). A. Hürden Anhand der oben angeführten Dokumente und Aktivitäten konnten eine Reihe von Hürden bei der RB-Umsetzung aufgezeigt werden. Im Interesse einer klaren Übersicht lassen sich diese wie folgt unterteilen: 1 Neben den auf dem Titelblatt des vorliegenden Berichts aufgeführten Autoren haben weitere Workshop-Teilnehmer zu den Diskussionen beigetragen. In diesem Zusammenhang gilt unser Dank: Gabriel Paun, Daniel Motoi, Santiago Hernandez Castilo, Silvia Frassine, Jonas Grimheden, Javier Nistal, Julián García García, Maria Martinez Encisco, Florin Ardeleanu, Nick Flynn, Saskia de Reuver und Isabelle Tocan. I. Theoretische Probleme II. Hürden seitens des Gesetzgebers III. Hürden mit Bezug auf das Umsetzungsrecht IV. Hürden mit Bezug auf die Rechtspraxis V. Hürden mit Bezug auf die praktische Umsetzung der Überstellung I. Theoretische Probleme Obschon die Literatur-Kurzauswertung eine Reihe potenzieller Hürden aufzeigen konnte, z. B. die Vernachlässigung der Verfahrensrechte der verurteilten Person oder die Anwendung des Grundsatzes der beiderseitigen Strafbarkeit, entpuppten sich diese als überwiegend theoretische Belange. Jedoch zeigte sich bei unseren Diskussionen, dass das Prinzip der Resozialisierung einige Schwierigkeiten mit rechtlichen und praktischen Auswirkungen aufwarf. I.1 Resozialisierung Wie häufig betont wird (siehe Wree et al., 2009; Canton, im Erscheinen), lässt sich der RB trotz seines Gesetzeszwecks, nämlich der Förderung einer Resozialisierung (Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 und 6), anhand von Beispielen nur begrenzt verdeutlichen – auf der Grundlage von Wohnort und familiären, sprachlichen, kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen an den Vollstreckungsstaat (Absatz 8 und 9). Aus der Literatur wissen wir, dass diese Bindungen nicht ausreichen, um erneute Straffälligkeit zu reduzieren bzw. Unterlassung zu fördern (siehe Maguire und Raynor, 2006 zur Bedeutung von Begleitung sowie Beziehungs- und Behandlungskontinuität von Straffälligen; Robinson und Crow, 2009 – zum Umdenken mit Bezug auf Einstellungen und Verhalten) und sich mitunter in eine antisoziale Richtung bewegen können (siehe Martinez und Abrams, 2013 – zur möglichen Rolle der Familie bei der Rückkehr zu altem Rollenverhalten und negativer Dynamik). II. Hürden seitens des Gesetzgebers II.1 Fehlende Fristen für die Maßnahmen in den Ausstellungsstaaten Der RB sieht zwei Fristen vor: 90 Tage für die endgültige Entscheidung und Anerkennung des Urteils (Art. 12 Abs. 2) und 30 Tage für die konkrete Überstellung (Art. 15 Abs. 1). Bei Eintreten unvorhergesehener Umstände kann zwischen den betroffenen Staaten ein neuer Überstellungstermin vereinbart werden. In diesem Fall soll die Überstellung binnen zehn Tagen nach dem vereinbarten neuen Termin stattfinden. Obwohl der RB klare Fristen für die Zeit nach der Übermittlung der Bescheinigung an den Vollstreckungsstaat setzt, macht er leider keine Aussagen über die Fristen des Verfahrens im Ausstellungsstaat. Dieses Verfahren kann mitunter bis zu einem Jahr dauern. Präsentationen der Vertreter Spaniens und Italiens beim Workshop in Brescia zeigten darüber hinaus die übermäßig lange Zeitspanne vor der Übermittlung der Bescheinigung auf: Italien, aktives Verfahren mit Misserfolg: • Gefangener ist rumänischer Staatsbürger, 45 Jahre alt, wohnhaft in Rumänien, verurteilt wegen fünf Delikten, u. a. sexuelle Gewalt und Flucht aus dem Hausarrest, verurteilt zu sechs Monaten Freiheitsstrafe • Verfahren beginnt 2013 • Der Gefangene stimmte der Überstellung zu • Mai 2014: Übermittlung der Unterlagen nach Rumänien ohne Übersetzung des rumänischsprachigen Urteils November 2014: Ablehnung, da eins der fünf dem Gefangenen zugeschriebenen Delikte nur in Italien als Verbrechen eingestuft wird (Flucht aus dem Hausarrest) Quelle: Präsentation von Roberta Palmisano, Brescia, März 2015 Dieselbe übermäßige Verzögerung im Vorverfahren des Ausstellungsstaats wurde in den drei Fallstudien zur Überstellung von England nach Rumänien aufgezeigt (siehe Anhang 1 zu den Fallstudien). In praktisch allen drei Fällen mangelte es beim Verfahren des Ausstellungsstaats an Transparenz (aus Sicht der verurteilten Person) und beanspruchte mindestens drei bis vier Monate. Wie unsere Interviews in Spanien ergaben, ist die Inanspruchnahme des langen Zeitraums der Hauptgrund für die Ablehnung der Überstellung. Lediglich 41 % der Befragten in Spanien (von insgesamt 81 Teilnehmern) würden die Möglichkeit einer Überstellung für sich in Betracht ziehen. Der Hauptgrund für die Ablehnung einer Überstellung nach Rumänien war die lange Bearbeitungszeit (Einzelheiten siehe Anhang 3). Da die Dauer des Vorverfahrens im Ausstellungsstaat von allen Teilnehmern an unserem Projekt als eine der hauptsächlichen Schwierigkeiten hervorgehoben und die übermäßige Länge des Verfahrens von der überwältigenden Mehrheit der rumänischen Befragten als der Hauptgrund dafür angeführt wurde, eine Überstellung nicht in Betracht zu ziehen, können wir mit Bestimmtheit davon ausgehen, dass die mangelnde Festsetzung von Fristen für das Verfahren im Ausstellungsstaat zu systematischen Schwierigkeiten bei der Umsetzung des RB führt und empfehlen dringend die Ergreifung konkreter Maßnahmen zur Behebung dieses Zustands. II.2 Das Fehlen einer gezielten Verpflichtung des Ausstellungsstaats, den Vollstreckungsstaat über Führung und Fortschritt der verurteilten Person zu informieren Der Grundsatz des Informationsaustauschs und der Konsultation zwischen Mitgliedstaaten findet in dem RB mehrfach Erwähnung, jedoch überwiegend mit Bezug auf die Entscheidung einer Anerkennung bzw. Nichtanerkennung des Urteils. Thematisiert wird auch die Verpflichtung des Ausstellungsstaats, den Vollstreckungsstaat über die Begutachtung der verurteilten Person zu informieren, jedoch trifft er keinerlei Vorkehrungen für die von ihr bereits absolvierten Programme, ggf. ihre disziplinäre Situation, die Beschäftigungssituation und dergleichen mehr. Die meisten der befragten verurteilten Personen betonten in unserer Umfrage, dass das Überstellungsverfahren zwar zu Beginn ihrer Haftstrafe von Interesse sei, sie nach Antritt ihrer Strafe jedoch auch in den Genuss anderer Rechte und Privilegien kämen. Da das Überstellungsverfahren Zeit beansprucht, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass die verurteilten Personen bis zum Zeitpunkt der Überstellung Privilegien gesammelt hat. Wie aus den Fallstudien (siehe Anhang 2) deutlich wurde, zwingt das Fehlen dieser Informationen Aufsichtsrichter bzw. Justizbehörden dazu, die verurteilte Person als am Anfang ihrer Haftstrafe stehend einzustufen. Das bedeutet, dass sie mit einiger Wahrscheinlichkeit für den geschlossenen Vollzug und mit geringeren Privilegien usw. eingestuft werden und kann dazu führen, dass verurteilte Personen weniger geneigt sind, später einer Überstellung zuzustimmen. I.3. Das Fehlen einer Verpflichtung des Ausstellungsstaats, verurteilte Personen über die Haftbedingungen im Vollstreckungsstaat zu informieren In dem RB findet das Wort „Konsultation“, d. h. die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zum Austausch von Informationen über eine Reihe von Themen, mehrfach Erwähnung. Diese Verpflichtungen beziehen sich jedoch nur auf die gerichtliche Entscheidung der Anerkennung und Vollstreckung. Darüber hinaus wird die Zustimmung oder zumindest die Stellungnahme der verurteilten Person einige Male erwähnt, ohne jedoch zu regeln, dass diese Stellungnahme bzw. Zustimmung erst dann gegeben werden soll, wenn die verurteilte Person im Einzelnen über den Strafvollzug informiert wurde, in den sie überstellt werden soll. Wie aus Umfrage, Interviews und Fallstudien deutlich wurde, benötigen verurteilte Personen nähere Einzelheiten über den Strafvollzug, in den sie überstellt werden sollen, und zwar mit Bezug auf bedingte Entlassung, Nutzung von Begünstigungen/Rechten (Besuche, Urlaub, Korrespondenz, Intimbesuche usw.), Möglichkeit einer Beschäftigung usw. Darüber hinaus benötigen Sie nähere Informationen über das Überstellungsverfahren, insbesondere dessen Dauer. III. Hürden mit Bezug auf das Umsetzungsrecht Aufgrund der breiten Vielfalt der Rechtssysteme und -traditionen in der EU erlaubt der RB jedem Mitgliedstaat dessen eigene Umsetzung. In diesem Sinne gibt es in einigen Mitgliedstaaten zusätzliche Verweigerungsgründe, vom RB abweichende Definitionen des Resozialisierungsprinzips oder die Verpflichtung bestimmter Versagungsgründe (siehe auch den Bericht der Europäischen Kommission an das Europäische Parlament und den Rat, COM [2014] 57 final). Weitere Hürden können im Zusammenhang mit der Art und Weise gesehen werden, in der Zustimmung und Stellungnahme der verurteilten Person im Umsetzungsrecht geregelt sind. Es überrascht daher wenig, dass eine teilweise und unvollständige Umsetzung des RB zu großen Schwierigkeiten beim Anerkennungsverfahren führen kann und dadurch ein gegenseitiges Vertrauen auf dem Gebiet der Strafjustiz erschwert. III.1. Die Definition von „Resozialisierung“ Laut Absatz 9 des RB sollte die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats „dabei Aspekten wie beispielsweise der Bindung der verurteilten Person an den Vollstreckungsstaat Rechnung tragen und berücksichtigen, ob sie diesen als den Ort familiärer, sprachlicher, kultureller, sozialer, wirtschaftlicher oder sonstiger Verbindungen zum Vollstreckungsstaat ansieht“. Der RB sieht für die Mitgliedstaaten eine gegenseitige Konsultation über die Aussicht auf Resozialisierung vor einer Entscheidung für bzw. gegen die Überstellung einer verurteilten Person vor. Der Begriff „Resozialisierung“ wird von den Mitgliedstaaten jedoch ggf. unterschiedlich ausgelegt. III.2. Die Bestimmung des Begriffs „Aufenthalt“ und ihre Folgen Laut RB ist die Zustimmung der verurteilten Person in drei Situationen nicht erforderlich. Eine der schwierigsten Situationen mit Bezug auf Umsetzungsrecht und Praxis ist: „Die Zustimmung der verurteilten Person ist nicht erforderlich, wenn das Urteil zusammen mit der Bescheinigung an einen der folgenden Staaten übermittelt wird: (a) an den Mitgliedstaat der Staatsangehörigkeit, in dem die verurteilte Person lebt“ (Art. 6 Abs. 2 Buchst. a). In diesen Fällen ist eine Zustimmung des Vollstreckungsstaats nicht erforderlich (Art. 4 Abs.1 Buchst. a). In Abs. 17 des RB wird die Bedeutung dieses Ausdrucks bis zu einem gewissen Grade erläutert: „In dem die verurteilte Person lebt“. Damit ist der Ort gemeint, an den die verurteilte Person auf der Grundlage ihres gewöhnlichen Aufenthalts sowie Aspekten wie familiäre, soziale oder berufliche Bindungen verbunden ist. Im Umsetzungsrecht unterscheidet der spanische Gesetzgeber (Gesetz Nr. 23/2014) zwischen der Eigenschaft seines Landes als Ausstellungs- und als Vollstreckungsstaat. Wenn Spanien der Vollstreckungsstaat ist, kann er laut Gesetz des Landes ohne die Zustimmung der verurteilten Person oder eines spanischen Gerichts vorgehen, wenn die verurteilte Person die spanische Staatsbürgerschaft und ihren „Aufenthalt“ in Spanien hat (Art. 77.1.a und Art. 81.2.a). Ist Spanien der Ausstellungsstaat, wird die Definition weiter gefasst: Die verurteilte Person kann ohne ihre Zustimmung in den Staat überstellt werden, mit dem sie aufgrund des „gewöhnlichen Aufenthalts“ und aufgrund von Aspekten wie familiären, sozialen oder beruflichen Bindungen verbunden ist (Art. 67.2.a). Für die Überstellung in den Staat der Staatsangehörigkeit, in dem die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 71.2.a), ist die Zustimmung des Vollstreckungsstaats nicht erforderlich. Rumänisches Recht (Gesetz Nr. 300/2013) definiert den Staat „in dem die Person lebt“ als den Staat, zu dem die verurteilte Person „enge Bindungen aufgrund ihres gewöhnlichen Aufenthalts und sonstigen Aspekten wie familiären, sozialen, beruflichen und kulturellen Beziehungen hat“. In der Praxis führte die Formulierung „gewöhnlicher Aufenthaltsort“ zu zahlreichen Interpretationen: Ist die auf dem Personalausweis angegebene Adresse der Wohnort oder ist es der, an dem sich die Person in den letzten fünf Jahren aufgehalten hat? usw. Obschon der RB vorschreibt, dass sich die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats (sowie des Vollstreckungsstaats, sofern dessen Zustimmung erforderlich ist [Art. 4 Abs. 6]) davon „vergewissert hat, dass die Vollstreckung der verhängten Sanktion durch den Vollstreckungsstaat der Erleichterung der Resozialisierung der verurteilten Person dient“ (Art. 4 Abs. 2), besteht die Gefahr, dass der Aufenthalt der verurteilten Person (mitunter als gewöhnlicher oder normaler Aufenthalt bezeichnet oder interpretiert, anderenorts als offizieller Wohnsitz oder mehrjähriger Aufenthalt), als Interpretation des Begriffs „an dem die Person lebt“, als Grundlage für eine Annahme und damit als die einzige Grundlage dienen kann, auf der die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats das Urteil übermittelt oder auf der der Vollstreckungsstaat ggf. seine Zustimmung versagt. III.3 Als zwingend geregelte Versagungsgründe In Art. 9 des RB heißt es: „Die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats kann die Anerkennung des Urteils und die Vollstreckung der Sanktion versagen“. Das entscheidende Wort „kann“ erweckt hier in gewisser Weise die Vorstellung, dass es sich um eine wahlweise Entscheidung handeln könnte. Einige an dem Projekt beteiligte Mitgliedstaaten haben diese Bedingungen als zwingende Versagungsgründe festgelegt. In Spanien sind die Versagungsgründe unter Verwendung eines Verbs festgelegt, das die Vorstellung einer zwingenden Versagung vermittelt (Art. 85 des Gesetzes Nr. 23/2014), obschon in einigen Fällen der zwingende Charakter der Versagung nur dem Anschein nach besteht: Mitunter muss das Gericht die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats konsultieren oder eine Frist zur Erläuterung und Ergänzung oder Berichtigung von Informationen einräumen. In anderen Fällen kann das Gericht die Versagung durch eine Anpassung des Urteils vermeiden oder sogar eine aktive Rolle bei der Beseitigung von Hürden spielen (z. B. on Fällen von Immunität). Italien legt in Art. 13 der Rechtsanordnung die Versagungsgründe der Anerkennung durch das Berufungsgericht laut den Vorkehrungen von Art. 9 des RB fest. Somit hat der italienische Gesetzgeber das Ermessen der zuständigen Behörde mit Bezug auf die Bewertung der Versagungsgründe eliminiert, indem er sie als zwingenden Hinderungsgrund für eine Anerkennung vorschreibt. Unter rumänischem Umsetzungsrecht (Gesetz 302/2004, Art. 151 und Art. 155) sind die Versagungsgründe als zwingend festgelegt. Diese Form der Regelung der Versagungsgründe kann zu systematischen Verzerrungen zwischen Mitgliedstaaten beim Verfahren der Überstellung verurteilter Personen und das wiederum zu einem Verletzungsverfahren seitens der Kommission führen. IV. Hürden mit Bezug auf die Rechtspraxis In der Praxis können vielfältige Schwierigkeiten aufgrund zahlreicher zuständiger Behörden, Zugang zu Informationen über anhängige Verfahren (laufende Prozesse), Gerichtsanhörungen, Überlastung der Gerichte usw. auftreten. IV.1 Die zuständige Behörde Die zuständige Behörde wird von jedem an dem Projekt beteiligten Mitgliedstaat je nach den Umständen der verurteilten Person festgelegt: 1. Wenn Spanien der Ausstellungsstaat ist, ist bei bereits angetretener Strafe die zuständige Behörde das Strafvollstreckungsgericht bzw. für bestimmte Straftaten das Zentrale Strafvollstreckungsgericht. Wenn die Person die Strafe noch nicht angetreten hat, ist die zuständige Behörde das Strafgericht, das das Urteil gefällt hat. Wenn Spanien der Vollstreckungsstaat ist, ist die zuständige Behörde das Zentrale Strafgericht (sofern die Strafe noch nicht angetreten wurde) bzw. das Zentrale Strafvollstreckungsgericht (wenn die Strafe bereits angetreten wurde). 2. Wenn Italien der Ausstellungsstaat ist, ist die zuständige Behörde der Ankläger des Aufsichtsgerichts. Bei einem passiven Verfahren ist in Italien die zuständige Behörde das für den Wohnort der Person zuständige Berufungsgericht. 3. In Rumänien ist das Verfahren sowohl Rechts- als auch Verwaltungsangelegenheit. Das Justizministerium spielt als zentrale Behörde, die alle administrativen Aspekte des Verfahrens koordiniert, eine entscheidende Rolle. Wenn Rumänien der Ausstellungsstaat ist, ist das Aufsichtsgericht die zuständige Behörde. Wenn Rumänien der Vollstreckungsstaat ist, ist die zuständige Behörde das für den Wohnort der verurteilten Person zuständige Berufungsgericht. Obwohl bisher nur vier Gerichtsbarkeiten behandelt wurden, zeichnet sich bereits eine breite Vielfalt an Szenarien mit Bezug auf zuständige Behörden ab. Es ist daher voraussehbar, dass diese Vielfalt zumindest vorübergehend auch zu einer vielfältigen Praxis und einer geringen Vorhersehbarkeit und damit Rechtssicherheit führt. Diese Vielfalt ist insbesondere dort ausgeprägt, wo das Gesetz eine gewisse Deutungsbreite zulässt (siehe die Definition von „gewöhnlichem Aufenthalt“ in Rumänien). IV.2 Fristen Wie oben erwähnt, sind an Anerkennung und Überstellung zahlreiche juristische und nichtjuristische Behörden beteiligt. Dieses langwierige und komplexe Verfahren steht oftmals in einem Kontext bereits überlasteter Gerichte. Dieses Zusammentreffen verschiedener Faktoren zieht Verzögerungen nach sich, sodass die im RB vorgesehenen Fristen sicherlich nur den Charakter von Richtwerten haben. Unseren Umfragen zufolge werden Verzögerungen wenig zu einer positiven Beteiligung der verurteilten Personen an diesem Verfahren beitragen. Wie rumänische Verurteilte immer wieder betonten, hätten sie an einer Überstellung kein Interesse, wenn sie nicht zu Beginn ihres Strafantritts stattfindet. Hauptgrund hierfür sei die Tatsache, dass sie mit Strafantritt bereits in den Genuss der damit verbundenen Vergünstigungen kämen (z. B. mehr Freiheiten, Rechte, Gelegenheit für bezahlte Arbeit). Diese Fristen werden vom Gesetzgeber mitunter als zwingend und mitunter als Richtwerte bezeichnet. In Spanien entsprechen die Fristen denen des RB und sind als zwingend festgelegt. Der spanische Gesetzgeber verhängt abweichende Fristen für das Zentrale Gericht: 1) Zur Zusammenarbeit mit der zuständigen Behörde des Ausstellungsstaats mit Bezug auf die Anforderung von Informationen (20 Tage); 2) Zur Vertagung einer Anerkennungsentscheidung bei unvollständiger oder fehlerhafter Bescheinigung (maximal 60 Tage); 3) Zur Verkündung der endgültigen Entscheidung über die Anerkennung der Verurteilung (90 Tage, wobei umstritten ist, ob dieser Zeitrahmen bei einer Verzögerung aufgrund einer unvollständigen oder fehlerhaften Bescheinigung ausgesetzt wird; 4) Zur Überstellung der verurteilten Person (30 Tage ab endgültigem Gerichtsbeschluss über die Anerkennung der Verurteilung). Für das System zur Berechnung der Fristen gilt das Organgesetz der Gerichtsbarkeit. Italien hat sich für zwingende Fristen entschieden. Das italienische Recht sieht zwei verschiedene Fristen vor: eine für das aktive Verfahren (30 Tage für die Überstellung der verurteilten Person vom Tag der Mitteilung der endgültigen Entscheidung des Vollstreckungsstaats an das Justizministerium) und eine weitere für das passive Verfahren (60 Tage). Weiterhin ist die Möglichkeit einer Verlängerung der Frist um 30 Tage vorgesehen. Nach rumänischem Recht sind diese Fristen verbindlich. In der Praxis wird jedoch von einigen Befugten die Verwendung der Fristen als Richtwerte vorgeschlagen. Die an unserer Umfrage beteiligten verurteilten Personen beschwerten sich jedoch ausnahmslos über die Länge des Verfahrens und führten diese Problematik als Haupthindernis für eine effektive Umsetzung des RB an. IV.3 Anhängige Verfahren Bei den in Sevilla geführten Diskussionen wurde deutlich, dass das Anerkennungs- und Überstellungsverfahren von der Justizverwaltung selten eingeleitet wird, wenn gegen die verurteilte Person Strafverfahren anhängig sind. Darüber hinaus verhindert der Informationsfluss zwischen den verschiedenen Zweigen des Justizwesens (z. B. in Spanien), dass der für die Überstellung zuständige Richter schnellen Zugriff auf die Datenbanken der Strafgerichte hat, ob gegen eine bestimmte Person Strafverfahren anhängig sind. In diesem Fall bleibt dem Aufsichtsrichter in Spanien nur das Abwarten einer angemessenen Frist (ohne genaue Angabe), bis Sicherheit besteht, dass gegen die zu überstellende Person keine weiteren Strafverfahren mehr anhängig werden. Diese Praxis kann zu Verzögerungen und Frustrationen seitens der verurteilten Personen führen. In Spanien können neue Verurteilungen gegen dieselbe verurteilte Person unter bestimmten Bedingungen frühere Verurteilungen beeinflussen und das Maß der insgesamt zu verbüßenden Strafe begrenzen. Diese Strafmaßbegrenzungen sind im spanischen Strafgesetzbuch geregelt und durch Gerichtsbeschluss des Richters bestimmt, der das letzte Urteil gefällt hat. Es handelt sich daher nicht so sehr um die Vollstreckung von Urteilen, sondern vielmehr um deren Modifizierung. Der Ausstellungsstaat erwartet dann, dass die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats den Gerichtsbeschluss über das aus den diversen Urteilen resultierende Gesamtstrafmaß respektiert (ungeachtet einer gleichzeitigen oder anderweitigen Übermittlung). Das ist jedoch nicht immer der Fall. Zur Klärung und Beilegung derartiger Situationen durch Konsultation und Vereinbarungen ist Art. 17 Abs. 3 Buchst. 4 vorgesehen. IV.4 Bedingte und andere Formen der vorzeitigen Entlassung Die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung sind in allen vier Staaten recht ähnlich (verurteilte Personen haben nach Verbüßung von zwei Dritteln ihrer Strafe Anspruch auf bedingte Entlassung). In der Praxis gibt es in den vier Ländern jedoch mit Bezug auf ausländische Verurteilte deutliche Unterschiede. Da sie häufig keinen festen Wohnsitz nachweisen können oder auch andere Voraussetzungen für Ausgang und sonstige Formen der Vorbereitung auf die Entlassung nicht erfüllen, muss in Spanien die überwiegende Zahl der rumänischen Verurteilten ihre Gesamtstrafe vollständig oder nahezu vollständig verbüßen. Infolge der Prozesse Sulejmanovic gegen Italien und Torreggiani gegen Italien, bei denen der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Pilotgerichtsverfahren verfügte, wurde in Italien die Gesetzesverordnung Nr. 146/2013 eingeführt, laut der Haftzeiten jedes Halbjahr reduziert werden, und der Einsatz von elektronischen Fußfesseln erweitert usw. Damit ähneln die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung denen in Rumänien. Darüber hinaus gibt es in Italien weitere Formen der Haftzeitverkürzung. Dies führt dazu, dass in Italien verurteilte Rumänen geringeres Interesse an einer Überstellung nach Rumänien haben. In Rumänien werden ca. 80 % der verurteilten Personen bedingt entlassen. Daher sind in Spanien verurteilte Rumänen zumindest in einem gewissen Maße an einer Überstellung interessiert, um den Rest ihrer Strafe in Rumänien zu verbüßen. IV.5 Schwierigkeiten beim Ausfüllen der Bescheinigung Im Laufe der Diskussionen in den Workshops und Projektsitzungen wurde deutlich, dass einige Richter Schwierigkeiten beim Ausfüllen der Bescheinigung hatten. Unvollständig oder fehlerhaft ausgefüllte Bescheinigungen können dazu führen, dass deren Anerkennung versagt wird oder sich das Verfahren verzögert. V. Hürden mit Bezug auf die praktische Umsetzung der Überstellung V.1. Sprache und Kosten Eigenen Angaben zufolge verwenden meisten Mitgliedstaaten beim Ausstellen der Bescheinigung nur ihre eigene(n) Sprache(n). Die dadurch notwendigen Übersetzungen verursachen hohe Kosten, aber auch Verzögerungen. So werden z. B. in Italien alle Bescheinigungen zum Übersetzen an das Justizministerium geschickt. Dies ist allem Anschein nach mit einem hohen Kosten- und Zeitaufwand für die italienischen Behörden verbunden, die für die Bearbeitung der Überstellungen zuständig sind. In einigen Fällen sind die Übersetzungen von unzureichender Qualität, was zu Rückfragen des Vollstreckungsstaats zwecks der Beseitigung von Unklarheiten und damit zu weiteren Verzögerungen führt. V.2 Feststellung der Identität der verurteilten Person Die Workshop-Diskussionen in Sevilla und Brescia ergaben, dass einige ausländische Verurteilte über keine Personaldokumente verfügen und ihre Identität daher vom Ausstellungsstaat auf andere Weise festgestellt werden muss. Dem Anschein nach verlaufen die damit verbundenen Verfahren jedoch nicht immer problemlos, sodass der Ausstellungsstaat mitunter gehalten ist, das Urteil für eine Person anzuerkennen, die im Melderegister nicht verzeichnet ist. Ein weiteres damit verbundenes Problem ist die korrekte Übertragung des Namens der verurteilten Person. Das spanische und das rumänische Alphabet enthalten diakritische Zeichen, die es nur in diesen Sprachen gibt. V.3 Gravierende Unterschiede bei den Haftbedingungen Verurteilte Personen wiesen immer wieder darauf hin, dass zwischen den Haftbedingungen in Spanien und Italien einerseits und Rumänien andererseits gravierende Unterschiede bestehen. Aspekte wie Aufschlusszeiten, Zellengröße, Betten usw. lassen einige rumänische Verurteilte zweifeln, ob sie wirklich überstellt werden möchten. Diese Unterschiede finden auch in Berichten des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter (CPT) und im Rechtsdenken des EGMR Bestätigung. V.4 Der Mangel an Informationen für verurteilte Personen Während der Interviews mit in Italien und Spanien verurteilten Rumänen betonten die Befragten, dass verurteilte Personen keinen Zugang zu Informationen über die Möglichkeit einer Überstellung, den rumänischen Strafvollzug, die Vollstreckung von Haftstrafen in Rumänien, die Voraussetzungen für bedingte Entlassung oder den Ablauf des Überstellungsverfahrens usw. haben. Vor diesem Hintergrund sei die Entscheidungsfindung über eine Überstellung in voller Kenntnis der Sachlage schwierig. V.5 Mangelnde Zusammenarbeit zwischen den Strafvollzugsverwaltungen in Europa Die untersuchten Fallstudien zeigen deutlich, dass es zwischen den Strafvollzugsverwaltungen in Europa keine Zusammenarbeit gibt. Das einzige Dokument in der Gefängnisakte der überstellten Personen war die rumänische Gerichtsentscheidung zur Anerkennung der von einem Richter eines anderen EU-Staats verhängten Haftstrafe. Die rumänische Strafvollzugsbehörde erhielt keinerlei Informationen über die Begutachtung der verurteilten Personen, die von ihnen im Ausstellungsstaat absolvierten Programme, ihre Führung während der Haft usw. Das hatte die Folge, dass die verurteilten Personen von den rumänischen Behörden behandelt wurden, als träten sie gerade ihre Haftstrafe an, obwohl sie bereits einen Großteil ihrer Strafe im Ausstellungsstaat verbüßt hatten. Sie wurden alle für den geschlossen Vollzug eingestuft, was für sie mit weniger Freiheiten, die Teilnahme an weniger Programmen und generell weniger Möglichkeiten usw. verbunden war. V.6 Die Arbeit mit psychisch kranken Personen Wie aus zahlreichen wissenschaftlichen Schriften und Richtlinienpapieren hervorgeht, leiden viele verurteilte Personen an psychischen Erkrankungen. Das Arbeiten mit diesem Personenkreis gestaltet sich im Kontext des Strafvollzugs generell sehr schwierig. Die Überstellung ist für diese Betroffenen sehr häufig eine große Belastung, insbesondere wenn sie ohne ihre Zustimmung und Mithilfe durchgeführt wird. Daher sollte der Arbeit mit diesem Kreis verurteilter Personen ein besonderes Maß an Aufmerksamkeit zukommen. Die medizinischen Mitarbeiter im Strafvollzug der verschiedenen Mitgliedstaaten sollten zusammenarbeiten und Informationen austauschen, um ein ethisch akzeptables und effektives Überstellungsverfahren zu ermöglichen. B. Lösungen Im Laufe der Diskussionen könnte das Projetteam bestätigen, dass sämtliche dieser Hürden auf die relative Neuheit des Rechtsinstruments auf dem Gebiet der gegenseitigen Anerkennung von Haftstrafen zurückzuführen sind. Obwohl auf diesem Gebiet aufgrund des Übereinkommens des Europarates über die Überstellung verurteilter Personen von 1983 (mit dem Zusatzprotokoll von 1997) bereits einige Erfahrungen vorliegen, enthält der RB einige Neuerungen, durch die eine Umsetzung durch die Mitgliedstaaten eine gewisse Herausforderung darstellt (Mangel an Zustimmung der verurteilten Person in bestimmten Fällen, die Wahl der zuständigen Behörden in den einzelnen Mitgliedstaaten usw.). Die meisten der vom Projektteam entwickelten Lösungen könnte in ein Dokument über Umsetzungsrichtlinien aufgenommen werden, um von der Kommission an die Mitgliedsstaaten verteilt zu werden. Ziel dieser Richtlinien wäre die Interpretation und Klärung einiger Vorkehrungen des RB. Die Richtlinien könnten folgende Punkte enthalten, die zur Erleichterung der Umsetzung des RB 909 beitragen könnten: 1. Der Begriff „Resozialisierung“ sollte als offenes Konzept ausgefasst werden. Die im Wortlaut des RB vorgeschlagenen Kriterien haben keinen ausschließlichen, sondern lediglich beispielhaften Charakter. Bei der Einschätzung der Aussichten auf Resozialisierung sollten die zuständigen Behörden fallweise vorgehen und auch Beschäftigungsmöglichkeiten, das Vorliegen von Krankenversorgung inner- und außerhalb des Strafvollzugs usw. in Betracht ziehen. Die Verfügbarkeit von Behandlungsprogrammen und geeigneten Haftbedingungen könnte bei der Einschätzung der Resozialisierung ebenfalls in Betracht gezogen werden. 2. Die Übersetzung des Verweises auf den Staat, in dem die verurteilte Person „wohnt“ als dem Staat ihres „Aufenthalts“ (mitunter als gewöhnlicher oder normaler Aufenthalt beschrieben oder interpretiert, anderenorts als offizieller Wohnsitz oder mehrjähriger Aufenthalt) sollte nicht zu einer Annahme bezüglich der Aussicht auf Resozialisierung führen (weder zwingend noch widerlegbar) und damit auch nicht zur automatischen Übermittlung des Urteils oder zu einer automatischen Versagung der Anerkennung auf Grundlage eines solchen Aufenthalts. Es sollte deutlich sein, dass trotz der Tatsache, dass durch das Nichtvorhandensein eines Aufenthaltsorts im Ausstellungsstaat ein Aspekt bei der Beurteilung der Schwierigkeit einer Resozialisierung ist (und damit ein Grund für die Übermittlung des Urteils an einen anderen Mitgliedstaat, insbesondere den Staat, dessen Staatsangehörigkeit die verurteilte Person hat und in dem sie „lebt“), dies die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats nicht von ihrer Pflicht entbindet, auch andere Aspekten der Resozialisierung zu berücksichtigen (ggf. im Anschluss an Konsultationen mit dem Vollstreckungsstaat über diese Aspekte). Es sollte ebenfalls deutlich sein, dass trotz der Tatsache, dass durch das Nichtvorhandensein eines Aufenthaltsorts im Vollstreckungsstaat vor der Übermittlung des Urteils die Zustimmung der zuständigen Behörde dieses Staats benötigt wird (Art. 4 Abs. 1), und obwohl dieses Nichtvorhandenseins eines Aufenthaltsorts ein Aspekt bei der Beurteilung der Schwierigkeit einer Resozialisierung im Vollstreckungsstaat ist, die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats nicht von ihrer Pflicht entbindet, auch andere Aspekten der Resozialisierung zu berücksichtigen (Art. 4 Abs. 6). 3. Mit Bezug auf den zwingenden Charakter von Versagungsgründen sollte die Kommission für die zukünftige Bewertung des Umsetzungsverfahrens erwägen, die Verwendung von „kann“ in Art. 9 Abs. 1 nicht in jedem Fall wörtlich interpretieren zu lassen, sondern stattdessen im Einzelfall den Grundgedanken zu prüfen. So stellen sich dem System schon im Ansatz Hürden in den Weg (die in Art. 4 Abs. 1 aufgeführten Kriterien), wenn der Richter das Urteil selbst ohne Erfüllung dieser Kriterien anerkennen kann (siehe Art. 9 Abs. 1 Buchst. b). In anderen Fällen spielen konstitutionelle Grundsätze und europäische Grundrechte (z. B. der Grundsatz ne bis in idem) bei der Versagung eine Rolle und verhindern, dass ein Richter nach Ermessen handeln kann. In einigen Fällen scheint das Verb „kann“ nur eine Pflicht zur Berücksichtigung einiger Versagungsgründe durch Verweis auf geeignete Konsultationen zwischen den Behörden zu sein oder die Gelegenheit zur Vervollständigung bzw. Berichtigung (siehe Art. 9 Abs. 3). 4. Die Mitgliedstaaten sollten dazu angehalten werden, ihrer jeweiligen zuständigen Behörde und Strafvollzugsverwaltung die Einhaltung der kürzesten Fristen vor der Übermittlung der Bescheinigung nahezulegen. Als Richtwert sollte das Verfahren im Ausstellungsstaat auf maximal 30 Tage begrenzt und diese Frist in Ausnahmefällen um 60 Tage verlängert werden. Die Frist sollte mit dem Eingang des Antrags der verurteilten Person bzw. der Strafvollzugsverwaltung bei der zuständigen Behörde beginnen oder wenn die zuständige Behörde eine amtliche Entscheidung erteilt, von Amts wegen tätig zu werden. Die Verfahrensrechte des Ausstellungsstaats sollten gestärkt werden: Recht auf Information, Recht auf einen Anwalt usw. 5. Die Mitgliedstaaten, die eine enge Zusammenarbeit bei der Umsetzung von RB 909 betreiben, könnten ein Dokument erarbeiten, das diese Zusammenarbeit detailliert darlegt. Dazu könnte u. a. gehören: Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der Beteiligten, spezielle Interpretationen verschiedener Vorkehrungen (z. B. „Aufenthalt“), Konsultationsverfahren usw. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Absichtserklärung2 zwischen Rumänien und Italien (siehe Anhang 3). Medizinische Aspekte mit Bezug auf die psychische Gesundheit sollten ebenfalls in diese Protokolle aufgenommen werden. Konsularische Vertretungen könnten mit Bezug auf Personal- und andere amtliche Dokumente ebenfalls beteiligt werden. 6. Die Mitgliedstaaten sollten dazu angehalten werden, sich gegenseitig über die Fortschritte von verurteilten Personen im Ausstellungsstaat zu informieren. Dazu sollte u. a. gehören: Begutachtungen, Behandlungsprogramme, Beschäftigung, Gesundheit, disziplinarische Angelegenheiten, Belohnungen, Vollzugsbedingungen usw. Diese Informationen sollten in synthetischer Form und zeitgleich mit der Übermittlung der Bescheinigung oder spätestens bei Überstellung der Person vorgelegt werden. 7. Die Mitgliedstaaten sollten dazu angehalten werden, in Art. 17 Abs. 3 und Abs. 4 RB vorgesehene Vereinbarungen über vorzeitige oder bedingte Entlassung zu treffen. Derartige Vereinbarungen könnten verurteilten Personen Sicherheit mit Bezug auf den Zeitrahmen und die notwendigen Voraussetzungen für eine vorzeitige oder bedingte Entlassung in den Vollstreckungsstaat bieten und darüber hinaus dafür sorgen, dass Führung und Fortschritte der verurteilten Personen im Strafvollzug des Ausstellungsstaats berücksichtigt werden. Gute fachliche Praxis könnte hier Ersuchen oder Zustimmungen von Personen zur Überstellung begünstigen. 8. Es sollten konkrete Strukturen entwickelt werden, um verurteilte Personen über Haftbedingungen und Aussichten auf Resozialisierung im Vollstreckungsstaat zu informieren. Verurteilte Personen sollten in der Lage sein, die Abgabe von Stellungnahmen oder Zustimmung aufgrund verlässlicher Informationen vorzunehmen. Ein Beispiel wäre die von den an diesem Projekt Beteiligten ausgearbeitete Broschüre für rumänische Verurteilte (siehe Anhang 4). Ein weiteres Beispiel wäre die Einrichtung einer Hotline für in England verurteilte Jamaikaner und eine für diese Personengruppe produzierte DVD, die das Abschiebeverfahren und die Rechte der verurteilten Personen erläutert. Diese Ressourcen könnten durch bekannte europäische Netzwerke bereitgestellt werden (EuroPris, JPEN usw.). Durch eine gute Informationsversorgung der verurteilten 2 Personen über Haftbedingungen, bedingte Entlassung und Die Mitgliedstaaten sollten jedoch darauf achten, die Umsetzung des RB durch die Einführung neuer Konzepte oder durch Konzepte, die nicht der Philosophie des RB entsprechen, zusätzlich zu verkomplizieren. Resozialisierungsprogramme würde auch die Zahl der Beschwerden nach Überstellung zurückgehen. 9. Der verurteilten Person wäre bei der Formulierung einer sachkundigen Stellungnahme oder Zustimmung durch die Verwendung einheitlicher Formblätter geholfen. Diese Formblätter könnten für die verurteilten Personen folgendes aufführen: - die verschiedenen Aspekte, die von der zuständigen Behörde bei der Entscheidungsfindung über die Urteilsübermittlung berücksichtigt werden und die ihrer Meinung oder den von ihnen anzugebenden Informationen Relevanz verleihen (z. B. das Aufführen verschiedener relevanter Bindungen zur Feststellung der Aussichten auf Resozialisierung, das Anfordern ihrer persönlichen Perspektive oder Angeben relevanter Informationen), - die Folgen der Zustimmung (insbesondere die Ausnahme vom Spezialitätsprinzip (Art. 18 Abs. 2 Buchst. e), - die Folgen der Überstellung (insbesondere die Anwendung des Vollstreckungsrechts im Vollstreckungsstaat mit Bezug auf vorzeitige oder bedingte Entlassung und, soweit möglich, die laut Art. 17 Abs. 3 und 4 getroffenen Vereinbarungen). 10. Die zuständigen Behörden sollten im Ausfüllen der Bescheinigung geschult werden. Diese Schulung sollte gemeinsam mit zuständigen Behörden stattfinden, die häufiger zusammenarbeiten (z. B. Rumänien mit Italien bzw. Spanien). Ein besonderes Augenmerk ist dabei auf die Abschnitte zu richten, die sich mit der Stellungnahme der verurteilten Person befassen. In der Bescheinigung sollte ausdrücklich darauf hingewiesen werden, ob die Zustimmung der verurteilten Person vorliegt und auf was sie sich bezieht. Besondere Beachtung sollte auch der richtigen Schreibweise von Namen und der Verwendung der für die verschiedenen Laute korrekten Zeichen geschenkt werden. 11. In den Mitgliedstaaten, in denen es für ein- oder abgehende Fälle mehr als eine zuständige Behörde gibt, sollte eine zentrale Behörde mit der Rolle einer Dokumentationsstelle geschaffen werden. Diese Behörde sollte die Verwaltungsangelegenheiten der gegenseitigen Anerkennung koordinieren und würde für eine einheitlichere Praxis sorgen (siehe z. B. die Rolle des Justizministeriums in Rumänien). Sobald der Kontakt zwischen den Behörden von Ausstellungs- und Vollstreckungsstaat hergestellt ist, könnte die koordinierende Behörde in den Hintergrund treten, um Konsultationen und Vereinbarungen zu ermöglichen und zu beschleunigen. 12. Die Mitgliedstaaten sollten dazu angehalten werden, Fälle mit gegenseitiger Anerkennung zu überwachen, um festzustellen, wie viel Zeit die einzelnen Stufen des Verfahrens benötigen, und die ggf. notwendigen Maßnahmen ergreifen, um das Verfahren zu verkürzen und effektiver zu gestalten. In diesem Zusammenhang wären Vorab-Konsultationen ein geeigneter Weg, um Zeitaufwand für Berichtigungen und Nachfragen nach zusätzlichen Informationen zu vermeiden. 13. Es ist eine Tatsache, dass nicht alle Fälle dasselbe Maß an Komplexität aufweisen, und dass größere Komplexität mit Verzögerungen bei den Abläufen verbunden ist. Nationale Behörden sollten sich dieser Tatsache bewusst sein und der Bearbeitung der einfachsten Fälle Vorrang geben. Fälle mit Zustimmung der verurteilten Person ließen sich dadurch schneller bearbeiten und sollten daher Vorrang vor von Amts wegen eingeleiteten Fällen haben. Bei dieser Regelung wäre die Zusammenarbeit der Strafvollzugsverwaltung von Nutzen, wenn sie die für eine Überstellung geeigneter Fälle im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereichs feststellt und diese Informationen an die zuständigen Behörden weiterleitet. 14. Selbst mit der Zustimmung der verurteilten Person ist das Verfahren jedoch komplexer, wenn Identität und Wohnort dieser Person fraglich sind. In diesen Fällen wäre es eine Hilfe, wenn der Verwaltungsstatus der verurteilten Person im Vorfeld des Ersuchens um Überstellung geregelt bzw. geklärt werden könnte. Die Strafvollzugsverwaltung kann - ggf. in Zusammenarbeit mit der verurteilten Person - eine solche Regelung bzw. Klärung ermöglichen, sofern sich diese Person für eine Überstellung entscheidet. 15. Es können Normen oder Protokolle für die Strafvollzugsverwaltung geschaffen werden, um Fällen, in denen die verurteilte Person ihre Bereitschaft zur Überstellung zum Ausdruck bringt, Vorrang zu geben, diesen beim Ausfüllen des Überstellungsersuchens zu helfen und ggf. ihre Situation mit Bezug auf Identität und Wohnort im Vollstreckungsstaat zu regeln. 16. Die Mitgliedstaaten sollten dazu angehalten werden, interne/nationale zwischenbehördliche Mechanismen zu schaffen, um eine Fragmentierung und Verzögerungen des Verfahrens zu vermeiden. Alle Beteiligten sollten in klare Kommunikationsverfahren eingebunden werden. Konsularische Vertretungen sollten ebenfalls in diese nationalen Netze mit einbezogen werden, um ggf. Probleme im Zusammenhang mit der Identitätsfeststellung verurteilter Personen lösen zu können. 17. Die Mitgliedstaaten sollten dazu angehalten werden, neben der Landessprache weitere Sprachen zu verwenden, insbesondere bei der Erstellung begleitender Dokumente. Bescheinigungen und Urteile können in den Sprachen verfasst sein, die in den an das Sekretariat gesendeten Benachrichtigungen aufgeführt sind. Andere Dokumente sollten jedoch auch in einer für alle Beteiligten verständlichen Sprache vorliegen. Mit Blick auf die Zukunft waren einige Mitglieder des Netzwerks der Meinung, dass sich die Kommission um die Formulierung EU-weiter Mindestanforderungen für Haftbedingungen und bedingte Entlassungen bemühen sollte. Vergleichbare Haftbedingungen und ähnliche Bedingungen für das Ersuchen um bedingte oder sonstige Formen der vorzeitigen Entlassung könnte verurteilte Personen davon abhalten, „Forum-Shopping“ zu betreiben und stattdessen stärker auf die Resozialisierung zu setzen. Nach Empfehlung einiger Mitglieder des Netzwerks wäre ein möglicher Weg zu diesem Ziel die Beteiligung der Kommission an der Entwicklung der Infrastruktur im Strafvollzug, insbesondere in den Staaten, in denen laut CPT-Bericht unmenschliche und menschenunwürdige Zustände herrschen. Diese Entwicklung sollte die Verbesserung von Haftbedingungen zum Ziel haben und nicht zu einem Zuwachs der Gefängnispopulation führen. Es sollten besondere Vorkehrungen getroffen werden, um einen Anstieg der Gefängnispopulation zu verhindern (z. B. könnte man den Anspruch auf Teilnahme an diesem Infrastrukturprogramm auf Staaten beschränken, die unterhalb der durchschnittlichen Belegungsrate in Europa liegen). Zur Vermeidung von Auswirkungen auf die Menschenreche sollte sich die Kommission aktiver an der Konsolidierung der Verfahrens- und grundlegenden Rechte für verurteilte Personen beteiligen. Literaturverzeichnis: Canton, R. (im Erscheinen) Social rehabilitation (persönliche Korrespondenz) Maguire, M. und Raynor, P. (2006) How the resettlement of prisoners promotes desistance from crime Or does it? Criminology and Criminal Justice, 6 (1), 19-38 Robinson, G. und Crow, I. (2009) Offender Rehabilitation: Theory, Research and Practice, London: Sage Wree, E., Beken, T, V. und Vermulen, G. (2009) The transfer of sentenced persons in Europe, Punishment and Society 11(1): 111-128 Anhang 1 Fallstudien zur Überstellung zwischen England und Rumänien Fallstudie 1 – VM Diese Fallstudie befasst sich mit einem rumänischen Verurteilten, der im Dezember 2014 von England nach Rumänien überstellt wurde. Zur Hintergrundinformation: Bei der verurteilten Person handelte es sich um einen 45-Jährigen, der verheiratet war und vier Kinder hatte. Zum Zeitpunkt seiner Überstellung lebte seine Familie in Spanien und war in der Landwirtschaft beschäftigt. Er war wegen Vergewaltigung angeklagt und zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Er befürwortete eine Überstellung. Er floh 2007 nach England, um sich einem 2006 in Spanien ausgestellten Haftbefehl mit einem zugrunde liegenden Urteil von vier Jahren und neun Monaten zu entziehen. In England wurde er 2009 verhaftet und wegen Besitzes gefälschter Dokumente zu acht Monaten Gefängnis verurteilt. Zum Zeitpunkt seiner Verhaftung stellten die Behörden seinen richtigen Namen fest und damit auch den spanischen Haftbefehl wegen Zuhälterei. Nach Verbüßung seiner achtmonatigen Haftstrafe in England wurde sein Fall 2012 von Interpol übernommen. Der Verurteilte wurde nach Spanien ausgeliefert, um dort seine Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten anzutreten. Als er 2002 der Kommission wegen einer Urlaubsbewilligung vorgestellt werden sollte, wurde diese abgelehnt, da während seiner Inhaftierung in Spanien ein Europäischer Haftbefehl aus England eintraf. Vor einem Madrider Gericht wurden ihm die Handlungen vorgeworfen, derer er in England beschuldigt wurde, und er erklärte sich zu einer Überstellung für eine richterliche Entscheidung bereit. Im Jahr 2009 wurde er von den britischen Behörden aufgrund des Vorwurfs der Vergewaltigung seitens einer seiner Mieterinnen verhaftet. Er bestritt die Vorwürfe und blieb während der laufenden Untersuchungen auf freiem Fuß. Nach einem Monat wurde ihm mitgeteilt, dass der Vorwurf zurückgezogen und die Anklage fallengelassen worden sei. Im folgenden Jahr wurde der Fall aufgrund derselben Anschuldigungen wieder aufgerollt. Am 28. Dezember 2012 wurde er nach Manchester überstellt, wo nach einer sechsmonatigen Wartezeit auf seine Verhandlung am 8. Juli 2013 die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren wegen Vergewaltigung erfolgte. Er wurde wieder nach Spanien überstellt, um dort den Rest seiner Haftstrafe von vier Jahren und neun Monaten zu verbüßen, und kehrte anschließend nach England zurück, wo er seine Strafe von 15 Jahren antrat. Einen Monat nach seiner Rückkehr nach England, im Februar 2014, beantragte er seine Überstellung nach Rumänien. Er begründete seinen Schritt mit der Tatsache, dass seine Freunde und Familie noch in Spanien lebten, sowie der Belastung aufgrund mangelnder Englischkenntnisse. Er besprach seine Entscheidung zur Überstellung nach Rumänien mit seiner Familie, da eine Überstellung nach Spanien die Aufgabe seiner rumänischen Staatsbürgerschaft bedeutet hätte. Die für die Überstellung notwendigen Informationen erhielt er von der für Auslieferungen zuständigen Justizverwaltung in Manchester. Zur Verständigung beauftragte die Justizverwaltung einen Dolmetscher. Der erste Schritt zur Überstellung war sein Antrag auf Auslieferung an das Innenministerium, den er im Gefängnis stellte. Hilfe erhielt er von einem Justizangestellten, der sich mit Auslieferungen befasste. Dieser sprach auch Spanisch, was die Verständigung mit der verurteilten Person erleichterte. Nachdem er seinen Antrag gestellt und dann einen Monat gewartet hatte, ohne eine Antwort zu bekommen, behauptete die verurteilte Person, einen dreimonatigen Hungerstreik begonnen zu haben3. Während dieser Zeit wurde der Gefangene in der Haftanstalt mehrmals von Vertretern der Botschaft besucht, die sich nach seinem Befinden erkundigten. Im August 2014 erhielt er von den rumänischen Behörden den endgültigen Bescheid, dass seinem Wunsch auf Überstellung stattgegeben wurde, und im Dezember wurde er nach Rumänien, in die Haftanstalt Rahova überstellt. Das Strafmaß wurde nicht angepasst. Im Februar 2015 wurde er in die Haftanstalt in Giurgiu überführt, wo er den Rest seiner 15-jährigen Strafe verbüßen wird. Die verurteilte Person ist mit ihrer Entscheidung zufrieden, obwohl sie mit Vor- und Nachteilen verbunden ist. Die Haftbedingungen und das Aktivitätsangebot sind schlechter. Das langsame Verstreichen der Zeit aufgrund des Mangels an Betätigung ist ein Nachteil, wohingegen die Besuche von Freunden und einem Neffen ein Vorteil sind. 3 In den Gefängnisunterlagen gibt es keine Hinweise auf diesen Hungerstreik. Fallstudie 2 – NA Diese Fallstudie befasst sich mit einem rumänischen Verurteilten, der im November 2013 von England nach Rumänien überstellt wurde. Bei dem Gefangenen handelt es sich um einen 27Jährigen, der verheiratet und kinderlos ist. Aufgrund der Tatsache, dass er während seiner Haftzeit geheiratet hat, verlor er den Kontakt zu seiner Frau und weiß derzeit nicht, wo sie sich aufhält. Er wurde am 7. August 2009 in Rumänien aufgrund eines Europäischen Haftbefehls verhaftet und einige Tage später nach England ausgeliefert, wo Anklage wegen Vergewaltigung und Menschenhandels gegen ihn erhoben wurde. Er wurde durch einen Rechtsanwalt von Amts wegen vertreten und zu einer Haftstrafe von 21 Jahren verurteilt, die nach Berufung des Staatsanwalts in lebenslänglich umgewandelt wurde. Die verurteilte Person beteuert ihre Unschuld und gibt an, nur der Fahrer der Mädchen gewesen zu sein, und dass es keine DANN- oder sonstige Sachbeweise gäbe, die diese Anklage rechtfertigten. Die Mädchen wurden von den britischen Behörden wegen Prostitution verhaftet und zu einer Gefängnisstrafe von sechs Monaten verurteilt. Sechs Monate nach ihrer Verhaftung sagten sie aus, von der fraglichen verurteilten Person vergewaltigt und zur Prostitution gezwungen worden zu sein. Unmittelbar nach seiner Verurteilung im August 2011 leitete der Gefangene ein Verfahren zur Überstellung nach Rumänien ein. Er sandte die Unterlagen selbst an das Justizministerium in Rumänien, beantragte aber die Überstellung ebenfalls vom Gefängnis aus auf dem Amtsweg, d. h. er sandte dieselben Dokumente an die Strafvollzugsverwaltung. Die per Post versandten Papiere kamen in Rumänien an, die über die Gefängnisverwaltung geleiteten jedoch nicht. Dasselbe war bei allen von der verurteilten Person zu unterzeichnenden Dokumenten der Fall; sie gingen verloren bzw. ihre Zustellung dauerte Monate. Der erste Überstellungsantrag wurde abgelehnt, da die britischen Behörden von ihren rumänischen Amtskollegen die Beibehaltung der lebenslänglichen Haftstrafe verlangten. Nach rumänischem Recht kann eine lebenslange Haftstrafe jedoch nur bei Mordanklage verhängt werden. Die Höchststrafe für Menschenhandel und Vergewaltigung beträgt hingegen 18 Jahre. Die Überstellung wurde von den britischen Behörden abgelehnt. Beim zweiten Antrag auf Überstellung kann es zu langen Verzögerungen aufgrund von Fehlern beim Ausfüllen der Formulare durch die Strafvollzugsverwaltung. Nachdem der Gefangene lange vergeblich auf eine Antwort geartet hatte, trat er in den Hungerstreik4. Während des Hungerstreiks erhielt der Vater des Gefangenen einen Termin beim Außenminister in Bukarest. Dieser setzte sich mit der rumänischen Botschaft in London in Verbindung, die wiederum Vertreter in die Haftanstalt sandte, um sich ein Bild vom Befinden des Gefangenen zu machen. Nach diesem Besuch im Sommer 2013 wurden die Überstellungspapiere von England nach Rumänien geschickt. Das Berufungsgericht in Bukarest wandelte das lebenslängliche Urteil in eine 18-jährige Haftstrafe um, und die verurteilte Person stimmte der Überstellung zu. Zwei Jahre nach Beginn des Überstellungsverfahrens wurde der Gefangene im Herbst 2013 nach Rumänien überstellt, wo er von seinen Eltern und Brüdern besucht werden kann. Nach sechs Jahren Haftverbüßung bemüht er sich derzeit mit allen verfügbaren Rechtsmitteln um den Beweis seiner Unschuld. Fallstudie 3 – GA Der Gefangene ist ein rumänischer Staatsbürger im Alter von 40 Jahren und wurde am 31. Januar 2014 von Großbritannien nach Rumänien überstellt. Er ist ledig, jedoch lebt der größte Teil seiner Familie in Rumänien. Er kam 1998 nach England und arbeitete dort bis 2005 legal als Bauleiter. Nachdem es zwischen zwei Banden zu Gewalttätigkeiten und in diesem Zusammenhang zu einem Todesfall gekommen war, wurde die verurteilte Person am 26. September 2006 wegen Mordes verhaftet und im darauffolgenden Jahr zu lebenslänglicher Haft mit einer Mindesthaftzeit von 21 Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil legte er Berufung ein, und nach fünf Jahren wurde ein neues Gerichtsverfahren eingeleitet, das 2012 zu demselben Ergebnis wie das ursprüngliche Verfahren kam. Er verbüßte neun Jahre seiner Strafe in England, davon 23 Monate in der Haftanstalt Belmarsh und fast sieben Jahre in der Haftanstalt Swaleside. 4 Laut eigener Aussage des Gefangenen. In den Gefängnisunterlagen gibt es keine Hinweise auf diesen Hungerstreik. Im Anschluss an eine erfolglose Berufung beantragte er im Mai 2012 seine Überstellung nach Rumänien, nachdem er durch die Strafvollzugsverwaltung von dieser Möglichkeit erfahren hatte. Als ersten Schritt sollte er im Gefängnis einen Antrag beim NOMS stellen. Zur Beschleunigung des Verfahrens sollte er auf Empfehlung seines Rechtsanwalts auch einen rumänischen Anwalt bestellen, der ihn über die Vorgänge in Rumänien auf dem Laufenden halten sollte. Nach einem Monat erhielt er die Bestätigung, dass sein Antrag beim NOMS eingetroffen war und nun an das Justizministerium in Rumänien weitergeleitet werden sollte. Mit der Hilfe rumänischer Rechtsanwälte erfuhr er, dass sein Antrag von England nach Rumänien geleitet wurde, wo ihm das Justizministerium ein neues Strafmaß zuteilte. Zunächst wurde die Überstellung aufgrund von Übersetzungsfehlern der rumänischen Behörden abgelehnt. Der Antrag wurde von den rumänischen Anwälten an den NOMS zurück verwiesen, und am 25. Oktober 2013 wurde die Überstellung genehmigt. Nach Anpassung seines Urteils erhielt er eine 25-jährige Haftstrafe. Er ist nach wie vor der Meinung, dass das Strafmaß nicht korrekt sei, da der rumänische Richter die Umwandlung auf Grundlage des lebenslängliches Urteils und nicht der Mindesthaftstrafe vorgenommen hatte. Darüber hinaus wurden die Bemühungen der verurteilten Person um Resozialisierung während der neunmonatigen Inhaftierung nicht mit in Betracht gezogen. Am 31. Januar 2014 wurde er in die rumänische Haftanstalt Rahova überstellt. Dort blieb er zwei Monate, um anschließend in die Haftanstalt Giurgiu zu wechseln. Er wurde vom halboffenen Strafvollzug in England in ein Hochsicherheitsgefängnis in Rumänien überstellt. Trotz Beschwerden über seine Haftbedingungen konnte er sich rasch anpassen. Er hat eine Beschäftigung, nimmt an erzieherischen Tätigkeiten teil und freut sich auf einen Neuanfang nach seiner Entlassung. Anhang 2 Bericht über die Fragebogen der verurteilten Personen Rumänische Verurteilte in Italien und Spanien Spanien Einleitung Der vorliegende Bericht beruht auf 83 Fragebögen, die von in Spanien inhaftierten Rumänen von August bis September 2014 in der Haftanstalt Huevla, von September bis Oktober 2014 in der Haftanstalt Topas, im Oktober 2014 in der Haftanstalt Lugo und im September 2014 in der Haftanstalt Algeciras ausgefüllt wurden. Der Fragebogen war von den verurteilten Personen selbst auszufüllen, was ausnahmslos auf freiwilliger Basis stattfand. Alle verfügbaren rumänischen Verurteilten erklärten sich zur Teilnahme an der Umfrage bereit. Zur Hilfe beim Ausfüllen stand den verurteilten Personen ein Wissenschaftler zur Verfügung. Demografisches Profil 82 der Beteiligten waren Männer, und eine weibliche Beteiligte befand sich in Schutzhaft im Gefängnis Topas. Alle Teilnehmer waren älter als 20 Jahre. Die Altersgruppen waren: - 25,3 % waren im Alter von 36-40 Jahren, - 18,1 % waren im Alter von 26-30 Jahren, - 18,1 % waren im Alter von 20-25 Jahren. Der Bildungsstand der Befragten war recht niedrig: - 42,2 % hatten die Schule mit der 5. bis 8. Klasse abgeschlossen, - 41% hatten die Schule mit der 9. bis 12. Klasse abgeschlossen, - 4,8 % hatten die Schule mit weniger als der 4. Klasse abgeschlossen, - 2,4 % hatten einen Hochschulabschluss, - 9,6 % machten keine Angaben. Die meisten der verurteilten Personen, die an der Umfrage teilnahmen, waren unverheiratet (56,6 %). Bei mehr als der Hälfte der Verheirateten lebte die Ehefrau der verurteilten Person in Spanien. Gut die Hälfte der verurteilten Personen hatte Kinder (50,6 %). In den meisten Fällen waren das ein oder zwei Kinder. Mehr als 27,7 % der Kinder leben in Rumänien. Die Statistik legt nahe, dass die rumänischen Verurteilten in Spanien zwar mit ihren Ehefrauen, jedoch nicht unbedingt mit ihren Kindern lebten. In den meisten Fällen lebten die Kinder bei ihren Großeltern oder anderen Verwandten in Rumänien. Soziale Variablen Mehr als 44 % der rumänischen Verurteilten kamen zwischen 2006 und 2010 nach Spanien, 31,3 % sogar bereits zwischen 2000 und 2005. 75,9 % emigrierten aus wirtschaftlichen Gründen nach Spanien („um Arbeit zu finden“, „um sich zu verbessern“ usw.). Lediglich 4,8 % von ihnen kamen als Urlauber nach Spanien. Mehr als 66,3 % der Befragten gingen bei ihrer Verhaftung einer Tätigkeit nach. Die meisten waren in der Landwirtschaft oder im Baugewerbe beschäftigt. Vorstrafenentwicklung Mehr als 36 % hatten Vorstrafen wegen Eigentumsdelikten. 14,6 % hatten Vorstrafen wegen Drogenkriminalität. 7,2 % hatten Strafen wegen Sexualdelikten zu verbüßen, und 10,2 % waren wegen Gewaltverbrechen (einschließlich Tötungsdelikte) verurteilt worden. Ein signifikanter Anteil der Befragten machte hierzu jedoch keine Angaben (21,7 %). Von diesen befindet sich ein wiederum ein signifikanter Anteil in Schutzhaft (6 %). Mehr als 71,1 % der Befragten gaben an, in Rumänien keine Vorstrafen zu haben. „Nur“ 21,7 % hatten Vorstrafen in Rumänien. 78,3 % der Befragten hatten keine Vorstrafen in Spanien. Fast die Hälfte (43,4 %) hatten Reststrafen zwischen einem und fünf Jahren bis zur vollständigen Entlassung. Lediglich 4,8 % mussten einen bis sechs Monate bis zu ihrer Entlassung warten. 36,1 % machten diesbezüglich keine Angaben. Der Anteil der Befragten ohne Angabe ist bei der Frage nach der bis zur bedingten Entlassung zu verbüßenden Resthaft sogar noch höher (51,8 %). 25,3 % schätzten ihre Restzeit bis zur bedingten Entlassung auf ein bis fünf Jahre, und 19,2 % schätzten diese auf weniger als ein Jahr. Mehr als 77 % gaben an, dass für sie kein Ausweisungsbefehl vorlag. Somit werden sie nach ihrer Entlassung auch nicht aus Spanien ausgewiesen. Justizsystem Die Antworten auf die Frage nach der Zufriedenheit mit dem Justizsystem fielen unterschiedlich aus: 44,3 % der Befragten gaben an, völlig unzufrieden zu sein, während 20,5 % sehr zufrieden waren. 10,8% machten diesbezüglich keine Angaben. Die Angaben mit Bezug auf die Haftbedingungen waren differenzierter: 21,7 % gaben an, völlig unzufrieden mit den Haftbedingungen zu sein, 33,7 % waren weder zufrieden noch unzufrieden, und 20,5 % waren sehr zufrieden. Die meisten der verurteilten Personen (84,3 %) hatten keine Disziplinareinträge. Mehr als 60 % hatten lobende Einträge. Die häufigsten Beschwerden über Haftbedingungen waren: Mangel an Kommunikation mit der Familie (26,5 %), Übergriffe in der Haftanstalt (9,6 %), Sprachschwierigkeiten (8,4 %) und das Arbeitsverbot in der Schutzhaft (4,8 %). Viele der Befragten machten zu dieser Frage keine Angaben (39- 47 %). Resozialisierung 51,8 % waren an Programmen und Aktivitäten zur Verminderung der Rückfälligkeit beteiligt. Dabei handelte es sich vorwiegend um Arbeitstätigkeiten (22,9 %) oder Bildungsmaßnahmen (14,5 %). 62,7 % der verurteilten Personen gaben an, während ihrer Haftzeit gearbeitet zu haben. Dabei handelte es sich um körperliche Arbeit. „Lediglich“ 19,3 % der verurteilten Personen nahmen vor ihrer Inhaftierung Drogen und „nur“ 14,5 % setzten diese Praxis im Gefängnis fort. Zu den beliebtesten Drogen zählen Kokain, Cannabis und Marihuana. Keiner der Befragten befindet sich in Drogenbehandlung. Dies muss im Zusammenhang mit einer verbreiteten Furcht vor einer Aufdeckung gesehen werden. Lediglich sechs der verurteilten Personen waren wegen einer psychischen Erkrankung in Behandlung und nur drei litten an einer hochansteckenden Krankheit, nämlich Hepatitis B (siehe hierzu obigen Kommentar zur Untererfassung). Die Überstellung 38,6 % der Befragten war die Möglichkeit einer Überstellung nach Rumänien zur Verbüßung ihrer Reststrafe nicht bekannt. Diejenigen, die davon wussten, hatten diese Kenntnis von anderen verurteilten Personen bzw. Mitarbeitern des Strafvollzugs (zu etwa gleichen Anteilen). Die Mehrheit der verurteilten Personen hat keinerlei Kenntnisse über das Thema Überstellung (61,4 %). Andere glauben, die Überstellung sei zum Vorteil der verurteilten Person (20,5 %), zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten (1,2 %) oder sie diene der Ausübung des Rechts auf bedingte Entlassung (2,4 %). Über 14% machten diesbezüglich keine Angaben. Obwohl ihnen die Möglichkeit der Überstellung zuvor nicht bekannt war, würden 41 % der verurteilten Personen diese für sich ernsthaft in Betracht ziehen. Der Hauptgrund für einen Überstellungswunsch war „näher bei der Familie zu sein“ und „mehr Aufmerksamkeit im Gefängnis“ zu bekommen. Nicht Überstellungswillige gaben den für das Verfahren notwendigen Zeitaufwand als Hauptgrund an. Vielleicht ist das der Grund, weshalb die meisten verurteilten Personen angaben, dass sie sich vor einer Überstellungsentscheidung eine bessere Vorstellung über den mit dem Überstellungsverfahren verbundenen Zeitaufwand, die dafür notwendigen Dokumente und die Haftbedingungen in rumänischen Gefängnissen machen möchten. Über 61 % machten diesbezüglich keine Angaben. Die vordringlichste Sorge, die die verurteilten Personen mit Bezug auf die Überstellung zum Ausdruck brachten, waren die „schlechteren Haftbedingungen in Rumänien“ (27,7 %) und die Länge des Antragsverfahrens (7,2 %). Die hauptsächlichen Vorzüge einer Überstellung nach Rumänien sind anscheinend die bedingte Entlassung (15,7 %), die Familie (13,3 %) und die Sozialhilfe nach der Entlassung (2,4 %). Lediglich 33,7 % der verurteilten Personen gaben an, dass sie diese Möglichkeit anderen verurteilten Personen empfehlen würden. Sie würden diese Möglichkeit zu Beginn der Haftstrafe empfehlen und um näher bei ihrer Familie zu sein. Zur Verbesserung der praktischen Umsetzung dieser Möglichkeit machten die verurteilten Personen folgende Vorschläge: - Verkürzung der Bearbeitungszeiten (14,5 %) - Rumänien sollte sich mehr um seine im Ausland inhaftierten Bürger kümmern (10,2 %) - Verbesserung der Haftbedingungen in Rumänien (4,8 %) - Das Angebot von Arbeit in rumänischen Gefängnissen (2,4 %) Italien Einleitung Der vorliegende Bericht beruht auf fünf Fragebögen, die von rumänischen Verurteilten im Oktober 2014 ausgefüllt wurden. Demografisches Profil Alle fünf Teilnehmer waren männlich. Alle Teilnehmer waren älter als 25 Jahre. Drei der Männer waren 40-45 Jahre alt, einer war 39 Jahre alt und ein weiterer 28 Jahre alt. Drei hatten die Schule mit der 9. bis 12. Klasse abgeschlossen, einer hat einen Hochschulabschluss, und einer hatte die Schule mit der 8. Klasse abgeschlossen. Drei der verurteilten Personen, die an der Umfrage teilnahmen, waren mit in Rumänien lebenden Frauen verheiratet. In diesem Fall hatten alle drei Personen Kinder, die in Rumänien leben. Soziale Variablen Alle Teilnehmer kamen zwischen 2006 und 2010 nach Italien, und alle emigrierten aus wirtschaftlichen Gründen („um Arbeit zu finden“). Nur zwei Befragte hatten bei ihrer Verhaftung eine Beschäftigung. Sie arbeiteten im Baugewerbe. Vorstrafenentwicklung Ein Teilnehmer war wegen einer sexuellen Straftat verurteilt, drei wegen Eigentumsdelikten und einer wegen Gewaltverbrechen. Zwei der Befragten gaben an, Vorstrafen in Rumänien zu haben, und einer von ihnen hatte eine Vorstrafe in Italien. Drei von ihnen hatten Reststrafen zwischen einem und fünf Jahren bis zur vollständigen Entlassung. Lediglich einer von ihnen musste einen bis sechs Monate bis zu seiner Entlassung warten. Ein weiterer musste zehn Jahre bis zu seiner vollständigen Entlassung warten. Mit Bezug auf Reststrafen bis zu einer bedingten Entlassung mussten zwei der verurteilten Personen noch zwischen einem und fünf Jahren und zwei von ihnen weniger als ein Jahr warten. Lediglich für einen Befragten lag kein Ausweisungsbefehl vor. Justizsystem Alle verurteilten Personen, die den Fragebogen ausfüllten, gaben an, mit dem Justizsystem entweder unzufrieden oder völlig zufrieden zu sein. Die Angaben mit Bezug auf die Haftbedingungen waren identisch: alle waren unzufrieden oder völlig unzufrieden. Vier der verurteilten Personen hatten keine Disziplinareinträge, und vier hatten lobende Einträge. Die Beschwerden über Haftbedingungen waren: Mangel an Kommunikation mit der Familie (2), Übergriffe in der Haftanstalt (1). Zwei Befragte machten diesbezüglich keine Angaben. Resozialisierung Alle Befragten waren an Programmen und Aktivitäten zur Verminderung der Rückfälligkeit beteiligt. Dabei handelte es sich vorwiegend um Arbeitstätigkeiten (3) oder Bildungsmaßnahmen (2). Vier der verurteilten Personen gaben an, während ihrer Haftzeit gearbeitet zu haben. Dabei handelte es sich um körperliche Arbeit. Keiner der Befragten nahm vor seiner Inhaftierung Drogen und keiner befindet sich in Drogenbehandlung. Keine der verurteilten Personen war wegen einer psychischen Erkrankung in Behandlung und keine litt an einer hochansteckenden Krankheit. Die Überstellung Allen Befragten war die Möglichkeit einer Überstellung nach Rumänien zur Verbüßung ihrer Reststrafe bekannt. Sie wurden durch Mitarbeiter des Strafvollzugs über diese Möglichkeit informiert. Drei der verurteilten Personen glauben, die Überstellung sei zu ihrem Vorteil. Zwei Befragte machten diesbezüglich keine Angaben. Nur zwei der verurteilten Personen würden diese Möglichkeit ernsthaft für sich in Betracht ziehen. Der Hauptgrund für einen Überstellungswunsch war „näher bei der Familie zu sein“. Nicht Überstellungswillige gaben die Haftbedingungen in Rumänien als Hauptgrund an. Vielleicht ist das der Grund, weshalb die meisten verurteilten Personen angaben, dass sie sich vor einer Überstellungsentscheidung eine Vorstellung über den mit dem Überstellungsverfahren verbundenen Zeitaufwand, die dafür notwendigen Dokumente und die Haftbedingungen in rumänischen Gefängnissen machen möchten. Zwei Befragte machten diesbezüglich keine Angaben. Die vordringlichste Sorge, die die verurteilten Personen mit Bezug auf die Überstellung zum Ausdruck brachten, waren die „schlechteren Haftbedingungen in Rumänien“ (3) und die Länge des Antragsverfahrens (1). Die hauptsächlichen Vorzüge einer Überstellung nach Rumänien sind anscheinend die bedingte Entlassung (1) und die Familie (2). Nur eine der verurteilten Personen gab an, sie würde diese Möglichkeit empfehlen, und zwar um näher bei ihrer Familie zu sein. Zur Verbesserung der praktischen Umsetzung dieser Möglichkeit machten die verurteilten Personen folgende Vorschläge: - Rumänien sollte sich mehr um seine im Ausland inhaftierten Bürger kümmern (1) - Verbesserung der Haftbedingungen in Rumänien (1) Schlussfolgerungen Bei diesen Ergebnissen ist jedoch einiger Vorbehalt geboten. Zunächst handelt es sich hier nicht um eine repräsentative Stichprobe. Dennoch sind die Zahlen von einiger Bedeutung und enthalten nachdrückliche Botschaften. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Fragen, die von den verurteilten Personen nicht beantwortet wurden. Je nach Frage mag es hiervor unterschiedliche Gründe geben: Angst, mangelnde Kenntnisse, „zu viel zu schreiben“ usw. Einige der Themen sollten in den Diskussionen und Fallstudien aufgegriffen werden: Weshalb ist Zeit ein so entscheidender Faktor, wenn die Befragten doch genug Zeit zum Warten haben (hier ist die „Tiefkühltheorie“ zu prüfen)? Wie können sie mehr über die Haftbedingungen in Rumänien erfahren? usw. Anhang 3 Die Absichtserklärung zwischen Italien und Rumänien zur Verbesserung der Zusammenarbeit bei der Überstellung verurteilter Personen gemäß Rahmenbeschluss 2008/909/JI Das Ministerium der Republik Rumänien und das Ministerium für Justiz der Italienischen Republik haben nach Erörterung der Angelegenheiten, die auf dem Gebiet der juristischen Zusammenarbeit Probleme und Verzögerungen hervorrufen, zur Verbesserung der Zusammenarbeit bei der Überstellung von verurteilten Personen gemäß Rahmenbeschluss 2008/909/JI folgende Übereinkunft getroffen: 1. Förderung direkter Kontaktaufnahme zwischen den jeweils für die Überstellung von verurteilten Personen zuständigen Justizbehörden, insbesondere mit Bezug auf Anfragen betreffend zusätzliche Informationen, die die Hauptursache für Verzögerungen in diesem Verfahren sind. Die Notwendigkeit der Benachrichtigung - betreffend Informationen - der zentralen Behörden bleibt davon unberührt. 2. Förderung der Übersetzung von Anfragen betreffs zusätzlicher Informationen, zumindest in das Englische, um ihr sofortiges Verstehen seitens der empfangenden Behörden zu gewährleisten, insbesondere in Anbetracht der häufig knappen Antwortfristen. 3. Empfehlung der Einrichtung von Antwortfristen für die Justizbehörden, die der Komplexität der angefragten Maßnahmen bzw. zusätzlichen Informationen Rechnung tragen. 4. Ausarbeitung von erläuternden Vermerken für die Justizbehörden des jeweils anderen Mitgliedstaats, in denen die eigene Gesetzeslage mit Bezug auf Vorzüge, die verurteilte Personen erhalten, und die Zusammenlegung von Haftstrafen in der Vollstreckungsphase dargelegt sind. 5. Empfehlung an die Justizbehörden in Italien, mit Bezug auf die Zusammenlegung von Haftstrafen für jedes antragsrelevante Urteil eine Einzelbescheinigung auszustellen oder, sofern eine Sammelbescheinigung bevorzugt wird, diese der Bescheinigung des Vollstreckungsstaats (stato di esecuzione della pena) hinzuzufügen. In letzterem Fall ist folgendes deutlich anzugeben: die in Rumänien zu verbüßende Reststrafe, ggf. die Gründe für Abweichungen beim Strafmaß, und welches Strafmaß ausschlaggebend ist. 6. Empfehlung an die entsprechenden Justizbehörden, in ausreichender Form und auf der dafür vorgesehenen Stelle der Bescheinigung die Fakten anzuführen, die auf die fehlenden Wurzeln der verurteilten Person im Ausstellungsstaat hinweisen. 7. Empfehlung an die entsprechenden Justizbehörden, in Fällen der Identifizierung einer verurteilten Person mit abweichenden Personalien bescheinigen, dass die Identität der Person festgestellt wurde. 8. Prüfung der Möglichkeit, der Bescheinigung zusammen mit dem vollständigen Wortlaut der Urteile in ihrer Originalsprache eine Übersetzung lediglich der Anklagepunkte und des Tenors der relevanten Urteile beizufügen. 9. Prüfung der Möglichkeit, den amtlichen Schriftverkehr mit Bezug auf die von den Justizbehörden anerkannten Urteile direkt an die verurteilte Person in der Haftanstalt, in der sie sich befindet zu senden. 10. Prüfung der Möglichkeit, jegliche Stellungnahmen der verurteilten Person mit Bezug auf eine Berufung gegen die Anerkennungsentscheidung direkt an die zuständigen Behörden zu senden. 11. Intensivierung der bilateralen juristischen Zusammenarbeit durch die Förderung und Teilnahme an Workshops über die praktischen Aspekte der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Überstellung von verurteilten Personen. In diesem Sinne fordert die Leiterin des Amts für Internationales Recht und Juristische Zusammenarbeit, Frau Viviana Onaca ihre italienischen Amtskollegen in der zweiten Hälfte dieses Jahres an einem Treffen der rumänischen Vertreter der Staatsanwaltschaft und der Berufungsgerichte mit Zuständigkeit für diese Angelegenheiten teilzunehmen. Für das italienische Justizministerium, der Leiter des Für das rumänische Ministerium für Justiz, die Leiterin Kriminalamts des Amts für Internationales Recht und Juristische Raffaele Piccirillo Zusammenarbeit Viviana Onaca Anhang 4 Die rumänische Broschüre - Kurzfassung Siehe Dokument im Anhang. Anhang 5 Literatur-Kurzauswertung zum Rahmenbeschluss 2008/909/JI des Rates vom 27. November 2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in der Europäischen Union Carmen Garcia und Ioan Durnescu Inhaltsverzeichnis INTRODUCTION ERROR! BOOKMARK NOT DEFINED. METHODOLOGY ERROR! BOOKMARK NOT DEFINED. BACKGROUND ERROR! BOOKMARK NOT DEFINED. THE FRAMEWORK DECISION 2008/909/JHA ERROR! BOOKMARK NOT DEFINED. STATE OF PLAY - IMPLEMENTATION ERROR! BOOKMARK NOT DEFINED. DIFFICULTIES AND OBSTACLES 1. THEORETICAL ISSUES: ERROR! BOOKMARK NOT DEFINED. ERROR! BOOKMARK NOT DEFINED. 2. IMPLEMENTATION OBSTACLES: ERROR! BOOKMARK NOT DEFINED. Concluding remarks Error! Bookmark not defined. ANNEX 1 ERROR! BOOKMARK NOT DEFINED. OBSTACLES AND DIFFICULTIES ERROR! BOOKMARK NOT DEFINED. REFERENCES ERROR! BOOKMARK NOT DEFINED. Einleitung Bei der Vollstreckung von Haftstrafen wird auf die Resozialisierung der verurteilten Person großen Wert gelegt. Am Ende der erfolgreichen Resozialisierung soll die Wiedereingliederung der verurteilten Person in die Gesellschaft stehen. Mit anderen Worten, das Ziel der Resozialisierung ist dann vielleicht noch bedeutender als zum Zeitpunkt der Strafverhängung. Zum Zeitpunkt der Strafverhängung das primäre Ziel u. U. die Gewährleistung einer retributiven Bestrafung für das von der verurteilten Person begangene Verbrechen. Gleichzeitig soll die Bestrafung jedoch auch die Notwendigkeit einer Resozialisierung der verurteilten Person beachten, um aus ihr ein produktives Mitglied der Gesellschaft zu machen. Eine Strafe kann ggf. auf verschiedene Weise vollstreckt werden. Sie kann damit stets die Anforderungen des ursprünglichen Urteils erfüllen, sich jedoch in ihrer Wirksamkeit mit Bezug auf eine Resozialisierung der verurteilten Person unterscheiden. Jedes Jahr werden Zehntausende EU-Bürger in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verschiedener Verbrechen angeklagt oder verurteilt. In vielen Fällen ordnen Strafgerichte bei Gebietsfremden Untersuchungshaft an, weil bei ihnen Fluchtgefahr besteht. Ein Verdächtiger mit Wohnsitz in dem Mitgliedstaat sähe sich in einer ähnlichen Situation oft weniger strengen Zwangsmaßnahmen ausgesetzt und würde eher die Auflage, sich bei der Polizei zu melden oder ein Reiseverbot erhalten. Dies mag ein Grund dafür sein, dass in Staaten wie Luxemburg, Österreich, der Schweiz usw. der Anteil an verurteilten Ausländern sehr hoch ist, d. h. mitunter über 70 % (weitere Informationen unter http://www.prisonstudies.org/world-prison-brief). Die Überstellung einer verurteilten Person in ihr Heimatland ist eine alternative Art der Vollstreckung eines Urteils. Unter sonst gleichen Umständen können verurteilte Personen, die ihre Strafe in ihrem Heimatland verbüßen, dort wohl besser resozialisiert und wiedereingegliedert werden können als im Ausland. Das ist ein guter Grund für die Überstellung von verurteilten Personen, um ihre Haftstrafe in einem Staat zu verbüßen, mit dem sie sozial verbunden sind. Eine Inhaftierung im Ausland ohne Zugang zu Familie und Freunden könnte auch kontraproduktiv sein, da die Familie der verurteilten Person soziales Kapital und Unterstützung bieten kann, womit sich die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Umsiedlung und Wiedereingliederung erhöht 5. Methodik Die generelle Absicht dieser Literatur-Kurzauswertung ist das Sammeln und Analysieren der verfügbaren Literatur über die Annahme und Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/909/JI des Rates vom 27. November 2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in der Europäischen Union (im Folgenden „RB 909“ genannt). Das letztendliche Ziel dieser Analyse ist die Anregung der im Rahmen des Projekts „Förderung der Möglichkeit, Gefängnisstrafen im Hinblick auf die Wiedereingliederung in einem anderen Land zu vollziehen“ (im Folgenden „STEPS2“ genannt) durchgeführten Forschung. 5 “Handbook on the International Transfer of Sentenced Persons”. UNODC. 2012. Die Aufnahmekriterien für die in dieser Auswertung behandelten Referate waren: 1. sie mussten in Europa erschienen sein, 2. sie mussten nach 2005 erschienen sein, also zu Beginn der Diskussionen um den RB 909 auf EU-Ebene, 3. sie mussten in einer der Sprachen der EU verfasst sein, 4. und sie mussten den RB 909 behandeln - seine Konzipierung, Annahme und Umsetzung. Kollegen von den Partner-Universitäten6 des Projekts STEPS 2, Teilnehmer der Fokusgruppe Workstream, leisteten umfassende Hilfe bei Fachliteraturrecherchen und Ausarbeitung des vorliegenden Berichts. Die wesentlichen Literaturquellen waren: 1. Konsultation von Gesetzen und vorbereitender Literatur. 2. Konsultation von Bewertungsberichten. 3. Konsultation anderer Projekt-Webseiten, z. B.: http://www.europris.org/ , http://www.euprobationproject.eu. Hintergrund Die erste grenzüberschreitende Vereinbarung über die Vollstreckung von Freiheitsstrafen zwischen Mitgliedstaaten war das 1983 vom Europarat unterzeichnete Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen. Laut dem Übereinkommen können verurteilte Personen nur überstellt werden, um die gegen sie verhängte Sanktion in ihrer Heimat zu verbüßen, und zwar ausschließlich mit ihrer Zustimmung und der der beteiligten Staaten. Das Übereinkommen wurde von allen Mitgliedstaaten des Europarats ratifiziert (64). Aufgrund seiner begrenzten Anwendbarkeit verabschiedete der Europarat 1997 das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen, das eine Überstellung unter bestimmten Bedingungen auch ohne die Zustimmung der betroffenen verurteilten Person gestattet. Da dieses Protokoll nur von wenigen Staaten ratifiziert wurde (36), ist seine Anwendung noch immer sehr begrenzt. Darüber hinaus mangelte es beiden Dokumenten an einer ausdrücklichen Verpflichtung der Staaten mit Bezug auf die Vollstreckung bzw. der Setzung von Fristen für die Vollstreckungsentscheidungen oder die Überstellung. Aus diesem Grund wurde das Übereinkommen als unzureichend erachtet. Laut dem Bericht der Kommission7 hat die EU in einem gemeinsamen auf Vertrauen fußenden europäischen Rechtsraum Maßnahmen zur Gewährleisung ergriffen, dass Gebietsfremde, gegen die ein Strafverfahren läuft, nicht anders als Bürger des jeweiligen Staats behandelt werden. Das ist insbesondere angesichts der großen Anzahl in anderen Mitgliedstaaten inhaftierter EU-Bürger 6 7 Universität Huelva und Universität Brescia BERICHT DER KOMMISSSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT - Umsetzung der Rahmenbeschlüsse 2008/909/JI, 2008/947/JI und 2009/829/JI über die gegenseitige Anerkennung von Urteilen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, von Bewährungsentscheidungen und alternativen Sanktionen und von Überwachungsmaßnahmen als Alternative zur Untersuchungshaft durch die Mitgliedstaaten. Brüssel, 5.2.2014. COM (2014) 57 final von Bedeutung. In diesem Sinne wurden in der EU 2008 und 2009 drei ergänzende Rahmenbeschlüsse ratifiziert: der Rahmenbeschluss 2008/909/JI des Rates über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird (Überstellung von verurteilten Personen), der Rahmenbeschluss 2008/947/JI des Rates über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile und Bewährungsentscheidungen im Hinblick auf die Überwachung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen (Bewährung und alternative Sanktionen) und der Rahmenbeschluss 2009/829/JI des Rates des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Entscheidungen über Überwachungsmaßnahmen als Alternative zur Untersuchungshaft (Europäische Überwachungsanordnung). Die Rahmenbeschlüsse sind als ein Bündel zusammenhängender und ergänzender Rechtsvorschriften zu sehen, die sich mit der Problematik der Inhaftierung von EU-Bürgern in anderen Mitgliedstaaten befassen und potenziell zu einer Verkürzung der Untersuchungshaft oder zur Erleichterung der Resozialisierung von verurteilten Personen im grenzübergreifenden Zusammenhang führen. Es bestehen sogar funktionelle Verbindungen zwischen den drei Rahmenbeschlüssen und darüber hinaus zwischen diesen Rahmenbeschlüssen und dem Europäischen Haftbefehl. Der Rahmenbeschluss 2008/909/JI (im Folgenden „RB 909“ genannt), auf den sich das Hauptaugenmerk dieses Referat richtet, geht auf eine Initiative Österreichs, Finnlands und Schwedens zurück und wurde vom Rat auf der Grundlage folgender Dokumente angenommen: 1. Der Europäische Rat von Tampere (1999) unterstrich, dass die gegenseitige Anerkennung von Gerichtsurteilen Eckpfeiler der juristischen Zusammenarbeit werden muss. 2. Die 2000 vom Europäischen Rat angenommenen Maßnahmen mit Bezug auf die Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen, einschließlich von rechtskräftigen Verurteilungen mit der Folge eines Freiheitsentzugs sowie für die Ausdehnung der Geltung des Grundsatzes der Überstellung verurteilter Personen auf die in einem Mitgliedstaat wohnhaften Personen. 3. Das Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union. 4. Das Grünbuch der Europäischen Kommission über die Angleichung, die gegenseitige Anerkennung und die Vollstreckung strafrechtlicher Sanktionen in der Europäischen Union, worin die Vollstreckung strafrechtlicher Sanktionen in einem anderen Mitgliedstaat als unvollständig und verbesserungsfähig eingestuft wurde. 5. Der Vertrag über die Europäische Union (EUV) sieht in Art. 31 Abs. 1 Buchst. a vor, „die Zusammenarbeit zwischen den Ministerien und Justizbehörden oder entsprechenden Behörden der Mitgliedstaaten bei der Vollstreckung von Entscheidungen zu erleichtern und zu beschleunigen“ und in Art. 34 Abs. 2 Buchst. b: „Der Rat […] kann […] Rahmenbeschlüsse zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten annehmen.“ Wie in dem erläuternden Vermerk bereits erwähnt, waren die wesentlichen Elemente des Vorschlags: – Verpflichtung des Vollstreckungsstaats zur Übernahme seiner Staatsangehörigen, der auf seinem Hoheitsgebiet ständig aufhältigen Personen und von Personen mit sonstigen engen – – – – – – – – Verbindungen zum Vollstreckungsstaat zum Vollzug der freiheitsentziehenden Strafe oder Maßnahme der Sicherung, sofern nicht bestimmte Ablehnungsgründe vorliegen; Verzicht auf das Erfordernis der beiderseitigen Strafbarkeit im Fall der Verurteilung wegen eines Delikts, das in einer Liste enthalten ist, die jener im Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten, ABl. L 190 vom 18. Juli 2002, entspricht; wenn sich der Verurteilte im Ausstellungsstaat befindet, ist ihm vor Ausstellung einer Europäischen Vollstreckungsanordnung Gelegenheit zur (mündlichen oder schriftlichen) Stellungnahme zu geben; Verzicht auf das Erfordernis der Zustimmung des Verurteilten, wenn dieser ein Staatsangehöriger des Vollstreckungsstaats ist oder in diesem seinen rechtmäßigen ständigen Aufenthalt hat; Anerkennung der ausländischen rechtskräftigen freiheitsentziehenden Strafe oder Maßnahme der Sicherung und Vollstreckung derselben auf der Grundlage eines Formblatts (so genannte Europäische Vollstreckungsanordnung); Festlegung von Fristen für die Entscheidung über die Europäische Vollstreckungsanordnung und für die Überstellung des Verurteilten an den Vollstreckungsstaat; Vollzug der im Urteilsstaat verhängten rechtskräftigen freiheitsentziehenden Strafe oder Maßnahme der Sicherung ohne Durchführung eines Anpassungsverfahrens; die Dauer der Strafe darf nur für den Fall an das nach dem nationalen Recht des Vollstreckungsstaats für eine strafbare Handlung vorgesehene Höchstmaß angepasst werden, dass die Sanktion mit den Rechtsgrundsätzen des Vollstreckungsstaats unvereinbar ist; die Art der Strafe darf an die nach dem nationalen Recht des Vollstreckungsstaats für eine Straftat derselben Art vorgesehene Strafe oder Maßnahme angepasst werden, wenn sie mit dem Recht dieses Staats nicht vereinbar ist. Auf Grundlage dieses Vorschlags berief die Kommission mehrere Tagungen mit Vertretern der Mitgliedstaaten ein, auf denen eine Reihe von Themen mit Bezug auf die Überstellung verurteilter Personen diskutiert wurden: die nationalen Regeln für bedingte/vorzeitige Entlassung und/oder Maßnahmen mit vollständigem und/oder teilweisem Freiheitsentzug, die Thematik der beiderseitigen Strafbarkeit, Zustimmung des Vollstreckungsstaats, Zustimmung der verurteilten Person usw. Darüber hinaus fanden gesonderte Diskussionen über Themen wie die Resozialisierung und ob ein Fehlen derselben Anlass zur Ablehnung einer Überstellung sein soll statt. Am Ende einigte man sich auf den Kompromiss, die verurteilte Person anzuhören. Bei der Annahme des RB 909 wurde eine Frist für die Umsetzung bis zum 5. Dezember 2011 gesetzt. Rahmenbeschlüsse sind ihrem Wesen nach für die Mitgliedstaaten mit Bezug auf ihr Ergebnis verbindlich; Form und Methode der Umsetzung sind jedoch Sache der jeweiligen nationalen Behörden. Rahmenbeschlüssen sind nicht unmittelbar wirksam, sondern müssen zunächst in nationales Recht umgesetzt werden. Der Grundsatz der konformen Auslegung ist jedoch mit Bezug auf Rahmenbeschlüsse verbindlich. Zur Erleichterung der Umsetzung des RB berief die Europäische Kommission mehrere Expertentagungen ein, auf denen unterschiedliche Hemmnisse erörtert wurden. Sie brachten z. B. auf der Brüsseler Tagung am 14. November 2012 Teilnehmer ihre Bedenken mit Bezug auf den „Übergangszeitraum“ zum Ausdruck, wenn Mitgliedstaaten Anträge vor der Umsetzung des RB erhalten. In diesen Fällen waren einige Teilnehmer der Meinung, dass bestehende Instrumente (wie die Konvention des Europarats) für Mitgliedstaaten beibehalten werden sollten, in denen eine Umsetzung noch nicht stattgefunden hat. Einer der Teilnehmer (der Vertreter Großbritanniens) fragte an, ob man sich nicht auf eine Konkretisierung dessen einigen könnte, was unter einem „angemessenen Zeitraum“ für den Anspruch auf einen Aufenthaltstitel zu verstehen ist. Obschon man sich auf nichts Bindendes einigte, schlugen die Teilnehmer vor, dass Richtlinien der einen oder anderen Art sinnvoll wären. Die Gespräche betonten auch die Bedeutung des Informationsflusses. Es wäre einer verurteilte Person unmöglich, einer Überstellung zuzustimmen, ohne zu wissen, was sie erwartet (Haftbedingungen, bedingte Entlassung usw.). In weiteren Themengruppen der Diskussionen ging es um Resozialisierung („soziale Wiedereingliederung“) und Mehrfachdelikte. In beiden Fällen müssen die Mitgliedstaaten miteinander kommunizieren und sich auf die jeweils beste Lösung zur Erleichterung der sozialen Wiedereingliederung einigen. Das Europarlament wurde ebenfalls konsultiert und nahm 2006 eine Resolution an, in der dem Rat empfohlen wird, die Verfahrensrechte der verurteilten Person in Strafverfahren zu stärken. Der Rahmenbeschluss 2008/909/JI Der Rahmenbeschluss wurde am 5. Dezember 2008 angenommen. Er regelt die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in anderen Mitgliedstaaten. Sein Ziel ist die Erleichterung von Resozialisierung und Wiedereingliederung verurteilter Personen. Die Mitgliedstaaten müssen die für die Ausstellung und Vollstreckung zuständigen Behörden benennen. Die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats ist für die Übermittlung des Urteils nebst der im Anhang des Rahmenbeschlusses aufgeführten Bescheinigung der zuständigen Behörde des Vollstreckungsstaats in einer Form zu übermitteln, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht. Wenn sich die verurteilte Person im Ausstellungs- oder Vollstreckungsstaat aufhält und - unter bestimmten Bedingungen - ihre Zustimmung zur Übermittlung des Urteils gegeben hat, kann es übermittelt werden an: den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit die verurteilte Person hat und in dem sie lebt; den Mitgliedsstaat, dessen Staatsangehörigkeit die verurteilte Person hat und an den sie im Anschluss an das Urteil überstellt werden soll, selbst wenn dieser nicht ihr Aufenthaltsort ist; jeden anderen Mitgliedstaat, sofern dessen zuständige Behörden der Übermittlung zustimmen. Ein Urteil darf nur dann übermittelt werden, wenn der Ausstellungsstaat dafür gesorgt hat, dass die Vollstreckung des Urteils im Vollstreckungsstaat der leichteren Resozialisierung und Wiedereingliederung der verurteilten Person dient. Letzteres könnte dem Ausstellungsstaat die Möglichkeit einer Begründung dafür geben, dass eine Vollstreckung durch ihn diesbezüglich nicht zweckdienlich wäre. Der Vollstreckungsstaat und die verurteilte Person können ebenfalls die Einleitung des Übermittlungsverfahrens für Urteile beantragen. Bei Empfang des übermittelten Urteils und der Bescheinigung muss der Vollstreckungsstaat binnen 90 Tagen entscheiden, ob er das Urteil anerkennen und die Sanktion vollstrecken wird. Die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats hat das Urteil anzuerkennen und alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um es zu vollstrecken, sofern es nicht einen der im Rahmenbeschluss vorgesehenen Gründe für eine Nichtanerkennung und Nichtvollstreckung geltend macht. Die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats kann die Anerkennung des Urteils und die Vollstreckung der Sanktion versagen, wenn: die Bescheinigung unvollständig ist oder dem Urteil nicht entspricht; die Kriterien für die Übermittlung des Urteils und die Bescheinigung nicht erfüllt sind; die Vollstreckung dem Grundsatz ne bis in idem zuwiderlaufen würde; die Handlung nach dem Recht des Vollstreckungsstaats (mit bestimmten Ausnahmen) keine Straftat darstellen würde; die Vollstreckung nach den Rechtsvorschriften des Vollstreckungsstaats verjährt ist; nach dem Recht des Vollstreckungsstaats Immunität besteht; die Person nach dem Recht des Vollstreckungsstaats aufgrund ihres Alters nicht zur Verantwortung gezogen werden könnte; zum Zeitpunkt des Eingangs des Urteils bei der zuständigen Behörde des Vollstreckungsstaats weniger als sechs Monate der Sanktion noch zu verbüßen sind; die betroffene Person zu der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung nicht persönlich erschienen ist (mit bestimmten Ausnahmen); der Ausstellungsstaat seine Zustimmung dazu versagt, dass die betreffende Person im Vollstreckungsstaat wegen einer vor der Überstellung begangenen anderen Handlung als derjenigen, die der Überstellung zugrunde liegt, verfolgt, verurteilt oder einer freiheitsentziehenden Maßnahme unterworfen wird; die verhängte Sanktion eine Maßnahme der psychiatrischen Betreuung oder der Gesundheitsfürsorge oder eine andere freiheitsentziehende Maßnahme einschließt, die vom Vollstreckungsstaat nicht vollstreckt werden kann; die Straftat im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats begangen wurde. In Fällen, in denen die Bescheinigung unvollständig ist oder dem Urteil nicht entspricht, kann der Vollstreckungsstaat seine Anerkennung verzögern. Der Rahmenbeschluss enthält eine Liste mit Straftaten, die auch ohne Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit anerkannt und vollstreckt werden müssen, wenn sie im Ausstellungsstaat mit einer freiheitsentziehenden Strafe oder Maßnahme im Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht sind. Bei allen anderen Straftaten kann der Vollstreckungsstaat die Anerkennung des Urteils und die Vollstreckung der Sanktion davon abhängig machen, dass die ihm zugrunde liegenden Handlungen auch nach dem Recht des Vollstreckungsstaats eine Straftat darstellen. Ist die Sanktion nach ihrer Art mit dem Recht des Vollstreckungsstaats nicht vereinbar, so kann er die Maßnahme anpassen. Die angepasste Sanktion darf jedoch nach Art oder Dauer die im Ausstellungsstaat verhängte Sanktion nicht verschärfen. Die Zustimmung der verurteilten Person ist laut dem geltenden Recht im Ausstellungsstaat für die Übermittlung von Urteil und Bescheinigung an den Vollstreckungsstaat erforderlich, um von diesem anerkannt zu werden und die Sanktion vollstrecken zu können. Die Zustimmung ist jedoch nicht erforderlich, wenn der Vollstreckungsstaat der Mitgliedstaat ist, dessen Staatsangehörigkeit die verurteilte Person hat und in dem sie lebt; in den die verurteilte Person nach ihrer Entlassung laut einer im Urteil enthaltenen Anordnung abgeschoben wird; in den die verurteilte Person angesichts des Strafverfahrens gegen sie im Ausstellungsstaat oder nach der Verurteilung in diesem Ausstellungsstaat geflohen oder auf andere Weise zurückgekehrt ist. In allen Fällen, in denen sich die verurteilte Person noch im Ausstellungsstaat befindet, ist ihr Gelegenheit zur mündlichen oder schriftlichen Stellungnahme zu geben. Befindet sich die verurteilte Person im Ausstellungsstaat, so wird sie dem Vollstreckungsstaat spätestens 30 Tage nach der endgültigen Entscheidung des Vollstreckungsstaats über die Anerkennung des Urteils überstellt. Der Ausstellungsstaat wie auch der Vollstreckungsstaat können eine Amnestie oder Begnadigung gewähren. Jedoch kann nur der Ausstellungsstaat über Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens entscheiden, in dem die Sanktion verhängt wurde8. Umsetzung - der aktuelle Stand Der „Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat - Umsetzung der Rahmenbeschlüsse 2008/909/JI, 2008/947/JI und 2009/829/JI über die gegenseitige Anerkennung von Urteilen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, von Bewährungsentscheidungen und alternativen Sanktionen und von Überwachungsmaßnahmen als Alternative zur Untersuchungshaft durch die Mitgliedstaaten“ wurde im Februar 2014 von der Europäischen Kommission angenommen. Wie aus diesem Bericht hervorgeht, ist die Nichtumsetzung der Rahmenbeschlüsse durch einige Mitgliedstaaten sehr problematisch, da diejenigen Mitgliedstaaten, von denen die Rahmenbeschlüsse ordnungsgemäß umgesetzt wurden, nicht die in den Beschlüssen vorgesehenen Vorteile einer Zusammenarbeit in ihrer Beziehung zu jenen Mitgliedstaaten nutzen können, von denen sie nicht rechtzeitig umgesetzt wurden. Bis heute haben 19 Mitgliedstaaten den Rahmenbeschluss umgesetzt9 8 Diese Zusammenfassung finden Sie unter http://europa.eu/legislation_summaries/justice_freedom_security/judicial_cooperation_in_criminal_matters/jl0016_ en.htmn 9 Informationsstand vom 31. Oktober 2014. Rumänien, Italien und Spanien haben den Rahmenbeschluss umgesetzt. http://www.europris.org/state-of-play-eu-framework-decisions-909-947-829/ Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, Eckstein der justiziellen Zusammenarbeit, erfordert die wechselseitige Umsetzung. Er kann nicht greifen, wenn seine Instrumente in den beiden jeweils betroffenen Mitgliedstaaten nicht korrekt umgesetzt werden. Die Folge ist, dass bei der Zusammenarbeit mit einem Mitgliedstaat, der den Rahmenbeschluss nicht rechtzeitig umgesetzt hat, selbst Mitgliedstaaten mit fristgerechter Umsetzung bei der Überstellung verurteilter EU-Bürger oder der Übermittlung von Urteilen in andere Mitgliedstaaten weiterhin auf die entsprechenden Übereinkommen des Europarats zurückgreifen müssen. Das Ziel der Entwicklung eines Raums von Freiheit, Sicherheit und Recht für alle EU-Bürger zu schaffen, wie es Artikel 3 des Vertrags der Europäischen Union vorsieht, kann nicht erreicht werden, wenn Mitgliedstaaten nicht die Instrumente umsetzen, auf die sich alle Seiten geeinigt haben. Es ist daher notwendig, die Kommission daran zu ermahnen, am 1. Dezember 2014 ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten10. Schwierigkeiten und Hürden In der Literatur finden wir eine Reihe unterschiedlicher Hürden und Schwierigkeiten. Einige davon sind eher theoretischer Natur, d. h. sie finden auf alle Rahmenbeschlüsse und nicht nur auf FD 909 Anwendung. 1. Theoretische Probleme: Zwei theoretische Probleme sind dem Anschein nach von großer Bedeutung: 10 Das erste bezieht sich auf den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, der vorwiegend die Beziehungen zwischen den Staaten regelt, jedoch weitgehend die Verfahrensrechte der verurteilten Personen vernachlässigt. Am häufigsten ist in Rahmenbedingungen von Grundrechten und dem Recht einer Person die Rede, angehört zu werden oder ihre Zustimmung zu geben. Von diesen Rechten abgesehen werden keine anderen Rechtsmittel oder Verfahrensrechte definiert. Dem könnte man entgegenhalten, dass es in der Europäischen Union nationale Mechanismen gibt, die sich mit Menschenrechten und Verfahrensgarantien für verurteilte Personen befassen. Dennoch bekräftigte die Kommission ihr Interesse an positiver Gerechtigkeit, z. B. durch die Annahme der Richtlinie 2012/29/EU des Europäischen Parlaments und des Rates, die Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten schafft. Die zweite theoretische Schwierigkeit hängt mit dem Grundsatz der beiderseitigen Strafbarkeit zusammen. Der Rahmenbeschluss enthält eine Liste mit Straftaten (32), die BERICHT DER KOMMISSSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT - Umsetzung der Rahmenbeschlüsse 2008/909/JI, 2008/947/JI und 2009/829/JI über die gegenseitige Anerkennung von Urteilen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, von Bewährungsentscheidungen und alternativen Sanktionen und von Überwachungsmaßnahmen als Alternative zur Untersuchungshaft durch die Mitgliedstaaten. Brüssel, 5.2.2014. COM (2014) 57 final auch ohne Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit anerkannt und vollstreckt werden müssen, wenn sie im Ausstellungsstaat mit einer freiheitsentziehenden Strafe oder Maßnahme im Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht sind. Bei allen anderen Straftaten kann der Vollstreckungsstaat die Anerkennung des Urteils und die Vollstreckung der Sanktion davon abhängig machen, dass die ihm zugrunde liegenden Handlungen auch nach dem Recht des Vollstreckungsstaats eine Straftat darstellen. 2. Hürden bei der Umsetzung: Der oben erwähnte Bericht fasst die hauptsächlichen Schwierigkeiten zusammen, die sich vorwiegend mit der Art und Weise befassen, in der Mitgliedstaaten den RB in nationales Recht umsetzen. Überlegungen zur Überstellung Eine Pflicht zur Anerkennung der Übermittlung, sofern keine Gründe für die Versagung der Anerkennung vorliegen. Zwar besteht für den Vollstreckungsstaat keine Pflicht zur Anerkennung der Übermittlung, jedoch besteht auch beim Ausstellungsstaat keine Verpflichtung zur Übermittlung. Wie die Kommission feststellte, haben einige Mitgliedstaaten die Gründe für ein Versagen als zwingend eingestuft und andere sogar noch weitere Gründe hinzugefügt. Beide Szenarien verstoßen gegen Geist und Buchstaben des RB. Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg nimmt denselben Standpunkt ein und hat bereits entschieden, dass der RB extrem restriktiv umzusetzen sei11. a. Der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens - keine Anpassung der Sanktion. Eine Anpassung der Sanktion ist nur in wenigen Fällen gestattet, in denen Art und Dauer der Strafe nicht mit dem Recht des Vollstreckungsstaats vereinbar sind. Einige Mitgliedstaaten (Polen und Lettland) haben die Möglichkeiten einer Anpassung erweitert, was nicht im Sinne des gegenseitigen Vertrauens ist. b. Bezüglich des Grundsatzes der beiderseitigen Strafbarkeit: Liste mit Straftaten, die auch ohne Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit anerkannt und vollstreckt werden müssen. c. Die Verbindung zwischen dem RB und dem Europäischen Haftbefehl. Beide Rahmenbeschlüsse gestatten es einem Mitgliedstaat, die Herausgabe einer Person aufgrund eines Europäischen Haftbefehls zu versagen (oder die Herausgabe einer Person unter der Bedingung ihrer Rückkehr), wenn es sich bei der Person um einen Staatsbürger oder eine auf seinem Hoheitsgebiet ständig aufhältige Person handelt, wenn der 11 In diesem Sinne hat der die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-396/11 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 TFEU von der Curte de Apel Constanţa (Rumänien), mit Entscheidung vom 18. Mai 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Juli 2011, in dem Verfahren betreffend die Vollstreckung Europäischer Haftbefehle gegen Ciprian Vasile Radu. Erlässt der Gerichtshof […] folgendes Urteil erlassen: „Der Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die vollstreckenden Justizbehörden die Vollstreckung eines zur Strafverfolgung ausgestellten Europäischen Haftbefehls nicht mit der Begründung ablehnen können, dass die gesuchte Person vor der Ausstellung dieses Haftbefehls im Ausstellungsmitgliedstaat nicht angehört wurde.“ Mitgliedstaat sich verpflichtet, die Haftstrafe zu vollstrecken. Einige Mitgliedstaaten haben dieses Szenario nur für eigene Staatsbürger geregelt. d. Erklärungen zu Übergangsvorkehrungen. Laut RB können Mitgliedstaaten Erklärungen abgeben, denen zufolge sie bis zum Ablauf der Frist am 5. Dezember 2011 bei der Überstellung die bestehenden Rechtsinstrumente anwenden, anschließend jedoch nicht mehr. Dem Anschein nach haben einige Mitgliedstaaten Erklärungen mit der Absicht abgegeben, bestehende Rechtsinstrumente auch noch nach diesem Datum anzuwenden. e. Die Webseite des EJN hat die Aufgabe, Fachleuten auf dem Gebiet der internationalen justiziellen Zusammenarbeit in Strafangelegenheiten wichtige, umfassende und genaue Informationen über alle relevanten EU-Rechtsinstrumente zur Verfügung zu stellen. Da der Rahmenbeschluss 2008/909 die direkte Verständigung zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten vorsieht, würden nicht nur umfassende und aktualisierte Informationen über die Umsetzung des Rahmenbeschlusses und die von Mitgliedstaaten abgegebenen Erklärungen die praktische Zusammenarbeit erleichtern, sondern die Webseite sollte darüber hinaus eine entsprechende Karte enthalten, auf der sich die zuständigen Behörden des jeweiligen Vollstreckungsstaats unmittelbar feststellen lassen. Voraussetzungen für eine Überstellung a. Folgeentscheidungen. Die Folgeentscheidungen müssen prinzipiell vom Vollstreckungsstaat angenommen werden. Es gibt jedoch bei der bedingten Entlassung große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Um das gegenseitige Vertrauen zu konsolidieren, müssen Vollstreckungsstaaten die Ausstellungsstaaten über die vorzeitige bzw. bedingte Entlassung informieren, damit die Ausstellungsstaaten eine fachgerechte Entscheidung über die Überstellung vornehmen können. b. Zustimmung: Die Rolle der betroffenen Person im Überstellungsverfahren. Nicht alle Mitgliedstaaten geben der verurteilten Person ausreichende Möglichkeiten, ihren Standpunkt bezüglich der Überstellung zum Ausdruck zu bringen. c. Definition von „Resozialisierung“ Im Falle Spaniens wurde dieses Konzept breit interpretiert: „Eine Zustimmung der verurteilten Person ist dann nicht erforderlich, wenn das Urteil zusammen mit der Bescheinigung übermittelt wird: (a) an den Mitgliedstaat der Staatsangehörigkeit, mit dem der Verurteilte „aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts und aufgrund von Aspekten wie familiären oder beruflichen Bindungen verbunden ist“. Obschon der Rahmenbeschluss keinen derartigen Grund für Nichtanerkennung und Nichtumsetzung enthält, wird ein Antrag nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Rahmenbeschlusses an den Mitgliedsstaat der Staatsangehörigkeit, an den die verurteilte Person nach der Haftentlassung ausgewiesen oder abgeschoben wird, obwohl es nicht der Staat ihres Aufenthaltsorts ist, sehr häufig abgelehnt, weil eine solche Überstellung der Resozialisierung der verurteilten Person nicht zweckdienlich wäre. Der Rahmenbeschluss sieht jedoch vor, dass die abschließende Einschätzung, ob die Vollstreckung der Sanktion durch den Vollstreckungsstaat der Erleichterung der Resozialisierung der verurteilten Person zweckdienlich ist, unter die Verantwortung des Ausstellungsstaats fällt. Ein höheres Haftniveau (mit Bezug auf Arbeit und Ausbildung, Erziehung, medizinische Versorgung, Unterbringung usw.) kann nicht als Grund für Nichtanerkennung aufgrund verringerter Chancen auf Resozialisierung im Vollstreckungsstaat dienen. Ein einheitlicher europäischer Rechtsraum auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung setzt eine Annäherung der Haftbedingungen in allen Mitgliedstaaten voraus. d. Der Rahmenbeschluss zielt auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Vollstreckung von Sanktionen durch die Verringerung der Anzahl an Dokumenten ab, die der Ausstellungsstaat dem Vollstreckungsstaat im Vergleich zu früheren Rechtsinstrumenten vorzulegen hat (siehe insbesondere das Übereinkommen vom 21. März 1983 über die Überstellung verurteilter Personen CETS 112 und das dazugehörige Zusatzprotokoll CETS 167). Obschon aus dem Rahmenbeschluss nicht die Verpflichtung hervorgeht, eine bestehende Ausweisungs- oder Abschiebungsanordnung beizubringen, fordern die zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaats nicht nur häufig die Übermittlung von Bescheinigung, Urteil und Stellungnahme der verurteilten Person an, sondern auch eine Ausweisungs- oder Abschiebungsanordnung an. Gemäß dem Wortlaut der Bescheinigung müssen lediglich der Name der die Anordnung ausstellenden Behörde, das Ausstellungsdatum und ggf. die Bearbeitungsnummer angegeben werden. Darüber hinaus wird mitunter neben der Bescheinigung in der Sprache des Vollstreckungsstaats auch die Originalausführung (in der Sprache des Ausstellungsstaats) angefordert. Aufgrund dieser Praxis wird das Ziel des Rahmenbeschlusses, nämlich die Erleichterung der grenzüberschreitenden Vollstreckung von Sanktionen, nicht erreicht. Im Gegenteil: Das Verfahren ist durch den neuen Rechtsrahmen sogar noch schwerfälliger geworden. e. Obschon die Bescheinigung im Regelfall bereits alle für eine Entscheidung über die Vollstreckung benötigten relevanten Informationen enthält, wird in den meisten Fällen darüber hinaus noch eine zumindest teilweise Übersetzung des Urteils angefordert. Eine weitere Erleichterung des Verfahrens wird aufgrund gelockerter Übersetzungsvorschriften nach Art. 23 des Rahmenbeschlusses erwartet. Prinzipiell ist nur die Bescheinigung in eine der Amtssprachen des Vollstreckungsstaats zu übersetzen. Das Urteil oder wesentliche Teile desselben müssen nur von einer Übersetzung in eine Amtssprache des Vollstreckungsstaats begleitet sein, wenn der entsprechende Mitgliedstaat eine Erklärung gemäß Art. 23 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses gemacht hat und wenn er den Inhalt der Bescheinigung als Entscheidungsgrundlage für die Vollstreckung der Sanktion als unzureichend betrachtet. Überstellungsverfahren Die in Art. 12 Abs. 2 und Art. 15 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses festgelegten Fristen werden in den meisten Fällen nicht eingehalten. Um die in Art. 15 Abs. 1 festgelegten Fristen einhalten zu können, wird eine unmittelbare Bestätigung des geplanten Termins und der Umstände der Übermittlung angefordert12. 12 Österreichische Delegation der Arbeitsgruppe „Zusammenarbeit in Strafsachen“ (Sachverständige für gegenseitige Anerkennung) COPEN 151 EUROJUST 98 Eine weitere erhebliche Schwierigkeit stellen die hohen Kosten der Überstellung von verurteilten Personen von einem Mitgliedstaat in den anderen dar13. Überlegungen im Anschluss an die Überstellung a. Materielle Haftbedingungen Es gibt noch immer deutliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten mit Bezug auf die Haftbedingungen, die der Umsetzung des Überstellungsverfahrens im Wege stehen. b. Opfer Es gibt noch immer offene Fragen über Rolle und Stellung der Opfer bezüglich Entscheidung und Verfahren der Überstellung. Welche Rolle ihnen im Überstellungsverfahren zukommt und wann sie informiert werden sollten sind nur zwei Beispiele dafür. Abschließende Bemerkungen Anregung für Bestimmungen wie den RB 2008/909 war die Notwendigkeit einer Resozialisierung. Wir sind der Meinung, dass eine Verbesserung seiner Umsetzung mit der genauen Betrachtung des Umsetzungsverfahrens beginnen muss. In diesem Sinne stellte der Bericht der Kommission fest, dass der Grad der Umsetzung deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. In zu vielen Mitgliedstaaten wurde der Rahmenbeschluss nicht angepasst. Gleichzeitig gibt es bei denjenigen Mitgliedstaaten, die ihn angepasst haben, deutliche Lücken und Diskrepanzen, die nicht im Sinne des Beschlusses sind. Hier besteht Nachbesserungsbedarf. Im Laufe des vorliegenden Referats haben wir die schwierigsten Herausforderungen als theoretische Probleme und Hürden bei der Umsetzung aufgezeigt, die dem RB anhaften. Wir haben in jeder Kategorie die konkreten Probleme aufgezeigt, die einer wirksamen und nahtlosen Umsetzung im Wege stehen. Diesbezüglich war der 2013 auf der ISTEP-Abschlusskonferenz abgehaltene Workshop „Operational links between the Framework Decisions“ eine wichtige Hilfe bei der Feststellung der Probleme. Neben der Identifizierung von Problemen und Hürden müssen jedoch auch mögliche Lösungen gefunden werden. Diverse Dokumente wie das Protokoll der Expertensitzung über die Umsetzung der Rahmenbeschlüsse 2008/909/JI (Überstellung verurteilter Personen), 2008/947/JI (Bewährung und alternative Sanktionen) und 2009/829/JI (Europäische Überwachungsanordnung) Brüssel, 14. November 2012 sowie Bewertungsberichte der Kommission oder von COPEN haben zu einem größeren Bewusstsein für die Probleme und zur Findung geeigneter Lösungen beigetragen. 13 EU Framework Decisions related to Detention Issues, Straßburg, 20.-21. Juni 2013 Anhang 1 Hürden und Schwierigkeiten Hindernisgrund Zustimmung Definition „Resozialisierung“ Festgestellt in Mögliche Lösungen Bericht der Kommission Überprüfung des vom Februar 2014 Umsetzungsrechts, um zu gewährleisten, dass die verurteilte Person die Möglichkeit zu einer Stellungnahme hat. EU Framework Decisions „Resozialisierung“: Für die von related to Detention (…), Einschätzung der Straßburg, 20.-21. Juni Resozialisierung ist der 2013 rechtmäßige und gewöhnliche Aufenthalt oft entscheidend. Das Verfahren ist durch den neuen Rechtsrahmen sogar noch schwerfälliger geworden. Obschon die Bescheinigung im Regelfall bereits alle für eine Entscheidung über die Vollstreckung benötigten relevanten Informationen enthält, wird in den meisten Fällen darüber hinaus noch eine Übersetzung des Urteils angefordert. Anmerkung der Österreichischen Delegation der Arbeitsgruppe „Zusammenarbeit in Strafsachen“ (Sachverständige für gegenseitige Anerkennung) COPEN 151 EUROJUST 98 EJN 56 Anmerkung der Österreichischen Delegation der Arbeitsgruppe „Zusammenarbeit in Strafsachen“ (Sachverständige für gegenseitige Anerkennung) COPEN 151 EUROJUST 98 EJN 56 Fristen: In den Beschlüsse Anmerkung der festgelegte Fristen werden Österreichischen in den meisten Fällen Delegation nicht respektiert. der Arbeitsgruppe „Zusammenarbeit in Strafsachen“ Beendigung dieser Praxis und Respektierung des Wortlauts des Rahmenbeschlusses. Eine weitere Erleichterung des Verfahrens wird aufgrund gelockerter Übersetzungsvorschriften nach Art. 23 des Rahmenbeschlusses erwartet. Um die in Art. 15 Abs. 1 festgelegten Fristen einhalten zu können, wird eine unmittelbare Bestätigung des geplanten Termins und den (Sachverständige für gegenseitige Anerkennung) COPEN 151 EUROJUST 98 EJN 56 Anpassung der Sanktion Folgeentscheidungen mit Bezug auf die bedingte Entlassung Versagungsgründe - für obligatorisch erklären oder weitere hinzufügen Keine festen Fristen Die Beziehung zum EuHB Übergangsregelungen für Zeitraum nach dem 5. Dezember 2011 Materielle Haftbedingungen Große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten Opfer Welche Rolle kommt ihnen im Überstellungsverfahren zu und wann sollten sie informiert werden? Definition „rechtmäßigem“ Umständen der Übermittlung angefordert. Bericht der Kommission Mitgliedstaat um vom Februar 2014 Änderung im Umsetzungsrecht bitten. Bericht der Kommission Verbesserte vom Februar 2014 Kommunikation zwischen Ausstellungsund Vollstreckungsstaat bei den Bedingungen. Die Informationen könnten zur schnellen Überprüfung auch auf der EuroPrisWebseite veröffentlicht werden. Bericht der Kommission Änderung im vom Februar 2014 Umsetzungsrecht Augenmerk auf „kann“. Bericht der Kommission Mitgliedstaaten um vom Februar 2014 Änderung des Umsetzungsrechts bitten. Bericht der Kommission Mitgliedstaaten um vom Februar 2014 Änderung des Umsetzungsrechts bitten. Bericht der Kommission Mitgliedstaaten um vom Februar 2014 Aufnahme dieser Möglichkeit bitten. EU Framework Decisions Kenntnisse über related to Detention (…), Rechtssysteme anderer Straßburg, 20.-21. Juni Mitgliedstaaten 2013 verbessern. Studie zum Strafvollzug in der EU von 2011 (IRCP, Universität Tilburg) EU Framework Decisions related to Detention (…), Straßburg, 20.-21. Juni 2013 von EU Framework Decisions und related to Detention (…), Straßburg, 20.-21. Juni „gewöhnlichem“ 2013 Aufenthalt Es gibt keine feste Definition; sie kann von den Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgelegt werde. Einige Mitgliedstaaten haben eine Definition, andere hingegen zahlreiche. Sollte die Definition gestrafft werden? Kann jeder Mitgliedstaat eine eigene haben? Die Schwierigkeit besteht darin zu wissen, an wen man sich wenden soll. Alter der verurteilten Personen Es gibt Unterschiede in den einzelnen Mitgliedstaaten (d. h. unterschiedliche Regelungen der Volljährigkeit). Zuständige Behörden Die meisten Mitgliedstaaten haben Vorkehrungen getroffen. Wie können sich andere Mitgliedstaaten darüber informieren? Durch Merkblätter? EU Framework Decisions related to Detention (…), Straßburg, 20.-21. Juni 2013 EU Framework Decisions related to Detention Issues (…), Straßburg, 20.21. Juni 2013 EJN-Website Diese und ähnliche Initiativen tragen zu Lösungen bei: Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen Tabelle „Aktueller Stand“ und „Erklärungen“ Dem Dokument beigefügt BERICHT DER KOMMISSSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT Umsetzung der Rahmenbeschlüsse 2008/909/JI, 2008/947/JI und 2009/829/JI über die gegenseitige Anerkennung von Urteilen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, von Bewährungsentscheidung en und alternativen Sanktionen und von Überwachungsmaßnahm en als Alternative zur Untersuchungshaft durch die Mitgliedstaaten (COM [2014] 57 final) Gerichtshilfeberichte EU Framework Decisions Enthält Informationen related to Detention über die Person oder ihre Issues (…), Straßburg, 20.21. Juni 2013 soziale Herkunft. Kosten der Überstellung: EU Framework Decisions Woher kommt das Geld related to Detention und wer bezahlt? Issues (…), Straßburg, 20.21. Juni 2013 Literaturverzeichnis 1. Gesetze -- Rahmenbeschluss 2008/909/JI des Rates vom 27. November 2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in der Europäischen Union, CONSLEG 2008F0909 - 2009-03-28 -- Rahmenbeschluss 2008/909/JI des Rates vom 27. November 2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in der Europäischen Union, OJ 2008 L 327 of 2008-12-04, p. 27-46 2. Gesetzesentwürfe, vorbereitende Literatur -- Initiative der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zu dem Rahmenbeschluss des Rates über die Europäische Vollstreckungsanordnung und die Überstellung verurteilter Personen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, OJ 2005 C 150 of 2021-06-20, p. 1-16 -- Rahmenbeschluss über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in der Europäischen Union, Council document 15875_1/06 of 2006-11-29 -- Erläuternder Vermerk zum Rahmenbeschluss über die Europäische Vollstreckungsanordnung und die Überstellung verurteilter Personen im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EU, Council document 5597/05 of 2005-04-21 -- Rahmenbeschluss des Rates über die Europäische Vollstreckungsanordnung und die Überstellung verurteilter Personen im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EU, Council document 7307/05 of 2005-04-11 -- 8653/06 COPEN 47: Rahmenbeschluss über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in der Europäischen Union (9.06.2006): __ nationale Regelungen für die bedingte/vorzeitige Entlassung und vollständig und/oder teilweise freiheitsentziehende Maßnahmen - Bericht über den Entwurf eines Rahmenbeschlusses des Rates über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in der Europäischen Union. (9688/2007 - C6-0209/2007 – 2005/0805(CNS)). 5.10.2007 3. Evaluation, Berichte -- Rahmenbeschluss des Rates 2008/909/JI - Anmerkung der österreichischen Delegation, Council document 9885/14 of 2014-05-15 -- Rahmenbeschluss des Rates 2009/299/JI vom 26. Februar 2009 zur Änderung der Rahmenbeschlüsse 2002/584/JI, 2005/214/JI, 2006/783/JI, 2008/909/JI und 2008/947/JI, zur Stärkung der Verfahrensrechte von Personen und zur Förderung der Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Entscheidungen, die im Anschluss an eine Verhandlung ergangen sind, zu der die betroffene Person nicht erschienen ist. - Konsolidierte Fassung der Bescheinigung über die Vollstreckung von Urteilen in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, Council document 13301/11 of 201107-27 -- BERICHT DER KOMMISSSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT Umsetzung der Rahmenbeschlüsse 2008/909/JI, 2008/947/JI und 2009/829/JI über die gegenseitige Anerkennung von Urteilen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, von Bewährungsentscheidungen und alternativen Sanktionen und von Überwachungsmaßnahmen als Alternative zur Untersuchungshaft durch die Mitgliedstaaten. (COM [2014] 57 final). 5.02.2014 4. Aktueller Stand: http://www.europris.org/state-of-play-eu-framework-decisions-909-947-829/ 5.- Literatur: a.- „Protokoll der Expertensitzung über die Umsetzung der Rahmenbeschlüsse 2008/909/JI (Überstellung verurteilter Personen), 2008/947/JI (Bewährung und alternative Sanktionen) und 2009/829/JI (Europäische Überwachungsanordnung)“. Brüssel, 14. November 2012. (Dok. 1). b.- „EU Framework Decisions related to Detention Issues: Will they work effectively to enhance cooperation within the EU? Improving Conditions related to Detention“, Straßburg, 20.-21. Juni 2013 (Dok. 2). c.- „Workshop Operational links between the Framework Decisions“ ISTEP-Abschlusskonferenz Wilna, 14.-16. Mai 2013 d.- „Handbook on the International Transfer of Sentenced Persons“. UNODC. 2012. e.- „Cooperation between Romania, Ireland and Italy to support the implementation of the Council Framework Decision 2008/947/JHA“. Amsterdam, 25. Januar 2013 6. Spanische Literatur: A.- Artikel: Nistal, Javier, „El traslado de personas condenadas. Exigencias legales“. B.- Berichte: Informe del Consejo General del Poder Judicial 7. Englische Literatur: UK. Criminal casework. Repatriation for foreign national offenders UK position. 8. Französische Literatur: Lara Danguy des Déserts, „L’application du principe européen de reconnaissance mutuelle aux jugements et aux décisions de probation aux fins de la surveillance des mesures de probation et des peines de substitutions. DECISION-CADRE DU CONSEIL DU 27 NOVEMBRE 2008, 2008/947/JAI“, Le journal de l’Association des Magistrats de l’Union Européenne (AMUE), Juni 2009, Nr. 22, S. 3-5. Juliette LELIEUR et Laurence SINOPOLI, „La reconnaissance mutuelle à l’épreuve de la coopération judiciaire“, cejec-wp, n° 2009/6 Henri Labayle, „Judiciarisation, droits fondamentaux, et space pénal européen“, 2011. 9. Italienische Literatur: - DECRETO LEGISLATIVO 7 settembre 2010, n. 161 Disposizioni per conformare il diritto interno alla Decisione quadro 2008/909/GAI relativa all'applicazione del principio del reciproco riconoscimento alle sentenze penali che irrogano pene detentive o misure privative della liberta' personale, ai fini della loro esecuzione nell'Unione europea. (10G0185) - Savy, Daniela, La tutela dei diritti fondamentali ed il rispetto dei principi generali del diritto dell´unione nella disciplina del mandato d´arresto europeo, Diritto penale europeo. - Analisi tecnico normativo Decreto Legislativo 7 settembre 2010, n. 161, recante “Disposizioni per conformare il diritto interno alla Decisione quadro 2008/909/GAI relativa all’applicazione del principio del reciproco riconoscimento alle sentenze penali che irrogano pene detentive o misure privative della libertà personale, ai fini della loro esecuzione nell’Unione europea” - Cooperazione giudiziaria e strumenti di diritto derivato, Cass. pen., sez. VI, 19.05.14, n. 20527, Pres. Ippolito, Rel. De Amicis - Parisi, Nicoletta, „Tecniche di costruzione di uno spazio penale europeo.in tema di riconoscimento reciproco delle decisioni giudiziarie e di armonizzazione delle garanzie processuali“, Februar 2012, n. 38 - Le fonti in materia di raccolta delle prove ed di assistenza giudiziaria in ambito penale europeo. - Detenuti italiani all'estero - IL CASO MELLONI: La corte di giustizia risponde con il primato dell'unione alle pretestuose preoccupazioni dei giudici nazionali. riconoscimento delle decisioni giudiziarie rese a seguito di procedimenti in absentia. - La cooperazione giudiziaria e di polizia in materia penale 10. Vergleichendes Recht - VERNIMMEN-VAN TIGGELEN Gisèle, WEYEMBERGH Anne,SURANO Laura, The future of mutual recognition in criminal matters in the European Union/L’avenir de la reconnaissance mutuelle en matière pénale dans l’Union européenne, Bruxelles, Editions de l’Université de Bruxelles, 2009, http://www.editions-universite-bruxelles.be/ 11. Websites http://www.derechopenitenciario.com/organismos/consejo-textos.asp http://www.asser.nl/default.aspx?site_id=8&level1=10785&level2=10862&level3=&textid=30929 http://www.cep-probation.org/default.asp?page_id=157&map_id=102 12. Artikel und Bücher Lorenzo M. Bujosa Vadell „El reconocimiento y la ejecución de sentencias privativas de libertad en la Unión Europea: comentario a la decisión marco 2008/909/JAI, del Consejo, de 27 de noviembre de 2008“, Revista General de Derecho Europeo, ISSN-e 1696-9634, Nº. 18, 2009 . (http://dialnet.unirioja.es/servlet/articulo?codigo=2942379) Baras González, Marcos, El Espacio Penitenciario Europeo, editado por el Ministerio del Interior. Spiezia Filippo, Aprile Ercole, Cooperazione giudiziaria penale nell'Unione europea prima e dopo il Trattato di Lisbona, Ipsoa, 2009
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