Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Landesverband Niedersachsen/Bremen e.V. – Pressesprecher: Eckehard Niemann, Varendorfer Str. 24, 29553 Bienenbüttel 0151-11201634 – [email protected] Newsletter „Agrar-Hinweise“ – 04.08.2016 Protestkundgebung ostfriesischer Milchbauern „Bauern schütten aus Protest Milch weg“ unter dieser Schlagzeile berichten die Ostfriesischen Nachrichten über eine spontane TreckerDemonstration von 50 Milchbauern-Familien am 1. August am Pferdemarkt in Aurich. Die Landwirte protestierten gegen den anhaltend ruinösen Milchpreis und forderten eine schnelle Lösung durch eine europaweite Produktionssenkung. Bei der Kundgebung vergossen die Kinder der Bauern Milch aus ihren Spielzeug-Güllefässern und TankAnhängern – um zu zeigen, wie die Milch aufgrund der Überproduktion zum billigen Rohstoff verkommen ist. Der Milchbauer Ottmar Ilchmann (Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - AbL) und die Milchbäuerin Karin Mansholt (Bundesverband Deutscher Milchviehhalter - BDM) übten Kritik an Politik, Bauernverband, Molkereien und Banken. Laut Ilchmann schließen wegen der Milchpreiskrise jeden Tag Höfe in Ostfriesland. Alle übrigen Betriebe seien „stehend k.o.“. Dabei sei die Lösung so einfach: Europaweit müsste die Milchmenge nur um ein paar Prozent reduziert werden. Mehrere Milchbauern schilderten ihre Lage, bei der sie seit langem Verluste von 1.000 Euro pro Kuh tragen müssten – trotz Überarbeit der ganzen Familie. Karin Mansholt appellierte an die Molkereien und zeigte auf ein Plakat: „Familienbetriebe oder Industrie – was wollt ihr?“ Anscheinend wollten die Molkereien, anders als die Verbraucherinnen und Verbraucher, agrarindustrielle Strukturen. Das vernichte aber Bauernhöfe und die Kulturlandschaften. -en „Milchbauern haben Wut im Bauch“ Podiumsdiskussion im schwäbischen Leutkirch Im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion der Schwäbischen Zeitung (28.7.2016) in Leutkirch stand die Situation der anwesenden 250 Milchbäuerinnen und Milchbauern. „Mit Tränen in den Augen erzählte Ernestina Frick der verfahrenen Lage auf ihrem Hof. Die Mittfünfzigerin, Milchbäuerin aus Bad Wurzach, kämpft wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen derzeit verzweifelt ums wirtschaftliche Überleben. Und sie erzählte von einem Lebensentwurf, der sich angesichts der desaströsen Lage auf dem Milchmarkt, peu à peu in Luft auflöst, erzählt von den Verlusten, die sich bei Preisen um die 25 Cent für den Liter Rohmilch Monat für Monat auftürmen. Ernestina Frick hat Wut im Bauch. Wut auf die Politik, die ihrer Meinung nach die Situation mit zu verantworten hat. Wut auf den Deutschen Bauernverband, der den deutschen Milchbauern jahrelang von den Chancen auf dem Weltmarkt vorgeschwärmt hat. Und Wut auf die Molkereien und den Lebensmitteleinzelhandel, die ihre Marktmacht auf dem Rücken der Erzeuger gnadenlos ausspielen.“ Auf dem Podium kristallisierten sich zwei Stoßrichtungen heraus: Während die grüne Europa-Abgeordnete und Milchbäuerin Maria Heubuch eine verpflichtende, europaweit geltende Mengenkürzung einforderte, um Angebot und Nachfrage wieder in Einklang zu bringen, sprachen sich die CDU-Abgeordneten Haser und Westermayer vor allem erzeugerfreundlicheren Vertragsstrukturen zwischen Landwirten und Molkereien aus. Maria Heubuch zufolge aber hätten die Molkereien aber gar kein Interesse an höheren Milchpreisen: Für sie sei Milch nämlich der größte Kostenfaktor. Höhere Verkaufspreise bei regionalen Qualitätsprodukten würden bis auf wenige Ausnahmen nicht an die Erzeuger weitergegeben. Statt den Bauern einen Cent mehr Milchgeld zu zahlen, werde lieber investiert. „Als Milchbauer kann ich nur gute Verträge machen, wenn ich in einer guten Position und in einer guten Marktlage bin. Beides haben wir gerade nicht“, so Heubuch. „Heubuch sprach damit vielen anwesenden Milchbauern aus der Seele“ – so der Bericht der Schwäbischen Zeitung: Angesichts dieser Summe seien die Hilfspakete von Bund und EU nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, der zudem noch bei einigen wenigen verdampfe und das Gros der Milchbauern gar nicht erreiche, schimpfte einer der Milchbauern in der abschließenden Publikumsrunde, wo nicht Fragen an die Podiumsteilnehmer im Mittelpunkt standen, sondern die Darstellung der teils dramatischen Lage auf den Höfen. Viele wollten sich ihren Frust einfach von der Seele reden. „Die Politik hat die Krise mit zu verantworten. Nun muss sie auch für Lösungen sorgen“, sagte Herrmann Fischer, Milchbauer von der Erzeugergemeinschaft AllgäuOberschwaben. „Ernestina Frick, das sagt sie im Hinausgehen, will kämpfen. Für das Überleben der bäuerlichen Landwirtschaft im Südwesten und für diesen Lebensentwurf, für den sie sich vor Jahren entschieden hat, und der für sie noch alternativlos ist.“ –en „0,20 Cent pro Liter Milch – so schaffen wir die Bauern ab!“ Die Märkische Allgemeine Zeitung (3.8.2016) berichtet über ein Protestplakat vor der Feldheimer Agrargenossenschaft Fläming: „0,20 Euro pro Liter Milch – so schaffen wir die Bauern ab!“ Das drückendste Problem sei die Schieflage beim Milch-Erzeugerpreis, so Genossenschaftsleiter Herbst: Molkereien und Großhandel würden sich Taschen vollstopfen, bei den Landwirten komme davon nichts an: „33 Cent für den Liter bräuchten wir, 23 Cent werden gezahlt. Das sind im Monat 50 Euro Minus, bei unseren 300 Milchkühen also 180.000 Euro Jahresverlust.“ Bestehende Lieferverträge mit der Molkerei lassen es nicht zu, die Milcherzeugung aufzugeben – und das wolle ohnehin nicht, wegen der Arbeitsplätze in diesem Bereich. –en Globale Konkurrenz der Milchkonzerne Das Ranking der 20 weltweit größten Molkereikonzerne im Jahre 2015 zeigt einen heftigen Konkurrenzkampf auf dem Weltmarkt. Bei diesem globalen Wettkampf mischen mittlerweile unter anderem zwei deutsche Großmolkereien mit – nämlich die Privatmolkerei Müller (die kürzlich auch die britische Dairy Crest übernahm) und das aus zahlreichen Fusionen von Genossenschaftsmolkereien entstandene Deutsche Milchkontor DMK. Das Milchkonzern-Ranking wird angeführt von Nestlé, der französischen Lactalis, Danone, den „Dairy Farmers of America“, der neuseeländischen Fonterra, der niederländischen FrieslandCampina, der skandinavisch-deutschen Arla und der chinesischen Yili. Mehr dazu unter diesem Link: http://www.topagrar.com/news/Rind-Rindernews-Zwei-deutscheMolkereien-weiterhin-unter-den-Top-20-4147287.html Gedanken einer Bäuerin zur Milchkrise aus: Unabhängige Bauernstimme Juliausgabe 2016 Ich bin Bäuerin. Bin ich wirklich Bäuerin? Wie fühle ich mich eigentlich? Es gab Zeiten, da fühlte ich mich wirklich so. Als Teil der Jahreszeiten, als Teil des Jahreskreises der Saat, des Wachsens und Reifens, der Ernte, des Winters mit seiner Andersartigkeit der Arbeit, des Verlagerns von Außen nach Innen. Als Teil des Geborenwerdens, des Wachsens und des Sterbens im Stall. Ein selbstverständlicher Teil dieser realen Welt in der Landwirtschaft, mit der immer weniger Menschen zu tun haben. Gottes Verheißung gegenüber Noah, dass „niemals Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht aufhören wird“ (1. Mose 8,22) war mir bisher jedes Jahr gegenwärtig. Erfüllte mich mit Hoffnung und Freude. Denn immer wieder gab und gibt es Zeiten, wo es zu wenig Regen gibt, zu viel, es im Frühjahr zu kalt ist, im Verlauf des Jahres zu trocken oder zu heiß. Die Erfüllung dieser Zusage immer wieder zu erleben ist schön. War schön. Im Moment ist die Arbeit nur eine Qual. Aussaat und Wachsen, das Geborenwerden von Kälbern, die Melkarbeit, die ich oft als erholsam erlebte, ist nun ein Erleben, das nur so vorbeizieht, mit wenig Emotionen. Bauern mit Geschichte Mein Mann und ich werden die letzten in unseren Familien sein, die Bauern waren und sind. Ich weiß nicht, wie viele Generationen aus unseren Familien wirklich von und mit der Landwirtschaft gelebt haben. Wir werden diese Tradition beenden. Werden die Stalltüren schließen und das Land nicht mehr selber bebauen und abernten. Wir werden unserem Sohn, der mit 15 noch sehr jung ist, die Frage „Landwirtschaft oder nicht?“ abnehmen. Könnten wir ihm etwa mit ruhigem Gewissen in der heutigen Zeit dazu raten, den Hof zu übernehmen? Seit 1712 waren die Vorfahren meines Mannes in Schlesien Bauern. Mein Mann ist der siebte Bauer in dieser Familie. Nach dem Krieg wurden seine Eltern aus Schlesien vertrieben und bekamen 1957 den Hof in Ostfriesland, auf dem wir leben. Endlich wieder auf eigener Scholle Landwirtschaft betreiben. 1957 haben meine eigenen Eltern geheiratet. Auch beide aus der Landwirtschaft stammend, übernahmen sie den elterlichen Betrieb meines Vaters. 1960 wurden sie schon in die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) gezwungen. Dabei hatten sie doch gerade erst begonnen, waren voller Tatendrang. Eine emotionale Zeit. Viel haben sie darüber nicht erzählt. Als ich vor einigen Jahren die Geschichte meiner Mutter aufschrieb, habe ich eine Ahnung davon bekommen. Kapitulationsstimmung Nun werden wir in die Knie gezwungen: von der Überproduktion an Milch seit dem Wegfall der Quote und der Unfähigkeit der Politik und des Bauernverbandes eine Lösung des Problems herbeizuführen beziehungsweise „das Kind beim Namen zu nennen“. Das Zuviel an Milch europaweit und der damit verbundene Preisverfall auf teilweise unter 20 Cent pro Liter Milch setzt ein massives Höfesterben in Gang. Und leider auch ein echtes Bauernsterben, nämlich von Bauern, die ihrem Leben selbst ein Ende setzen, weil sie mit der gegenwärtigen Situation nicht klarkommen. Vor 14 Tagen hörte ich es im ZDF, zwei Tage später las ich einen Bericht darüber in der „Unabhängigen Bauernstimme“. Und mir blutet das Herz und die Tränen fließen wegen der Verzweiflung, die auf den Höfen herrscht. Kapitulationsstimmung. Dabei herrschte doch Enthusiasmus. „Mit dem Wegfall der Quote könnt ihr endlich produzieren, was ihr wollt!“ Es wurde gebaut, was das Zeug hielt. Ställe schossen aus dem Boden und die Kuhzahl wurde aufgestockt. Alles war auf den 1. April 2015 ausgerichtet. Absturz mit Ansage Sah das wirklich keiner – wollte das niemand sehen, dass das nicht funktionieren konnte? Der Abwärtstrend bei den Milchpreisen war doch schon in den letzten Jahren zu sehen, als die zu beliefernde Milchquote jährlich um circa ein Prozent erhöht wurde. „Sanften Quotenausstieg“ nannte man das. Und nun der steile Absturz. Und viele sind noch so blind, diesen Zusammenhang nicht zu sehen, schieben es auf das Russlandembargo und anderes. Und wenn ich den Bundeslandwirtschaftsminister und den Bauernverband höre, die diesen Zusammenhang leugnen, wird mir übel. Sehen sie nicht, dass an ihnen das Blut der Bauern klebt? Das Blut der Betrogenen und Verzweifelten. Das Herzblut einer ganzen Zunft, die lieber geopfert wird, als Lösungen zu schaffen, damit die bäuerliche Landwirtschaft überleben kann. Wohlstandsüberfluss Und die Gesellschaft? Ein Aufschrei? Anteilnahme? Wirkliches Interesse? Im Moment liest man in großen Tageszeitungen viel über das Thema. Hört es auch mal im Radio oder Fernsehen. Das freut mich und gibt mir Mut. Denn ganz viele Menschen haben doch schon den Bezug zur Landwirtschaft verloren, ertränkt in unserem Wohlstand, haben den Blick auf die verloren, die „unser täglich Brot“ erzeugen. Sehen sie oft nur noch als Tierquäler, Luftverpester, Bodenverunreiniger, Verkehrshindernisse oder was nicht noch alles. Sie haben den Blick dafür verloren, was Menschen leisten, die für unser Essen sorgen. Es ist doch alles da! So viel Überfluss! Kein Mangel! Seit Jahren und Jahrzehnten nicht mehr in Deutschland. Alles andere ist doch weit weg und betrifft uns nicht. Welche Anerkennung bekomme ich dafür und für meine Arbeit? Ohne Sonn- und Feiertage. 365 Tage im Jahr – ohne gesetzlichen Urlaub, kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld, ohne Mindestlohn oder Tarifabschlüsse. Keine Anerkennung … wenig. Alles selbstverständlich … Wir können ja mit billigen Lebensmitteln gut leben und unseren Wohlstand pflegen. Noch ein Urlaub, noch dieses und jenes kaufen. Was kümmert es mich. Ich kann (oder will) doch eh nichts ändern. Die Deutschen geben in Europa am meisten Geld für ihre Kücheneinrichtung aus, aber am wenigsten für ihre Lebensmittel. Hauptsache, nach außen kann ich punkten. Was ich mir selber zuführe, sieht eh keiner. Ein Segen Anerkennung? Ja, einmal bekam ich die. Letztes Jahr zum Erntedankfest. Wir waren zu Gast in einer anderen Kirchengemeinde. Dort wurde richtig gefeiert. Der Altar war schön geschmückt mit Erntekrone und Erntegaben. Der Pastor ließ alle Landwirte aufstehen, damit die übrigen Besucher sehen konnten, wer ihr „täglich Brot“ erzeugt. Es wurde ein Interview mit einem Landwirt geführt und in der Predigt ging es um die Landwirte und ihre Familien. Am Schluss wurden wir Landwirte gesegnet. Das hatte ich noch nie in dieser Form erlebt. Gestärkt und gesegnet – berührt und ermutigt. Davon zehre ich heute noch. Das hatte ich so am Erntedankfest in all den Jahren noch nicht erfahren. Echte Wertschätzung für uns Bauern. Denn zu schnell sind wir an diesem Tag dabei, ganz allgemein allen Arbeitern zu danken. Durch die Krisenzeit, die wir jetzt als Milchbauern erleben, trägt mich nur mein Glaube. Ich weiß, dass Jesus mein Versorger ist, mein Trost in schwierigen Zeiten und dass er unsere Zukunft kennt und für unser Morgen sorgt. Auch wenn die Tore unseres Hofes Ende nächsten Jahres zugehen: Gott sieht mich! Und ER wird und will meine Traurigkeit verwandeln in Freude. Das sagt er mir in seinem Wort zu und diese Gewissheit wünsche ich allen Bauernfamilien. „Die auf den Herrn hoffen, bekommen neue Kraft, damit sie aufsteigen mit Flügeln wie Adler“ (Jesaja 40, 31). Betriebsspiegel 70 Kühe und Nachzucht 21 ha Eigenland, 20 ha Pachtland (viel Pachtfläche verloren in den letzten Jahren) Acker: 13 ha Mais zu Futterzwecken, Rest Grünland WEITBLICK (Germanwatch): „Wir finanzieren den Molkereien ihre Weltmarkteroberungen“ Interview mit Ottmar Ilchmann, Milchbauer in Niedersachsen und stellvertretender Bundesvorsitzender der Arbeits- gemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Sie haben bereits mehrfach Aktionen vor der größten deutschen Molkerei „Deutsches Milchkontor“ (DMK) mitorganisiert und einmal sogar die Einfahrt für mehrere Stunden blockiert. Wieso demonstrieren Bauern und Bäuerinnen vor ihren Molkereien? Wir befinden uns in einer existenzbedrohenden Krise, seit über anderthalb Jahren sind die Milchpreise nicht mehr kostendeckend. Die Genossenschaftsmolkereien, die eigentlich den Bauern gehören, sind aber als Unternehmen kaum von der Krise betroffen, denn sie geben die geringeren Erlöse einfach eins zu eins an ihre Lieferanten weiter. Sie weigern sich, die von der Politik geschaffenen Möglichkeiten zur Reduzierung der Menge zu nutzen, um dadurch den Preis wieder steigen zu lassen. Ihnen ist das Überleben ihrer eigenen Mitglieder und Lieferanten völlig egal. Deshalb ist es nur zu berechtigt, wenn Bäuerinnen und Bauern auf diesen Missstand hinweisen und vor den Molkereien demonstrieren. Eine besondere Verantwortung kommt hier dem DMK mit seiner marktbeherrschenden Größe zu, deshalb nehmen wir diese Molkerei besonders in die Pflicht. Die Molkereien beklagen aber, dass der Export eingebrochen ist. Ist das nicht höhere Gewalt? Durch das Russland-Embargo und den Nachfragerückgang in China sind tatsächlich wichtige Märkte verloren gegangen. Aber gleichzeitig haben die Molkereien ihre Exporte in andere Regionen gesteigert, sodass die exportierte Menge im Krisenjahr 2015 sogar gestiegen ist. Kein Wunder, denn mit den extrem niedrigen Rohmilchpreisen ermöglichen wir Milcherzeuger den Molkereien ihre Exporterfolge! Wir finanzieren den Molkereien die Eroberung von Weltmarktanteilen, und wenn es uns den Hof kostet! Der Deutsche Bauernverband gibt dem Lebensmitteleinzelhandel die Schuld. Immerhin hat Aldi vor einigen Wochen die Trinkmilchpreise auf 49 Cent heruntergeschraubt. Ein Milchpreis von unter 50 Cent, die billigsten Angebote gibt es mittlerweile für 42 Cent, ist unmoralisch und entwürdigend. Natürlich nutzen die großen Handelsketten ihre Marktmacht und die Übermengen an Milch knallhart aus, um die Molkereien im Preis zu drücken. Andererseits hätten sie ohne den Mengendruck gar nicht diese Verhandlungsposition. In den Boom-Jahren 2013 und 2014 haben sie ja auch anstandslos die wesentlich höheren Preise gezahlt. Es sind doch auch hier wieder die Molkereien, die die Menge gepuscht haben und sie jetzt nicht senken wollen und die dem Lebensmitteleinzelhandel die unmoralisch niedrigen Angebote machen! Warum ist diese Milchkrise so außergewöhnlich? Die Krise ist die längste in der neueren Geschichte der Milcherzeugung. 2009 war auch schlimm, aber da ging es nach neun Monaten schon wieder bergauf. Das ist sicher auch eine Folge des Ausstiegs aus der Milchquotierung. Wenn bei den niedrigen Preisen Milcherzeugern die Luft ausgeht und sie ihren Hof aufgeben, übernehmen Wachstumsbetriebe die Flächen und die Kühe und liefern die Milch weiter. Das hatte die Quote 2009 verhindert. Ungewöhnlich ist auch die Deutlichkeit, mit der Politiker, Agrar-„ Ökonomen“, Bauernverbandsvertreter und Molkereivertreter jetzt die „Marktbereinigung“ infolge der Krise gutheißen und sich zum Strukturwandel bekennen. Es wird inzwischen offen ein Übergang von einer bäuerlichen in eine industrialisierte Milchwirtschaft propagiert. Damit werden die Interessen der Bäuerinnen und Bauern und weiterer Teile der Gesellschaft denen der Ernährungsindustrie untergeordnet. Vielen Dank für das Gespräch! Interview: Berit Thomsen, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) 7. Juli 2016 AbL fordert wirksame statt nur symbolische Milchüberschuss-Reduzierung „Die geplante Zahlung der EU von 14 Cent für jeden nicht erzeugten Liter Milch ist zwar das richtige Mittel zum Abbau der ruinösen und unsinnigen Milch-Überschüsse – aber diese richtige Medizin ist bislang leider völlig unterdosiert“ – so kommentiert der stellvertretende Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Ottmar Ilchmann das längst überfällige Einschwenken von EUAgrarkommissar Hogan auf die Milchbauern-Forderung nach mengenreduzierenden Maßnahmen. Mit den bisher vorgesehenen 150 Millionen Euro könnten nur 0,7% der EU-Milchmenge abgebaut werden – der Effekt einer wirklich ausreichenden Mengenreduzierung zur Erreichung kostendeckender Milch-Erzeugerpreise erfordere stattdessen mindestens das Fünffache. Die Molkereien müssten noch einmal die gleiche Summe drauflegen. Diese Summen seien gut angelegt, weil sie die vielfach höheren Folgekosten einer andauernden Milchkrise vorbeugend verhindere. Sollten die Bundesregierung und EU-Kommissar diese wirklich wirksame Maßnahme in diesem erforderlichen Umfang weiter verweigern, dann schüre dies den Verdacht, man wolle dieses richtige Mittel der Mengenreduzierung lediglich symbolisch anfassen, um es so als angeblich unwirksam zu diskreditieren. Dies, so Ilchmann, bedeute die Fortsetzung einer unsinnigen Billigpreis- und Exportstrategie im Interesse von Molkereikonzernen und neoliberalen GlobalisierungIdeologien – auf Kosten Tausender Bauernhöfe. – 19.07.2016 Link: http://www.topagrar.com/news/Rind-Rindernews-Hogan-will-14-Centfuer-jedes-Kilogramm-nicht-produzierter-Milch-auszahlen-4013544.html
© Copyright 2024 ExpyDoc