11. August 2016 #27 / 2016 Staatsfinanzen Brexit Türkei Insolvenzen iwd.de ISSN 0344-919X G 4120 Informationen aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln Europa in der Dauerkrise Staatsfinanzen. Traurig, aber wahr: Seit der Finanzkrise 2008 befindet sich Europa ununterbrochen im Krisenzustand. Aktuell richten sich die Blicke nach Spanien und Portugal. Gegen beide Länder hat die EU zwar das Defizitverfahren verschärft, Sanktionen gibt es aber – wieder einmal – nicht. In Italien versucht Regierungschef Matteo Renzi, die Regeln der EU-Bankenunion zu umgehen – auch das ist im Prinzip nicht neu. Und der jüngste Banken- Stresstest wirft die Frage auf, warum die Banken von Griechenland, Zypern und Portugal nicht dabei waren. Seiten 2-4 We don,t know! Brexit. Großbritannien will die EU verlassen. Aber wissen die Briten eigentlich, worüber sie abgestimmt haben? Wohl nur bedingt, denn das EU-Wissen der Insulaner ist ziemlich lückenhaft: Kein anderes Mitgliedsland weiß so wenig über Europa wie Großbritannien. Die Haushalts-Sünder Haushaltssaldo 2015 in Prozent des Bruttoinlandsprodukts 2 1 0 -1 -2 -3 -4 -5 -6 -7 -8 Gr h iec en lan d S n pa ien -5,1 P u ort ga l n Fra kre ich -3,5 -4,4 -7,2 Quelle: EU-Kommission © 2016 IW Medien / iwd 79,1 Milliarden Euro betrugen die Warenexporte der EU in die Türkei im Jahr 2015. Der Wert der von der EU aus der Türkei importierten Waren belief sich auf 61,6 Milliarden Euro © 2016 IW Medien / iwd Seite 8 49 Abgewirtschaftet Insolvenzen. Mit 22.000 prognostizierten Insolvenzen So viel Prozent der Briten können wenigstens eine von zwei Fragen zur EU korrekt beantworten Quelle: Umfrage der Bertelsmann Stiftung unter knapp 11.000 EU-Bürgern im April 2016 © 2016 IW Medien / iwd Seiten 6-7 dürften in Deutschland in diesem Jahr rund 1.000 Unternehmen weniger pleitegehen als 2015. Ursache für den schon seit Jahren zu beobachtenden Rückgang sind vor allem die gesamtwirtschaftliche Stabilität und die gestiegenen Eigenkapitalquoten der Betriebe. Seiten 10-11 Präsident: Arndt Günter Kirchhoff · Direktor: Professor Dr. Michael Hüther Mitglieder: Verbände und Unternehmen in Deutschland www.iwkoeln.de Euro-Stabilitätspakt 11. August 2016 / #27 / Seite 2 Regel – und Ausnahme Euro-Stabilitätspakt. Theoretisch hat die EU den Stabilitätspakt als Lehre aus der Krise verschärft. In der Praxis ist die Kommission im Fall von Spanien und Portugal erneut vor ihrer eigenen Courage zurückgeschreckt. Wer den Euro will, muss den Stabilitäts- und Wachstumspakt einhalten. Punkt. Punkt? Keine Regel ohne Ausnahme, das zeigt die jüngste Entscheidung der EU-Kommission zu den möglichen Sanktionen gegen die Defizitsünder Spanien und Portugal: Es wird keine Strafe geben. Zur Diskussion steht lediglich noch das Einfrieren oder Kürzen von Fördergeldern aus den EU-Strukturfonds. Und das, obwohl beide Länder das Defizitkriterium, das die jährliche Neuverschuldung auf 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) be- grenzt, 2015 deutlich verfehlt haben: Der spanische Staatshaushalt lag mit 5,1 Prozent des BIP im Minus, der portugiesische mit 4,4 Prozent. Aus ökonomischer Sicht hätte manches dafür gesprochen, die mögliche Geldbuße von maximal 0,2 Prozent des BIP tatsächlich zu verhängen. Denn weder Spanien noch Portugal können ihr Haushaltsloch mit einer schwachen Wirtschaft begründen; sie haben schlicht und einfach nicht weiter konsolidiert (Grafik): Spaniens konjunkturbereinigter Haushaltssaldo lag 2015 bei minus 2,9 Prozent des BIP und hat sich damit gegenüber 2014 weiter verschlechtert. Portugals strukturelles Defizit vergrößerte sich von minus 1,4 auf minus 2,0 Prozent der Wirtschaftsleistung. Damit schlagen sich die Iberer sogar schlechter als das EU-Sorgenkind Griechenland: Die Hellenen häuften 2015 zwar de facto neue Schulden von 7,2 Prozent des BIP an, können das aber ihrer miserablen Konjunktur zuschreiben – und den Ausgaben für die Bankenrettung. Gespart haben die Griechen durchaus, wie der positive strukturelle Haushaltssaldo 2015 zeigt. Statt Strafen gegen Spanien und Portugal zu verhängen, hat die Kommission lediglich neue Konsolidierungspfade vorgeschrieben, die beide Länder bis Oktober in ihre Haushaltspläne einarbeiten müssen. Ob sie das schaffen, ist die eine Sache – die andere große Frage ist, ob die EU hier nicht einen Präzedenzfall geschaffen hat, der die verschärften europäischen Stabilitätsregeln dauerhaft schwächt. Mehr dazu lesen Sie unter: link. iwd.de /defizitsuender Defizitsünder: Gelbe Karte für Spanien und Portugal Die EU-Finanzminister haben auf Empfehlung der EU-Kommission das Defizitverfahren gegen Spanien und Portugal verschärft und so die Tür für Sanktionen geöffnet. Der Grund dafür ist das steigende strukturelle Haushaltsdefizit in den beiden iberischen Ländern. Weil es in den übrigen südeuropäischen Krisenstaaten und Frankreich rückläufig war, wurden diese Länder trotz ihres (zu) hohen faktischen Haushaltsdefizits großzügiger behandelt und nicht gerügt. Struktureller Haushaltssaldo in Prozent des BIP Tatsächlicher Haushaltssaldo 2015 in Prozent des BIP Italien Griechenland Spanien Portugal Frankreich 2 0 -0,3 1,6 1,0 0,5 -2 -1,2 -0,9 -1,1 -1,0 -1,4 -1,9 -2,0 -2,0 -2,7 -2,4 -2,9 -4 -3,1 -2,5 -3,3 -3,3 -3,4 -4,1 -3,4 -6 -5,0 -5,8 -6,2 -6,3 -8 -7,1 -6,4 -8,0 -5,1 -3,5 -4,4 -2,6 -7,2 -10 -10,2 -12 2010 11 12 13 14 15 2010 11 12 13 14 15 2010 11 12 13 14 15 2010 11 12 13 14 15 2010 11 12 13 14 15 Struktureller Haushaltssaldo: um Konjunktureffekte bereinigt; BIP: Bruttoinlandsprodukt Quelle: EU-Kommission © 2016 IW Medien / iwd Bankenkrise 11. August 2016 / #27 / Seite 3 Italienisches Dilemma Faule Kredite: Italienische Banken besonders betroffen Notleidende Kredite in Prozent des Bruttoinlandsprodukts Italien Euroraum Euroraum ohne Italien Kredite gelten als notleidend, wenn die Rückzahlung mehr als 90 Tage im Verzug und wenig wahrscheinlich ist. Bankenkrise. Die italienische Regierung will die Regeln der EU-Bankenunion verwässern und staatliche Gelder zur Rettung der maroden Geldhäuser einsetzen. Ansonsten müssten die italienischen Kleinanleger die Bankenrettung finanzieren – und könnten sich dafür an der Wahlurne rächen. Sogar der Ixit – die italienische Variante des Brexit – wäre dann nicht mehr ausgeschlossen. Das Ausmaß der italienischen Bankenkrise ist enorm: Allein die 15 größten und systemrelevanten Banken haben mittlerweile 236 Milliarden Euro an faulen Krediten in ihren Büchern. Das heißt (Grafik): Das Verhältnis von notleidenden Krediten zum italienischen Bruttoinlandsprodukt ist von 9,3 Prozent im Jahr 2009 auf 14,4 Prozent im Jahr 2015 gestiegen. Damit entfällt fast ein Drittel aller faulen Kredite der Eurozone auf Italien. Jetzt steht die Regierung von Matteo Renzi vor einem Dilemma: Hält sie sich an die Regeln der Bankenabwicklungsrichtlinie der EU, müssten die Anteilseigner und Kunden der maroden Banken zunächst Verluste von mindestens 8 Prozent der Verbindlichkeiten tragen, bevor staatliche Hilfen gewährt werden dürfen. Dieses Bail-in ist für Italien besonders heikel, weil dort rund ein Drittel der Verbindlichkeiten nicht bei institutionellen Anlegern liegt, sondern bei privaten Haushalten – und diese bluten zu lassen, ist politisch nicht durchsetzbar. Zumal es im Oktober auch noch ein Referendum gibt: Darin geht es zwar um innenpolitische Fragen, das italienische Volk könnte die Abstimmung aber zu einem Anti-Renzi-Votum ummünzen und der eurokritischen Fünf-Sterne-Bewegung an die Macht helfen – und die hat den Italienern ein Referendum über den Verbleib in der EU versprochen. Deshalb will Regierungschef Renzi einen anderen Weg gehen: Es soll eine Bad Bank gegründet werden, die den Geschäftsbanken notleidende Kredite im Wert von 50 Milliarden Euro mit einem Abschlag von 80 Prozent 15 9,3 7,4 7,0 14,4 7,5 6,2 10 5 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Ursprungsdaten: Bloomberg, Eurostat © 2016 IW Medien / iwd abnimmt. Die Banken hätten also einen Verlust von 40 Milliarden Euro in ihren Bilanzen. Zudem würden nach diesem Deal noch zehn der 15 Banken zusätzliche staatliche Hilfe von fast 22 Milliarden Euro brauchen, weil ihre Eigenkapitalbasis zu niedrig ist. Zusammen mit den 10 Milliarden Euro, mit denen die Bad Bank notleidende Kredite im Wert von 50 Milliarden Euro ablöst, müssten die italienischen Steuerzahler also fast 32 Milliarden Euro in die Banken stecken. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hat zwei Alternativen zu diesem Szenario berechnet: Variante 1. Wenn der Abschlag, zu dem die Bad Bank die faulen Kredite übernimmt, nur 50 statt 80 Prozent beträgt, müsste mehr Geld in die Bad Bank fließen, nämlich 25 statt 10 Milliarden Euro. Dafür würden die Kosten der Rekapitalisierung von 22 auf rund 11 Milliarden Euro sinken. In diesem Szenario würden die Anteilseigner und Gläubiger der Banken zwar geschont, für die Steuerzahler wäre es aber die teuerste Lösung: Sie müssten gut 36 statt 32 Milliarden Euro aufbringen. Variante 2. Übernimmt die Bad Bank die faulen Kredite mit 100 Prozent Abschlag, erleiden die Banken einen Totalverlust und müssten deshalb sogar mit 30 Milliarden Euro rekapitalisiert werden – für die Steuerzahler wäre das jedoch die günstigste Lösung. Das italienische Dilemma zeigt: Eine Bankenrettung ohne Steuergelder ist kaum möglich. Denn die Wunschvorstellung, dass Eigentümer und Gläubiger alle Verluste tragen, funktioniert nur, wenn es sich dabei ausschließlich um professionelle Investoren handelt. Interview zum Bankenstresstest 11. August 2016 / #27 / Seite 4 Interview. Die Europäische Bankenaufsicht (EBA) hat gerade 51 europäische Banken einem Stresstest unterzogen. Der hat zwar erst einmal keine Konsequenzen, entfaltet aber trotzdem eine gewisse Wirkung, sagt Markus Demary, Finanzmarktexperte am Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Herr Demary, das Ergebnis des Stresstests ist, dass einige Banken große Eigenkapitallücken haben – das gilt vor allem für die italienischen. Hat Sie das überrascht? Die Aktienkurse der europäischen Banken sind schon seit langem im freien Fall. Dahinter steckt die Sorge der Börsianer, dass die Institute nicht mehr ausreichend profitabel sind – und das ist alles andere als eine Überraschung. Außerdem stand von vornherein fest, dass keine Bank durchfallen konnte. Über diesen Stresstest muss man sich in der Tat ein bisschen wundern. Beim letzten Test im Jahr 2014 waren es 128 Banken, dieses Mal nur 51, das ist schon eine selektive Auswahl. Vor allem stellt sich die Frage, warum die griechischen, portugiesischen und zypriotischen Banken nicht dabei waren, denn bei denen dürfte noch einiges im Argen liegen. Hinzu kommt, dass der Test nur einen Konjunktureinbruch simuliert hat, nicht aber das Nullzinsumfeld, also das derzeit größte Problem der Banken. Es war eine Art Stresstest ohne richtigen Stress. Also hätte man sich das Ganze sparen können? Nein, man muss den Stresstest eher als politisches Instrument verstehen. Denn damit die Bankenaufsicht überhaupt eingreifen kann, braucht sie harte Fakten. Immerhin haben die Aufseher jetzt eine ganze Menge detaillierte Informationen – während den Marktteilnehmern nur Bilanzdaten und Pressemitteilungen zur Verfügung stehen. Der Stresstest als politisches Instrument – sollte die Notenbank nicht unabhängig sein? Die EZB betreibt ja schon lange nicht mehr nur Geldpolitik und die Bankenaufsicht ist politisch nie unabhängig, denn die nationalen Finanzminister machen immer Druck, so wie jetzt der italienische Regierungschef Matteo Renzi. Und was wäre wohl, wenn die EZB die deutschen Banken an die Kandare nehmen wollte – da würde die Bundesregierung bestimmt auch dagegenhalten. Apropos: Die Deutsche Bank und die Commerzbank haben schlecht abgeschnitten. Muss Bundeskanzlerin Merkel den Deutschen jetzt wieder versprechen, dass ihr Geld sicher ist? Das ist nicht nötig. In Deutschland gibt es rund 2.000 Banken, darunter Foto: Lang „Ein Stresstest ohne richtigen Stress“ über 400 Sparkassen und gut 1.000 Kreditgenossenschaften, also Volksbanken und Raiffeisenbanken. Probleme gibt es aber nur bei den wenigen Großbanken. Der Internationale Währungsfonds bezeichnet die Deutsche Bank sogar als „gefährlichste Bank der Welt“. Die Aussage des IWF ist stark übertrieben. Klar, die Deutsche Bank ist sehr groß und global vernetzt, also systemrelevant. „Gefährlich“ wird sie allerdings erst, wenn sie in eine Schieflage gerät – das ist aber nicht der Fall. Hand aufs Herz: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Finanzkrise? Im Moment neigen alle zu Übertreibungen. Nach dem Brexit-Referendum dachte man auch, dass es jetzt an den Kapitalmärkten zu großen Verwerfungen kommt. Tatsächlich sind die Kurse auch gesunken, aber eher, weil die Entscheidung der Briten doch eine Überraschung war. Die Banken sind heute jedoch wesentlich besser aufgestellt als 2008, sie können deutlich größere Verluste auffangen. Die Gefahr einer Bankenkrise à la Lehman ist derzeit nicht gegeben. Bruttoinlandsprodukt 11. August 2016 / #27 / Seite 5 Der HauptstadtEffekt Bruttoinlandsprodukt. Zwischen London und dem Rest Großbritanniens klafft eine große Wohlstandskluft. Ähnlich sieht es auch in vielen anderen EU-Ländern aus – mit einer Ausnahme. Nicht alle Briten haben für den Brexit gestimmt. Die Bewohner des Londoner Stadtteils City of London plädierten mit einer großer Mehrheit von 75 Prozent und hoher Wahlbeteiligung für den Verbleib des Königreichs in der Europäischen Union. Was unterscheidet die City of London vom Rest des Landes – oder vielmehr: Was unterscheidet Großbritannien von seiner Hauptstadt? Die Briten haben dazu eine klare Meinung, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov ergab: Sie halten London für überlaufen, zu teuer, schlicht für keinen guten Ort, um dort mit seiner Familie zu leben. Für die wirtschaftliche Lage ihrer Heimatregion spiele die Stärke der Hauptstadt zwar keine Rolle, sagen sie, dennoch denken die meisten Befragten, dass die britische Wirtschaft insgesamt von der Finanzbranche in der Londoner City profitiert. Und dieser Eindruck täuscht nicht (Grafik): Wenn man London und seine Einwohner ausklammert, verringert sich das durchschnittliche Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Einwohner im Vereinigten Königreich für 2014 um 11 Prozent. Fast jedes vierte Pfund des britischen BIP wurde in London verdient. Mit dieser wirtschaftlichen Übermacht ist die Kapitale an der Themse zwar ein auffallendes Beispiel, sie steht unter Europas Hauptstädten aber nicht allein da. Noch dominanter ist zum Beispiel Athen für Griechenland. Dessen Wirtschaftsleistung pro Kopf wäre ohne sein historisches, kulturelles und wirtschaftliches Zentrum sogar um 20 Prozent geringer. Ausgesprochen hoch fällt auch der Paris-Effekt für das zentralistische Frankreich aus: Von der französischen Wirtschaftsleistung je Einwohner gingen ohne Paris 15 Prozent ab. In der Hauptstadtregion Île-de-France lebt ein knappes Fünftel aller Franzosen – diese erwirtschaften aber ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts. Auf den weiteren Plätzen im Ranking der – aus der nationalen Warte gesehen – wirtschaftlich wichtigsten Hauptstädte folgen Prag, Lissabon, Kopenhagen und Helsinki. Ohne deren Strahlkraft würde der Wohlstand im jeweiligen Land um 13 bis 14 Prozent schrumpfen. Aus der Reihe tanzt dagegen Deutschland. Berlin sei arm, aber sexy, wusste Ex-Bürgermeister Klaus Wowereit die Hauptstadt einst gut zu verkaufen und traf damit den Nagel auf den Kopf: Berlin steuert gerade einmal 4 Prozent zum deutschen BIP Wohlstand ohne Hauptstadt Um so viel Prozent ist das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner im jeweiligen Land niedriger (-) oder höher (+), wenn man die Hauptstadt außen vor lässt. Griechenland -19,9 ohne Athen Frankreich -15,0 ohne Paris Tschechien -14,2 ohne Prag Portugal -13,7 ohne Lissabon Dänemark -13,3 ohne Kopenhagen Finnland -12,9 ohne Helsinki Schweden -11,7 ohne Stockholm Vereinigtes Königreich -11,2 ohne London Polen -9,6 ohne Warschau Belgien -8,7 ohne Brüssel Österreich -6,1 ohne Wien Spanien -6,0 ohne Madrid Niederlande -4,8 ohne Amsterdam Italien -2,1 ohne Rom Deutschland +0,2 ohne Berlin Stand: 2014 Ursprungsdaten: Eurostat © 2016 IW Medien / iwd bei und hat sogar einen leicht dämpfenden Effekt von 0,2 Prozent auf das Pro-Kopf-Einkommen der gesamten Bundesrepublik – der ohne den Länderfinanzausgleich und die spezielle Hauptstadtförderung des Bundes noch größer ausfiele. Berlins untergeordnete wirtschaftliche Rolle ist untypisch für Europa, aber typisch für Deutschland: Es ist Ausdruck des föderalistischen Geschäftsmodells. Dass der Mittelstand gerade auch in ländlichen Regionen stark ist, ist eines der Alleinstellungsmerkmale der deutschen Wirtschaft. Brexit 11. August 2016 / #27 / Seite 6 Brexit warum eigentlich? Wenn es stimmt, dass Wahler gebnisse immer etwas mit der wirtschaftlichen Situation eines Landes zu tun haben – „It‘s the economy, stupid!“ – dann muss die Brexit-Entscheidung schon etwas verwundern. Denn die Briten haben derzeit eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten in Europa und ein höheres Wirtschaftswachstum als die anderen großen EU-Länder Deutschland, Frankreich und Italien. Doch wie so oft erzählen solche Kennziffern nicht die ganze Wahrheit. Tatsächlich ist Großbritannien eine zutiefst gespaltene Nation. Während es der Region London besonders gut geht – die Hauptstadt trägt immerhin 23 Prozent zum britischen Bruttoinlandsprodukt bei (siehe Seite 5) und die Mehrheit der Londoner hat für den Verbleib in der EU gestimmt –, haben viele andere Briten das Gefühl, vom Wohlstand abgehängt zu sein. Ob es um die Zeitarbeit geht, um Null-Stunden-Verträge oder um die Armutsquote – bei vielen Indikatoren, die in der britischen Bevölke- rung als Beleg für die prekären Verhältnisse auf ihrer Insel gelten, schneidet das Vereinigte Königreich auffallend schlecht ab. Dass es den Briten bei ihrem Votum tatsächlich um den Austritt aus der ach so schlimmen EU ging, ist vor diesem Hintergrund nicht besonders glaubwürdig – zumal viele gar nicht so genau wissen, was es mit Europa überhaupt auf sich hat: Kein anderes Mitgliedsland schneidet beim Wissensstand über die EU so schlecht ab wie Großbritannien. Die Zeitarbeit So viel Prozent aller Beschäftigten arbeiteten 2013 tagesdurchschnittlich als Zeitarbeiter Die Null-Stunden-Verträge Im Vereinigten Königreich sind Null-Stunden-Verträge Arbeitsverträge, bei denen der Arbeitnehmer kein bestimmtes Stundensoll erfüllt, sondern nur für die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden bezahlt wird. 3,9 Vereinigtes Königreich Beschäftigte mit einem Null-Stunden-Vertrag in 1.000 in Prozent aller Beschäftigten (rechte Skala) 2,5 800 2,5 2,5 Niederlande Luxemburg Deutschland 1,5 400 1,8 Frankreich 2,0 600 500 2,1 2,0 700 Belgien 1,7 EU Quelle: Research Center on Time and Temporality (CEITT) © 2016 IW Medien / iwd 300 1,0 200 100 0 2008 2009 2010 2011 ab 2013: bessere statistische Erfassung infolge eines Gerichtsurteils Quellen: Office for National Statistics UK, Labour Force Survey © 2016 IW Medien / iwd 2012 2013 2014 2015 0,5 Brexit 11. August 2016 / #27 / Seite 7 Das Wissen über die EU So viel Prozent der jeweiligen Bevölkerung können wenigstens eine von zwei Fragen zur EU korrekt beantworten 81 80 74 69 53 49 Deutschland Italien Frankreich Spanien Polen Vereinigtes Königreich Quelle: Umfrage der Bertelsmann Stiftung unter knapp 11.000 EU-Bürgern im April 2016 © 2016 IW Medien / iwd Das Wachstum und die Löhne Die Armutsquote 2005 = 100 So viel Prozent der Haushalte verdienten im Jahr 2013 nach Steuern und Transferzahlungen weniger als die Hälfte des Medianeinkommens aller Haushalte BIP pro Kopf: Deutschland Vereinigtes Königreich 120 114,2 109,2 105,0 100 90 Durchschnittliche Jahreslöhne: Deutschland Vereinigtes Königreich 96,8 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 BIP und Löhne: real und in nationaler Währung Ursprungsdaten: OECD © 2016 IW Medien / iwd Spanien Italien Polen Vereinigtes Königreich Deutschland Frankreich 15,9 13,3 10,5 10,4 9,1 8,0 Medianeinkommen: das Einkommen, bei dem die eine Hälfte der Bevölkerung mehr und die andere weniger verdient Quelle: OECD © 2016 IW Medien / iwd Türkei 11. August 2016 / #27 / Seite 8 Der Erfolgsstory droht das Ende Türkei. Alles bestens – so lässt sich das Bild der türkischen Wirtschaft beschreiben, das Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan vor kurzem in einem ARD-Interview gezeichnet hat. Tatsächlich aber droht die politische Instabilität in der Türkei die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte der vergangenen Jahre zu beenden. Das hat auch für die Handelspartner in der EU Folgen. Die bisherige Bilanz beeindruckt: Seit die Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) im Jahr 2002 die Regierung übernahm, ist die türki sche Wirtschaft real um jährlich fast 5 Prozent gewachsen – und damit auch der Wohlstand: Das kaufkraftbereinigte Pro-Kopf-Einkommen in der Türkei hat sich seit dem Jahr 2001 mehr als verdoppelt und liegt in etwa auf dem Niveau der EU-Länder Bulgarien und Kroatien. Doch die politischen Rahmenbe dingungen haben sich bereits seit einiger Zeit verschlechtert. Und die jüngsten Geschehnisse im Land stellen die türkischen Wirtschaftser folge zusätzlich infrage. Schon im Mai 2016 – noch vor dem Putschver such – kamen 35 Prozent weniger Touristen als im Vorjahresmonat. Das Geschäftsklima hat sich erheblich eingetrübt – der Einkaufsmanager index für das Verarbeitende Gewerbe liegt seit März unter der Schwelle von 50 Punkten, oberhalb der ein ge schäftliches Wachstum zu erwarten ist. Die türkische Lira verliert an Wert. Die Börse reagiert heftig: Der türkische Aktienmarktindex ist allein in der Woche vom 15. bis 22. Juli um 15 Prozent gefallen. Für die europäischen Handels partner wird all das nicht folgenlos bleiben. Schließlich ist das Land am Bosporus für die EU der fünftwich tigste Handelspartner nach den USA, China, der Schweiz und Russland. Der Anteil türkischer Erzeugnisse an den EU-Warenimporten lag 2015 bei 3,6 Prozent, der entsprechende Exportanteil betrug 4,4 Prozent. Innerhalb der EU ist Deutschland der mit Abstand größte Handelspart ner für die türkische Wirtschaft (Grafik): Gut ein Fünftel aller Waren, die die EU aus der Türkei importiert, werden in Deutschland verkauft – der deutsche Anteil an den EU- Exporten in die Türkei beträgt sogar fast 30 Prozent. Deutschland bezieht von türki schen Herstellern in erster Linie Textilien und Bekleidung. Doch auch die türkische Automobilindustrie ist ein wichtiger Lieferant. Sie produ zierte 2015 über 800.000 Kraftfahr zeuge für die EU – mehr als die Hersteller aus den USA und Japan zusammen. Handelspartner Türkei im Jahr 2015 Warenexporte der EU in die Türkei in Milliarden Euro 79,1 Anteil Deutschlands in Prozent 29 Wichtigste deutsche Exportwaren in Prozent Kraftwagen und -teile 29 Maschinen 19 Chemische Erzeugnisse 11 Quellen: Eurostat, Statistisches Bundesamt © 2016 IW Medien / iwd Warenimporte der EU aus der Türkei in Milliarden Euro 61,6 Anteil Deutschlands in Prozent Wichtigste deutsche Importwaren in Prozent Textilien und Bekleidung 29 Kraftwagen und -teile 14 Maschinen 12 21 11. August 2016 / #27 / Seite 9 Erfolg und Lebenszufriedenheit Griesgram oder Glückskind? Lebenszufriedenheit. Ob jemand ein gutes und zufriedenes Leben führt, hängt nicht nur von den Lebensumständen ab. Zu einem erheblichen Teil wird die Lebenszufriedenheit auch von Persönlichkeitsmerkmalen beeinflusst. Wichtige Voraussetzungen sind emotionale Stabilität und Vertrauen in andere. Was macht ein gutes Leben aus? Kinder, Karriere und Konsum allein reichen jedenfalls nicht aus, damit der Zufriedenheitspegel automatisch nach oben klettert. Entscheidend für das individuelle Wohlbefinden sind nämlich nicht nur die äußeren Rahmenbedingungen, sondern zu einem erheblichen Teil die Persönlichkeitsmerkmale eines Menschen. Oder anders gesagt: Aus einem Griesgram wird selbst dann kein Glückskind, wenn er oder sie so reich wie die Geissens wäre. Die subjektive Lebenszufriedenheit eines Menschen ist beispielsweise eng gekoppelt an seine emotionale Stabilität. Wer eher reizbar, ängstlich und nervös ist, weist auch häufiger eine niedrige oder mittlere Lebenszufriedenheit auf als solche Menschen, die belastbar und selbstsicher sind. Ein weiteres entscheidendes Persönlichkeitsmerkmal für die subjektive Lebenszufriedenheit ist das Vertrauen, das man anderen entgegenbringt (Grafik): Von den Menschen, die anderen Personen im Großen und Ganzen vertrauen, weisen 72 Prozent eine hohe Lebenszufriedenheit auf. Menschen, die ein hohes Maß an Vertrauen gegenüber anderen aufbringen, profitieren aber nicht nur in puncto Lebenszufriedenheit von ihrer Einstellung. Vertrauensvolle Personen sind oft auch zufriedener mit ihrer Arbeit und ihrem Gesundheitszustand als misstrauische Menschen. Außerdem wenden die Gutgläubigen oft mehr Jahre für ihre Ausbildung auf als die Skeptiker, was wiederum ein Grund dafür sein könnte, warum besser bezahlte Arbeitnehmer ein signifikant höheres Vertrauen in andere haben als gering entlohnte Beschäftigte. Wenn das Vertrauen in andere und die emotionale Stabilität eines Menschen ausgeprägt sind, beeinflusst dies in der Regel auch jene fünf Faktoren positiv, die ein gutes Leben ausmachen: Dazu zählen neben der subjek- Wer anderen vertraut, ist zufriedener So viel Prozent der Befragten mit folgender Haltung zur Aussage „Im Allgemeinen kann man den Menschen vertrauen“ haben eine … … hohe Lebenszufriedenheit … mittlere Lebenszufriedenheit … niedrige Lebenszufriedenheit Volle Zustimmung 71,9 27,6 0,5 Eher Zustimmung 54,2 44,6 1,2 Eher Ablehnung 39,6 57,4 3,0 Volle Ablehnung 30,7 61,0 8,3 Befragung von 18.840 Personen im Jahr 2013, von denen 7 Prozent der Aussage zum Vertrauen voll zustimmten, 59 Prozent der Aussage eher zustimmten, 31 Prozent die Aussage eher ablehnten und 4 Prozent die Aussage voll ablehnten Ursprungsdaten: Sozio-oekonomisches Panel © 2016 IW Medien / iwd tiven Lebenszufriedenheit die subjektive Arbeitszufriedenheit, der Bruttostundenlohn, die Zahl der Bildungsjahre und der subjektive Gesundheitszustand. Politik und Unternehmen können sich diese Erkenntnisse gezielt zunutze machen, indem sie die Chancen auf ein gutes und erfolgreiches (Arbeits-)Leben erhöhen. Einige Betriebe bieten etwa gezielt Resilienztraining für ihre Mitarbeiter an, um deren Widerstandskraft zu stärken. Auch Vertrauensworkshops, die den Teamzusammenhalt fördern sollen, gehören dazu. Aus IW-Trends 2/2016 Mara Ewers: Vertrauen und emotionale Stabilität als Determinanten von Erfolg und Lebenszufriedenheit iwkoeln.de/lebenszufriedenheit Unternehmensinsolvenzen 11. August 2016 / #27 / Seite 10 Weniger Pleiten, weniger Gründer, weniger Innovationen Insolvenzen. In diesem Jahr dürften maximal 22.000 Unternehmen in Deutschland in die Insolvenz gehen – so wenig wie noch nie seit der Einführung des aktuellen Insolvenzrechts 1999. Gleichzeitig gibt es allerdings auch immer weniger Gründungen, was die Erneuerung der Wirtschaft durch innovative Geschäftsmodelle und Produkte bremsen könnte. Eigentlich ist es eine gute Nachricht: Mit Ausnahme der Auswirkungen der Krisenjahre 2008/2009 geht die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland seit 2003 zurück. In diesem Jahr dürften die Insolvenzanzeigen sogar einen neuen Tiefststand erreichen (Grafik): Im ersten Quartal 2016 wurden 5.436 Insolvenz anträge gestellt, sodass bis zum Jahresende mit etwa 22.000 Fällen zu rechnen ist – das sind rund 1.100 weniger als 2015. Die meisten Insolvenzen – nämlich neun von zehn – erfolgen in den eher binnenwirtschaftlich ausgerichteten Bereichen, also im Dienstleistungssektor, im Handel, in der Gastronomie und in der Bauwirtschaft. Auf das Verarbeitende Gewerbe entfielen im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre lediglich rund 8 Prozent der Insolvenzen. Trotz des bundesweit rückläufigen Trends fällt die Insolvenzquote in den einzelnen Bundesländern recht unterschiedlich aus (Grafik Seite 11). Nordrhein-Westfalen weist mit fast 12 Insolvenzen je 1.000 Unternehmen im Durchschnitt der vergangenen drei Jahre die höchste Quote auf, gefolgt von Bremen und Hamburg, wo jeweils Immer weniger Betriebe müssen aufgeben Unternehmensinsolvenzen in Deutschland Verarbeitendes Gewerbe 0 5.000 Baugewerbe 10.000 Handel 15.000 Dienstleistungen / Sonstige 20.000 25.000 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2016 insgesamt: Schätzung Ursprungsdaten: Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, Statistisches Bundesamt © 2016 IW Medien / iwd 30.000 2016: Zahlen für das erste Quartal 35.000 40.000 Insgesamt 39.320 39.213 36.843 34.137 29.160 29.291 32.687 31.998 30.099 28.297 25.995 24.085 23.123 21.967 Unternehmensinsolvenzen 11. August 2016 / #27 / Seite 11 Insolvenzen: Das Bundesländerranking Zahl der Insolvenzen je 1.000 Unternehmen im Durchschnitt der Jahre 2013 bis 2015 8,9 SchleswigHolstein 11,1 Bremen 10,4 5,6 Hamburg Brandenburg 7,6 Niedersachsen 11,9 9,2 SachsenAnhalt NordrheinWestfalen 6,4 5,7 MecklenburgVorpommern 6,3 Hessen 5,5 Thüringen 9,2 Berlin 7,4 Sachsen RheinlandPfalz 9,3 Saarland 4,2 5,1 Bayern BadenWürttemberg Ursprungsdaten: Statistisches Bundesamt © 2016 IW Medien / iwd 10 bis 11 von 1.000 Unternehmen ihre Tore schließen mussten. Nicht mal halb so hoch sind die Insolvenzraten in Baden-Württemberg, Bayern und Thüringen. Das Insolvenzgeschehen wird im Wesentlichen von zwei Größen beeinflusst. Da ist zum einen das wirtschaftliche Umfeld, das die Unternehmen selbst nicht steuern können. Dazu zählen beispielsweise die konjunkturelle Entwicklung, die Konkurrenzsituation sowie staatliche Regulierungen und Eingriffe. Zum anderen bestimmen betriebswirtschaftliche Faktoren wie die Unternehmensrendite, die Kapitalausstattung und die Reaktionen auf strukturelle Veränderungen – etwa auf den Absatzmärkten – das Insolvenzrisiko. Die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ist der entscheidende gesamtwirtschaftliche Faktor – und der Zusammenhang liegt auf der Hand: Während konjunkturelle Schwächephasen in der Regel zu mehr Firmenpleiten führen, ist in Zeiten hohen Wirtschaftswachstums aufgrund der entschärften Wettbewerbssituation tendenziell mit weniger Insolvenzen zu rechnen. Für Deutschland hat das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) diese Wechselwirkung in konkrete Zahlen gegossen: Kurzfristig führt ein Anstieg des BIP um 1 Prozent zu einem ebenfalls 1-prozentigen Rückgang der Insolvenzen; langfristig vermindert sich die Insol venzzahl dann sogar um rund 3 Prozent. Die andere entscheidende Größe für die Insolvenzgefahr haben die Betriebe selbst in der Hand: die Eigenkapitalausstattung. Grundsätzlich sind Unternehmen mit hoher Eigenkapitalquote eher in der Lage, konjunkturelle Durststrecken durchzustehen, als solche mit wenig Eigenmitteln. Die Novellierung der Bankenregulierung, bekannt unter dem Stichwort Basel II, hat dazu geführt, dass die Unternehmen in Deutschland ihre Eigenkapitalbasis verbessert haben: Bundesweit legte die Eigenkapitalquote der Unternehmen von 2003 bis 2013 um rund 14 Prozent punkte auf fast 24 Prozent zu. Im Vergleich der Bundesländer fiel der Anstieg allerdings recht unterschiedlich aus. In Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen gab es mit 19 beziehungsweise 17 Prozentpunkten die deutlichsten Erhöhungen der Eigenmittel. In den Stadtstaaten Bremen und Hamburg erhöhten die Unternehmen ihre Eigenkapitalquoten lediglich um 6 beziehungsweise 8 Prozentpunkte – was wiederum zu den vergleichsweise hohen Insolvenzquoten passt. So gut die Nachricht von sinkenden Insolvenzzahlen auch klingt, sie birgt auch einen Makel: Marktaustritte sind – ebenso wie Unternehmensgründungen – eine Begleiterscheinung des Strukturwandels, der für eine kontinuierliche Erneuerung der Wirtschaft und für die Durchsetzung von Innovationen notwendig ist. Tatsächlich steht der sinkenden Insolvenzzahl eine vergleichbare Abnahme der Unternehmensgründungen gegenüber. Damit besteht für die deutsche Wirtschaft die Gefahr, dass sich Neuerungen immer langsamer durchsetzen, weil es nur wenige Gründer wagen, mit innovativen Geschäftsideen bestehende Unternehmen mit veralteten Produkten und Prozessen vom Markt zu verdrängen. Insbesondere bei digitalen Dienstleistungen zählt Deutschland schon heute zu den Nachzüglern, während in der Industrie viele Innovationen von bestehenden Unternehmen entwickelt werden. Aus IW-Trends 3/2016 Klaus-Heiner Röhl, Gerit Vogt: Unternehmensinsolvenzen – Anhaltender Rückgang bei fortbestehenden regionalen Differenzen iwkoeln.de/insolvenzen 11. August 2016 / #27 / Seite 12 Adressaufkleber Impressum Herausgeber: Institut der deutschen Wirtschaft Köln Chefredakteur: Ulrich von Lampe (verantwortlich) Stellv. Chefredakteur: Klaus Schäfer Redaktion: Andreas Wodok (Textchef), Irina Berenfeld, Berit Schmiedendorf, Sara Schwedmann, Alexander Weber Redaktionsassistenz: Ines Pelzer Grafik: IW Medien GmbH Telefon: 0221 4981-523 Fax: 0221 4981-504 E-Mail: [email protected] Bezugspreis: € 9,01/Monat, zzgl. € 3,08 Versandkosten, inkl. Mehrwertsteuer, Erscheinungsweise 14-täglich Top-Liste: Neue Bürger Einbürgerungen 2015 in Deutschland 62.921 EU-Staaten 27.015 EU-Kandidatenländer (z.B. Türkei, Serbien und Mazedonien) 22.814 Sonstiges Europa (z.B. Russland, Ukraine, Kosovo, Bosnien und Herzegowina) 12.846 Liechtenstein, Norwegen, Schweiz 246 Asien 26.358 Afrika 11.627 Amerika 4.674 Staatenlose und ungeklärte Staatsangehörigkeit 1.507 Australien und Ozeanien Insgesamt Rechte für den Nachdruck oder die elektronische Verwertung über: [email protected] Rechte für elektronische Pressespiegel unter: pressemonitor.de 735 Zahl der Woche Die meisten Menschen, die sich 2015 in Deutschland einbürgern ließen, kamen aus Europa. Lediglich 620 der mehr als 27.000 Personen aus einem EU-Staat stammten aus dem Vereinigten Königreich. Das dürfte sich radikal ändern: Allein in Hessen haben seit Januar mehr als 100 Briten die Einbürgerung beantragt. Wenn alle in Deutschland lebenden Engländer der Einladung Sigmar Gabriels folgen, sich einbürgern zu lassen, stünden sie ganz oben auf der Liste der Neubürger: Schließlich leben hierzulande rund 100.000 Briten. Europa Abo-Service: Therese Hartmann, Telefon: 0221 4981-443, [email protected] Verlag: Institut der deutschen Wirtschaft Köln Medien GmbH, Postfach 10 18 63, 50458 Köln, Konrad-Adenauer-Ufer 21, 50668 Köln Telefon: 0221 4981-0, Fax: 0221 4981-445 Druck: Henke GmbH, Brühl Euro beträgt der monatliche Bafög-Höchstsatz für Studenten seit Anfang August 2016. Hochschüler, die noch zu Hause wohnen, erhalten maximal 537 Euro im Monat. Auch die Einkommensfreibeträge der Eltern erhöhen sich – und zwar um 7 Prozent. Dadurch können laut Bundesregierung rund 110.000 Studenten und Schüler mehr als bisher Bafög beziehen. 94 107.181 Quelle: Statistisches Bundesamt © 2016 IW Medien / iwd Neu auf iwd.de: Ein Jahrzehnt Normenkontrollrat Vor zehn Jahren ist der Normenkontrollrat gegründet worden, ein Gremium zum Bürokratieabbau in Deutschland. Seine Bilanz kann sich sehen lassen: Der Rat hat seit dem Jahr 2006 rund 3.600 Regelungsvorhaben der Bundesregierung geprüft – die Bürokratiekosten konnten um 12 Milliarden Euro verringert werden. Neu
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