Michael Stecher
Die Musikkunde
neu denken
Eine Musiklehre
für die Oberstufe
Intervall - und Tonsysteme
Wahrnehmen , Üben und Lernen
Intonationskunde
Stilkunde und Vortragslehre
Konzepte

A U E U K A U E U L

Intervall - und Tonsysteme
Der parallele Verlauf von Dur - und Molltonleitern
Intervall - und Tonsysteme
Der Aufbau der Molltonleitern
tern angewendet werden kann, da nur sie zwei
Tetrachorde mit identischen Intervallstrukturen
aufweisen (vgl. Schaubild 1
U
52 ).
Die natürliche Molltonleiter
Die harmonische Molltonleiter
AUEUK
Moll-Tetrachord
Tonleitertransposition anhand des Quintenzirkels
&
Durch die Ableitung der Durtonleitern mit Hilfe
des Tetrachordsystems wurde die Beziehung der
Grundtöne sichtbar: Sie stehen im Quintabstand.
Ferner konnten wir erkennen, dass sich bei der
Quinttransposition einer Tonleiter nur ein Ton
chromatisch verändert – nur ein Ton wird durch ein
Vorzeichen alteriert, während alle anderen Töne in
&
kleine Terz
Dur-Tonleiter
Tetrachord ohne Leitton
Moll-Tetrachord
&
kleine Terz
Tetrachord mit Leitton
#
Leitton
kleine Terz
Tonstufen
Tonstufen
Tonschritte Ganzton Halbton Ganzton Ganzton Halbton Ganzton Ganzton
Tonschritte Ganzton Halbton Ganzton Ganzton Halbton Ganzton Halbton
und
Halbton
der Ausgangs- und Zieltonart identisch sind. Von
einer Tonart zur nächsten kommt bei den KreuzTonarten jeweils die erhöhte 7. Stufe (Leitton) neu
hinzu. Bei den b -Tonarten ist die erniedrigte 4.
Die melodische Molltonleiter aufwärts
Die melodische Molltonleiter abwärts
Stufe (Gleitton) der Tonneuling. Wir könnten die
Parallele Moll-Tonleiter
Moll-Tetrachord
Tonleiterableitung mit den Tetrachorden und der
Quinttransposition unendlich oft fortsetzen. Wenn
&
die einfachen Vorzeichen nicht mehr ausreichen,
müssten wir mit Doppel-Kreuz und Doppel- b weiter
1  55
arbeiten. Das Ganze wird dann aber für den Musiker extrem unübersichtlich. Mit Hilfe der gleichstufig temperierten Stimmung schieben wir dieses
Dur-Tetrachord
# #
Leitton
kleine Terz
Tonstufen
Bei der Herleitung der b -Tonarten verfahren wir
Problem beiseite, denn in diesem Stimmungssys-
AUCUF
umgekehrt: Wir übernehmen von einer Ausgangs-
tem greift die enharmonische Verwechslung: Wir
1 18
tonleiter die Töne des ersten Tetrachordes und bil-
können Töne und Tonarten umdeuten.
analog natürliches Moll
&
analog natürliches Moll
n n
Tonstufen
Tonschritte Ganzton Halbton Ganzton Ganzton Ganzton Ganzton Halbton
U
den mit diesem Tonmaterial das zweite Tetrachord
der neuen Tonart. Um eine vollständige Skala zu
Die Kreisdarstellung der Tonarten wird durch
erhalten, fügen wir diesem eine weitere Vierton-
die enharmonische Verwechslung der Töne
gruppe unten an. Auch hier entdecken wir eine
fis und ges möglich. An dieser Stelle treffen sich
Abweichung vom typischen Durtetrachord und
die Tonarten mit den unterschiedlichen Vorzeichen.
müssen daher Töne verändern (tief alterieren).
Dieser Quintenzirkel ist ein musikmethodisches
1  5
Stammtonreihe aufgebaut (nur mit den weißen Tas-
l
das reine, natürliche oder äolische Moll
l
das harmonische Moll
ten einer Klaviatur), entspricht das reine Moll der
l
das melodische Moll
Skala auf dem Grundton a. Es wird deutlich, dass
Durcharakter wird durch die Erniedrigung
Konstrukt, um das vorherrschende System unserer
der vierten Stufe erzeugt.
Musikkultur übersichtlich darzustellen. Deutlich ist
Bei allen Mollskalen sind – im Gegensatz zur
(drei Halbtonschritte) parallel zur Dur-Stammton-
Bei den b -Tonarten wird die erste Stufe der Aus-
der Quintabstand der Grundtöne erkennbar. Auch
Durtonleiter – die beiden Tetrachorde mit abwei-
reihe auf c bewegt (vgl. Schaubild
die Dur- und Moll-Beziehung wird ersichtlich, ver-
chenden Intervallstrukturen aufgebaut. Die erste
wir von den Kirchentonarten aus, so entspricht
gangstonleiter zur fünften Stufe der neuen Tonlei-
bunden mit den identischen Vorzeichen der Paral-
Viertongruppe ist aber bei allen drei Formen iden-
das reine oder natürliche Moll dem äolischen Mo-
ter. Folglich treffen wir auch hier auf einen Quint-
leltonarten (vgl. Schaubild 1
U
54 ).
sich die Mollleiter im Abstand einer kleinen Terz
tisch. Die folgende mollcharakteristische Stufen-
abstand der Grundtöne. Gehen wir erneut von C-
folge kennzeichnet das erste Tetrachord:
1 5 5 ).
U
Gehen
dus oder dem dorischen mit b -Vorzeichnung. Untersucht man das zweite Tetrachord (e, f, g und a),
Dur aus, erhalten wir die F-, B-, Es-, As-, Des- und
AUEUL
Ges-Dur-Tonleitern. Durch die Erniedrigung der
Die drei Formen der Molltonleitern
l
In der Theorie werden drei Ausprägungen der Moll-
Wir können daher im ersten Tetrachord das moll-
„Missstand“ wird in der harmonischen Molltonlei-
typische Intervall definieren: die kleine Terz. Als
ter ausgeglichen, denn durch die Erhöhung der 7.
dann wird der folgende Sachverhalt ersichtlich: Von
Ganzton, Halbton, Ganzton
vierten Stufe (Gleitton) kommt bei jeder Skala ein
b -Vorzeichen
hinzu. Es bleibt anzumerken, dass
dieses Herleitungsmodell nur bei den Durtonlei-
der 7. zur 8. Stufe tritt ein Ganztonschritt auf. Der
reinen Molltonleiter fehlt daher der Leitton. Dieser
tonleiter unterschieden (vgl. Schaubild 1
U
56 ):
1 42
U
A U E U K A U E U L
A U E U K A U E U L


Intervall - und Tonsysteme
Intervall - und Tonsysteme
Der Aufbau der Molltonleitern
Der Aufbau der Molltonleitern
Die natürliche Molltonleiter
Moll-Tetrachord
&
Die natürliche Molltonleiter
Die harmonische Molltonleiter
Tetrachord ohne Leitton
Moll-Tetrachord
&
kleine Terz
Moll-Tetrachord
Tetrachord mit Leitton
&
#
Leitton
kleine Terz
Die harmonische Molltonleiter
Tetrachord ohne Leitton
Moll-Tetrachord
&
kleine Terz
Tetrachord mit Leitton
#
Leitton
kleine Terz
Tonstufen
Tonstufen
Tonstufen
Tonstufen
Tonschritte Ganzton Halbton Ganzton Ganzton Halbton Ganzton Ganzton
Tonschritte Ganzton Halbton Ganzton Ganzton Halbton Ganzton Halbton
und
Halbton
Tonschritte Ganzton Halbton Ganzton Ganzton Halbton Ganzton Ganzton
Tonschritte Ganzton Halbton Ganzton Ganzton Halbton Ganzton Halbton
und
Halbton
Die melodische Molltonleiter aufwärts
Moll-Tetrachord
&
Die melodische Molltonleiter abwärts
Dur-Tetrachord
# #
Leitton
kleine Terz
Tonstufen
analog natürliches Moll
&
Die melodische Molltonleiter aufwärts
analog natürliches Moll
Moll-Tetrachord
&
n n
Die melodische Molltonleiter abwärts
Dur-Tetrachord
# #
Leitton
kleine Terz
Tonstufen
Tonstufen
Tonschritte Ganzton Halbton Ganzton Ganzton Ganzton Ganzton Halbton
analog natürliches Moll
&
analog natürliches Moll
n n
Tonstufen
Tonschritte Ganzton Halbton Ganzton Ganzton Ganzton Ganzton Halbton
1  5
1  5
l
das reine, natürliche oder äolische Moll
Stammtonreihe aufgebaut (nur mit den weißen Tas-
l
das reine, natürliche oder äolische Moll
l
das harmonische Moll
ten einer Klaviatur), entspricht das reine Moll der
l
das harmonische Moll
ten einer Klaviatur), entspricht das reine Moll der
l
das melodische Moll
Skala auf dem Grundton a. Es wird deutlich, dass
l
das melodische Moll
Skala auf dem Grundton a. Es wird deutlich, dass
sich die Mollleiter im Abstand einer kleinen Terz
Bei allen Mollskalen sind – im Gegensatz zur
(drei Halbtonschritte) parallel zur Dur-Stammton-
Durtonleiter – die beiden Tetrachorde mit abwei-
reihe auf c bewegt (vgl. Schaubild
Stammtonreihe aufgebaut (nur mit den weißen Tas-
sich die Mollleiter im Abstand einer kleinen Terz
Bei allen Mollskalen sind – im Gegensatz zur
(drei Halbtonschritte) parallel zur Dur-Stammton-
Gehen
Durtonleiter – die beiden Tetrachorde mit abwei-
reihe auf c bewegt (vgl. Schaubild
chenden Intervallstrukturen aufgebaut. Die erste
wir von den Kirchentonarten aus, so entspricht
chenden Intervallstrukturen aufgebaut. Die erste
wir von den Kirchentonarten aus, so entspricht
Viertongruppe ist aber bei allen drei Formen iden-
das reine oder natürliche Moll dem äolischen Mo-
Viertongruppe ist aber bei allen drei Formen iden-
das reine oder natürliche Moll dem äolischen Mo-
tisch. Die folgende mollcharakteristische Stufenfolge kennzeichnet das erste Tetrachord:
1 55 ).
U
dus oder dem dorischen mit b -Vorzeichnung. Untersucht man das zweite Tetrachord (e, f, g und a),
1 42
U
tisch. Die folgende mollcharakteristische Stufenfolge kennzeichnet das erste Tetrachord:
dann wird der folgende Sachverhalt ersichtlich: Von
l
Ganzton, Halbton, Ganzton
der 7. zur 8. Stufe tritt ein Ganztonschritt auf. Der
1 5 5 ).
U
Gehen
dus oder dem dorischen mit b -Vorzeichnung. Untersucht man das zweite Tetrachord (e, f, g und a),
dann wird der folgende Sachverhalt ersichtlich: Von
l
Ganzton, Halbton, Ganzton
reinen Molltonleiter fehlt daher der Leitton. Dieser
der 7. zur 8. Stufe tritt ein Ganztonschritt auf. Der
reinen Molltonleiter fehlt daher der Leitton. Dieser
Wir können daher im ersten Tetrachord das moll-
„Missstand“ wird in der harmonischen Molltonlei-
Wir können daher im ersten Tetrachord das moll-
„Missstand“ wird in der harmonischen Molltonlei-
typische Intervall definieren: die kleine Terz. Als
ter ausgeglichen, denn durch die Erhöhung der 7.
typische Intervall definieren: die kleine Terz. Als
ter ausgeglichen, denn durch die Erhöhung der 7.
1 42
U

B U C U L B U C U N

Wahrnehmen, Üben und Lernen
Wahrnehmen, Üben und Lernen
Die rotierende Aufmerksamkeit : Anfänger
Rotierende Aufmerksamkeit : Fortgeschrittene
Haltung
Verbindungsstärke zwischen den Neuronen? Oder
allgemeinen Daueraufmerksamkeit. Bei der Vi-
allgemeiner formuliert: Führt jeder Erfahrungs-
gilanz handelt es sich um eine eindimensionale
raum automatisch zu einem Lernprozess? Was be-
Variable, die einen zeitlichen Prozess beschreibt:
einflusst das Üben und Lernen?
Die Grundaufmerksamkeit hat einen charakteristischen Leistungsverlauf. Nach einem Ansteigen
Notentext
Rhythmus
Agogik
Dynamik
Atmung
Ansprache
B C L
bleibt die Vigilanz auf einem mehr oder weniger
Was Üben und Lernen beeinflusst
gleich bleibenden Niveau, bis ein Absinken eintritt.
U
Phrasierung
U
Diese Verschlechterung der Leistung ist kein ErUnser Gehirn lernt andauernd, es kann gar nicht
müdungseffekt, sondern ein Sensibilitätsabfall.
anders, Lernen findet immer statt. Eigentlich hat
Haltung
Artikulation
das menschliche Gehirn sogar richtig Lust am Ler-
BUCUN
nen. Diese Aussagen von Gehirnforschern führen
Die selektive Aufmerksamkeit
uns näher an unser Thema: Unter welchen Voraus-
oder der Scheinwerfer im Gehirn
setzungen ist die Lernlust am größten und welRhythmus
Tonqualität
Atmung
Dynamik
Schwerpunkte
Intonation
Notentext
Tonqualität
che Bedingungen führen zum Gegenteil, zu einer
Im Gegensatz zur eindimensionalen Variablen der
regelrechten Übe- und Lernunlust? Mit anderen
Grundaufmerksamkeit handelt es sich bei der se-
Worten: Was beeinflusst Üben und Lernen? Was
lektiven Aufmerksamkeit um einen räumlichen
führt zu optimalen Lernprozessen und unter wel-
Prozess. Für das Thema Üben und Lernen ist die se-
chen Bedingungen wird unser Üben effektiv? Drei
lektive Aufmerksamkeit von enormer Wichtigkeit,
Bedingungen haben entscheidenden Einfluss auf
denn es geht um das breite Feld des bewussten
unsere Übe- und Lernleistungen:
Agierens und Reagierens. Wie gelingt es uns, das
Wesentliche beim Üben herauszufiltern, um ganz
  
I Die Aufmerksamkeit
  
Rotierende Aufmerksamkeit : Körperwahrnehmung
bestimmte Stimuli bevorzugt zu behandeln? Mit
I Die Emotionen
CUIUF
anderen Worten: Es geht bei der selektiven Auf-
I Die Motivation
BUF
merksamkeit um die Zuwendung zu ausgewählten
Rotierende Aufmerksamkeit : Intonationsaspekte
Sachverhalten und um das Ausblenden von andeIn den nächsten Abschnitten werden wir diese
ren. Die wissenschaftlichen Ergebnisse auf diesem
drei Punkte ausführlich erörtern.
Gebiet sind sehr umfangreich und äußerst differenziert. Daher greifen wir zu einer Modellvorstellung.
Stand
subjektive
Präferenzen
Beine
Stirn
harmonische
Intonation
B C M
Modelle sind immer Hypothesen und je einfacher
Die Aufmerksamkeit : Darauf achten oder nicht
Modelle werden, desto fehlerhafter sind sie im rein
U
melodische
Intonation
U
wissenschaftlichen Sinne. Pädagogisch haben sie
Kopf
Knie
Hals
Becken
Finger
Wirbelsäule
Intervallspreizung
Gerüsttöne
Durchgangsklang
variable Töne
Spannungsklang
Es ist eine pädagogische Binsenweisheit, dass auf-
aber einen großen Nutzen, denn sie strukturieren
merksame Schüler weitaus mehr lernen als dieje-
und veranschaulichen die höchst komplexen For-
nigen, die im Unterricht träumen. Mittlerweile ist
schungsergebnisse. Wir können die selektive Auf-
bewiesen, woran das liegt: Aufmerksamkeitspro-
merksamkeit mit einem Scheinwerfer vergleichen.
zesse führen im Gehirn zu einer Veränderung der
Dadurch wird besonders deutlich, dass es sich um
Hirnaktivität. Zwei unterschiedliche Aufmerksam-
einen räumlichen Prozess handelt. Der schwenk-
keitsformen werden in der wissenschaftlichen Dis-
bare Scheinwerfer beleuchtet im Raum des Be-
kussion beschrieben:
wusstseins bestimmte Dinge heller, während an-
Schwebungen
dere Sachverhalte im Dunkeln bleiben.
I Die Grundaufmerksamkeit
Schultern
Hände
Arme
  
Differenztöne
Ruheklang
Formanten
  
I Die selektive Aufmerksamkeit
Durch intensive Gehirnforschung konnte
Für die Grundaufmerksamkeit wird das Fachwort
Aufmerksamkeit zu einem gegebenen Zeitpunkt
Vigilanz (lat. „Wachsamkeit“) verwendet. Damit
immer nur an einer Stelle im Raum der
BUCUR
ist der grundsätzlich wache Geist zum Üben und
Bewusstheit sein kann; sie ist nicht teilbar,
2 02
Lernen angesprochen, unsere Fähigkeit zu einer
es gibt nur einen Scheinwerfer.
nachgewiesen werden, dass die selektive
U

B U C U O B U C U Q

Wahrnehmen, Üben und Lernen
Wir können den Scheinwerfer zwar unglaublich
Wahrnehmen, Üben und Lernen
zeigt die möglichen Aufmerksamkeitsparameter
2 04 ).
Wiederholen von Übeinhalten ist Unsinn, sinn-
BUCUP
Im zweiten
schnell im Raum der Bewusstheit hin und her dre-
für Übeanfänger (Schaubild
hen, aber zu einem festgelegten Zeitpunkt kann
Bild ist die selektive Aufmerksamkeit wesentlich
immer nur eine Verarbeitungseinheit beleuch-
erweitert (Schaubild 2
tet werden. Der Durchmesser des Scheinwerfers
die rein körperlichen Eindrücke auf (Schaubild
ist jedoch variabel. Je höher der Grad der selek-
2 06 ),
während der vierte Kreis vor allem beim
In dieser Überschrift spiegelt sich die folgende
tiven Aufmerksamkeit ist, desto breiter leuchtet
Ensemble- oder Orchesterspiel von Bedeutung ist,
Überegel: Das Geheimnis des Erfolges liegt in der
BUCUQ
der Scheinwerfer. Die Wissenschaft nimmt aber
da er die Intonationsaspekte beleuchtet (Schaubild
Wiederholung. Man nennt diesen Satz eine „päda-
Musikschulen als Treibhäuser der Zukunft ?
an, dass die Gesamtkapazität der selektiven Auf-
2 07 ).
Alle Kreise sind als Musterbeispiele auf-
gogische Binsenweisheit“. Sie führt bei vielen Musi-
merksamkeit konstant ist oder sich zumindest in-
zufassen, denn je nach Aufgabenstellung können
kern zur Überzeugung, dass die Qualität des Übens
nerhalb bestimmter Grenzen bewegt. Mit anderen
sich die Parameter verändern. Vor allem wird ihre
von der Anzahl der Wiederholungen abhängig ist:
hier enormen Nachholbedarf. Üben und Lernen
Worten: Je mehr Verarbeitungskapazität eine be-
Zahl variieren. Im Prinzip sind sie auch für jeden
je mehr Wiederholungen, desto besser. Mit den fol-
erfahren die meisten Schüler schon nach wenigen
stimmte Aufgabe benötigt, desto weniger steht für
Übenden individuell zu erstellen.
genden Inhalten werden wir dieser irrsinnigen und
Jahren als lästiges, langweiliges und sinnleeres
sinnleeren Auffassung eine klare Absage erteilen,
Wiederholen, zu dem es scheinbar keine Alterna-
U
U
U
05 ).
U
Der dritte Kreis listet
Repetitio est mater studiorum :
leer. Kreatives Üben, tiefgehende und intelligente
Das Wiederholen ist die Mutter allen Studierens
Übe- und Lernstrategien reifen nicht im luftleeren
Von der Sinnleere des Übeprinzips Hoffnung
Raum. Sie sind das Resultat einer langen, intensiven und klugen Arbeit.
andere Wahrnehmungsaufgaben zur Verfügung.
Unsere Regelschulen und Musikschulen haben
Die selektive Aufmerksamkeit ist demnach eine
Der entscheidende methodische Aspekt ist,
denn die Anzahl der Wiederholungen sagt noch
tiven gibt. Die in diesen Einrichtungen verbrachte
begrenzte Ressource. Trotzdem dürfen wir nicht
dass die selektive Aufmerksamkeit rotiert
nichts über deren Qualität aus. Ganz im Gegenteil:
Zeit wird von einer großen Schülerzahl als leere
aus dem Auge verlieren, dass es sich keinesfalls
oder wandert und sich dadurch
um einen eindimensionalen Prozess handelt, denn
das Übespektrum wesentlich erweitert.
Zeit betrachtet, die man in seiner Kindheit und Ju-
wir können durchaus mehrere Sachen gleichzeitig
ausführen. Je besser bestimmte Aufgaben automa-
Einfaches und stupides Wiederholen
gend „irgendwie“ über sich ergehen lassen muss;
ist die anspruchloseste Form des Übens.
Widerstand scheint zwecklos, Resignation ist die
Aus diesem Regiebuch werden abwechselnd die
logische Folge. Viele Schüler entwickeln in diesen
tisiert sind, desto weniger selektive Aufmerksam-
unterschiedlichen Parameter ins Zentrum der je-
Wer rein mechanisch Wiederholung an Wieder-
keit wird benötigt und umso wirkungsvoller laufen
weiligen Übewiederholung gerückt. Bestens be-
holung reiht, der übt nach dem Prinzip Hoffnung:
dann diese Tätigkeiten parallel ab.
währt haben sich auch „Leerkreise“. Sie erinnern
Wiederhole die Übeinhalte so oft, bis sie endlich
in unseren Belehrungsschulen zu erreichen. Und
Erfahrungsräumen bewusste und unbewusste StraBUCUF
tegien des Täuschens, um die aufgestellten Ziele
uns daran, dass wir unsere Aufmerksamkeit auch
funktionieren. Nur allzu oft mündet dieses Übe-
viele Lehrer haben dies mittlerweile als unabän-
Prozesse, die wir noch nicht automatisiert
auf gänzlich andere Parameter richten können
prinzip in herber Enttäuschung. „Aber ich habe
derlich hingenommen und akzeptiert. Sie schwim-
haben, müssen durch den Scheinwerfer
(beispielsweise die Vorstellung von Farben oder
doch geübt“, so die frustrierte Schüleraussage im
men mit im Hauptstrom der Sinnleere. Schüler
der Aufmerksamkeit immer wieder
Bildern), die nicht schriftlich fixiert sind.
Unterricht, wenn trotz redlicher Bemühungen und
und Lehrer begreifen nicht, dass sie selbst es sind,
zeitintensiven Anstrengungen die Tonleiter immer
die üben und lernen; sie erfahren vor allem nicht,
noch nicht fehlerfrei klappen will. Das Übeprinzip
dass ihnen dies gut tut, ja, dass sie durch ihr Tun
Hoffnung gibt einem vielleicht das Gefühl, fleißig
in ihrer tiefsten Persönlichkeit ergriffen und ver-
geübt zu haben, aber mit klugem Üben und den
ändert werden könnten. Die folgende Aussage (in
damit einhergehenden tatsächlichen Verbesse-
Anlehnung an den Pädagogen Hartmut von Hen-
kontrolliert werden.
Wie ein Spickzettel helfen diese Kreise
Während wir den Scheinwerfer auf ein Detail rich-
bei der Organisation von Übeabläufen.
ten und diese Einzelheit dadurch ins Rampenlicht
2 12
U
rücken, laufen die anderen Sachverhalte im Hin-
Sie sollten daher auf keinem Notenständer fehlen,
tergrund weiter.
sondern neben dem eigentlichen Notenmaterial
rungen hat es nicht viel zu tun. Statt 30 „dummer“
tig) sollte sich jede Schule und Musikschule zum
ihren festen Platz haben. Wir sollten uns darüber
Wiederholungen sind oft nur einige wenige intelli-
Fundament ihres pädagogischen Wirkens machen:
BUCUO
im Klaren sein, dass diese Aufspaltung ein metho-
gente Repetitionen nötig. Seit gut fünf Jahren hat
Die Parameter der Aufmerksamkeit beim Üben
disches Hilfsmittel darstellt, um den Übeprozess
die Unterrichtsforschung Zusammenhänge abgesi-
Ich übe und lerne und das bekommt mir;
effektiver zu gestalten, und dass es bei dieser Se-
chert, die man schon seit langem vermutete, de-
meine Schule hilft mir dabei.
Welche Konsequenzen haben diese Forschungs-
lektion nicht um die Aufgliederung der gesamt-
ren wissenschaftlicher Beweis aber bislang fehlte.
ergebnisse für das Thema Üben und Lernen? Es
künstlerischen Einheit beim Musizieren an sich
Lernpsychologie und Hirnforschung sind sich einig,
ist entscheidend, dass wir uns beim Üben die ein-
geht. Die Aufsplittung erlaubt eine viel differen-
Wollen Schulen ihre Schüler wirklich erreichen,
dann müssen sie an längst bekannte und prak-
zelnen Teilaspekte getrennt bewusst machen. Da-
ziertere Bewertung, als dies der Gesamteindruck
dass nicht die Anzahl der Methoden
tizierte
durch bündelt sich die Konzentration auf einen Pa-
von einem üblichen Übedurchgang ermöglicht. Im
über den Lernerfolg entscheidet,
fen. Der Film „Treibhäuser der Zukunft – Wie in
rameter. Die einzelnen Übeinhalte können wie in
Gesamt-Übeziel verschmelzen die einzelnen Lern-
sondern die Tiefe von deren Anwendung.
einem Regiebuch zur Führung des Scheinwerfers
prozesse immer wieder zu größeren Einheiten.
dargestellt werden. Da wir beim Üben immer wie-
Dieser Verschmelzungsvorgang findet automatisch
Pädagogisch geht es um Sinnlehre anstatt Sinn-
der auf die gleichen Aspekte treffen, lassen sich
statt, denn wir üben ohnehin bei jeder Wiederho-
leere. Tieferer Sinn muss entdeckt und erarbeitet
die möglichen Beleuchtungspunkte in Form eines
lung die anderen Aspekte mit, nur eben ohne die
werden. Unsinn ist dagegen ohne Mühe mach-
Hoffnung ein Ende setzen, so sind auch sie gefor-
Schaubildes übersichtlich abbilden. Der erste Kreis
Aufmerksamkeit voll auf sie zu richten.
bar; monotones, schablonenhaftes und stupides
dert, über ihre Übe- und Lernumgebungen nach-
BUCUI
reformpädagogische
Ansätze
anknüp-
Deutschland Schulen gelingen“ von Reinhard Kahl
fasst eindrucksvoll zusammen, dass tiefgründiges
und sinnerfülltes Üben und Lernen möglich ist.
BUIUF
Wollen Musikschulen dem sinnleeren Übeprinzip
BUHUB

C U E U A C U E U B

Wahrnehmen, Üben und Lernen
Intonationskunde
Die Orientierungsphase
Rechtzeitig starten
Übe nicht erst fünf vor zwölf.
Der Übeplan
Stelle einen Übeplan zusammen.
Notiere deine Ziele und Methoden.
Notiere deine Übezeiten.
Der Umgang mit der Zeit
Ersetze 30 Minuten
passive Bildschirmberieselung
durch aktives Üben und Musizieren.
Die Selbstwirksamkeit
Sei dir deiner Fähigkeiten gewiss
und stärke diese innere Gewissheit.
Partner- oder Gruppenüben
Vereinbare gemeinsame Übezeiten
mit deinen Freunden.
system ein Intervall oder Akkord eingestimmt ist?
l
rein als Intervallbegriff
Fassen wir zuerst die bisherigen Ergebnisse noch
l
rein als Intonationsbegriff
einmal zusammen. Grundsätzlich können Intervalle innerhalb vier unterschiedlicher Stimmsy-
Als reine Intervalle bezeichnen wir die Prime,
steme berechnet werden:
Quarte, Quinte und Oktave. In Sachen Intonation
können aber auch die Terzen und Sexten rein sein.
Aufkommender Ungeduld entgegenwirken
Schätze vor der Übeeinheit oder -sequenz
den ungefähren Zeitaufwand ab.
l
pythagoreische Intervalle
AUCUD
Sie weisen dann keine Schwebungen auf, sondern
l
reine Intervalle
A C L
sind nach den Prinzipien der Naturtonreihe ge-
l
wohltemperierte Intervalle
l
gleichstufig temperierte Intervalle
U
U
CUFUA
stimmt. Verlangen wir von unseren InstrumentalA B A
U
U
schülern lediglich die Feinbestimmung der Intervalle in der Theorie, dann rücken diese wichtigen
  
Je nach Stimmungsmethode erhält man für alle In-
Zusammenhänge nicht in ihr Bewusstsein. Die tra-
tervalle außer der Prime und Oktave unterschiedli-
dierte schulische Intervallbestimmung muss daher
che Stimmungswerte. Die genauen Centwerte sind
um die Inhalte dieses Kapitels erweitert werden,
im Schaubild
3 0 9 abgebildet.
damit eine Verzahnung zur Spielpraxis stattfindet.
U
Erst dann begibt sich ein Musiker auf den Weg, die
Üben ist Wiederholung – aber Wiederholung ist noch nicht Üben
Kein Übeprinzip Gewissen beruhigen
Sitze die Übezeit nicht einfach nur ab.
Nutze die Zeit zum intelligenten Üben.
Übe nicht nur das, was du schon kannst.
Kein Übeprinzip Hoffnung
Arbeite nicht nach dem Phänomen
des Zu-Tode-Übens.
Lass keinen negativen Zwang entstehen.
Rückblick und neues Ziel
Nachhören ist so wichtig wie Vorhören.
Starte jede Übespirale
mit einer neuen Diagnose.
Durchspiel
Trainiere das Durchspielen.
Spiele Übungen ohne Unterbrechung.
l
Die entwickelnde Wiederholung
Bloßes Wiederholen täuscht Arbeit nur vor.
Übe dasselbe daher öfters unterschiedlich.
Prime und Oktave sind in allen drei
verschiedenen Intonationsmöglichkeiten von In-
Stimmsystemen immer rein gestimmt.
tervallen zu nutzen. Die mathematische Theorie
der Stimmsysteme und deren Intervallberechnung
l
Quinten und Quarten können sowohl rein als
haben wir im ersten Kapitel dargelegt. Von der
auch temperiert eingestimmt werden.
Zahlenmystik der Antike bis hin zur Logarithmen-
AUCUC
Rein ist bei diesen Intervallen gleichbedeutend
berechnung im Übergang zur Neuzeit sind auch
AUAUK
mit pythagoreisch.
die geschichtlichen Aspekte der mathematischen
Hintergründe erörtert. In einem dritten Schritt ste-
l
  
Terzen und Sexten können in allen drei
hen wir nun vor den Centwerten, die sich für jedes
Stimmsystemen auftreten: rein, pythagoreisch
Intervall im jeweiligen Stimmsystem berechnen
und temperiert. Die pythagoreische Terz ist im
lassen. Im Kapitel Intonationskunde muss jetzt die
Zusammenklang eine starke Dissonanz,
musikalische Praxis ins Zentrum unserer Überle-
während die rein gestimmte Terz als Konsonanz
gungen rücken. Schließlich können wir uns wäh-
wahrgenommen wird. Temperierte Terzen klingen
rend des Musizierens nicht mit mathematischen
nicht voll konsonant, aber auch längst nicht so
Berechnungen belasten.
scharf wie die pythagoreisch eingestimmte Terz.
Grundsätzliche Übe - und Arbeitsstrategien
Diese Zusammenhänge sollten auch geschichtlich
3 02
U
betrachtet werden.
Positiv denken
Vermeide Killer-Phrasen:
Das schaffe ich nie.
Halte das Gelungene im Rückblick fest.
Laut denken
Kommentiere deine Gedanken laut.
Selbstgespräche verstärken
das Verankern des Geübten.
Forschendes Üben
Suche nach kreativen Lösungen.
Nimm bewusst Umwege in Kauf.
Keine Freibriefe ausstellen
Sei dein eigener fairer Schiedsrichter.
Stelle dir keine Freibriefe aus:
Das verbessere ich erst morgen.
Übeziele
Arbeite zielorientiert.
Setze dir Zwischenziele.
Lege neue Ziele fest.
  
Übeziele
Fixiere deine Ziele schriftlich.
Die Selbstbewertung
Bewerte dein Tun nach jedem Durchgang.
Vergib Punkte für dein Üben und Musizieren.
Bei der musizierpraktischen Intervallfestlegung rücken Wahrnehmungskriterien
in den Vordergrund. Unsere Hörwahrnehmung
l
Sekunden und Septimen sind entweder
kann nur die rein gestimmten Intervalle auf
pythagoreisch oder temperiert stimmbar.
feinste Nuancen hin sicher und sauber
Die reinen Stimmungswerte sind bei diesen
bewerten und dies auch nur im Zusammenklang.
dissonanten Intervallen nicht umzusetzen.
Das Wahrnehmungskriterium ist dabei unser
Konsonanzempfinden.
Nur die konsonanten Intervalle sind rein stimmbar. Sie entsprechen genau den Gegebenheiten der
Übeziele - nicht immer
Übe ohne Zielvorgabe.
Lasse es einfach geschehen.
Musiziere um des Musizierens willen.
Naturtonreihe mit den ganzzahligen Schwingungs-
Selbst so hochtechnische Geräte wie das Stimmge1 57
U
rät sind während des Musizierens bedeutungslos.
verhältnissen. Die reine Stimmmethode betrifft
Dies trifft auch auf die Stimmgeräte zu, die mit
also nur die Intervalle bis zum sechsten Naturton,
direktem Tonabnehmer ein Ablesen der eigenen
denn ab dem siebten beginnen die Dissonanzen.
Stimmwerte trotz Orchesterklanges ermöglichen.
Wir haben den Begriff „reines Intervall“ auf zwei
Angemessenes Intonieren orientiert sich nur sel-
unterschiedliche Arten kennengelernt:
ten am „Nullpunkt“ des Stimmgerätes.
AUAUI

C U F U A C U F U B

Intonationskunde
Intonationskunde
Schwebungen : Die Überlagerung zweier Töne mit leicht abweichender Frequenz
 
Erste Sinuswelle mit einer Frequenz von 40 Hz
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Zweite Sinuswelle mit einer Frequenz von 44 Hz
Messgeräten einzustimmen. Bei der Überprüfung
mit zwei Sinustönen arbeiten, deren Frequenzen
des Temperierungsgrades ist man von jeher auf
sehr nahe beieinander liegen (Schaubild 3
das Wahrnehmungsphänomen der Schwebung an-
unserem Beispiel hat die erste Sinuswelle eine Fre-
1 0 ). In
gewiesen. So heißt es in den alten Abhandlungen
quenz von 40 Hz und die zweite eine Frequenz von
zum Temperieren beispielsweise, dass die auf-
44 Hz. Wenn wir beide Wellen übereinander lagern,
steigende temperierte Quinte beim Stimmen der
dann sehen wir, dass sie in regelmäßigen Abstän-
Oktave einmal pro Sekunde schweben solle und
den zusammen- und auseinander laufen. Treffen
die absteigende Quarte dreimal in zwei Sekunden.
sich beide Wellen, dann verstärken sie sich gegen-
Für die Praktiker dienen die mathematischen The-
seitig oder sie heben sich auf. Im dritten Schau-
orien nur als Grundlage zum Verständnis der Zu-
bild ist die Addition beider Sinuswellen dargestellt.
sammenhänge, verlassen müssen sie sich schließ-
Daraus ist die folgende Gesetzmäßigkeit ablesbar:
lich voll und ganz auf ihr Gehör.
Ähnliches gilt für die Differenztöne. Tritt ein Diffe-
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Wenn die Wellen gleichphasig zusammentreffen,
dann erkennen wir eine Verstärkung.
renzton auf, so bewegt sich das konsonante Inter-
Bei der gegenphasigen Bewegung löschen sie
vall in Richtung der reinen Stimmungswerte. Sorgt
sich aus. Aus diesem Wechselspiel resultiert das
der auftretende Differenzton für eine Verstärkung
An- und Abschwellen der Lautstärke.
des Wohlklanges, dann ist die reine Stimmung
Der Schwebungston wird pro Sekunde viermal laut und leise
Schwebungston: einmal laut und leise
Schwebungston: einmal laut und leise
Bei Gleichphasigkeit:
Verstärkung
Bei Gleichphasigkeit:
Verstärkung
Bei Gegenphasigkeit:
Auslöschung
Schwebungston: einmal laut und leise
Schwebungston: einmal laut und leise
exakt umgesetzt. Sobald kleinere Reibungen zwi-
Der resultierende Schwebungston hat als Tonhöhe
schen den Haupttönen und dem Differenzton auf-
eine Frequenz von 42 Hz. Dies ist der Mittelwert
treten, entfernt man sich von der reinen Stimmung.
der beiden Einzelfrequenzen. Er wird pro Sekunde
In der Musizierpraxis sind Schwebungen die wich-
viermal laut und leise und hat daher eine Schwe-
tigeren Indizien für reine Stimmungswerte, da Dif-
bungsfrequenz von 4 Hz. Die Schnelligkeit der
ferenztöne seltener wahrnehmbar sind. Sie treten
Schwebung ergibt sich aus der Differenz der bei-
nur unter bestimmten Voraussetzungen auf. Diese
den Einzeltöne:
Bedingungen sind nicht unbedingt „musikalisch“
zu nennen: erhebliche Lautstärke, hohe Lage und
der Klang darf nur wenige Obertöne aufweisen.
Bei einem geringen Frequenzunterschied
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ist die Schwebungsfrequenz klein. Je größer die Schwingungsdifferenz wird,
desto höher wird die Frequenz der Schwebung.
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Schwebungen
Ein wichtiges Kriterium für „Verstimmung“
re Ohren einwirken, ist unser Hörsinn immer auf
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Von der Schwebung zur Reibung
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Schätzung angewiesen. Bei konsonanten Interval-
Wenn Töne mit nur geringfügig abweichender Fre-
len sind wir in der Lage genau zu beurteilen, ob
quenz zusammen erklingen, dann hören wir nicht
Das Schwebungsphänomen hat für den Musiker
beim Zusammenklang Schwebungen auftreten
die unterschiedlichen Einzeltöne, sondern einen
eine sehr große Bedeutung, denn Schwebungen
oder ob das Intervall frei von Schwebungen er-
einzigen Ton.
dienen als Orientierung beim Intonieren von Tö-
Betonen wir noch einmal, dass man nicht mit den
klingt. Sobald Schwebungen oder Rauigkeiten
Augen, sondern mit den Ohren intoniert. Zwei un-
wahrnehmbar sind, weicht das Intervall mehr oder
Dieser Ton ist aber nicht „konstant“,
quenz wahr, dann weiß man, dass man knapp
terschiedliche Beurteilungsmerkmale können wir
weniger vom reinen Stimmwert ab. Die Anzahl der
sondern man nimmt ein periodisches
vor der reinen Stimmung liegt. Ist das Pulsieren
beim praktischen Musizieren zu Rate ziehen:
Schwebungen und die Schwebungsgeschwindig-
nen. Nimmt man eine langsame Schwebungsfre-
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keit gilt als Richtmaß für die Abweichung von der
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Schwebungen
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und
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Differenztöne
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An- und Abschwellen der Lautstärke wahr.
Dieses Pulsieren bezeichnet man als Schwebung.
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der Schwebung schneller, dann ist dies das Zeichen, dass man von der reinen Stimmung weiter
reinen Stimmung. Das wichtigste Merkmal eines
entfernt ist. Im Schaubild
reinen, konsonanten Intervalls ist also sein unge-
Alltagssprachlich werden diese Intensitätsschwan-
was passiert, wenn sich die Tonfrequenzen im-
trübter Wohlklang. Als Andreas Werckmeister im
kungen oft mit den Begriffen „wummern“ oder
mer mehr voneinander entfernen. Nach und nach
17. Jahrhundert seine Berechnungen zu verschieBeide Charakteristika sind nur auf Konsonanzen
denen wohltemperierten Stimmungen vorlegt, war
anwendbar, denn sobald Dissonanzen auf unse-
es nicht möglich, die Instrumente mit modernen
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ist dargestellt,
„wabern“ umschrieben. Wir wollen dieses Phäno-
ändert sich der Charakter unserer Klangempfin-
men zunächst mathematisch und physikalisch be-
dung. Ab einem bestimmten Punkt lassen sich die-
schreiben. Das gelingt am einfachsten, wenn wir
se Lautstärkeschwankungen nicht mehr einzeln
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Stilkunde und Vortragslehre
Stilkunde und Vortragslehre
Vivaldi : Le Quattro Stagioni , La Primavera , Allegro
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Vivaldi wählt zur Einkehr der ersten Jahreszeit ein
des Musizierens schlechthin. Dies gilt für den aus-
jubelndes E-Dur, verbunden mit einer volkstümlich
übenden Musiker ebenso wie für jeden, der sich im
tänzerischen Melodie über einfachen Harmonien,
Prozess des Zuhörens von diesen Interpretationen
die gleichsam von einem „Grundton-Bass“ unter-
ergreifen lässt. Beleuchten wir daher die Musik als
legt sind. Damit wir die Interpretationsaspekte
Klangrede im Detail.
einer historisch orientierten Einspielung analysieren können, ziehen wir zuerst ein Orchester heran,
das im Jahre 2007 sein 20jähriges Jubiläum feiern
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lische Dialog, das sind die sinngebenden Momente
Interpretationsvergleich 3
konnte und sich seit geraumer Zeit auf internatio-
Die Musik als Klangrede
naler Ebene ein hohes Ansehen erarbeitet hat:
Antonio Vivaldi , Der Frühling
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Das Freiburger Barockorchester
Leitung: Petra Müllejans, Gottfried von der Goltz
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steht sein Ruf in ganz Europa außer Frage. Er gilt
Der Tenor dieser 20jährigen Entwicklungszeit
als Meister des Außergewöhnlichen und Uner-
könnte lauten, dass das Freiburger Barockorches-
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hörten, wie auch eine Überschrift seiner vielen be-
ter freier und extremer, aber auch persönlicher
titelten Konzertsammlungen beschreibt: „La stra-
und emotionaler wurde. Es hat sich von einer
vaganza“ (Opus 4, „die Extravaganz“). Aber bis zu
anfänglichen neutralen Perfektion zu stark erwei-
diesem Fund spielt Vivaldi fast 200 Jahre lang nur
terten Ausdrucksmöglichkeiten fortentwickelt. Für
eine untergeordnete Rolle als musikgeschichtliche
unsere weiteren Überlegungen ist das Freiburger
Randerscheinung. Im Zuge des allgemein gestie-
Barockorchester daher geradezu ideal. Denn wir
genen Interesses an barocker Musik erleben wir
können unter den bereits andiskutierten Aspekten
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Im Jahre 1926 werden 14 Bände mit barocker Mu-
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sik von Antonio Vivaldi aufgefunden. Zu Lebzeiten
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heute eine außergewöhnliche Vivaldi-Renaissance.
der historisch orientierten Aufführungspraxis nä-
Dies verwundert kaum, begegnen wir doch allein
her in die facettenreichen Interpretationsdetails
über 400 Concerti für verschiedene Soli-Tutti-
vordringen. Bevor wir unsere Hörerfahrungen sam-
Besetzungen aus Vivaldis Feder. Um uns in die
meln, soll jeder der beiden Orchesterleiter kurz zu
anweisungen niederschreiben. Manch ein Musiker
hunderte verändert, so wandelt sich auch die Stilis-
Gesetze der Musik als Klangrede einzuarbeiten,
Wort kommen. Die Zitate stammen aus einem In-
glaubt noch heute, dass erst mit der Romantik die
tik in der Musik. Diesen Wandlungsprozess muss
ziehen wir eines der wohl berühmtesten Beispiele
terview in einem Sonderteil der Badischen Zeitung
große und überschwängliche Gefühlsebene in die
der heutige Musiker studieren, nur so findet er zu
des vivaldisch-venezianischen Solokonzertes he-
anlässlich des Orchesterjubiläums im Jahre 2007.
Musik eingedrungen sei. Diese Auffassung ist falsch.
einem tieferen Werkverständnis. Die historisch
ran: „Le Quattro Stagioni“ (Die Vier Jahreszeiten).
Die Barockmusik ist nicht nur die Musik des Ge-
orientierte Aufführungspraxis versucht, die alte
Es stammt aus der 1725 verlegten Konzertsamm-
neralbasszeitalters, sondern in weitaus größerem
Musik mit den Augen der Zeit ihres Entstehens zu
lung „Il cimento dell´ armonia e dell´ invenzione“,
haben, war, uns nach außen zu öffnen, Gastdiri-
Maße die Musik im Zeitalter der Affekte. Nur ist
sehen. Sie ist sich aber darüber im Klaren, dass sie
was wir übersetzen könnten mit der „Erprobung
genten einzuladen: Roy Goodman, Gustav Leon-
das Wissen um diese Musizierkunst und die Fähig-
der alten Musik nicht gerecht wird, wenn diese le-
der Harmonie und der Erfindung“ oder mit dem
hardt, Trevor Pinnock und Phillipp Herreweghe
keit zur praktischen Umsetzung verloren gegangen.
diglich im historischen Sinne wiedergegeben wird,
„Wettstreit zwischen Harmonie und Einfall“. Die
gehörten dazu. Deren Anregungen haben uns sehr
Die Alte Musik weist viel mehr Ausdruckskontraste
nein, sie muss gleichzeitig in unsere Gegenwart
Vier Jahreszeiten sind als Programmkonzerte kom-
interessiert, und jeder hat dann etwas für sich über-
auf, als wir das heutzutage gemeinhin anneh-
hereingeholt werden. Wenn sich dabei musikwis-
poniert und jede Jahreszeit wird durch Sonette
nommen. Ich, zum Beispiel, habe mich inzwischen
men. Das theoretische Wissen, das für die Musik
senschaftliches Wissen und Verantwortungsbe-
als Klangrede von Nöten ist, und das praktische
wusstsein mit tiefstem musikalischem Empfinden
Können, das der musikalische Dialog unabdingbar
einfordert, müssen heute wieder gelehrt und er-
Petra Müllejans äußert sich so: „Was wir gemacht
(Sonetto Dimostrativo) eingeleitet. Vivaldi hat die-
sehr weit von der Kölner Richtung [Musica Anti-
se Gedichte höchstwahrscheinlich selber verfasst.
qua Köln unter Reinhard Goebel], aber auch von
vereint, dann ist der Weg zu einer überzeugenden
Wir stehen vor Musik, in der Vivaldi alle nur denk-
Harnoncourt entfernt – das heißt aber nicht, dass
Interpretation gebahnt. Diese Überlegungen sind
baren Affekte präsentiert. Das Außermusikalische
man dann sich anderen zuwendet. Es kristallisiert
wird in den Soloabschnitten und den Tuttiritornel-
sich vielmehr ein eigener Stil heraus, der sich beim
len detailliert und sehr naturalistisch dargestellt.
Arbeiten natürlich auch verändert.“ Und Gottfried
DUDUA
lernt werden. Denn alle Musik, die den direkten
aufs Engste mit dem Motivationskapitel verzahnt.
Gegenwartsbezug verloren hat, muss quasi neu in
Wir haben dort ausführlich über die Sinnfindung
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unsere Gegenwart übersetzt werden. Dieser Über-
gesprochen. Und auf der hier andiskutierten Ebe-
BUIUF
2 35
von der Goltz antwortet auf die Frage, welche Pa-
setzungskunst werden wir uns im Nachfolgenden
ne der Interpretation findet der Wille zum Sinn
Wir werden uns in der nun folgenden Analyse auf
rameter es denn seien, die sie anders machen, und
widmen. Musik ist eine Art von Sprache in Tönen
seinen fruchtbarsten Nährboden. Die Musik als
das erste Hauptthema des Frühlings (La primave-
wo denn die Geheimnisse ihres Musizierens zu fin-
und so wie sich der Sprachstil im Laufe der Jahr-
Klangrede und der damit verbundene musika-
ra) beschränken: „Der Frühling ist gekommen“.
den seien: „Pauschal gesagt, ist es die Klangrede:
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Stilkunde und Vortragslehre
Stilkunde und Vortragslehre
Die Haupthierarchie im Zeitalter der Affekte
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Haupthierarchie als Betonungsschema
nobiles: edel (vornehm, bekannt, berühmt)
viles: unedel (billig, wertlos, unbedeutend)
Das tragende Gerüst der Musik zwischen 1600
ist ja wohl klar: Das Beste ist sicher, wenn einer et-
und 1800 besteht in einem Betonungsschema,
was zu sagen hat und es auch noch gut, sogar feh-
das der Musik eine Gewichtskurve verleiht.
lerfrei, sagt. Aber das Zweitbeste ist doch, dass einer etwas zu sagen hat und es schlecht sagt. Dass
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In dieser Zeitspanne, man spricht auch vom Zeit-
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einer nichts zu sagen hat und es gut sagt, ist noch
alter der Affekte, kennt die Musik eine strenge
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nicht einmal das Drittbeste, sondern überhaupt
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Hierarchie. Sie ist nach festen Rangordnungen gegliedert. In jedem Takt gibt es „gute“ und „schlech-
bauen sich Villen am Genfersee, direkt neben den
te“ Töne, der Fachmann spricht von den „Nobiles“
Bankiers und den Exilpolitikern der Entwicklungs-
übersetzt mit
länder, und haben überhaupt nichts zu sagen, aber
„edel“ und „unedel“. Diese Begriffspaare beziehen
das sagen sie gut.“ Alle historisch orientierten Ein-
sich auf die unterschiedlichen Betonungen und
spielungen setzen auf die Haupthierarchie als Be-
Gewichtungen und nicht auf die Klangästhetik. So
tonungsschema:
und „Viles“, im Schaubild
Auflösen durch die Binnendifferenzierung
nichts. Es reisen Musiker im Jet in der Welt herum,
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kennt ein Vierertakt die edle Eins, die wertlose
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Zwei, die nicht ganz so vornehme Drei und die unbedeutende Vier. In der Freiburger Interpretation
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können wir diese Betonungen deutlich vernehmen
Wir entfernen uns sehr schnell vom
Beim Auftakt zu Takt 7 können wir Ähnliches be-
Geschriebenen und entwickeln einen Blick dafür,
obachten. Das Prinzip des kurzen Pausierens wird
Artikulation maßgeblich beiträgt. So sind die edlen
was dahinter steht. Wenn man nur vom
hier aber nicht durch eine Unterbrechung des Me-
Taktteile breiter, die unedlen kürzer artikuliert.
und wir erkennen, dass zu deren Umsetzung die
Leitung: Nikolaus Harnoncourt
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The Amsterdam Baroque Orchestra
Leitung: Ton Koopman
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Concentus Musicus Wien
Tafelmusik
Leitung: Jeanne Lamon
Geschriebenen ausgeht, sackt die Musik
trums erreicht, sondern durch eine extreme Schär-
sehr schnell ab und wird flach.
fung und Verkürzung der Auftaktnote. Das Achtel
Dieser stete Wechsel zwischen breit und kurz,
In diesen Interpretationen wird mehr oder weniger
wird sehr scharf angegriffen. Auch mit diesem
oder auch betont und unbetont, wird in der
stark skandiert. Daher haben sie in Frauchigers
Man muss also ganz schnell einen Blick dafür ent-
Mittel erreichen die Freiburger Musikerinnen und
historisch orientierten Aufführungspraxis mit
Terminologie „etwas über Musik zu sagen“. Alle
wickeln, in welchem Stil man ein Stück interpre-
Musiker eine Spannungserhöhung in ihrem Dialog.
dem Begriff des „Skandierens“ bezeichnet.
konventionellen Beispiele (Herbert von Karajan,
In der Sprachrhetorik meint das Skandieren
Lorin Maazel, Canadian Brass) ebnen die Basslinie
das rhythmische Sprechen nach den Versfüßen.
gleichförmig ein und haben, obwohl sie im tech-
tiert. [...] Wenn man es schafft, diesen Blick zu
schärfen und mit der richtigen Tonsprache zu ver-
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binden, fängt die Musik an zu atmen.“ Dies wer-
Das tragende Gerüst der Musik
den wir bereits beim ersten Hören des Freiburger
Die Haupthierarchie als Betonungsschema
nischen Sinne perfekt musizieren, „nichts über
Der Musiker sollte dieses Betonungsprinzip nie aus
Barockorchesters erfahren. Gehen wir nun an die
Musik zu sagen“.
dem Auge verlieren. Gerade im konventionellen In-
Herausarbeitung ihres musikalischen Dialoges.
Als nächstes richten wir unsere Aufmerksamkeit
terpretationsverständnis wird diese Gewichtskur-
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auf die Basslinie. Wie artikulieren die Musiker des
ve beständig nivelliert und glattgebügelt, was wir
Die Erweiterung der Ausdrucksfähigkeit
Gleich zu Beginn wird das artikulative Moment der
Freiburger Barockorchesters diese ostinate Stim-
in den traditionellen Einspielungen überdeutlich
Die Binnendifferenzierung
Klangsprache deutlich, denn der erste Auftakt wird
me, den sich ständig wiederholenden Harmonie-
heraushören können:
überdeutlich abgesetzt. Die Freiburger platzieren
4 07
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Grundton? Wir bemerken, dass jede Viertelnote
den Auftakt nicht im nachfolgenden Metrum, son-
eine eigene Artikulation und andere Gewichtung
dern zögern die erste Zählzeit um einen kurzen
erhält. Die Violoncello- und Kontrabassstimme
Augenblick heraus. Dieses Zurückhalten der ersten
wird sehr nuanciert behandelt, obgleich Vivaldi
Hauptnote erhöht den melodischen Spannungs-
diesen Detailreichtum aufgrund der Tradition des
gehalt. Wir treffen bereits hier auf die Parallelen
Ungeschriebenen nicht notiert. Für den Musiker
zwischen einem sprachlichen und einem musi-
der Barockzeit ist es eine Selbstverständlichkeit,
kalischen Vortrag, denn in der Sprachkunst der
dass jeder Musik ein bestimmtes Betonungssche-
Nun wäre Musik äußerst eintönig und geradezu
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Berliner Philharmoniker
langweilig, würde nur dieses strenge Betonungs-
Leitung: Herbert von Karajan
schema Gültigkeit haben. Das Musizieren wird
Mitglieder des Orchestre Nationale de France
vor allem dann zur Klangrede, wenn bewusst ge-
Leitung: Lorin Maazel
gen die Haupthierarchie interpretiert wird. Diese
Canadian Brass
Mittel zum Eingreifen werden wir in den nach-
Bearbeitung Bläserquintett: Arthur Frackenpohl
folgenden Interpretationsvergleichen sehr genau
unter die Lupe nehmen. Zunächst führen wir die
Rhetorik wird gezielt auf das Prinzip von kurzen
ma unterliegt. Sie setzen dieses Strukturierungs-
Nach dem Durchhören der konventionellen Inter-
Hauptpunkte an, die quasi in der Art einer Binnen-
Sprechpausen gesetzt.
Grundgerüst eigenverantwortlich um, sodass kein
pretationsbeispiele sollte das Einleitungszitat zu
differenzierung den musikalischen Dialog entste-
Komponist sich dazu genötigt fühlt, diese Artiku-
diesem Kapitel von Urs Frauchiger noch einmal in
hen lassen, sodass das grundlegende Prinzip der
Bei der Gliederung eines Vortrages steht das
lations- und Betonungsnuancen zu notieren. Der
Erinnerung gerufen werden. Es verdeutlicht, wie
Haupthierarchie eine wesentliche Erweiterung er-
geschickte Setzen von kleinsten Pausen
Musiker der Gegenwart muss diese wichtigen Zu-
unser Thema Interpretieren mit einer ganzheit-
fährt, die Musik also zur eigentlichen Klangrede
und das kurze Abwarten an oberster Stelle.
sammenhänge neu erlernen.
lichen Bildung zur Musik zusammenhängt: „Das
wird. Drei Punkte sind als Überschriften zu setzen: