Zu viele Tauben?

Zu viele Tauben?
Stadttaubenprojekt Frankfurt e.V.
Solmsstr. 9
60486 Frankfurt am Main
Tel. (069) 70 24 83
Mobil (0170) 84 84 757
[email protected]
www.stadttaubenprojekt.de
In letzter Zeit hört und liest man immer öfter, es gäbe zu viele Tauben in den Städten. Sicherlich mag das
mancher so empfinden; und Journalisten wählen im Hinblick auf das zu weckende Leserinteresse natürlich
gerne markige Formulierungen.
Besonders verwunderlich ist diese Feststellung allerdings aus dem Munde von ausgewiesenen
Vogelexperten. Verwunderlich deshalb, weil es bisher definitiv keine Zählungen gab, die den Bestand
eines ganzen Stadtgebietes genau erfasst haben. Unser Projekt hat bereits verschiedene Zählungen
durchgeführt, aber nur im direkten Umkreis der von uns betreuten Taubenschläge.
In Augsburg wurde vor ein paar Jahren durch die Auswertung von dort erhobenen Daten die Population an
Stadttauben auf ca. 1 Prozent der in dieser Stadt lebenden Bevölkerung geschätzt. Diese Schätzung wäre,
so der beauftragte Biologe, auch auf andere Städte anwendbar. Demnach leben in Frankfurt ca. 7000
Stadttauben.
Ist eine solche Zählung aber überhaupt sinnvoll?
Würden sich die schätzungsweise 7000 Tiere homogen über ganz Frankfurt verteilen, so hätten sicherlich
viele Bürger noch gar nicht bemerkt, daß überhaupt Tauben in der Stadt existieren.
Das Problem ist, daß es regelrechte Brennpunkte gibt, an denen sich die Stadttauben konzentrieren. Dort
ist es sicherlich nicht falsch zu behaupten, die Zahl der Tiere wäre zu hoch. Doch nicht nur für den
Menschen – auch für die Tauben selbst ist diese Häufung unangenehm.
Genau an diesen Brennpunkten gilt es, Maßnahmen gegen die Vermehrung der Stadttauben zu ergreifen.
In einer humanen Gesellschaft sollte es dabei selbstverständlich sein, daß „Maßnahme“ nicht
schonungslose Tötung – oder gar Ausrottung - bedeutet.
Doch selbst an solchen Versammlungsplätzen der Stadttauben spielt das subjektive Empfinden der
betroffenen Menschen eine entscheidende Rolle. Bei unserer Arbeit hören wir viele Meinungen und
Kommentare von Bürgern - in allen Stadtteilen und durch alle Bevolkerungsschichten.
Während manche Bewohner mit Erstaunen reagieren, wenn sie von einem Taubenproblem hören und den
Tieren, selbst in größeren Schwärmen, sehr wohlgesonnen sind, fühlen sich manche ihrer Nachbarn schon
von ein oder zwei der Tieren unzumutbar belästigt.
Viele Hausbesitzer haben auch (nicht zuletzt aufgrund der massiven Werbemaßnahmen der
Schädlingsbekämpfungsindustrie) die meist unbegründete Angst, ihre Immobilie könnte Schaden nehmen.
Auch wir kennen das Problem in der unmittelbaren Umgebung unserer Schläge, daß es Eigentümer von
Liegenschaften gibt, die beinahe paranoid auf ihr Dach schauen, wenn die Tauben während der
wöchentlich 2 mal stattfindenden Reinigungsarbeiten ihren Schlag verlassen und in der Umgebung ca.
eine Stunde warten. Dabei verkennen diese Zeitgenossen völlig, daß ohne das Taubenhaus eine viel
größere Zahl von Tauben ihre Dachrinne dauerhaft bevölkern würden.
Erstaunlich ist auch, wie viele Bewohner von Stadt und Land den Brieftaubensport fasziniert beobachten
und sich daran erfreuen, wie die wunderschönen Tiere sich in die Lüfte emporschwingen und am Horizont
verschwinden.
Zuhause in der Stadt ärgern sie sich dann über die Unzahl an Tauben, die auf der Straße betteln.
Eigentlich müßten sie eine große Zahl der Tiere noch kennen, denn jedes Jahr stranden Tausende von
Brieftauben, die ihren Schlag nicht erreicht haben in unseren Städten - und verwandeln sich in der
Wahrnehmung dieser Menschen von wunderschönen Brieftauben zu widerlichen Stadttauben.
Natürlich vermehren sich diese ehemaligen Brieftauben genauso schnell wie ihre „gewöhnlichen“
ArtgenossInnen. Die Enkel, Urenkel und Ururenkel dieser Brieftauben erkennt man dann nicht mehr an
einem Ring, so daß sich niemandem mehr ihre „edle“ Abstammung erschließt.
Warum wurde in diesem Artikel bisher immer explizit von Stadttauben gesprochen – und nicht einfach von
Tauben?
Inzwischen sind mehr als ein Drittel der Tauben, mit denen wir im Rahmen unserer Tätigkeit zu tun haben
nicht mehr Stadttauben, sondern Ringeltauben.
Ringeltauben sind Wildtiere, die ihren Namen vor allem durch ihre auffällige Zeichnung am Hals erhielten.
Im Gegensatz zu Stadttauben brüten Ringeltauben vor allem auf Bäumen, und lassen sich nicht an einen
Taubenschlag binden.
In Zeiten immer knapper werdender Lebensräume drägen diese Wildtierarten, ähnlich wie Füchse,
Waschbären oder sogar Wildschweine und viele andere Vogelarten (es gibt noch unzählige andere
Beispiele) immer weiter in unsere Städte vor.
Freiwerdende Nischen werden dankbar von diesen vorrückenden Wildtieren besetzt.
Es wäre deshalb naiv zu glauben, man könnte das Taubenproblem einfach dadurch lösen, indem man die
hier lebenden Stadttauben beseitigt. Dieser Lebensraum würde umgehend von anderen Vogelarten,
hauptsächlich natürlich von Wildtauben, besetzt werden.
Die Kontrolle und Regulierung dieser Populationen wäre ungleich schwieriger als die entsprechenden
Versuche eine Stadttaubenpopulation „in den Griff“ zu bekommen.
Genauso wie - ansich meist vollig harmlose – Spinnen Angst und Schrecken verbreiten und zwei solcher
Exemplare schlimmer empfunden werden als manche andere, tatsächliche Bedrohung, werden Tauben
von vielen Menschen mit großem Argwohn betrachtet.
Deshalb wäre es an der Zeit, trotz hitzig geführter Diskussionen das Problem mit den Stadttauben
nüchtern zu betrachten und sich nicht von persönlichen Abneigungen oder auch Vorlieben leiten zu
lassen.
Ihr Team vom Stadttaubenprojekt Frankfurt e.V.