Nenad kocht 48 7. August 2016 | sonntagszeitung.ch Die Poesie des Erntens und Einmachens Zutaten, die man nicht kaufen, sondern nur selbst sammeln kann, haben einen besonderen Reiz, findet Nenad Mlinarevic und weckt Holunderbeeren ein Foto: Esther Michel Der Holunder ist ein faszinieren des Gewächs. Seine Blüten, Blät ter, Stängel und natürlich seine Früchte, die jetzt reifen, lassen sich vielfältig nutzen. Je nachdem in welchem Stadium die Natur gera de ist, kommen dabei völlig ver schiedene Geschmäcke heraus. Im Frühling und Frühsommer, wenn die grossen Büsche am Waldrand mit den weissen Blüten aussehen, als ob sie brennen würden, ist die Zeit, um das beliebteste aller Ho lunderprodukte herzustellen: den Sirup. An dem haben die Kinder ebenso Freude wie die Erwachse nen, die ihn mit Prosecco zu einem Hugo mischen. Wir haben mit dem Sirup auch schon Schäume aromatisiert. Oder aber wir trocknen die Blüten einzeln und vorsichtig bei tiefer Temperatur, um beispielsweise einem Forellengericht eine leicht florale Note zu geben. Die ganzen Blütendolden mit Stängeln und Blättern kann man einfach in einem neutralen Essig einlegen oder vakuumieren und in den Kühlschrank legen. Nach einigen Tagen lassen sich Blüten, aber auch Stängel und Blätter in einen Salat mischen oder als säurehaltiges frisches Element zu Fleisch oder Fisch kombinieren. Ein Klassiker ist natürlich auch, die Blüten durch einen flüssigen Ausbackteig zu ziehen und dann in Öl oder But ter knusprig auszubacken. Aber auch die unreifen Beeren (Kapern) sind essbar, wenn man sie zuvor längere Zeit in einen Einmachsud einlegt. Mit einer Gabel lassen sich die Kügelchen einfach abstreifen Diese kann man besonders gut her vorheben und verstärken, wenn man die Beeren mit einigen Ge würzen einmacht. Dafür gehe ich mit meinem Team erst mal selber an den Waldrand, um kiloweise Holunderfrüchte zu ernten. Denn diese Zutat kann man nirgends kaufen, das macht sie auf eine poetische Art wertvoll. Um den Vierwaldstättersee gibt es viele Stellen mit prächtigen Büschen. Das Ablesen der Beeren ist keine komplizierte Arbeit, mit einer Ga bel beispielsweise lassen sich die kleinen, dunkelvioletten Kügel chen leicht abstreifen. Ich musste das erstmals 2006 im grösseren Stil machen, damals arbeitete ich bei Spitzenkoch Roland Jöhri in St. Moritz, und wir servierten eingemachte Holunder beeren zum Beispiel zu Foie gras oder im Dessert. Die kleinen Früchtchen passen aber auch gut zu Geflügel oder zu Wild – es müssen ja nicht immer Preiselbee ren sein. Langer Rede, kurzer Sinn: Ich mag den Holunder. Seine Wandel barkeit und Vielfalt zum einen und zum andern seine Stellung als kleine Schatztruhe der Natur, die offen ist für alle, die sich die Mühe machen, hineinzugreifen und mit dem, was sie herausholen, etwas zuzubereiten, das einfach, aber gut ist. Beeren haben dunkle Aromen, die Blüten frische und blumige Für dieses Jahr ist das Stadium des brennenden Strauchs zwar vor über, aber der Zeit etwas voraus zu sein, kann nicht falsch sein. Im Moment sind die dunklen, klei nen Beeren des Holunderstrauchs reif, denen heilende Wirkung zu geschrieben wird – zum Beispiel bei Grippeerkrankungen. Wir sind allerdings keine Apotheke, son dern ein Restaurant und finden die Holunderfrüchte einfach ulinarisch interessant. Das auch k deswegen, weil der Geschmack der Beeren so gar nichts mit dem Geschmack der Blüten zu tun hat. Statt frisch und blumig sind jetzt eher dunkle, volle Aromen vor handen. Eine kleine Schatztruhe der Natur: Sternekoch Nenad Mlinarevic mit frisch gepflückten Holunderbeeren Nenad Mlinarevic ist Küchenchef des Restaurants Focus im Park Hotel Vitznau (2 Michelin-Sterne, 18 «Gault Millau»-Punkte) und Koch des Jahres 2016. Er kocht nur mit Schweizer Produkten und schreibt hier monatlich über seine Arbeit Eingemachte Holunderbeeren mit Schafsmilchjoghurt-Sorbet Einmachgläser Für die Holunderbeeren 250 g Holunderbeeren 50 g Kristallzucker 15 g Himbeeressig 125 g roter Portwein 125 g Holundersaft 2 Wacholderbeeren 2 Streifen Orangenschalen 1 Zimtstange 1 Sternanis Konfitüre- oder Einmachgläser gibt es in allen Farben und Formen, manche, wie die grünen Gläser der ehemaligen Glashütte Bülach, haben gar Kultstatus erlangt und werden auf Flohmärkten und Auktionsplattformen gehandelt. Als reines Vorratsbehältnis reicht ein günstiges Glas vom Grossverteiler (ca. 8 Franken für 4 Gläser), für hübsche Geschenke machen Modelle mit Bügelverschluss (Stückpreis 4.50 Franken) einen guten Eindruck. Entscheidend sind neben dem relativ dickwandigen Glas ein gut schliessender Deckel und eine Gummidichtung, die nicht spröde sein darf. Vor dem Befüllen müssen alle Teile sowie allenfalls Trichter 10 bis 15 Minuten im kochenden Wasser oder im Steamer sterilisiert werden, um zu verhindern, dass Schimmel und andere Keime entstehen können. Den Zucker in einem Topf bei mittlerer Temperatur hellbraun karamellisieren und mit Essig ablöschen. Saft und Gewürze dazugeben und den Sud leicht ein kochen. Je nach gewünschter Konsistenz mit etwas in Wasser angerührter Maizena binden. Die Beeren in heiss ausgespülte Einmachgläser verteilen und mit dem heissen Saft übergiessen. Die Gläser in einem Steamer oder einem Topf mit kochendem Wasser mindestens zehn Minuten sterilisieren. Schafsmilchjoghurt-Sorbet 500 g Schafsmilchjoghurt 125 g Kristallzucker 100 g Vollrahm 1 EL Glukose oder TraubenzuckerPulver (aus der Apotheke) 2 Blatt Gelatine, in eiskaltem Wasser eingeweicht 15 g Zitronensaft Zucker, Vollrahm und Glukose aufkochen, vom Herd nehmen, die Gelatine darin auflösen und die Masse auskühlen lassen. Das Joghurt mit dem Stabmixer einarbeiten, mit Zitronensaft nach Wunsch abschmecken und alles in der Eismaschine zu einem Sorbet aufschlagen.
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