Die Revolution droht
Aus dem radikalen Kaffeesatz der Freien Universität
Autor: U. Gellermann
Datum: 26. Februar 2015
Da haben sie ein hübsch geschnitztes Stöckchen auf die Medienwiese geworfen
- die Monika Deutz-Schröder und der Professor Klaus Schröder, das Paar vom
"Forschungsverbund SED-Staat" - und brav wurde es von den völlig
verängstigten Redaktionen apportiert: "Jeder fünfte Deutsche will die
Revolution" - dräut denn auch die Überschrift der WELT. Da kommt sie schon,
die Revolution, aber vorläufig nur in der Studie der SED-Staat-Schröders von der
Freien Universität Berlin: "Linksextremismus in Deutschland". Eine Studie, die
empirisch daherkommt und uns leider die Originalfragen nicht zukommen
lässt. Macht nix, sagt sich der deutsche Gesamt-Redakteur, denn nur bange
machen gilt. Sollen sie doch zittern in den deutschen Krähwinkeln, denn der
Abonnent ist ein Feind der Veränderung. Deshalb liest er ja die FAZ, die der
Studie eine ganze Seite widmet. Da können auch die SÜDDEUTSCHE, der
TAGESSPIEGEL und die ZEIT nicht widerstehen. Denn wenn der Leser zittert, so
denkt die Verlagsleitung, liest er weiter jene Blätter mit viel Meinung und wenig
Substanz.
Längst ist der "Linksextremismus" ein Polizei-Begriff, wie uns der Berliner
"Staatsschutz" zuvorkommend mitteilt, wenn er auf seiner Website seine
Daseinsbegründung aufschreibt: "Die Unzufriedenheit mit den
gesellschaftlichen Verhältnissen in Deutschland, der Unmut über die
persönliche soziale Situation oder einfach nur Anarchismus werden offen oder
verdeckt und vielfach mit Gewalt zum Ausdruck gebracht." Da ist der
"Staatsschutz" bei weitem ehrlicher und analytischer als die Schröders: Es ist
die Unzufriedenheit mit den sozialen und gesellschaftlichen Verhältnissen, die
mit polizeilichen Mitteln bekämpft werden muss, denkt man dort. Während
man an der "Freien Universität" Steuermittel und Gelder der VW-Stiftung, der
Deutschen Bank und der ARD ausgibt, um den vielen kleinen Bürgern die große
Angst einzujagen: Dreh Dich nicht um, das Linksextrem geht um.
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Denn "Linksextremismus" erzeugt Gewalt, erzählen die Schröders und sehen
ihn als eine "antizivile" Einstellung. Während die Gewalt der Armut, die Gewalt
der Kriegspropaganda und des Verdummungs-Aparates nicht erwähnt werden,
sondern den Status der Gutbürgerlichkeit genießen. Damit die Verderblichkeit
der "antizivilen" Gewalt auch moralisch eingeordnet werden kann, behauptet
die Studie, dass die linke Einstellung "mit (verstecktem) Anti-Semitismus und
(offenem) Anti-Zionismus und vor allem Anti-Israelismus" gepaart sei und führt
damit einen neuen Straftat-Bestand in die universitäre Debatte ein: Den
"Anti-Israelismus". Dem aufmerksamen Leser wird der "Anti-Amerikanismus"
fehlen, er scheint wegen seiner wachsenden Popularität nicht mehr als
Kampfbegriff tauglich zu sein.
Die Schrödersche Studie ist von Beginn an wegen ihrer Verfassungswidrigkeit
schwer verdaulich. Liegt ihr doch eine Definition des Linksextremismus
zugrunde, die "den Vorrang des Individuums im demokratischen Pluralismus
zugunsten einer kollektiven Homogenitätsvorstellung ablehnt". Diese
Interpretation des Extremismus kollidiert krachend mit dem Artikel 3 im
Grundgesetz, nach dem alle vor dem Gesetzt gleich sind. Wenn alle gleich sind,
denkt der FU-Professor, das ist doch Kommunismus. Und der ist extrem links.
Doch die Schröders verschärfen ihre verfassungswidrige Haltung noch, wenn
sie der "freiheitlich-demokratischen Gesellschaft" eine "positive Ungleichheit"
unterstellen. Diese "positive Ungleichheit", nach der die einen fast alles die
anderen wenig haben, ist zwar nur für die einen positiv und steht auch in
keinem Gesetz der Bundesrepublik Deutschland. Also versuchen die Schröders
die soziale Wirklichkeit des Landes mit dem unwissenschaftlichen Begriff der
"freiheitlich-demokratischen Gesellschaft" zu beschreiben und ein eigenes
Grundgesetz zu basteln, in dem eine extremistische, verfassungsfeindliche
Elite-Ordnung aufschimmert. Wenn hier schon der "Verfassungs-Schutz" nicht
Alarm schlägt, sollte man von einer Universitäts-Leitung, die sich als
demokratisch verfasst bezeichnet, eigentlich unmittelbares Einschreiten
erwarten.
Noch bedenklicher wird es, wenn die Schröders eine "Linksextremismus-Skala"
entwickeln und ihr "Dimensionen" zuordnen, in denen auch Anti-Kapitalismus,
Anti-Faschismus und Anti-Rassismus auftauchen. Nach diesen Kategorien ist
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zum Beispiel der aktuelle Papst unschwer als Linksextremist zu erkennen.
Schlimmer noch ist die Schrödersche Linksextremismus-Einordnung der
Anti-Repression, die sich brutal gegen die Menschenrechte wendet: Wird doch
mit ihr der Kampf gegen Repression, der nichts anderes meint als die
Verteidigung der Menschenrechte gegen Unterdrückung, als extremistisch
denunziert. Auch wegen dieser undemokratischen Begriffs-Verwendung ist die
Studie nur mit äußerster Vorsicht zu genießen.
Unter der Rubrik "Linksextremismus" wird die "Unzufriedenheit mit der
praktizierten Demokratie" ebenso eingeordnet wie die Sorge um den zu großen
"Einfluss der Wirtschaft". Der Anteil der Nicht-Wähler wächst, wer da wegbleibt,
ist mit der aktuellen Demokratie "unzufrieden". Glaubt man den Schröders sind
die Nichtwähler alles gefährliche Linksextremisten. Und dass die Wirtschaft
mehr Einfluss hat als der Rest des Sozialgefüges, das leugnen nur noch die
beamteten TTIP-Verteidiger. So muss die wachsende Zahl der TTIP-Gegner (40
Prozent) mit dem grusligen Etikett des "Linksextremismus" beklebt werden,
obwohl sie am 1. Mai zu Hause bleiben und auch nicht in Kreuzberg wohnen.
Irgendwie linksextrem nach der Methode Schröder ist auch jenes Drittel der
Befragten, die davon ausgehen, dass "der Kapitalismus zwangsläufig zu Armut
und Hunger" führe. Wer also die Wirklichkeit nicht leugnet, der ist
extremistisch. Man muss sich erinnern, dass die Leute des "Forschungsverbund
SED-Staat", zu denen die Schröders gehören, vom soliden Historiker Wolfgang
Wipperman als "Hobbyhistoriker? und "nekrophile Antikommunisten? bewertet
worden sind. Und schon drängt sich die Frage auf, ob die Finanzierung des
Projektes unsicher geworden ist und der "Linksradikalismus" demnächst den
"SED-Staat" ersetzen soll.
Zu schön wäre es, wenn die Linksextremismus-Studie der "Freien Universität"
tatsächlich wissenschaftlich erarbeitet worden wäre. Denn dann würde der Satz
"Unsere Demokratie ist keine echte Demokratie, da die Wirtschaft und nicht die
Wähler das Sagen haben? (dem 61 Prozent der Befragten zustimmen konnten)
jene Möglichkeit der Veränderung in sich bergen, die dem Land unbedingt gut
täte. Aber das wollen die Schröders nicht. Sie wollen abschrecken.
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