Gesammelte Handlungsempfehlungen für die EU

Gesammelte
Handlungsempfehlungen für die
EU
Als Lieferanten für die vernünftigsten Reformpunkte dienen
wissenbloggt drei Artikel, die frei von Brexit-Schelte auf die
wesentlichen Themen eingehen. Die schwerwiegenden Kritikpunkte
sind bei wb schon angesprochen in Real existierende EUPolitik, EU-Demokratieverständnis und EU-Demokratieverständnis
II. Nun liefern drei weitere Artikel konstruktive Vorschläge,
wie die EU modernisiert, generalüberholt und zukunftsfähig
gemacht werden kann (Bild: geralt, pixabay):
1. Eine Publikation des Nationalökonomen und Herausgebers
Albrecht Müller, Die EU ist eine verkorkste
Konstruktion. Sichtbar daran, womit man sich in Brüssel
hauptsächlich beschäftigt (NachDenkSeiten 8.7.).
2. Eine "Außenansicht" des Politikwissenschaftlers
Professor Thomas König, Wider den Kuhhandel (Süddeutsche
Zeitung 10.7.): Nach dem Brexit brauchen vor allem die
EU-Kommission und das Europa-Parlament grundlegende
Reformen.
3. Ein Gastbeitrag von Fabio De Masi und Sahra Wagenknecht
Brexit: Die EU zerstört die europäische Idee (ZEIT
ONLINE 2.7.): Der Brexit war kein Votum gegen Europa,
sondern gegen den Brüsseler Club, der sich der
Demokratie entzieht. … Nicht der Brexit führt die EU in
eine Krise. Er ist ein Symptom der europäischen Krise.
Die Punkte sind hier zusammengefasst, Nummer 1-3 stammen von
König, Nummer 4-7 von Müller und 8-13 von De Masi/Wagenknecht
(nicht alle Punkte von da übernommen):
1. die unbegrenzte Personen-Freizügigkeit. Die hatte schon
mit der Osterweiterung für beachtliche Migration
gesorgt, zumal in Großbritannien, Irland und Schweden,
wo es keine Übergangsregelungen gab. Die Forderung
lautet, auch für die unbegrenzte Freizügigkeit von
Personen (gemeint Immigranten) Übergangsperioden
festzulegen. (Anmerkung wb: Visafreiheit für alle
Türken, Georgier und Ukrainer ist auch weitgehend
unakzeptiert. Ebenso die Tatsache, dass es de facto
keine Abschiebung gibt, auch nicht von abgewiesenen
Asylbewerbern).
2. die Politisierung der Rechtsstaatlichkeit. Bei wb läuft
das unter politische Willkür statt ökonomische Regeln.
Die
Forderung
ist,
das
Vertrauen
in
die
Rechtsstaatlichkeit
muss
erhöht
(wb:
eher
wiedergeschaffen) werden. Die Europäische Kommission ist
überfordert in ihrer Doppelfunktion als Agendasetzer
(das Monopol, Vorschläge für neue Rechtsvorschriften
einzubringen) und Überwacher von Verträgen und Gesetzen.
Agendasetzungs- und Überwachungsfunktion müssen getrennt
werden.
3. die "Verösterreicherung" des Europäischen Parlaments.
Damit sind Ämterkuhhandel und Demokratiedefizit gemeint.
Die beiden großen Fraktionen Europäische Volkspartei und
Sozialdemokratische Partei Europas verständigen sich
regelmäßig auf die Bildung einer großen Koalition, die
alles regelt. Es geht aber nicht darum, primär Ämter zu
verteilen und die Politik unverändert zu lassen.
Entweder müssen Maßnahmen gegen große Koalitionen
ergriffen werden, oder dem Parlament werden
regierungsähnliche Funktionen übertragen, die eine große
Koalition rechtfertigen. Allerdings warnt der Autor vor
einer fortschreitenden Vertiefung der Europäischen
Integration, ohne vorher die Probleme zu lösen.
4. das Dogma vom nötigen Freihandel. Die LKW-Kolonnen
sprechen dagegen, den Transport von Gütern noch mehr zu
forcieren. Bei den Debatten über CETA und TTIP wird die
Frage über Sinn und Zweck dieser Freihandelsabkommens
kaum gestellt. Das Dogma gilt, es sei im Sinne unseres
Wohls,
den Welthandel weiter auszudehnen und dafür
sogar die Souveränität unserer Staaten durch
Schiedsgerichte zu durchlöchern. Das Drängen auf Handel
und Freihandel ist durch eine EU-Handelskommissarin
institutionalisiert worden. Entsprechende Kommissare für
Verkehrsvermeidung,
Steuergerechtigkeit
und
Steueroasenbekämpfung gibt es nicht. Auch nicht für ein
ausgedehnteres Betriebsverfassungsrecht, eine bessere
Vermögensverteilung und eine Robotersteuer (letzteres
Ergänzung wb).
5. die Zielvorstellungen von einer besseren Gesellschaft
sind nicht institutionalisiert. Die Subvention der
Landwirtschaft ist institutionalisiert, speziell für die
Großbetriebe mit der großen Lobby-Macht. Das ist eine
Fehlkonstruktion. (Besonders weil immer noch Tierhaltung
subventioniert wird statt Ersatzprodukte oder Fleisch
aus der Retorte, Anmerkung wb). Umwelt, Soziales,
Nachhaltigkeit, Arbeitnehmerrechte sind eher klein
geschrieben.
6. die Konstruktions- und Ideologiefehler. Dazu gehört
nicht nur die falsche Ausrichtung der Zielvorstellungen,
die zur Gestaltung einer menschlichen Gesellschaft
notwendig sind, und die in Brüssel nicht oder nur
nebenbei vorkommen. Die Ideologie von maximaler
Wettbewerbsfähigkeit,
Produktivität
und
Innovationsgeschwindigkeit ist durch den Euro gründlich
schiefgegangen (Anmerkung wb). Griechenland, Italien,
Spanien, Portugal, Frankreich und Belgien haben schwere
Wirtschaftsprobleme, und das strahlt auf die ganze EU
aus.
7. der Medienfilz in Brüssel. Zumindest die deutschen
Korrespondenten der Medien sind zu eng mit der EUZentrale verbunden. Es gibt kaum kritische
Berichterstattung und Kommentierung aus Brüssel. Der
Autor nennt das "embedded", eingebunden. Solidarität mit
Europa ist gut, aber darum geht es nicht. Es wird
Solidarität mit den Brüsseler Institutionen geübt, und
das stört. Dieser Fehlkonstruktion ist es zu verdanken,
dass die öffentliche Debatte über die EU-Probleme im
argen liegt
8. die Trennung des Investmentbankings vom seriösen
Einlagen- und Kreditgeschäft sowie der Schutz von
Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Also das Gegenteil
der angestrebten Kapitalmarktunion, die eine erneute
Entfesselung der Finanzmärkte bewirkt, die Verbriefung
von Schrottkrediten fördert und Zockerbuden gegenüber
seriösen Kreditbanken begünstigen wird.
9. die Einschränkung des Wettbewerbsrechts. Das sorgt für
eine zukunftsfähige Industrie- und Beschäftigungspolitik
sowie den Schutz des öffentlichen Eigentums und der
Daseinsvorsorge der Kommunen.
10. ein soziales und ökologisches Investitionsprogramm zum
Wiederaufbau Europas. EZB-Geld soll öffentliche und
private Investitionen statt Finanzblasen finanzieren, um
die Wirtschaftskrise zu überwinden.
11. die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Eine EU-weite
Vermögensabgabe für Multimillionäre und Milliardäre soll
zum Abbau der öffentlichen Verschuldung führen. Mit dem
Lastenausgleich, einem ähnlichen Projekt, hatte in der
Bundesrepublik einst der Wiederaufbau begonnen.
12. die Ersetzung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes durch
einen Pakt für außenwirtschaftliche Stabilität. Und zwar
nach dem Muster des deutschen Wachstums- und
Stabilitätsgesetzes von 1967, um neue Schuldenkrisen in
der Eurozone zu verhindern. (Konzertierte Aktion statt
Defizitverfahren, wb.)
13. V o l k s e n t s c h e i d e
Mitgliedstaaten.
zu
zentralen
EU-Themen
in
den
Das sollte das finito für die Brexit-Schelte sein, die den
Briten immer noch den Absturz in ein schwarzes Loch
prophezeit. Und das, obwohl sich ein solches gerade für die
Eurozone auftut (italienische Banken, Deutsche Bank, Bremer
Landesbank, siehe auch Neuauflage „Systemrelevante vs.
Allgemeinheit“). Dazu der Barroso-Wechsel durch die LobbyDrehtür (EU-Kommission = Lobbytruppe) und die neue »EUGlobalstrategie« für militärische EU-Einsätze rund um die Welt
(Real existierende EU-Politik). Bleibt zu hoffen, dass diese
Punkte nicht vergessen werden, wenn es eine EU-Reform gibt.
Weitere Links dazu:
GB-Exit und EU-Exitus diskutiert
Great Brexitannia
Europaparlament fordert …
Europa kaputt schlamasselt
Ach, Europa
Das metamurphysche Prinzip (warum es nicht funktioniert)