Document

08.07.2016 - Brexit führt zu
Achterbahnfahrt im dritten Quartal
 CEE: Auswirkungen durch Brexit mehr politisch als wirtschaftlich
 Russland und Ukraine verlassen Rezession; Brexit könnte Sanktionen beeinflussen
 Österreich: Brexit hat nur geringe Auswirkungen auf Konjunkturdynamik
 Fed: Leitzinsanhebung in den USA wohl auf Dezember verschoben
 ATX: leichte Erholung bis Jahresende
Das Ergebnis des britischen Referendums über den Austritt aus der EU (der so genannte „Brexit“) überraschte
nicht nur Medien und Buchmacher, sondern auch Unternehmen und Kapitalmärkte. In Folge schickte die
historische Wahl der Briten Währungen, Aktienmärkte und Risikoprämien für Anleihen auf eine
Achterbahnfahrt. Aus wirtschaftlicher Sicht wird – natürlich -- Großbritannien die größten Auswirkungen zu
spüren bekommen.
Raiffeisen RESEARCH, eine Organisationseinheit der Raiffeisen Bank International AG (RBI), senkte die BIPErwartungen für Großbritannien für die Jahre 2017 und 2018 von jeweils 1,7 Prozent auf 1,0 Prozent bzw.
0,9 Prozent. Im Gegensatz dazu, wurden die Aussichten für die Eurozone für die beiden Jahre lediglich um
jeweils 0,2 Prozentpunkte auf 1,5 Prozent bzw. 1,7 Prozent gesenkt. Die EU-Mitgliedsstaaten in Zentral- und
Osteuropa (CEE) werden die Auswirkungen des Brexit zwar auch spüren, obwohl Peter Brezinschek,
Chefanalyst von Raiffeisen RESEARCH, der Meinung ist, dass diese mehr politischer als wirtschaftlicher Natur
sein werden. Brezinschek sprach im Rahmen der Präsentation der beiden Kapitalmarktstrategien „Österreich &
CEE“ und „Globale Märkte“ für das dritte Quartal 2016 am 8. Juli in Wien mit Medienvertretern.
CEE: Auswirkungen durch Brexit mehr politisch als wirtschaftlich
„Da die Auswirkungen und der Ablauf des Brexit noch schwer abzuschätzen sind, wird auf den Finanzmärkten
eine Risikoaversion bestehen bleiben. Das bedeutet, dass Zinsen und Renditen von Staatsanleihen noch für eine
längere Zeit auf ihren historisch niedrigen Ständen bleiben werden. Die Aktienmärkte sind einer stärkeren
Volatilität ausgesetzt, obwohl wir keine weiteren Kursstürze erwarten. Wahrscheinlich dürfte Großbritannien ab
2019 als Nettozahler aus dem EU-Budget ausscheiden oder als Teil des Europäischen Wirtschaftsraums
geringere Beiträge leisten. Mittelfristig wird sich das negativ auf Polen, Ungarn und Rumänien auswirken, da
diese größere Nettoempfänger von Transferzahlungen sind. Wir werden durch die unsichere Situation
möglicherweise auch einen Rückgang bei Investitionstätigkeiten sehen. Auch wird eine EU-Erweiterung nicht
mehr so leicht voranzutreiben sein und die Gespräche mit den EU-Kandidaten aus SEE werden wohl kaum bis
2020 abgeschlossen sein“, skizziert Brezinschek die politischen Konsequenzen des Brexit für die CEE-Region.
Insgesamt wird der wirtschaftliche Einfluss des Brexit auf CE/SEE eher moderat bleiben, da die
Fundamentalwerte solide und die makro-finanziellen Ungleichgewichte beschränkt sind. Während der Ausblick
auf das BIP-Wachstum für 2016 für CE (3,0 Prozent) und SEE (3,2 Prozent) stabil bleibt, senkte Raiffeisen
RESEARCH den BIP-Ausblick 2017 für Polen (3,8 Prozent), Tschechien (2,7 Prozent), Ungarn (2,7 Prozent)
und die Slowakei (3,3 Prozent) schrittweise um 0,2 Prozentpunkte jährlich. Grund dafür ist das langsamere
Wirtschaftswachstum in Großbritannien und der Eurozone, sowie die anhaltende politische Unsicherheit in der
EU, die 2017 zu unter den ursprünglichen Erwartungen bleibendem Export- und Investitionswachstum in den
CE-Ländern führen könnte.
In CE/SEE wird der private Konsum auf breiter Basis durch die weiterhin sinkenden Preise in vielen Ländern
sowie dem relativ hohen Lohnwachstum und der steigenden Beschäftigungsrate gestützt. Da die
Verbraucherpreise voraussichtlich länger als erwartet auf niedrigen Niveaus bleiben werden, sollte die Kaufkraft
der Haushalte in den kommenden Quartalen der entscheidende Faktor für die Konsumausgaben sein.
Russland und Ukraine verlassen Rezession; Brexit könnte Sanktionen beeinflussen
Seit Jahresanfang deuten in Russland und der Ukraine die Zeichen auf eine Bodenbildung der Rezession und
eine Erholung im zweiten Halbjahr 2016 hin. Der Anstieg der Rohstoffpreise und Nettoexporte hat zu dieser
positiven Entwicklung beigetragen. Daher heben die Analysten von Raiffeisen RESEARCH ihre Erwartungen
für das russische BIP für 2016 von minus 2,0 Prozent auf minus 0,5 Prozent an und erwarten für die Ukraine
weiterhin 1,5 Prozent. Das BIP-Wachstum für 2017 wird für Russland bei 1,0 Prozent und die Ukraine bei
2,0 Prozent erwartet. In beiden Ländern ist die derzeitige Inflationsrate mit knapp über 7 Prozent weit unter den
hohen zweistelligen Raten von 2015, was beiden Zentralbanken Raum für weitere Leitzinssenkungen gibt.
Der Brexit-Prozess könnte auch die Einstellung der EU gegenüber Russland beeinflussen. Denn mittelfristig
dürfte es ohne Großbritannien einfacher sein die Sanktionen zu lockern. Die EU-Länder haben Interesse daran,
das Thema Sanktionen zu bereinigen, da die Verhandlungen über den Brexit in den kommenden Jahren eine
massive politische Belastung darstellen werden.
Brexit: Einfluss auf Währungen
Nach dem Brexit ist eine mittelfristige Abwertung des britischen Pfund über 0,90 gegenüber dem Euro zu
erwarten. Auf der anderen Seite werden der Schweizer Franken und der japanische Yen gegenüber dem Euro
[1]
profitieren, da sie als „sichere Häfen“ zum Einsatz kommen. Die stabilen Zinsen in den USA und noch stärker
negative Renditen in Deutschland werden dafür sorgen, dass sich EUR/USD unverändert zwischen 1,10
(September) und 1,05 (Dezember) bewegen werden.
In CEE sind der polnische Zloty und das ungarische Forint am meisten vom Brexit betroffenen, da diese beiden
Währungen als die am stärksten politisch beeinflussten Währungen der Region gelten. Der russische Rubel hat
wahrscheinlich sein Potenzial angesichts der neuerlichen Aufwertung des US-Dollar ausgeschöpft und sollte sich
bis Jahresende konsolidieren.
Brexit: Einfluss auf Anleihen- und Aktienmärkte
Die weitgehend abgeschlossene Korrektur auf den Anleihenmärkten in CE/SEE mit deutlich höherem
Renditvorsprung gegenüber deutschen Euro-Anleihen bietet ausreichend Risikopuffer für das zweite Halbjahr
2016. Langfristig gilt das auch für russische Staatsanleihen. Die meisten Staatsanleihen der Eurozone werden
wohl auch weiterhin weitgehend negative Renditen aufweisen. Die Renditenaufschläge für Euro-Staatsanleihen
unterscheiden sich zwischen Kernländern und jenen der Peripherie.
Der Brexit wirkt sich auch auf die Aktienmärkte in CE/SEE aus, wo Raiffeisen RESEARCH von einer volatilen
Seitwärtsbewegung im dritten Quartal ausgeht. Die unvorteilhaften politischen Entwicklungen in Polen spiegeln
sich in einer Verkaufsempfehlung wider.
Österreich: Brexit hat nur geringe Auswirkungen auf Konjunkturdynamik
So wie für jedes andere Land in der Eurozone auch, wird der Brexit auch für Österreich herausfordernd sein.
Dennoch wird nicht erwartet, dass sich die wirtschaftlichen Aktivitäten signifikant verschlechtern werden,
abgesehen von der Tatsache, dass Exporte nach Großbritannien spürbar leiden werden. Österreichs
Außenwirtschaft ist weniger mit Großbritannien verwoben, da dieses nur der achtgrößte Handelspartner ist und
nur knapp 3,2 Prozent der gesamten Exporte ausmacht. Trotzdem kommt der Brexit zu einem Zeitpunkt, wo
österreichische Exporte nach Großbritannien überdurchschnittlich gewachsen waren (2015 wuchsen die Exporte
nach Großbritannien im Jahresvergleich um 6,0 Prozent; die gesamten Exporte um 2,7 Prozent).
Abgesehen von den direkten Auswirkungen, könnte Österreich auch von zurückgehender Investitionstätigkeit in
der Eurozone aufgrund der anhaltenden und sich verschärfenden politischen Unsicherheiten betroffen sein. „Wir
sehen keinen Grund dafür, den Ausblick für das reale BIP wegen des Brexits anzupassen und bleiben bei
1,4 Prozent für 2016. Für 2017 haben wir uns nur für eine kleine Korrektur von 0,1 Prozentpunkten auf
1,3 Prozent reales Wachstum entschieden, da unsere ursprüngliche Prognose schon sehr vorsichtig war. Der
private Konsum liefert weiterhin den stärksten Wachstumsbeitrag in Österreich“, sagt Brezinschek.
Fed: Leitzinsanhebung in den USA wohl auf Dezember verschoben
Obwohl die US Notenbank Fed bis Ende 2016 Zinsanhebungen von 50 Basispunkten angekündigt hatte, ist es
angesichts der Unsicherheiten durch den Brexit derzeit wahrscheinlicher, dass es bis Dezember nur eine
Zinsanhebung im Ausmaß von 25 Basispunkten geben wird. Es scheint so, als ob die Fed das Fenster für eine
reguläre Zinsnormalisierung verpasst hätte. Im Gegensatz zur Einschätzung des Federal Open Market Committee
(FOMC), erwartet Raiffeisen RESEARCH, dass die Inflationsrate deutlich über der 2-Prozent-Marke bleibt und
die Arbeitslosenrate weiter sinkt und bis Ende 2017 unter 4 Prozent fällt – ein Umfeld, das klar eine
Zinsanhebung verlangen würde.
Auf der anderen Seite des Atlantiks wird die Europäische Zentralbank (EZB) die Lockerung der Geldpolitik im
Laufe des Jahres fortsetzen. Beim Anleihekaufprogramm sind leichte Modifikationen, wie Aufhebung der
Mindestverzinsung, Anhebung, Emittenten- und Emissionslimits, möglich. Von einer Ausdehnung auf
Bankanleihen geht Raiffeisen RESEARCH nicht aus. Unter der Annahme, dass die Inflationsraten im zweiten
Halbjahr ansteigen werden, erwarten die Analysten, dass es im April 2017 zu einer schrittweisen Reduktion des
Anleihenankaufprogramms und einer Beendigung des Programms bis Jahresende kommen wird.
ATX: leichte Erholung bis Jahresende
Aktuell stehen an den Aktienmärkten die Auswirkungen der Brexit-Entscheidung im Mittelpunkt. Zuletzt zeigte
sich ein deutlicher Anstieg der Risikoaversion, merkliche Kursverluste waren die Folge. Betroffen sind vor allem
Aktien von Unternehmen, die einen hohen Umsatzanteil in Großbritannien erzielen sowie Unternehmen, die von
einer möglichen Reduktion der EU-Struktur- und Investitionsfonds betroffen wären. Ebenso sind Auswirkungen
auf Währungsrelationen (EUR/USD, EUR/CHF) für viele Unternehmen in Österreich und CEE von Relevanz.
Das niedrigere Renditeniveau zeigt vor allem Auswirkungen auf Aktien von Finanztiteln. Nach den jüngsten
Kursrückgängen ist der Wiener Leitindex ATX mit einem KGV von 11.5 für das heurige Jahr bewertet. Bis
Jahresende erwarten wir uns einen leichten Anstieg auf 2.100 Punkte.
Finanzanalyst: Mag. Peter Brezinschek, RBI Wien