Besondere Ärzte So individuell das Leben, so individuell der letzte Weg Viele Menschen haben den Wunsch, zu Hause sterben zu können. Das Palliativteam Hochtaunus ermöglicht diesen Wunsch schwerstkranken Menschen, bezieht Angehörige mit ein und hilft, eine Verlegung ins Krankenhaus möglichst zu vermeiden. Wie solche interdisziplinäre Palliativteams zusammenarbeiten hat „Auf den Punkt“ bei der Ärztin Dr. Elisabeth Lohmann und der Pflegefachkraft Michaela Hach nachgefragt. D Dr. Elisabeth Lohmann (li.) und Michaela Hach fragen jeden Patienten: „Was möchten Sie auf Ihrem restlichen Lebensweg noch realisieren?“ 14 r. Elisabeth Lohmann, die lange als Hausärztin praktiziert hat und Michaela Hach, die seit über 30 Jahren in der Pflege tätig ist, haben schon vor einigen Jahren bewusst ihren beruflichen Focus auf die Unterstützung und Betreuung von Menschen auf ihrem letzten Lebensweg gelegt. Diesen Menschen ein „Leben bis zuletzt“ zu ermöglichen, ist für beide Antrieb und Motivator. Michaela Hach führt die Geschäfte des Fachverbands für die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV). Dr. Elisabeth Lohmann ist Geschäftsführerin des Palliativteams Hochtaunus. stens vier Ärzten und vier Pflegefachkräften betreuen. Erreichbar sind wir an sieben Tagen die Woche 24 Stunden. Wir berücksichtigen körperliche und seelische Symptome, wie auch spirituelle oder soziale Anteile und spüren auf, wo es für den Sterbenden eine Kraftquelle geben könnte, die ihm zusätzliche Hilfe gibt und ihn unterstützt“, sagt Dr. Elisabeth Lohmann. zum Hospizverein, zum Pflegedienst oder den Sozialdiensten. Wir arbeiten eng und konstruktiv mit allen zusammen. Es geht uns rein um eine patientenzentrierte Versorgung, die häufig auch ein kreatives Querdenken erfordert, um Menschen letzte Wünsche zu erfüllen“, so Michaela Hach. Beide bedauern, dass sie viele Patienten zu spät kennenlernen. Oft in den letzten 14 Tagen bevor sie versterben. Gelegentlich kommt es Aufgrund ihrer hohen Spezialisie- aber auch vor, dass Patienten sich rung und ihrer jahrzehntelangen Er- zwischenzeitlich erholen und die fahrung verfügen die Palliativteams Palliativteams mit ihrer Arbeit pauüber die nötigen Voraussetzungen sieren können. mit den Patienten und den Angehörigen einen speziell auf die indi- Hausärzte können SAPV viduellen Bedürfnisse abgestimmten verordnen und abrechnen Hilfe- und Behandlungsplan sowie ein vorbeugendes Krisenmanage- Damit die Palliativteams aktiv werment abzustimmen. Dieser wird den können, müssen Hausärzte oder mit allen an der Versorgung betei- Krankenhäuser das Formular 63 ausligten Personen, wie dem Hausarzt füllen. Flankierend führen die SAPV oder anderen Ärzten und Pflegern Teams dann einen Hausbesuch bei abgestimmt. „Insbesondere, wenn dem Patienten und ein Assessment die Patienten aufgrund ihrer hohen durch. „Je früher, desto besser. Ein Symptomlast in eine Identitätskrise Pausieren der spezialisierten ambugeraten oder noch Kinder im Haus- lanten Palliativversorgung ist immer halt leben, ist es umso wichtiger, möglich“, so Dr. Lohmann und Miauf ihrem letzten Lebensabschnitt chaela Hach. Wünschenswert wäre bedeutende soziale und spirituelle allerdings, dieser Prozess würde verAnteile zu berücksichtigen. Dies ist einfacht werden und Ärzte könnten „Bei unseren Patienten, die alle eine heutzutage leider nicht selbstver- einfach ein gängiges Überweisungshohe Symptomlast aufweisen, hat ständlich. Wir verstehen uns daher formular ausfüllen. es sich bewährt, dass wir sie in mul- als vervollständigende Ergänzung zu Die SAPV ist ein ergänzendes Vertiprofessionellen Teams von minde- dem jeweiligen Haus- oder Facharzt, sorgungsangebot und die Kosten X Auf den Punkt I Nr. 4-2014 werden, bei vorliegendem Leistungs-ten auf ihrem individuellen Weg anspruch, von den gesetzlichen geholfen haben, dass sie ihren Weg Krankenkassen übernommen. selbstbestimmt und würdevoll bis Der Gesetzgeber spricht sich bewusst zum Tod unter bestmöglicher Symfür eine sektorenübergreifende Ver- ptomlinderung gegangen sind, und sorgung aus. Die Behandlungskoor- wenn sie ‚verabschiedet’ aus dem dination beruht selbstverständlich auf Leben gegangen sind“, ergänzt Mieinem Konsens aller beteiligen Ärzte chaela Hach. Zusammen mit ihren und Pflegefachkräften. Dies gibt den Kolleginnen und Kollegen betreuen Patienten und den Angehörigen die sie jährlich rund 250 Patienten. nötige Ruhe und Entspanntheit, um Dr. Lohmann ist darüber hinaus auch Krisensituationen beispielsweise bei Dozentin für Palliativversorgung an akuter Luftnot oder akuten Blutun- der Akademie der Landesärztekamgen besser zu meistern. Im Vergleich mer in Bad Nauheim. zu anderen Bundesländern ist Hessen gut aufgestellt in der spezialisierten Die Palliativteams verfügen auch über ambulanten Palliativversorgung für das nötige Know-how und die ErfahErwachsene, Jugendliche und Kinder. rung Arztkollegen zu beraten, wenn „Wir sehen uns als Hebammen am diese prüfen und beurteilen müssen, Ende des Lebens. Menschen sollen ob die aktuelle Lebens- und Behandgut auf der Welt ankommen und sie lungssituation von schwerstkranken auch wieder gut verlassen können“, Patienten dem entspricht, was der sagt Dr. Lohmann. „Uns motiviert, Patient in seiner Patientenverfügung wenn wir wissen, dass wir Patien- festgelegt hat. Für den Betreuer oder Besondere Ärzte Definition Palliativmedizin nach WHO: „Palliativmedizin ist ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit den Problemen konfrontiert sind, die mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen, und zwar durch Vorbeugen und Verhindern von Leiden, durch frühzeitiges Erkennen, gewissenhafte Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen belastenden Beschwerden körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art.“ Somit handelt es sich bei palliativ zu versorgenden Patienten nicht nur um Menschen mit maligen Erkrankungen im Finalstadium, sondern auch um Menschen mit chronischen Krankheiten im Endstadium, bei denen eine kurative Behandlung aussichtslos ist und bei denen die Linderung der Beschwerden und die Verbesserung der Lebensqualität im Vordergrund stehen. den Bevollmächtigten ist die Patientenverfügung nach § 1901a Abs. 1 Satz 2 BGB unmittelbar verbindlich. Die Verbindlichkeit gilt unabhängig von der Art oder dem Stadium der Erkrankung des Betreuten. Ein in einer Patientenverfügung zum Ausdruck kommender Wille ist bindend. Da aber die richtige Umsetzung oft nicht einfach ist, sind die Palliativteams hier geschätzte Ansprechpartner für Ärzte oder das Pflegepersonal, wenn sie Rückfragen haben oder den fachlichen Austausch suchen. Palliativteam Hochtaunus GmbH Hugenottenstr. 99 61381 Friedrichsdorf Telefon (0 61 72) 49 97 63-0 [email protected] Fachverband für die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) Weihergasse 15 65203 Wiesbaden Telefon (0611) 411 434 13 [email protected] O Petra Bendrich Buchtipp „Über das Sterben“ von Gian Domenico Borasio, dtv, 9,90 EUR Dr. Lohmann (3.v.r.) zusammen mit ihrem Team. www.palliativteam-hochtaunus.de www.fachverband-sapv.de Auf den Punkt I Nr. 4-2014 15 Rubrik Palliativversorgung richtig abrechnen Wie kann die Verordnung der SAPV abgerechnet werden? Die SAPV wird über das Formular 63 als Voll- oder als Teilversorgung verordnet. Erstverordnung: Folgeverordnung: Ziffer Ziffer 01425 01426 25,91 EUR 15,57 EUR Bei zehn bis 15 Prozent aller Schwerstkranken ist eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung angebracht. Welche Leistungen der neuen allgemeinen ambulanten Palliativversorgung können Haus- und Kinderärzte abrechnen? GOP 03370 Hausärzte GOP 04370 Kinderärzte Palliativmedizinische Ersterhebung des Patientenstatus inkl. Behandlungsplan 34,92 EUR GOP 03371 Hausärzte GOP 04371 Kinderärzte Zuschlag in der Arztpraxis 16,28 EUR GOP 03372 Hausärzte GOP 04372 Kinderärzte Zuschlag für reguläre Hausbesuche 12,70 EUR (Höchstwert am Behandlungstag 63,50 EUR) GOP 03373 Hausärzte GOP 04373 Kinderärzte Zuschlag für dringende Hausbesuche 12,70 EUR Die Statuserhebung ist für die Teil- und auch für die Vollversorgung berechnungsfähig. Die Zuschläge in der Arztpraxis und für die Hausbesuche dürfen nur bei Patienten abgerechnet werden, die keine SAPV-Vollversorgung erhalten. Wenn derselbe Arzt bei dem Patienten SAPV-Leistungen erbringt, sind Statuserhebung und Zuschläge nicht berechnungsfähig. Krank auf der Straße OBLH In „Auf den Punkt“ Nr. 2/2014 berichteten wir in der Rubrik „Besondere Ärzte“ über den Allgemeinmediziner Dr. Axel Kunz, der sich für das Projekt „Krank auf der Strasse“ der Diakonie engagiert, durch das Bedürftige medizinische Hilfe erhalten. Auch Sie können helfen. D ie Einrichtungen des Diakonischen Werks bieten Bedürftigen in ihren vielfältigen Notlagen regelmäßige ärztliche, pflegerische und sozialarbeiterische Hilfen im Rahmen von medizinischen Sprechstunden an. Mit Ihrer Spende können Sie die medizinische Notversorgung von Menschen, die auf der Straße leben oder von Wohnungslosigkeit akut bedroht sind unterstützen. Durch die Spenden werden Leistungen finan- 16 Auf den Punkt I Nr. 4-2014 ziert, die für Hilfesuchende dringend notwendig sind, wie zum Beispiel spezielle Medikamente, pflegerische Leistungen, Zuzahlungen bei Medikamenten oder Verbandsmaterial. Die Anzahl von Menschen in Wohnungslosigkeit und Wohnungsnot nimmt bundesweit wieder zu. Auf der Straße zu leben, ohne gesicherten Wohnraum den Lebensalltag zu bewältigen, ist für rund 250.000 Menschen Alltag. Kontakt: Diakonie Hessen Landesreferent Stefan Gillich Email: [email protected] Tel: 069-7947-6222 Spendenkonto: IBAN: DE12 5206 0410 0004 0506 06 BIC: GENODEF1EK1 Kennwort: „KadS“O Katharina Guntersdorf
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