Lineare Algebra I

Lineare Algebra I
Marc A. Nieper-Wißkirchen
Wintersemester 2008/09 – Sommersemester 2009
Inhaltsverzeichnis
1 Grundlagen
1.1 Elemente, Mengen und Abbildungen
1.2 Konstruktionsprinzipien von Mengen
1.3 Die Sprache der Logik . . . . . . . .
1.4 Der Teilmengenverband . . . . . . . .
1.5 Injektivität und Surjektivität . . . .
1.6 Die Menge der natürlichen Zahlen . .
1.7 Äquivalenzrelationen . . . . . . . . .
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2 Ringe
2.1 Monoide . . . .
2.2 Gruppen . . . .
2.3 Ringe . . . . .
2.4 Körper . . . . .
2.5 Polynomringe .
2.6 Ideale . . . . .
2.7 Hauptidealringe
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und Matrizen
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3 Lineare Gleichungssysteme
3.1 Lineare Gleichungssysteme
3.2 Matrizen spezieller Form .
3.3 Produkte . . . . . . . . . .
3.4 Determinanten . . . . . .
3.5 Die LR-Zerlegung . . . . .
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4 Vektorräume
4.1 Moduln . . . . . . . . . . . . . . .
4.2 Lineare Abbildungen . . . . . . . .
4.3 Untermoduln . . . . . . . . . . . .
4.4 Direkte Summen . . . . . . . . . .
4.5 Freie Moduln . . . . . . . . . . . .
4.6 Endlich-dimensionale Vektorräume
4.7 Affine Räume . . . . . . . . . . . .
4.8 Quotientenräume . . . . . . . . . .
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5 Abbildungsräume
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5.1 Der Abbildungsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
3
Inhaltsverzeichnis
5.2
5.3
5.4
5.5
5.6
Der Dualraum . . . . . . . . . . . . . . . .
Annulatoren und Nullstellengebilde . . . .
Das Tensorprodukt . . . . . . . . . . . . .
Die Tensor- und die symmetrische Algebra
Die äußere Algebra . . . . . . . . . . . . .
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6 Feinstruktur von Endomorphismen
6.1 Die Smithsche Normalform . . . . . . . . . . . .
6.2 Endlich präsentierte Moduln . . . . . . . . . . .
6.3 Torsionsmoduln . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.4 Die Frobeniussche Normalform . . . . . . . . . .
6.5 Eigenwerte und Eigenvektoren . . . . . . . . . .
6.6 Die Weierstraßsche und Jordansche Normalform
6.7 Die Jordan–Chevalley-Zerlegung . . . . . . . . .
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7 Symmetrische Bilinearformen
7.1 Polarbasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.2 Nicht ausgeartete symmetrische Bilinearformen
7.3 Skalarprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.4 Euklidische Normalformen . . . . . . . . . . . .
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4
1 Grundlagen
Die Lineare Algebra ist ein (wichtiges und grundlegendes) Teilgebiet der Mathematik,
welches seinen Ausgangspunkt in der Untersuchung linearer Gleichungssysteme hat.
Bevor wir jedoch mit dem Studium des Themas dieser Vorlesung beginnen, sollten wir
uns zunächst auf eine gemeinsame Sprache einigen — die Sprache der Mathematik.
1.1 Elemente, Mengen und Abbildungen
Grundlage einer jeden mathematischen Theorie ist das Studium gewisser Elemente, auch
Individuen oder Objekte genannt. In der elementaren Zahlentheorie zum Beispiel sind
die Elemente die natürlichen Zahlen 0, 1, 2, . . .1 . In der ebenen Geometrie studieren wir
Punkte und Geraden einer Ebene.
Die von uns studierten Elemente fassen wir natürlicherweise in Mengen zusammen.
Jedes Element x gehört einer Menge X an. Wir schreiben dafür
x∈X
und nennen x ein Element von X.
In der elementaren Zahlentheorie etwa sprechen wir von der Menge N0 der natürlichen
Zahlen. In der ebenen Geometrie gibt es die Menge der Punkte und die Menge der
Geraden einer Ebene.
Ein weiterer wichtiger Grundbegriff der Mathematik ist der Begriff der Abbildung
von einer Menge X in eine Menge Y . Eine solche Abbildung ist eine Vorschrift, jedem
Element von X ein Element von Y zuzuordnen. So ist zum Beispiel die Vorschrift, jeder
natürlichen Zahl ihr Quadrat zuzuordnen, eine Abbildung von der Menge der natürlichen
Zahlen in sich selbst. Eine andere Abbildung ist etwa die Abbildung von den Häusern
einer Stadt in die natürlichen Zahlen, die jedem Haus seine Hausnummer zuordnet2 .
Ist f eine Abbildung von X nach Y , so schreiben wir auch
f : X → Y.
Wir schreiben
f (x)
1
Für uns wird 0 eine natürliche Zahl sein. Es gibt auch Mathematiker, die nur 1, 2, 3, . . . als natürliche
Zahlen bezeichnen.
2
Dies ist jedenfalls unter der Voraussetzung, daß es keine Hausnummern der Form 3a oder 6 21 gibt,
eine wohldefinierte Abbildungsvorschrift.
5
1 Grundlagen
für das Element in Y , welches x durch die Abbildung f zugeordnet wird und nennen es
den Wert von x unter f . Die Zuordnungsvorschrift schreiben wir dann auch als
f : X → Y,
x 7→ f (x).
Die Quadrierungsabbildung wird also zum Beispiel durch
N0 → N0 ,
n 7→ n2
notiert.
Es gibt immer mindestens einer Abbildung von einer Menge in sich:
Definition 1.1.1. Sei X eine Menge. Die Abbildung
idX : X → X,
x 7→ x
heißt die Identität auf X.
Die Identität ist also diejenige Abbildung, die nichts bewirkt. Jedes Element wird auf
sich selbst abgebildet.
Definition 1.1.2. Seien X, Y und Z drei Mengen und f : X → Y und g : Y → Z zwei
Abbildungen. Die Abbildung
g ◦ f : X → Z,
x 7→ g(f (x))
heißt die Verknüpfung von g mit f .
Aufgabe 1.1.3. Sei X eine Menge und seinen f, g : X → X zwei Abbildungen von X in
sich selbst. Zeige, daß in der Regel g ◦ f eine andere Abbildung als f ◦ g ist.
Beispiel 1.1.4. Sei f : X → Y eine Abbildung. Dann sind die Verknüpfungen f ◦ idX
und idY ◦f die gleiche Abbildung wie f .
1.2 Konstruktionsprinzipien von Mengen
Aus vorhandenen Elementen können wir neue Elemente konstruieren. Das machen wir,
indem wir mengenweise vorgehen, also aus vorhandenen Mengen neue Mengen konstruieren. Im folgenden geben wir ein paar Beispiele für Mengen, welche zum Teil aus
vorhandenen Mengen konstruiert worden sind:
Beispiel 1.2.1. Die leere Menge
∅
ist die Menge, welche kein einziges Element besitzt.
Ist X eine weitere Menge, so gibt es genau eine Abbildung
∅ → X,
nämlich die leere Abbildungsvorschrift.
6
1.2 Konstruktionsprinzipien von Mengen
Beispiel 1.2.2. Die Menge
{∅}
ist die einelementige Menge der leeren Menge. Sie enthält genau ein Element, nämlich
die leere Menge. Sie ist damit nicht gleich der leeren Menge, denn diese enthält kein
Element.
Ist X eine weitere Menge, so gibt es genau eine Abbildung
X → {∅},
denn eine jede Abbildungsvorschrift muß zwangsläufig jedes Element von X auf das
einzige von {∅} abbilden, nämlich ∅.
Sind a1 , a2 , . . . , an irgendwelche nicht weiter spezifizierten Objekte, so schreiben wir
allgemeiner
{a1 , . . . , an }
für die Menge, welche als Elemente genau die Objekte a1 , . . . , an besitzt.
Beispiel 1.2.3. Sind X und Y zwei Mengen, so können wir auch die Paarmenge
X ×Y
von X und Y betrachten. Ihre Elemente sind Paare (x, y), bestehend aus einem Element
x ∈ X und einem Element y ∈ Y .
Jedem Paar von Elementen in X und Y können wir also ein Element in X × Y zuordnen. Umgekehrt können wir jedem Paar (x, y) seine Komponenten x und y zuordnen.
Dies definiert die zwei Abbildungen
prX : X × Y → X, (x, y) 7→ x
und
prY : X × Y → Y, (x, y) 7→ y,
welche wir Projektionen nennen. Häufig schreiben wir auch pr1 für die Projektion auf
den ersten Faktor und pr2 für die Projektion auf den zweiten Faktor.
Beispiel 1.2.4. Jeder Menge X können wir schließlich ihre Potenzmenge
P(X)
zuordnen. Elemente der Potenzmenge von X sind gerade die Teilmengen von X, also
Mengen, die eine Auswahl von Elementen von X enthalten. Ist x ein Element von X
und T eine Teilmenge von X, also ein Element von P(X), so schreiben wir
x ∈ T,
wenn x in der Teilmenge T von X liegt.
7
1 Grundlagen
Ist φ eine Eigenschaft von Elementen x von X, so schreiben wir
{x ∈ X | φ(x)}
für die Teilmenge derjenigen x ∈ X, auf die die Eigenschaft φ zutrifft, also φ(x) erfüllt
ist. Es gilt also
x0 ∈ {x ∈ X | φ(x)}
genau dann, wenn φ(x0 ) erfüllt ist.
Beispiele für Teilmengen der natürlichen Zahlen sind etwa die Teilmenge der geraden
Zahlen oder die Teilmenge der Primzahlen.
Aufgabe 1.2.5. Sei X eine Menge, welche genau n Elemente umfaßt, n ∈ N0 . Zeige: Die
P(X) enthält 2n verschiedene Elemente.
Bemerkung 1.2.6. Sind X und Y zwei Mengen, so bezeichnen wir mit Y X die Menge der
Abbildungen von X nach Y . Diese können wir als Teilmenge von P(X × Y ) konstruieren
(also als Element von P(P(X × Y ))): Dies machen wir, indem wir jeder Abbildung
f : X → Y ihren Graphen
G(f ) := {(x, f (x)) ∈ X × Y | x ∈ X} ∈ P(X × Y )
zuordnen. (Die Abbildung können wir aus dem Graphen wieder zurückgewinnen, denn
für jedes x ∈ X ist f (x) das einzige y ∈ Y mit (x, y) ∈ G(f ).) Ein Graph wiederum ist
eine Teilmenge G von X × Y , welche durch
∀x∈X (∃y∈Y (x, y) ∈ G ∧ ∀y,y0 ∈Y ((x, y), (x, y 0 ) ∈ G =⇒ y = y 0 ))
charakterisiert ist. Hierbei haben wir die Terminologie des nächsten Abschnitts verwendet. Schreiben wir diese Aussage für G ∈ P(X × Y ) als φ(G) erhalten wir also eine
Identifikation
Y X = {G ∈ P(X × Y ) | φ(G)}.
1.3 Die Sprache der Logik
Über Elemente von Mengen treffen wir Aussagen. Eine Aussage über eine natürliche Zahl
n ist etwa, daß n eine Quadratzahl ist. Eine Aussage kann wahr sein, etwa diejenige, daß
9 eine Quadratzahl ist. Eine Aussage kann aber auch unwahr sein, etwa diejenige, daß 8
eine Quadratzahl ist.
Eine Aussage wollen wir dann als wahr ansehen, wenn wir sie beweisen können. Ein
Beweis für die Tatsache, daß 9 eine Quadratzahl ist, ist etwa die Angabe derjenigen Zahl,
deren Quadrat 9 ist — in diesem Fall also 3.
Im Falle, daß es einen Beweis für eine Aussage gibt, nennen wir die Aussage einen
Satz.
Hängt eine Aussage von Elementen x1 , x2 , . . . , xn ab, schreiben wir sie in der Form
φ(x1 , . . . , xn ).
8
1.3 Die Sprache der Logik
Die Aussage, daß eine natürliche Zahl n eine Quadratzahl ist, schreiben wir also in der
Form φ(n). Die Aussage, daß 9 eine Quadratzahl ist, ist dann φ(9).
Im folgenden führen wir einige wichtige Abkürzungen für Aussagen ein: Seien dazu φ
und ψ beliebige Aussagen.
Konjunktion Für die Aussage, daß φ und ψ wahr sind, schreiben wir
φ ∧ ψ.
Disjunktion Für die Aussage, daß φ oder ψ (oder beide) wahr sind, schreiben wir
φ ∨ ψ.
Implikation Für die Aussage, daß ψ wahr ist, wenn immer φ wahr ist, schreiben wir
φ =⇒ ψ.
Falsum Wir schreiben
⊥
für die Aussage, die keinen Beweis besitzt, in jedem Falle also unwahr ist.
Allquantifikation Ist φ(x) eine Aussage über Elemente x einer Menge X, so schreiben
wir
∀x∈X φ(x)
für die Aussage, daß φ(x) für alle Wahlen von x wahr ist.
Existenzquantifikation Ist φ(x) eine Aussage über Elemente x einer Menge X, so schreiben wir
∃x∈X φ(x)
für die Aussage, daß ein x ∈ X existiert, für das φ(x) wahr ist. Dabei bedeutet die
Existenz eines x für uns, daß wir ein solches x angeben können.
Identität Sind x und x0 zwei Elemente einer Menge X, so scheiben wir schließlich
x = x0
für die Aussage, daß x gleich x0 ist.
Weitere logische Symbole führen wir ein, indem wir sie auf die eben definierten zurückführen.
Verum Es sei
>
die Aussage ⊥ =⇒ ⊥. Diese Aussage ist immer wahr. Sie zu beweisen bedeutet,
aus einem Beweis von ⊥ einen Beweis von ⊥ zu konstruieren, eine triviale Aufgabe,
insbesondere, da ⊥ gar keinen Beweis besitzt. (Anstelle von ⊥ hätten wir auch jede
andere Aussage nehmen können.)
9
1 Grundlagen
Negation Sei φ eine Aussage. Dann sei
¬φ
die Aussage φ =⇒ ⊥. Ein Beweis von ¬φ ist eine Vorschrift, aus einem Beweis
von φ einen Beweis von ⊥ zu konstruieren, welcher per definitionem aber gar nicht
existiert. Ein Beweis von ¬φ ist also ein Beweis der Tatsache, daß φ keinen Beweis
besitzt, also unwahr ist.
Äquivalenz Seien φ und ψ zwei Aussagen. Dann ist
φ ⇐⇒ ψ
die Aussage (φ =⇒ ψ) ∧ (ψ =⇒ φ). Sie ist also genau dann wahr, wenn φ genau
dann wahr ist, wenn ψ wahr ist.
Beispiel 1.3.1. Wir können jetzt beliebig komplizierte Aussagen formal aufschreiben. Ist
etwa φ(x) eine Aussage über Elemente x einer Menge X, so ist
(∀x∈X φ(x)) =⇒ (¬∃x∈X ¬φ(x))
eine Aussage, nämlich: Wenn φ(x) für alle x ∈ X wahr ist, dann existiert kein x, für das
φ(x) nicht wahr ist. Diese Aussage ist offensichtlich ein Satz.
Bemerkung 1.3.2. Stellen wir uns vor, wir ziehen eine Spielkarte verdeckt aus einem
Skatspiel. Sei φ die Aussage, daß die gezogene Spielkarte ein As ist. Jetzt können wir
uns die Frage stellen, ob
φ ∨ ¬φ
ein Satz, also eine wahre Aussage ist. Nach unserer Definition ist φ ∨ ¬φ wahr, also
beweisbar, wenn wir einen Beweis für φ oder einen Beweis für ¬φ haben. Da wir die
Spielkarte aber verdeckt gezogen haben, haben wir offensichtlich weder einen Beweis
dafür, daß die Spielkarte ein As zeigt, noch, daß sie kein As zeigt. Es folgt, daß φ ∨ ¬φ
kein Satz ist.
Aus der Sicht einer allwissenden Intelligenz wäre φ ∨ ¬φ dagegen ein Satz und jede
andere Aussage dieser Form vielleicht auch. In der klassischen Logik wird diese Sichtweise
angenommen3 . Wir werden uns diese Sichtweise allerdings nicht zu eigen machen, denn
die Wahrheit von φ∨¬φ wäre dann bedeutungslos, weil sie nichts für die Wahrheit von φ
und für die Wahrheit von ¬φ impliziert. Unsere Sichtweise ist die der intuistionistischen
Logik, welche für das konstruktive Wesen der Linearen Algebra besser geeignet scheint.
Aufgrund dieser Bemerkung ist folgende Definition sinnvoll:
Definition 1.3.3. Eine Aussage φ heißt entscheidbar, falls
φ ∨ ¬φ
gilt, also ein Satz ist.
3
Die Forderung, daß φ ∨ ¬φ ein Satz ist, ist der sogenannte Satz vom ausgeschlossenen Dritten.
10
1.3 Die Sprache der Logik
Beispiel 1.3.4. Sei X eine Menge. Dann heißt X diskret, wenn die Gleichheit in X
entscheidbar ist, wenn also
∀x,x0 ∈X (x = x0 ∨ x 6= x0 ) .
Ist eine Menge entscheidbar, so können wir für je zwei ihrer Elemente x und x0 entscheiden, ob sie gleich sind oder nicht gleich sind. Im allgemeinen wird dies aber nicht
der Fall sein: Ist etwa X = P(N0 ) die Menge der Teilmengen natürlicher Zahlen, so ist
X nicht diskret. Ansonsten hätten wir insbesondere ein Entscheidungsverfahren, ob eine
Teilmenge natürlicher Zahlen leer ist oder nicht. Damit wäre der tiefe mathematische
Satz, daß
{n ∈ N0 | n ≥ 3 ∧ ∃x,y,z∈Z (x, y, z 6= 0 ∧ xn + y n = z n } = ∅,
nämlich der Große Fermatsche Satz, eine Trivialität.
Beispiel 1.3.5. Sei X eine Menge. Eine Teilmenge T von X heiße herauslösbar, falls die
Elementbeziehung entscheidbar ist, falls also
∀x∈X (x ∈ T ∨ x ∈
/ T).
Bemerkung 1.3.6. Es gibt eine weitere Aussage, welche in klassischer Logik ein Satz
ist, in unserer Interpretation allerdings nicht: Wir betrachten wieder das Skatspiel und
mischen es verdeckt. Sei φ(x) die Aussage, daß die x-te Karte ein As ist. (Die Variable
x steht also für eine Zahl von 1 bis 32.) Wir stellen uns die Frage, ob
¬∀x ¬φ(x) =⇒ ∃x φ(x)
ein Satz ist. Die linke Seite der Implikation ist offensichtlich wahr: wir können keinen
Beweis dafür angeben, daß jede Karte kein As ist. Die rechte Seite der Implikation ist
aber unwahr: da wir verdeckt gemischt haben, können wir keine einzige Karte nennen,
welche ein As ist. Nach Definition der Wahrheit einer Implikation kann die Aussage
damit nicht beweisbar sein, ist also kein Satz.
Aufgabe 1.3.7. Seien φ und ψ Aussagen. Zeige, daß folgende Aussagen Sätze sind:
1. φ =⇒ ¬¬φ.
2. (φ =⇒ ψ) =⇒ (¬ψ =⇒ ¬φ).
3. ¬¬¬φ =⇒ ¬φ.
Aufgabe 1.3.8. Seien φ und ψ zwei Aussagen. Zeige, daß
(φ ∨ ψ) =⇒ (¬φ =⇒ ψ)
ein Satz ist. Veranschauliche den Satz an einem Beispiel.
Aufgabe 1.3.9. Sei φ(x) eine Aussage über Elemente einer Menge X. Zeige, daß
(∀x∈X ¬φ(x)) =⇒ (¬∃x∈X φ(x))
ein Satz ist. Veranschauliche den Satz an einem Beispiel.
11
1 Grundlagen
1.4 Der Teilmengenverband
Dieser Abschnitt dient hauptsächlich der Definition der bekannten Operationen auf der
Menge aller Teilmengen einer gegebenen Menge.
Definition 1.4.1. Sei X eine Menge. Seien T und U zwei Teilmengen von X. Dann
heißt T eine Untermenge von U , geschrieben
T ⊂ U,
falls
∀x∈X (x ∈ T =⇒ x ∈ U ).
Beispiel 1.4.2. Sei X eine Menge. Dann ist die leere Teilmenge
∅ = {x ∈ X | ⊥}
eine Teilmenge von X.
Die leere Teilmenge ist Untermenge einer jeder anderen Teilmenge.
Beispiel 1.4.3. Sei X eine Menge. Dann ist die ganze Menge
X = {x ∈ X | >}
eine Teilmenge von X. Es sei beachtet, daß wir das Symbol X hier auf zweierlei Weisen
interpretieren. Einmal als abstrakte Menge und einmal als Teilmenge dieser Menge.
Jede Teilmenge ist Untermenge der ganzen Menge.
Zwei Teilmengen T und U von X sind genau dann gleich, wenn T eine Untermenge
von U und U eine Untermenge von T ist. Damit erhalten wir folgendes Beweisprinzip für
die Gleichheit zweier Teilmengen: Es gilt T = U genau dann, wenn wir zeigen können,
daß
∀x∈X (x ∈ T =⇒ x ∈ U )
und daß
∀x∈X (x ∈ U =⇒ x ∈ T ).
Definition 1.4.4. Sei X eine Menge. Seien T und U zwei Teilmengen von X. Dann
heißt
T ∩ U := {x ∈ X | x ∈ T ∧ x ∈ U }
die Schnittmenge von T und U .
Beispiel 1.4.5. Seien X eine Menge und T eine Teilmenge von X. Dann ist
T ∩ ∅ = ∅.
Definition 1.4.6. Sei X eine Menge. Seien T und U zwei Teilmengen von X. Dann
heißt
T ∪ U := {x ∈ X | x ∈ T ∨ x ∈ U }
die Vereinigungsmenge von T und U .
12
1.5 Injektivität und Surjektivität
Beispiel 1.4.7. Seien X eine Menge und T eine Teilmenge von X. Dann ist
T ∪ X = X.
Definition 1.4.8. Seien X eine Menge und T eine Teilmenge von X. Dann heißt
{T := {x ∈ X | x ∈
/ T },
wobei x ∈
/ T für ¬x ∈ T steht, das Komplement von T .
Beispiel 1.4.9. Sei X eine Menge. Dann sind
{∅ = X
und
{X = ∅.
Bemerkung 1.4.10. Eine Teilmenge T einer Menge X ist genau dann herauslösbar, wenn
X = T ∪ {T , daher auch die Terminologie.
Aufgabe 1.4.11. Zeige, daß dann gilt: Sei X eine Menge. Seien T , U und V Teilmengen
von X.
1. T ∩ (U ∪ V ) = (T ∩ U ) ∪ (T ∩ V ).
2. T ∪ (U ∩ V ) = (T ∪ U ) ∩ (T ∪ V ).
3. T ∩ U = T ⇐⇒ T ⊂ U .
4. T ∪ U = T ⇐⇒ U ⊂ T .
1.5 Injektivität und Surjektivität
In diesem Abschnitt werden wir uns den Begriff der Abbildungen noch einmal genauer
anschauen. Abbildungen können nämlich von unterschiedlicher Qualität sein.
Definition 1.5.1. Eine Abbildung f : X → Y heißt injektiv, falls
∀x,x0 ∈X (f (x) = f (x0 ) =⇒ x = x0 ).
Beispiel 1.5.2. Die Quadrierungsabbildung
N0 → N0 ,
n → n2
ist eine injektive Abbildung, denn jede Quadratzahl ist das Quadrat nur genau einer
natürlichen Zahl.
13
1 Grundlagen
Aufgabe 1.5.3. Seien f : X → Y und g : Y → Z zwei Abbildungen, so daß g ◦ f injektiv
ist. Zeige, daß dann auch f injektiv ist.
Zeige weiter, daß g im allgemeinen nicht auch injektiv sein muß.
Definition 1.5.4. Eine Abbildung f : X → Y heißt surjektiv, falls
∀y∈Y ∃x∈X f (x) = y.
Beispiel 1.5.5. Die Quadrierungsabbildung
N0 → N0 ,
n → n2
ist keine surjektive Abbildung, denn es gibt natürliche Zahlen, welche kein Quadrat einer
anderen natürlichen Zahl sind.
Aufgabe 1.5.6. Seien f : X → Y und g : Y → Z zwei Abbildungen, so daß g ◦ f surjektiv
ist. Zeige, daß dann auch g surjektiv ist.
Zeige weiter, daß f im allgemeinen nicht auch surjektiv sein muß.
Definition 1.5.7. Eine Abbildung f : X → Y heißt bijektiv oder eine Bijektion, falls
sie injektiv und surjektiv ist.
Beispiel 1.5.8. Die Identität einer jeden Menge X ist eine bijektive Abbildung, eine
Bijektion.
Kommen wir zu unserem ersten wesentlichen Satz:
Satz 1.5.9. Eine Abbildung f : X → Y ist genau dann bijektiv, falls eine Abbildung
g : Y → X mit g ◦ f = idX und f ◦ g = idY existiert.
Da wir behaupten, daß diese Aussage ein Satz ist, müssen wir sie beweisen:
Beweis. Die zu beweisende Aussage ist von der Form φ ⇐⇒ ψ. Wir können daher
zunächst φ annehmen, um daraus ψ zu beweisen und dann ψ annehmen, um daraus φ
zu beweisen:
Sei f : X → Y bijektiv. Wir konstruieren eine Abbildung g : Y → X wie folgt: Sei
y ∈ Y . Da f surjektiv ist, existiert mindestens ein x ∈ X mit f (x) = y. Da f injektiv ist,
ist dieses x eindeutig. Die Abbildung, die jedem y dasjenige x mit f (x) = y zuordnet,
nennen wir g. Nach Konstruktion folgt, daß f ◦ g = idY und auch g ◦ f = idX .
Existiere eine Abbildung g : Y → X mit g ◦ f = idX und f ◦ g = idY . Um zu zeigen,
daß f injektiv ist, wählen wir x, x0 ∈ X mit f (x) = f (x0 ). Anwenden von g auf diese
Gleichung liefert x = g(f (x)) = g(f (x0 )) = x0 wegen g ◦ f = idX . Die Surjektivität folgt
aus der Tatsache, daß f (g(y)) = y für alle y ∈ Y , da f ◦ g = idY .
Aufgabe 1.5.10. Sei f : X → Y eine Bijektion. Zeige, daß genau eine Abbildung
f −1 : Y → X
mit f −1 ◦ f = idX und f ◦ f −1 = idY existiert.
14
1.5 Injektivität und Surjektivität
Wir nennen f −1 die inverse Abbildung zu f .
Beispiel 1.5.11. Sei X eine Menge. Dann ist die Identität idX eine Bijektion, und es gilt
id−1
X = idX .
Aufgabe 1.5.12. Seien f : X → Y und g : Y → Z zwei Bijektionen. Zeige, daß auch
g ◦ f : X → Z eine Bijektion ist und daß gilt:
(g ◦ f )−1 = f −1 ◦ g −1 .
Definition 1.5.13. Sei f : X → Y eine Abbildung. Ist dann T eine Teilmenge von X,
so heißt die Teilmenge
f (T ) := {y ∈ Y | ∃x∈T y = f (x)}
von Y das Bild von T unter f .
Es heißt
im f := f (X)
das Bild von f .
Die Abbildung f ist also genau dann surjektiv, falls im f = Y .
Aufgabe 1.5.14. Sei f : X → Y eine Abbildung. Zeige, daß eine Menge Z, eine surjektive
Abbildung p : X → Z und eine injektive Abbildung i : Z → Y mit f = i ◦ p existieren.
(Tip: Betrachte im f .)
Definition 1.5.15. Sei f : X → Y eine Abbildung. Ist dann U eine Teilmenge von Y ,
so heißt die Teilmenge
f −1 (U ) := {x ∈ X | f (x) ∈ U }
das Urbild von U unter f .
Aufgabe 1.5.16. Sei f : X → Y eine Abbildung. Seien T und T 0 zwei Teilmengen von X
und U und U 0 zwei Teilmengen von Y . Zeige, daß gilt:
1. f (T ∩ T 0 ) ⊂ f (T ) ∩ f (T 0 ).
2. f (T ∪ T 0 ) = f (T ) ∪ f (T 0 ).
3. f −1 (U ∩ U 0 ) = f −1 (U ) ∩ f −1 (U 0 ).
4. f −1 (U ∪ U 0 ) = f −1 (U ) ∪ f −1 (U 0 ).
5. f (T ∩ f −1 (U )) = f (T ) ∩ U .
15
1 Grundlagen
1.6 Die Menge der natürlichen Zahlen
In diesem Abschnitt betrachten wir die Menge N0 der natürlichen Zahlen etwas genauer.
Diese Menge zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus:
1. Es ist 0 eine natürliche Zahl.
2. Es gibt eine Abbildung
s : N0 → N0 ,
welche jeder natürlichen Zahl ihren Nachfolger zuordnet. (Dies ist also die Abbildung n 7→ n + 1.)
3. Die natürliche Zahl 0 ist nicht Nachfolger einer anderen natürlichen Zahl.
4. Die Nachfolgerabbildung ist injektiv, das heißt, sind die Nachfolger zweier natürlicher Zahlen gleich, sind die beiden Zahlen selbst gleich.
5. Sei T eine Teilmenge der natürlichen Zahlen, für die gilt, daß
(0 ∈ T ) ∧ (∀n∈N0 n ∈ T =⇒ s(n) ∈ T ).
Dann umfaßt T schon alle natürlichen Zahlen.
Diese fünf Eigenschaften heißen auch die Dedekind–Peano-Axiome der natürlichen
Zahlen
Die Menge der natürlichen Zahlen ist diskret. Sind etwa n und m zwei natürliche
Zahlen, so sind sie gleich, wenn n = m = 0 oder wenn n und m Nachfolger ein- und
derselben natürlichen Zahl sind. Sie sind ungleich, wenn eine Zahl 0 und die andere ein
Nachfolger ist oder wenn beide Nachfolger verschiedener natürlichen Zahlen sind.
Die bekannten Operationen wie Addition und Multiplikation auf den natürlichen
Zahlen können durch die Nachfolgerabbildung ausgedrückt werden. Die Summe zweier natürlicher Zahlen n und m ist zum Beispiel durch
(
n
falls m = 0 und
n+m=
s(n + k) falls m = s(k).
gegeben.
Das letzte Dedekind–Peano-Axiom heißt auch das Axiom der vollständigen Induktion. Dieses liefert uns das Beweisprinzip der vollständigen Induktion: Angenommen wir
wollen zeigen, daß eine Aussage φ für alle natürlichen Zahlen wahr ist. Dazu betrachten
wir die Teilmenge
T := {n ∈ N0 | φ(n)}
derjenigen natürlichen Zahlen, auf die φ zutrifft. Um zu zeigen, daß φ für alle natürlichen
Zahlen erfüllt ist, T also alle natürlichen Zahlen enthält, müssen wir nach dem Axiom
für die vollständige Induktion nachweisen, daß 0 die Eigenschaft φ hat und daß der
Nachfolger einer natürlichen Zahl n die Eigenschaft φ hat, wenn immer auch n die
Eigenschaft φ hat.
16
1.7 Äquivalenzrelationen
Beispiel 1.6.1. Für eine natürliche Zahl n ∈ N0 ist ihre Fakultät
n! := 1 · 2 · · · n
das Produkt der natürlichen Zahlen von 1 bis n. (Diese Definition schließt die Spezialfälle
0! = 1! = 1 mit ein. Leere Produkte werden immer als 1 definiert.) Wir behaupten, daß
für alle n, k ∈ N0
n · (n − 1) · · · (n − k + 1)
durch k! teilbar ist. Wir schreiben
n
n · (n − 1) · · · (n − k + 1)
:=
k!
k
für den Quotienten, und nennen ihn den Binomialkoeffizienten n über k.
Den Beweis führen wir über vollständige Induktion über n. Der Fall n = 0 heißt
Induktionsanfang. In diesem Fall müssen wir beweisen, daß N := 0 · (−1) · · · (−k + 1)
durch k! teilbar ist. Im Falle, daß k = 0, ist aber N = 1 und damit durch k! = 0! = 1
teilbar. Im Falle, daß k 6= 0, ist N = 0, und 0 ist durch jede natürliche Zahl teilbar.
Es bleibt, den Induktionsschritt zu vollziehen. Dazu nehmen wir an, daß die Behauptung für ein gewisses n gilt. Wir müssen sie für s(n) = n + 1 zeigen. Der Fall k = 0
ergibt sich wieder durch direkte Rechnung, so daß wir k 6= 0 annehmen können. Wir
behaupten, daß
n
n
(n + 1) · n · · · (n − k + 2) = k! ·
+
.
k−1
k
(Nach Induktionsvoraussetzung existieren die Quotienten auf der rechten Seite.) Aus
dieser Gleichung, die sich durch elementare Umformung ergibt (Aufgabe!) folgt, daß die
linke Seite durch k! teilbar ist.
Aus dem Beispiel erhalten
wir insbesondere
n
Binomialkoeffizienten m :


für
n
n
= 0
für

k
 n−1
n−1
+ k
für
k−1
folgende Berechnungsvorschrift für den
k = 0,
n = 0 und k 6= 0 und
n 6= 0 und k =
6 0.
Aufgabe 1.6.2. Sei n eine natürliche Zahl. Zeige mittels vollständiger Induktion, daß
n
n(n − 1)
.
=
1 + 2 + · · · + (n − 1) =
2
2
1.7 Äquivalenzrelationen
In der Regel werden Elemente von Mengen nicht alleine betrachtet, sondern mit Elementen derselben oder anderer Mengen in Beziehung gesetzt. Eine Beziehung zwischen
17
1 Grundlagen
der Menge der Punkte und der Menge der Geraden in der Ebene ist zum Beispiel die
Aussage φ(p, g), daß ein Punkt p auf der Geraden g liegt. Ist die Aussage wahr, liegt der
Punkt auf der Geraden; ist sie unwahr, liegt der Punkt nicht auf der Geraden.
Aussagen dieser Art bekommen einen speziellen Namen:
Definition 1.7.1. Seien X und Y Mengen. Eine Relation ∼ zwischen den Mengen X
und Y ist eine Aussage der Form φ(x, y) mit x ∈ X und y ∈ Y . Wir sagen, zwei Elemente
x ∈ X und y ∈ Y stehen in Relation ∼, geschrieben
x ∼ y,
falls φ(x, y) wahr ist. (Ist ¬φ(x, y) wahr, schreiben wir x 6∼ y.
Falls Y = X, sagen wir auch, die Relation ist eine Relation in X.
Beispiel 1.7.2. Die Relation ∈ ist eine Relation zwischen einer Menge X und ihrer Potenzmenge P(X).
In diesem Abschnitt interessieren wir uns insbesondere für spezielle Relationen, nämlich
die Äquivalenzrelationen, die mit der nächsten Definition eingeführt werden. Der Grund
liegt darin, daß sie uns eine Identifikationsvorschrift für Elemente einer Menge geben.
Dies erlaubt es uns, neue Mengen zu konstruieren, in denen die identifizierten Elemente
nicht mehr unterschieden werden: Sei etwa X die Menge der Punkte auf einer geraden
Schnur. Identifizieren wir den einen Endpunkt der Schnur mit ihrem anderen Endpunkt,
so bedeutet dies anschaulich, beide Endpunkte miteinander zu verkleben. Wir erhalten
einen Ring.
Definition 1.7.3. Seien X eine Menge und ∼ eine Relation in X.
1. Die Relation ∼ heißt reflexiv, falls
∀x∈X x ∼ x.
2. Die Relation ∼ heißt symmetrisch, falls
∀x,x0 ∈X (x ∼ x0 =⇒ x0 ∼ x) .
3. Die Relation ∼ heißt transitiv, falls
∀x,x0 ,x00 ∈X ((x ∼ x0 ∧ x0 ∼ x00 ) =⇒ x ∼ x00 ) .
Schließlich heißt ∼ eine Äquivalenzrelation, falls ∼ reflexiv, symmetrisch und transitiv
ist.
Beispiel 1.7.4. Die Gleichheitsrelation = auf den Elementen einer Menge X ist eine
Äquivalenzrelation auf dieser Menge.
Beispiel 1.7.5. Sei G die Menge der Geraden in der Ebene. Wir schreiben g k g 0 , falls
die Geraden g, g 0 ∈ G parallel sind. Dann ist k eine Äquivalenzrelation in G.
18
1.7 Äquivalenzrelationen
Aufgabe 1.7.6. Sei f : X → Y eine Abbildung. Wir definieren eine Relation ∼ auf X, so
daß x ∼ x0 genau dann, wenn f (x) = f (x0 ). Zeige, daß ∼ eine Äquivalenzrelation ist.
Definition 1.7.7. Seien X eine Menge und ∼ eine Äquivalenzrelation in X. Für jedes
Element x ∈ X heißt dann
[x] := {x0 ∈ X | x0 ∼ x}
die Äquivalenzklasse von x zu ∼.
Jede Teilmenge von X dieser Form heißt einfach eine Äquivalenzklasse zu ∼.
Die Menge der Äquivalenzklassen zu ∼ wird mit
X/∼
bezeichnet.
Es sei beachtet, daß die Menge X/∼ eine Teilmenge der Potenzmenge von X ist, also
ein Element von P(P(X)).
Bemerkung 1.7.8. Die Menge X/∼ kommt zusammen mit einer Abbildung
p : X → X/∼,
x 7→ [x].
Diese Abbildung hat folgende Eigenschaften:
1. Es ist p surjektiv.
2. ∀x,x0 ∈X (x ∼ x0 ⇐⇒ p(x) = p(x0 )).
Wir können uns X/∼ als diejenige Menge vorstellen, die wir erhalten, wenn wir Elemente aus X, welche in der Relation ∼ stehen nicht mehr unterscheiden.
Beispiel 1.7.9. Sei G die Menge der Geraden in der Ebene. Dann können wir G/k als
die Menge der Richtungen in der Ebene ansehen.
Aufgabe 1.7.10. Sei ∼ eine Äquivalenzrelation in der Menge X. Zeige, daß für zwei
Elemente x, x0 ∈ X folgende Aussagen gleichwertig sind:
1. ∃x00 ∈X x00 ∈ [x] ∩ [x0 ].
2. x ∼ x0 .
3. [x] = [x0 ].
Seien X eine Menge und ∼ eine Äquivalenzrelation in X. Eine Abbildung f von X/∼
in eine weitere Menge Y geben wir häufig in der Form
f : X/∼ → Y,
[x] 7→ F (x)
an, wobei F (x) ein von x ∈ X abhängiges Element in Y ist. An dieser Stelle müssen wir
aber darauf achten, daß die so definierte Abbildung f wohldefiniert ist: Ist x ∼ x0 in X,
so bezeichnen [x] und [x0 ] dasselbe Element in X/∼; sie sind Repräsentanten ein- und
derselben Äquivalenzklasse. Damit muß auch f ([x]) = f ([x0 ]) gelten. Es folgt, daß wir
zur Wohldefiniertheit von f nachrechnen müssen, daß für den Ausdruck F gilt, daß
∀x,x0 ∈X (x ∼ x0 =⇒ F (x) = F (x0 ))
19
1 Grundlagen
Aufgabe 1.7.11. In der Menge Z × Z der Paare ganzer Zahlen definieren wir die Relation
∼ durch die Setzung, daß
∀(n,m),(n0 ,m0 )∈Z×Z ((n, m) ∼ (n0 , m0 ) ⇐⇒ n + m0 = m + n0 ) .
Zeige:
1. Es ist ∼ eine Äquivalenzrelation.
2. Es gilt
∀(n,m),(n0 ,m0 ) ((n, m) ∼ (n0 , m0 ) ⇐⇒ ∃k,k0 ∈Z (n + k, m + k) = (n0 + k 0 , m0 + k 0 )) .
3. Durch
(Z × Z)/∼ → Z,
[(n, m)] 7→ n − m
wird eine wohldefinierte Bijektion gegeben.
Damit endet dieses Kapitel über diverse Grundlagen der Mathematik. Weitere grundlegende Dinge werden wir dann an den Stellen einführen, an denen wir sie brauchen
werden.
20
2 Ringe
Die in der Mathematik betrachteten Mengen sind in der Regel nicht einfach nur Ansammlungen von Elementen, sondern tragen weitere Strukturen. (Elemente der Menge
der natürlichen Zahlen können wir zum Beispiel addieren und die Addition unterliegt
gewissen Gesetzmäßigkeiten, etwa derjenigen, daß n + m = m + n.) Im vorliegenden
Kapitel werden wir die für die Lineare Algebra wichtigen Strukturen angeben.
2.1 Monoide
Betrachten wir die Menge M aller Abbildungen X → X einer Menge X in sich selbst.
(Ist X zum Beispiel die Menge {1, 2}, so enthält M genau vier Abbildungen: für jedes
der beiden Elemente müssen wir entscheiden, auf welches der beiden wir es schicken.)
Sind g und g 0 zwei Elemente aus M , also zwei Abbildungen, so ist ihre Komposition
wieder eine Abbildung, wir erhalten damit eine Abbildung
M × M → M,
(g, g 0 ) 7→ g ◦ g 0 .
Diese Abbildung ist in folgendem Sinne assoziativ : Sind g, g 0 , g 00 ∈ M , so gilt
(g ◦ g 0 ) ◦ g 00 = g ◦ (g 0 ◦ g 00 ).
Die Identität e := idX erfüllt die Bedingung
e◦g =g =g◦e
für alle g ∈ M .
Eine Struktur wie sie die Menge M der Bijektionen von X trägt, taucht in der Mathematik universell auf und wird mit dem Namen Monoid belegt:
Definition 2.1.1. Ein Monoid M ist eine Menge M zusammen mit einem ausgezeichneten Element e, dem neutralen Element und einer Multiplikationsabbildung
· : M × M → M,
(g, g 0 ) 7→ g · g 0 ,
so daß folgende Axiome erfüllt sind:
1. Die Operation · ist assoziativ : ∀g,g0 ,g00 ∈M (g · g 0 ) · g 00 = g · (g 0 · g 00 ).
2. Die Operation · hat e als neutrales Element: ∀g∈M e · g = g = g · e.
21
2 Ringe
Die Monoid M heißt kommutativ, wenn zudem folgendes Axiom erfüllt ist:
3. Die Operation · ist kommutativ : ∀g,g0 ∈M g · g 0 = g 0 · g.
Um die Bezeichnungen der Operation und des neutralen Elementes anzugeben, wird
häufig auch (M, ·, e) für M geschrieben.
Wir können die Axiome auch als Rechenregeln für das Rechnen mit den Operationen
in einem Monoid auffassen.
Beispiel 2.1.2. Wir wir gesehen haben, bilden die Abbildungen einer Menge X in sich
mit der Verknüpfung als Multiplikation in natürlicher Weise ein Monoid.
Beispiel 2.1.3. Die Menge Q der rationalen Zahlen bildet bezüglich der Multiplikation
ein kommutatives Monoid (Q, ·).
Die Elemente des Monoids der Abbildungen von einer Menge X in sich selbst sind
Transformationen von X. Die Multiplikation entspricht der Hintereinanderausführung
von Transformationen, das neutrale Element ist die triviale Transformation, welche gar
nichts macht.
Ebenso wollen wir für allgemeinere Monoide denken: ihre Elemente stellen wir uns
als abstrakte Transformationen vor, ohne zu sagen, was eigentlich transformiert wird.
Das Produkt zweier Monoideelemente ist dann die abstrakte Transformation, welche sich
durch Verknüpfung zweier abstrakter Transformationen ergibt.
Abbildungen zwischen zwei Monoiden, also Zuordnungen von einem Satz abstrakter
Transformationen zu einem anderen sind dann von größerem Interesse, wenn sie unter
anderem die Verknüpfungsoperation respektieren, in folgendem Sinne also strukturerhaltend sind:
Definition 2.1.4. Ein Monoidhomomorphismus φ : M → N von einem Monoid M in
ein Monoid N ist eine Abbildung φ : M → N , welche folgende Axiome erfüllt:
1. Die Abbildung φ respektiert die Multiplikation: ∀g,g0 ∈M φ(g · g 0 ) = φ(g) · φ(g 0 ).
2. Die Abbildung φ respektiert das neutrale Element: φ(e) = e. (Hierbei bezeichnet
e auf der linken Seite das neutrale Element in M und auf der rechten Seite das
neutrale Element in N .)
Häufig sprechen wir kürzer auch einfach von einem Homomorphismus oder einem
Homomorphismus von Monoiden.
Ein Monoidhomomorphismus erlaubt es uns also, eine Rechnung in M in eine Rechnung in N zu transformieren.
Beispiel 2.1.5. Sei M ein Monoid. Dann ist die Identität idM ein Monoidhomomorphismus von M in sich selbst.
Beispiel 2.1.6. Seien φ : M → N und ψ : N → P zwei Monoidhomomorphismen zwischen
den Monoiden M , N und P . Dann ist auch ψ ◦ φ : M → P ein Monoidhomomorphismus.
Die Verträglichkeit mit der Multiplikation ergibt sich zum Beispiel durch
(ψ ◦ φ)(x · x0 ) = ψ(φ(x · x0 )) = ψ(φ(x) · φ(x0 )) = ψ(φ(x)) · ψ(φ(x0 )) = (ψ ◦ φ)(x) · (ψ ◦ φ)(x0 )
für alle x, x0 ∈ M .
22
2.2 Gruppen
Beispiel 2.1.7. Die Quadrierungsabbildung (Q, ·) → (Q, ·), x 7→ x2 ist ein Monoidhomomorphismus.
Beispiel 2.1.8. Die Rechenregeln der aus der Analysis bekannten Exponentialfunktion
können wir auch dadurch ausdrücken, daß exp : (R, +) → (R, ·) ein Monoidhomomorphismus ist. Hierbei steht (R, +) für das Monoid der reellen Zahlen, dessen Multiplikationsabbildung die Addition reeller Zahlen ist.
2.2 Gruppen
Erinnern wir uns daran, daß wir Elemente eines Monoids als Transformationen auffassen
wollten. Von einigen Transformationen können wir sicherlich sagen, daß sie rückgängig
gemacht werden können, daß also auch eine Transformation in die umgekehrte Richtung
exisitiert. Dies führt auf folgenden Begriff:
Definition 2.2.1. Sei M ein Monoid. Ein Element x ∈ M heißt invertierbar, falls ein
y ∈ M existiert, so daß y · x = e = x · y.
Die Menge der invertierbaren Elemente des Monoides M heißt die Einheitengruppe
M × von M .
Beispiel 2.2.2. Sei M ein Monoid. Dann ist e ∈ R invertierbar, denn e = e · e.
Aufgabe 2.2.3. Sei M ein Monoid. Zeige, daß mit x, y ∈ M invertierbar auch x · y
invertierbar ist.
Beispiel 2.2.4. Sei M das Monoid der Abbildungen einer Menge X in sich selbst. Die
Einheitengruppe M × ist gerade die Menge der Bijektionen von X auf sich selbst.
Das Bilden der Einheitengruppe verträgt sich gut mit Ringhomomorphismen:
Aufgabe 2.2.5. Sei φ : M → N ein Monoidhomomorphismus. Dann ist
φ(M × ) ⊂ N × ,
das heißt, Bilder invertierbarer Elemente sind invertierbar.
Definition 2.2.6. Ein Monoid M heißt Gruppe, falls M = M × , falls also jedes Element
von M invertierbar ist.
Einen Monoidhomomorphismus zwischen Gruppen nennen wir auch einen Gruppenhomomorphismus.
Beispiel 2.2.7. Sei M ein Monoid. Die Einschränkung der Multiplikation von M auf M ×
macht M × zu einer Gruppe.
Bemerkung 2.2.8. Ist M ein Monoid und x ∈ M × ein invertierbares Element, so folgt
aus y · x = e = x · y und y 0 · x = e = x · y 0 für y, y 0 ∈ M schon, daß y = y 0 . (Dies sehen
wir, indem wir zum Beispiel y 0 · x = e mit y von rechts multiplizieren.) Es folgt, daß x
ein eindeutig bestimmtes Inverses x−1 mit x−1 · x = e = x · x−1 besitzt.
Damit besitzt insbesondere jede Gruppe G eine Inversionsabbildung
(·)−1 : G → G,
x 7→ x−1 .
23
2 Ringe
Eine kommutative Gruppe wird auch abelsche Gruppe genannt. In diesem Falle wird
die Gruppenstruktur meist additiv geschrieben, das heißt die Gruppenmultiplikation
wird
+ : G × G → G, (g, g 0 ) 7→ g + g 0 ,
die Inversionsabbildung wird
−(·) : G → G,
g 7→ −g
und das neutrale Element wird 0 geschrieben. Die Multiplikation heißt in diesem Falle
Addition, das neutrale Element Null, und die Inversionsabbildung heißt Negation.
Beispiel 2.2.9. Die Bijektionen einer Menge X in sich bilden mit der Verknüpfung als
Multiplikation in natürlicher Weise eine Gruppe.
Beispiel 2.2.10. Mit Sn bezeichnen wir Gruppe der Bijektionen der Menge {1, . . . , n} in
sich selbst. Diese Gruppe heißt die symmetrische Gruppe in n Buchstaben, ihre Elemente
werden Permutationen genannt.
Ist σ ∈ Sn eine Permutation, also eine Abbildung {1, . . . , n} → {1, . . . , n}, so notieren
wir σ auch durch
1
2
...
n
.
σ(1) σ(2) . . . σ(n)
Zum Beispiel ist ( 12 21 33 ) diejenige Permutation in S3 , welche 1 und 2 vertauscht und 3
auf sich selbst schickt.
Aufgabe 2.2.11. Zeige, daß die Gruppe Sn genau n! Elemente hat.
Aufgabe 2.2.12. Zeige, daß die Gruppe S2 kommutativ ist, die Gruppen Sn für n > 2
aber nicht.
(Tip: Betrachte ( 12 21 33 ) und ( 12 23 31 ).)
Beispiel 2.2.13. Die Menge Q× := (Q, ·)× ist die Menge der von Null verschiedenen
rationalen Zahlen. Die Inversionsabbildung ist durch x 7→ x1 gegeben.
Dies ist eine kommutative Gruppe.
Beispiel 2.2.14. Die Menge (Q, +) aller rationalen Zahlen bildet eine abelsche Gruppe
bezüglich der Addition.
Aufgabe 2.2.15. Zeige, daß auf der zweielementigen Menge
{±1} = {1, −1}
genau eine Struktur einer Gruppe existiert, so daß 1 das neutrale Element wird.
Daß eine Abbildung ein Gruppenhomomorphismus ist, folgt schon aus der Verträglichkeit mit der Multiplikation:
Hilfssatz 2.2.16. Seien G und H zwei Gruppen. Sei φ : G → H eine Abbildung mit
∀g,g0 ∈G φ(g · g 0 ) = φ(g) · φ(g 0 ).
Dann ist φ ein Gruppenhomomorphismus.
24
2.2 Gruppen
Beweis. Wir zeigen, daß φ das neutrale Element e respektiert: Es ist
φ(e) = φ(e · e) = φ(e) · φ(e).
Multiplizieren wir die Gleichung mit φ(e)−1 von links, erhalten wir
e = φ(e),
wobei e auf der linken Seite für das neutrale Element von H steht. Es folgt, daß φ das
neutrale Element auf das neutrale Element abbildet.
Gruppenhomomorphismen sind auch mit der Inversenbildung verträglich:
Hilfssatz 2.2.17. Sei φ : G → H ein Gruppenhomomorphismus. Dann gilt
∀g∈G φ(g −1 ) = φ(g)−1 .
Beweis. Sei g ∈ G. Dann ist
e = φ(e) = φ(g −1 · g) = φ(g −1 ) · φ(g).
Multiplikation der Gleichung mit φ(g)−1 von rechts liefert
φ(g)−1 = φ(g −1 ),
also ist φ mit der Inversenbildung verträglich.
Aufgabe 2.2.18. Sei G eine Gruppe. Dann ist das neutrale Element schon eindeutig durch
die Multiplikationsabbildung · bestimmt.
(Tip: Anwendung von Hilfssatz 2.2.16 auf idG .)
Aufgabe 2.2.19. Sei n ∈ N0 . Auf der Gruppe Sn betrachten wir die Abbildung
sgn : Sn → {±1}, σ 7→
σ(j) − σ(i)
,
j−i
1≤i<j≤n
Y
Q
Signum genannt. Dabei bezeichnen wir mit 1≤i<j≤n . . . das Produkt über alle Möglichkeiten, i, j ∈ N0 mit 1 ≤ i < j ≤ n zu wählen.
1. Zeige, daß sgn ein Gruppenhomomorphismus ist.
2. Zeige, daß
1 2 ...
sgn
2 3 ...
n−1 n
= (−1)n+1 .
n
1
25
2 Ringe
2.3 Ringe
Bekanntermaßen ist die Mathematik eine Wissenschaft, in der gerechnet wird. Einige
der in der Mathematik bekannten Rechenbereiche sind aus der Schule bekannt, etwa die
Menge Z der ganzen Zahlen oder die Menge R der reellen Zahlen. In dieser Vorlesung
werden wir viele weitere dieser Rechenbereiche kennenlernen. Die gemeinsamen Eigenschaften dieser Rechenbereiche werden im Begriff des Ringes zusammengefaßt, welcher
durch folgende Definition gegeben ist:
Definition 2.3.1. Ein Ring R ist eine Menge R mit einem ausgezeichneten Element 0,
der Null, einem ausgezeichneten Element 1, der Eins, einer Additionsabbildung
+: R × R → R
(x, y) 7→ x + y,
und einer Multiplikationsabbildung
· : R × R → R,
(x, y) 7→ x · y,
so daß folgende Axiome erfüllt sind:
1. Es ist (R, +, 0) eine abelsche Gruppe.
2. Es ist (R, ·, 1) ein Monoid.
3. Die Operation · ist distributiv über +:
∀x,y,z∈R (x · (y + z) = x · y + x · z ∧ (y + z) · x = y · x + z · x) .
Der Ring R heißt kommutativ, falls (R, ·, 1) ein kommutatives Monoid ist.
Wir sprechen insbesondere von der additiven Gruppe (R, +, 0) und des multiplikativen
Monoids (R, ·, 1) von R.
Die Ringaxiome können wir als grundlegende Rechenregeln für das Rechnen in einem
Ring ansehen. Aus den Axiomen folgen weitere grundlegende Regeln für den Umgang
mit Ringelementen:
Aufgabe 2.3.2. Sei R ein Ring. Dann ist
∀x∈R 0 · x = 0.
(Tip: 0 = 0 + 0 und Distributivität.)
Aufgabe 2.3.3. Sei R ein Ring. Dann gilt
∀x,y∈R (−x) · y = −(x · y).
(Tip: Distributivität und Aufgabe 2.3.2.)
Da eine Theorie ohne Beispiele aber recht witzlos ist, folgen schnell zwei Beispiele:
26
2.3 Ringe
Beispiel 2.3.4. Der Ring
Z = {. . . , −2, −1, 0, 1, . . . }
der ganzen Zahlen ist ein kommutativer Ring.
Beispiel 2.3.5. Ein Ring enthält Elemente 0 und 1. Es wird allerdings nicht gefordert,
daß diese Elemente unterschiedlich sind. Wir können also insbesondere Fälle mit 0 = 1
betrachten. Für ein beliebiges Ringelement x ∈ R folgt dann, daß
x = 1 · x = 0 · x = 0,
ein solcher Ring enthält also überhaupt nur ein Element, nämlich 0. Damit wäre ein
solcher Ring durch die einelementige Menge {0} gegeben. Und in der Tat wird durch
diese Menge ein kommutativer Ring definiert, der Nullring, welcher meist einfach mit 0
bezeichnet wird.
Aufgabe 2.3.6. Seien R und S zwei Ringe. Dann wird R × S in kanonischer Weise zu
einem Ring.
(Tip: Die Ringstruktur ist durch komponentenweise Zusammensetzung der Ringstruktur von R und von S gegeben.)
Aufgabe 2.3.7. Sei
R := {0, 1}
eine Menge mit zwei Elementen, genannt 0 und 1. Zeige: Dann existiert genau eine
Additions- und genau eine Multiplikationsabbildung, welche R zu einem kommutativen
Ring machen, so daß 0 die Null und 1 die Eins dieses Ringes werden.
Dieser Ring wird auch mit F2 bezeichnet.
Wir haben Monoidhomomorphismen als strukturerhaltende Abbildungen zwischen
Monoiden kennengelernt. Eine entsprechende Definition gibt es auch für Abbildungen
zwischen Ringen:
Definition 2.3.8. Seien R und S zwei Ringe. Eine Abbildung φ : R → S heißt ein
Ringhomomorphismus, falls sie einen Gruppenhomomorphismus zwischen den additiven
Gruppen und einen Monoidhomomorphismus zwischen den multiplikativen Monoiden
von R und S induziert.
Bemerkung 2.3.9. Aus Hilfssatz 2.2.16 folgt, daß eine Abbildung φ : R → S zwischen
Ringen genau dann ein Ringhomomorphismus ist, falls gilt:
∀x,y∈R φ(x + y) = φ(x) + φ(y),
∀x,y∈R φ(x · y) = φ(x) · φ(y) und
φ(1) = 1.
Beispiel 2.3.10. Sei R ein Ring. Dann ist die Identität idX ein Ringhomomorphismus.
Aufgabe 2.3.11. Seien φ : R → S und ψ : S → T zwei Homomorphismen von Ringen.
Dann ist auch ψ ◦ φ : R → T ein Ringhomomorphismus.
27
2 Ringe
Beispiel 2.3.12. Sei R ein Ring. Dann existiert genau ein Ringhomomorphismus φ : Z →
R: Es müssen in jedem Falle 0 und 1 auf die Null beziehungsweise Eins von R geschickt
werden. Positive ganze Zahlen sind alle von der Form 1+1+· · ·+1. Nach Definition eines
Ringhomomorphismus muß diese Zahl auf φ(1)+φ(1)+· · ·+φ(1) geschickt werden. Damit
ist aber der Wert von φ auch auf den positiven ganzen Zahlen festgelegt. Schließlich
nutzen wir für eine negative ganze Zahl n aus, daß φ(n) = −φ(−n) gelten muß. Es
bleibt, sich zu überlegen, daß das so definierte φ in der Tat ein Ringhomomorphismus
ist (Aufgabe!).
Beispiel 2.3.13. Sei R ein Ring. Es existiert genau ein Ringhomomorphismus φ : R → 0,
nämlich diejenige Abbildung, welche jedes Element aus R auf die Null (also auch die
Eins) in R abbildet.
Definition 2.3.14. Ein Homomorphismus φ : R → S von Ringen heißt ein Isomorphismus, falls φ bijektiv ist und die Umkehrfunktion φ−1 : S → R ebenfalls ein Ringhomomorphismus ist.
Zwei Ringe heißen isomorph, wenn zwischen ihnen ein Ringisomorphismus existiert.
Isomorphismen von Monoiden werden in analoger Weise definiert.
Beispiel 2.3.15. Sei φ : R → S ein bijektiver Homomorphismus von Ringen. Zeige, daß
φ schon ein Isomorphismus ist.
(Tip: Um eine Gleichheit nachzurechnen, können wir auch zunächst eine injektive
Abbildung auf beide Seiten der Gleichung anwenden und die Bildgleichung beweisen.)
2.4 Körper
Aus der Schule sind uns Rechenbereiche, das heißt Ringe, bekannt, in denen Division
möglich ist. Die Division ist die Umkehrung der Multiplikation. Wir betrachten also
wieder die Invertierbarkeit der Multiplikation genauer.
Definition 2.4.1. Sei R ein Ring. Die Einheitengruppe R× von R ist die Einheitengruppe des multiplikativen Monoids von R.
Beispiel 2.4.2. Die Einheitengruppe der ganzen Zahlen Z ist
Z× = {1, −1},
denn jede andere ganze Zahl hat kein multiplikatives Inverses, ist also im Sinne der
Definition nicht invertierbar.
Beispiel 2.4.3. Sei R ein Ring, in dem 0 invertierbar ist. Für alle x ∈ R gilt dann
x = 1 · x = (0−1 · 0) · x = 0−1 · (0 · x) = 0−1 · 0 = 0.
Also sind alle Elemente von R gleich 0. Damit ist R zwangsläufig der Nullring.
28
2.4 Körper
Wir können auch sagen, daß in allen anderen Ringen nicht durch 0 dividiert werden
”
darf“. Ringe, in denen ansonsten eine Division beliebig möglich ist, bekommen einen
eigenen Namen:
Definition 2.4.4. Ein Schiefkörper K ist ein Ring, dessen Einheitengruppe gerade R \
{0} ist, in dem ein Element also genau dann invertierbar ist, wenn es ungleich Null ist.
Ein kommutativer Schiefkörper (das heißt, der zugrundeliegende Ring ist kommutativ)
heißt Körper.
Bemerkung 2.4.5. In jedem Schiefkörper gilt also 0 6= 1.
Körper werden die Rechenbereiche sein, mit denen wir es in der Linearen Algebra am
häufigsten zu tun haben. Glücklicherweise sind es auch die, die uns am besten aus der
Schule bekannt sind.
Offensichtlich ist Z kein (Schief-)Körper, aber:
Beispiel 2.4.6. Die Menge der rationalen Zahlen Q bildet einen Körper.
Aufgabe 2.4.7. Zeige, daß der Ring F2 aus Aufgabe 2.3.7 ein Körper ist.
Aus denen in der Schule betrachteten Rechenbereichen sind wir es gewohnt, daß
∀x,y (x · y = 0 =⇒ (x = 0 ∨ y = 0)) .
Wir werden aber (kommutative) Ringe kennenlernen, in denen diese Tatsache nicht mehr
gilt: es gibt also Fälle, in denen das Produkt zweier von Null verschiedener Elemente sehr
wohl Null ergibt. Diese wollen wir in vielen Fällen ausschließen; wir definieren daher:
Definition 2.4.8. Ein Integritätsbereich R ist ein kommutativer Ring R, der zusätzlich
folgende Axiome erfüllt:
1. Der Ring R ist nicht trivial: 0 6= 1.
2. Ist ein Produkt Null, so auch mindestens ein Faktor:
∀x,y∈R (x · y = 0 =⇒ (x = 0 ∨ y = 0)) .
Aufgabe 2.4.9. Zeige, daß ein kommutativer Ring R genau dann ein diskreter Integritätsbereich ist, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
0 6= 1 und ∀x,y∈R (x · y 6= 0 ∨ x = 0 ∨ y = 0) .
Beispiel 2.4.10. Jeder diskrete Körper K ist ein diskreter Integritätsbereich: Seien etwa
x, y ∈ K mit x · y = 0. Da K ein diskreter Körper ist, ist x = 0 oder invertierbar.
Im Falle, daß x = 0 ist nichts mehr zu zeigen. Im Falle, daß x invertierbar ist, folgt
y = x−1 · x · y = x−1 · 0 = 0.
Beispiel 2.4.11. Die Menge Z der ganzen Zahlen bildet einen diskreten Integritätsbereich.
Aufgabe 2.4.12. Seien R und S zwei kommutative Ringe mit 0 6= 1. Zeige, daß R × S ein
kommutativer Ring ist, welcher kein Integritätsbereich ist.
29
2 Ringe
Integritätsbereiche sind deswegen von Interesse für uns, weil sie in kanonischer Weise
zu Körpern erweiterbar sind. Dies entspricht der Einführung der Brüche in der Schule,
deren Konstruktion wir für einen beliebigen Integritätsbereich R nachmachen wollen:
Ein Bruch ist bekanntlich durch ein Paar von Zähler und Nenner gegeben, wobei
der Nenner eine Zahl ungleich Null ist. Die Menge aller dieser Paare ist die Menge
X := R × (R \ {0}). Verschiedene Paare können denselben Bruch beschreiben, wir
wollen also gewisse Paare miteinander identifizieren (bei den aus der Schule bekannten
Brüchen zum Beispiel die Paare (2, 4) und (3, 6)). Dazu definieren wir eine Relation ∼
auf X durch
∀(p,q),(p0 ,q0 )∈X ((p, q) ∼ (p0 , q 0 ) ⇐⇒ p · q 0 = q · p0 ) .
Zum Beispiel ist (p, q) ∼ (up, uq) für alle u ∈ R \ {0}.
Es folgt sofort aus der Definition, daß diese Relation symmetrisch und reflexiv ist.
Sie ist außerdem transitiv, also eine Äquivalenzrelation, wie folgendermaßen eingesehen
werden kann: Seien (p, q), (p0 , q 0 ), (p00 , q 00 ) ∈ X mit (p, q) ∼ (p0 , q 0 ) und (p0 , q 0 ) ∼ (p00 , q 00 ),
also pq 0 = qp0 und p0 q 00 = q 0 p00 . Multiplizieren wir die erste Gleichung mit q 00 und die
zweite Gleichung mit q, so erhalten wir pq 0 q 00 = qp0 q 00 = qq 0 p00 , insbesondere also q 0 (pq 00 −
qp00 ) = 0. Jetzt nutzen wir aus, daß q 0 6= 0 und R ein Integritätsbereich ist: wir können
folgern, daß pq 00 − qp00 = 0, also daß (p, q) ∼ (p00 , q 00 ).
Wir schreiben die Äquivalenzklasse des Paares p, q bezüglich ∼ als Bruch
p
:= [(p, q)].
q
Es gilt genau dann
p
q
=
p0
,
q0
falls u, u0 ∈ R \ {0} mit
(up, uq) = (u0 p0 , u0 q 0 )
existieren (Warum ist das der Fall?). Diese Regel wollen wir die Kürzungsregel nennen.
Die Menge der Äquivalenzklassen (also X/∼) bezeichnen wir mit Quot(R). Die Menge
Quot(R) machen wir durch folgende Definitionen zu einem kommutativen Ring:
Die Addition zweier Brüche sei durch
pq 0 + qp0
p p0
+ 0 :=
q q
qq 0
gegeben. Wir müssen nachrechnen, daß die Addition wohldefiniert ist. Dazu ersetzen
mit u ∈ R \ {0}. Die rechte
wir auf der linken Seite die Bruchdarstellung pq durch up
uq
Seite wird zu
pq 0 +qp0
.
qq 0
upq 0 +uqp0
,
uqq 0
nach der Kürzungsregel ist dieser Bruch aber gleich dem Bruch
Genauso ist zu überprüfen, daß wir die zweite Bruchdarstellung auf der linken
Seite durch eine äquivalente ersetzen können.
Auf ähnliche Weise wird nachgerechnet, daß Multiplikation
p p0
p p0
· 0 := 0
q q
qq
wohldefiniert ist. Die Null sei der Bruch 01 . Die Eins sei der Bruch 11 .
Nachrechnen der Ringaxiome (Aufgabe!) liefert, daß mit diesen Definitionen Quot(R)
in der Tat ein kommutativer Ring ist.
30
2.5 Polynomringe
Aufgabe 2.4.13. Sei R ein Integritätsbereich. Zeige, daß die Abbildung
ι : R → Quot(R),
x 7→
x
1
ein injektiver Ringhomomorphismus ist.
Vermöge der Abbildung ι werden wir die Elemente aus R mit ihren Bildern unter ι
in Quot(R) identifizieren, das heißt, einen Bruch der Form p1 werden wir auch häufig
einfach p schreiben. (Auf ähnliche Weise werden schon in der Schule die ganzen Zahlen
mit gewissen rationalen Zahlen identifiziert.) Insbesondere schreiben wir die Null in
Quot(R) als 0 und die Eins als 1.
Aufgabe 2.4.14. Sei R ein Integritätsbereich. Zeige: Ist
p
q
∈ Quot(R), so gilt
p
= 0 ⇐⇒ p = 0.
q
Bemerkung 2.4.15. Es folgt, daß Quot R diskret ist, wenn R diskret ist.
Hilfssatz 2.4.16. Sei R ein Integritätsbereich. Dann ist Quot(R) ein Körper.
Beweis. Da 0 6= 1 in R, gilt auch 0 6= 1 in Quot(R).
Sei weiter pq ∈ Quot(R). Ist pq 6= 0, so gilt insbesondere q 6= 0. Damit ist
tives Inverses zu pq .
q
p
multiplika-
Definition 2.4.17. Sei R ein Integritätsbereich. Dann heißt Quot(R) der Quotientenkörper von R.
Beispiel 2.4.18. Der Quotientenkörper der ganzen Zahlen ist der Körper Q der rationalen
Zahlen.
Wir werden später weitere Integritätsbereiche kennenlernen, so daß die Konstruktion
des Quotientenkörpers viel allgemeiner als die Konstruktion von Q aus Z sein wird.
2.5 Polynomringe
Unser Repertoire an Ringen ist momentan noch sehr klein: Wir kennen den Nullring
und den Ring der ganzen Zahlen. Aus letzterem können wir den Körper der rationalen
Zahlen bilden. Außerdem können wir das Produkt R × S von Ringen betrachten, die wir
schon konstruiert haben.
In diesem Abschnitt werden wir ein weiteres wichtiges Konstruktionsprinzip für kommutative Ringe kennenlernen, der Übergang zum Polynomring, welcher eventuell schon
aus der Schule bekannt ist.
Sei R ein kommutativer Ring. Ein Polynom in x über R ist ein Ausdruck p der Form
an xn + an−1 xn−1 + · · · + a0
31
2 Ringe
mit ai ∈ R. Der Ausdruck
0 · xn+1 + an xn + an−1 xn−1 + · · · + a0
beschreibe dabei dasselbe Polynom. Das Ringelement ak , k ∈ N0 , im obigen Polynom
p heißt dabei der k-te Koeffizient von p. Dabei ist ak = 0 für k > n. Die Menge aller
Polynome in x über R wird mit
R[x]
bezeichnet.
Beispiel 2.5.1. Es ist
2x2 + 3x + 1
ein Polynom über Z. Die Folge seiner Koeffizienten ist durch 1, 3, 2, 0, . . . gegeben.
Formal ist ein Element aus R[x] durch die Folge seiner Koeffizienten gegeben, also
durch eine Funktion
a· : N0 → R, k 7→ ak ,
für die gilt, daß ein n ∈ N0 existiert, so daß ak = 0 für k > n. Die Menge R[x] kann
also als Teilmenge der Menge aller Funktionen N0 → R konstruiert werden. Die letzte
Bedingung formulieren wir auch so: Fast alle ak sind Null.
Beispiel 2.5.2. Sei R ein kommutativer Ring und a ∈ R ein Ringelement. Dann heißt
das Polynom a, also das Polynom dessen nullter Koeffizient a ist und dessen übrige
Koeffizienten verschwinden, das konstante Polynom a.
Wir machen R[x] folgendermaßen zu einem kommutativen Ring: Die Addition zweier
Polynome sei durch
(an xn + an−1 xn−1 + · · · + a0 ) + (a0n xn + a0n−1 xn−1 + · · · + a00 )
:= (an + an0 )xn + · · · + (a0 + a00 )
gegeben. (Wir können durch Auffüllen mit Nullmonomen 0·xk von links immer erreichen,
daß beide Polynome diese Gestalt haben.) Die Multiplikation definieren wir über die
Distributivität, Assoziativität und die Vorschrift, daß
0
0
xn · xn = xn+n .
Beispiel 2.5.3. In Z[x] ist
(2x2 + 1) · (x3 − 3x) = 2 · x2 · x3 − 6 · x2 · x + x3 − 3x = 2x5 − 6x3 + x3 − 3x = 2x5 − 5x3 − 3x.
Die Null ist das Nullpolynom 0 und die Eins das Einspolynom 1. Daß so in der Tat
ein kommutativer Ring definiert wird, das Nachrechnen der Ringaxiome also, ist eine
leichte Aufgabe.
Definition 2.5.4. Sei R ein kommutativer Ring. Dann heißt R[x] der Polynomring in
der Variablen x über R.
32
2.5 Polynomringe
Aufgabe 2.5.5. Sei R ein kommutativer Ring. Dann ist R[x] genau dann ein (diskreter)
Integritätsbereich, falls R ein (diskreter) Integritätsbereich ist.
Beispiel 2.5.6. Ist R ein Integritätsbereich, können wir also insbesondere den Körper
R(t) := Quot(R[t])
definieren. Dieser Körper heißt der Körper der rationalen Funktionen in der Variablen t
über R. Elemente dieses Körpers sind also Brüche der Form pq , wobei p und q Polynome
in t über R mit q 6= 0 sind.
Beispiel 2.5.7. Die Konstruktion des Polynomrings können wir iterieren. Ist R ein kommutativer Ring, so schreiben wir
R[x1 , . . . , xn ] := R[x1 ][x2 ] . . . [xn ].
Elemente im Polynomring R[x1 , . . . , xn ] in den Variablen x1 , . . . , xn sind also formale
Summen von formalen Produkten der xi mit Ringelementen aus R.
Um Homomorphismen aus Polynomringen besser verstehen zu können, benötigen wir
noch eine weitere Definition:
Definition 2.5.8. Sei R ein kommutativer Ring. Eine R-Algebra S ist ein Ring S zusammen mit einer Wirkung · : R × S → S von R auf S, welche folgende Axiome erfüllt:
1. Die Eins 1R aus dem Ring R wirkt trivial : ∀y∈S 1R · y = y.
2. Die Wirkung von R auf S erfüllt das Assoziativitätsgesetz : ∀x,x0 ∈R ∀y∈S x · (x0 · y) =
(x · x0 ) · y.
3. Die Wirkung von R auf S ist mit der Multiplikation von S verträglich: ∀x∈R ∀y,y0 ∈S x·
(y · y 0 ) = (x · y) · y 0 .
4. Die Wirkung von R auf S ist distributiv : ∀x,x0 ∈R ∀y∈S (x + x0 ) · y = x · y + x0 · y und
∀x∈R ∀y,y0 ∈S x · (y + y 0 ) = x · y + x · y 0 .
5. Die Wirkung von R auf S vertauscht mit der Multiplikation auf S:
∀x∈R ∀y,y0 ∈S y · (x · y 0 ) = x · (y · y 0 )
.
Bemerkung 2.5.9. Sei S eine Algebra über dem kommutativen Ring R. Dann wird durch
λ: R → S
x 7→ x · 1S
ein Homomorphismus von Ringen definiert, für den
∀x∈R,y∈S λ(x) · y = y · λ(x).
Umgekehrt definiert jeder Homomorphismus R → S von Ringen vermöge der Setzung
∀x∈R,y∈S x · y = λ(x) · y
die Struktur einer R-Algebra auf S.
33
2 Ringe
Ist x ∈ R und sprechen wir von dem Element x ∈ S, so meinen wir damit das Element
x · 1S .
Definition 2.5.10. Sei R ein kommutativer Ring. Seien S und S 0 zwei R-Algebren.
Ein Homomorphismus φ : S → S 0 von R-Algebren ist ein Ringhomomorphismus für den
zusätzlich gilt, daß
∀x∈R,y∈S φ(x · y) = x · φ(y).
Ein solcher Algebrenhomomorphismus heißt häufig auch nur Homomorphismus über
R.
Beispiel 2.5.11. Jeder kommutative Ring R ist in natürlicher Weise eine Algebra über
sich selbst: Die Wirkung · : R × R → R von R auf R sei einfach gleich der Multiplikationsabbildung.
Beispiel 2.5.12. Sei S ein beliebiger Ring. Wir erinnern daran, daß ein eindeutiger Ringhomomorphismus Z → S existiert, für den außerdem gilt, daß
∀n∈Z,y∈S n · y = y · n.
Damit können wir jeden Ring in natürlicher Weise als Z-Algebra auffassen. Insbesondere
können wir jede ganze Zahl n auch als Element in S auffassen.
Ist n die kleinste natürliche Zahl größer als Null, so daß n = 0 in S, sagen wir,
der Ring S habe Charakteristik n. Der Nullring hat Charakteristik 1, der Ring F2 aus
Aufgabe 2.3.7 hat Charakteristik 2.
Gilt für alle natürlichen Zahlen n größer als Null, daß n 6= 0 in S, sagen wir, daß der
Ring S habe Charakteristik 0. Der Ring Z der ganzen Zahlen hat Charakteristik 0.
Aufgabe 2.5.13. Sei R ein Ring. Zeige, daß R auf höchstens eine Weise zu einer kommutativen Q-Algebra werden kann.
Zeige, daß im Falle, daß R ein Schiefkörper ist, R genau dann Charakteristik Null hat,
wenn R die Struktur einer Q-Algebra erlaubt.
Beispiel 2.5.14. Sei R ein kommutativer Ring. Der Ringhomomorphismus R → R[x],
welcher jedes Element a ∈ R auf das konstante Polynom a ∈ R[x] abbildet, macht R[x]
in natürlicher Weise zu einer R-Algebra. Wenn nichts weiter dazu gesagt wird, fassen
wir in Zukunft einen Polynomring über R immer auf diese Art und Weise als R-Algebra
auf.
Polynome können wir auf Elemente anderer Ringe folgendermaßen abbilden:
Hilfssatz 2.5.15. Sei R ein kommutativer Ring. Sei S eine R-Algebra. Ist dann y ∈ S
irgendein Element, so existiert genau ein Homomorphismus
y ∗ : R[x] → S
von R-Algebren, welcher x auf y abbildet.
34
2.5 Polynomringe
Beweis. Sei y ∗ : R[x] → S der zu definierende Ringhomomorphismus. Ist dann p =
an xn + · · · + a0 ∈ R[x], muß aufgrund der Axiome für einen Algebrenhomomorphismus
offensichtlich
y ∗ (p) = an y ∗ (x)n + · · · + a1 y ∗ (x) + a0 = an y n + · · · + a1 y + a0
gelten. Es folgt, daß y ∗ auf genau eine Weise definiert werden kann, nämlich durch
Ersetzen von x durch y im Polynom und Anwenden der Rechenoperationen in S.
Bemerkung 2.5.16. Ist f ∈ R[x], so schreiben wir auch
f (y) := y ∗ (f ).
Wir nennen y ∗ einen Einsetzungshomomorphismus oder die Auswertung an der Stelle y.
Im Spezialfall S = R erhalten wir für ein festes Polynom f ∈ R[x] durch Variation
von a ∈ R eine Abbildung
f (·) : R → R, a 7→ f (a).
Diese Abbildung ist die f zugehörige Polynomfunktion.
Beispiel 2.5.17. Sei R ein kommutativer Ring und p ∈ R[x] ein Polynom in der Variablen
x. Dann ist p(y) ∈ R[y] das Polynom in y, welches dieselbe Koeffizientenfolge wie p hat.
Beispiel 2.5.18. Sei f = x2 + 4 ∈ Z[x]. Dann ist
f (3) = 32 + 4 = 9 + 4 = 13.
Bemerkung 2.5.19. Den Einsetzungshomomorphismus können wir auf Polynome in mehreren Variablen verallgemeinern: Ist f ∈ R[x1 , . . . , xn ] ein Polynom über dem kommutativen Ring und sind a1 , . . . , an Elemente in R, so ist f (a1 , . . . , an ) dasjenige Element in
R, welches wir erhalten, wenn wir die xi in R durch die ai ersetzen, also
f (a1 , . . . , an ) = f (an )(an−1 ) · · · (a1 )
unter der Beziehung R[x1 , . . . , xn ] = R[x1 ] · · · [xn ].
Aufgabe 2.5.20. Sei φ : R[x] → S ein Homomorphismus von R-Algebren. Zeige, daß
genau ein y ∈ S mit φ = y ∗ existiert.
(Tip: Es ist y = φ(x).)
Bemerkung 2.5.21. Die Angabe eines Homomorphismus R[x] → S von R-Algebren ist
also äquivalent zur Angabe eines Elementes in S, nämlich des Bildes von x.
Diese Tatsache können wir auf Polynomringe in mehreren Variablen verallgemeinern:
Ist φ : R[x1 , . . . , xn ] → S ein Homomorphismus von R-Algebren, so ist dieser schon durch
die Angabe der Bilder der xi unter φ festgelegt. Sind umgekehrt y 1 , . . . , y n Elemente in
S, so existiert genau ein Homomorphismus
y ∗ : R[x1 , . . . , xn ] → S,
welcher xi auf yi für i ∈ {1, . . . , n} schickt.
35
2 Ringe
Definition 2.5.22. Sei p ∈ R[x] ein Polynom über einem kommutativen Ring R. Ein
Element a ∈ R heißt Nullstelle von p, falls p(a) = 0.
Beispiel 2.5.23. Das Polynom x2 − 4 über Z hat zwei Nullstellen, nämlich 2 und −2.
Das Polynom x2 + 4 über Z hat gar keine Nullstelle.
Satz 2.5.24. Sei p ∈ R[x] ein Polynom über dem kommutativen Ring R. Ist dann a ∈ R
eine Nullstelle von p, so existiert ein Polynom q ∈ R[x] mit
p = (x − a) · q.
Beweis. Das Polynom p(x+a) hat 0 als Nullstelle. Es folgt, daß der konstante Koeffizient
von p(x+a) gleich Null sein muß, daß wir also p(x+a) = x·r(x) für ein weiteres Polynom
r schreiben können. Setzen wir x − a für x ein, erhalten wir p(x) = (x − a) · r(x − a).
Wir können also q = r(x − a) setzen.
Aufgabe 2.5.25. Es gibt kommutative Ringe R und Polynome f, g ∈ R[x] mit f 6= g, so
daß die zugehörigen Polynomfunktionen f (·) und g(·) übereinstimmen.
(Tip: R = F2 , f = x2 + x.)
Wir müssen also immer zwischen einem Polynom und der zugehörigen Polynomfunktion unterscheiden!
Aufgabe 2.5.26. Sei R ein diskreter Integritätsbereich. Der Grad1 deg f eines Polynoms
f ∈ R[x] ist durch folgende Setzungen eindeutig definiert:
deg(an xn + · · · + a0 ) := n
falls an 6= 0 und
deg 0 = ∞.
Zeige, daß unter der Konvention, daß ∞ + n = ∞ = n + ∞ für alle natürlichen Zahlen
n, folgt, daß
∀f,g∈R[x] deg(f · g) = deg f + deg g.
(Wo wird gebraucht, daß R ein diskreter Integritätsbereich ist?)
Aufgabe 2.5.27. Sei p ∈ R[x] ein Polynom über einem diskreten Integritätsbereich R.
Zeige, daß p höchstens deg p Nullstellen hat.
(Tip: Satz 2.5.24.)
1
Wir ordnen dem Nullpolynom den Grad ∞ zu. Einige Mathematiker ordnen dem Nullpolynom auch
den Grad −∞ zu.
36
2.6 Ideale
2.6 Ideale
Schließlich kommen wir zum vorerst letzten Prinzip, Ringe zu konstruieren. Dazu benötigen wir zunächst eine Definition für spezielle Teilmengen von Ringen:
Definition 2.6.1. Sei R ein Ring. Eine Teilmenge I von R heißt (beidseitiges) Ideal von
R, falls sie folgende Eigenschaften erfüllt:
1. Die Teilmenge enthält die Null: 0 ∈ I.
2. Die Teilmenge ist abgeschlossen bezüglich der Addition: ∀x,y∈I x + y ∈ I.
3. Die Teilmenge ist abgeschlossen bezüglich Multiplikation mit beliebigen Ringelementen: ∀x∈I,a∈R (a x ∈ I ∧ x a ∈ I).
Die folgende Aufgabe liefert ein gutes Kriterium, um nachzurechnen, ob eine Teilmenge
eines kommutativen Ringes ein Ideal ist:
Aufgabe 2.6.2. Seien R ein kommutativer Ring und I eine Teilmenge von R. Dann ist I
genau dann ein Ideal von R, falls
∃x x ∈ I
und
∀a∈R ∀x,y∈I ax + y ∈ I.
Beispiel 2.6.3. Die Menge 2Z der geraden ganzen Zahlen bildet ein Ideal in Z. Für die
Menge der ungeraden ganzen Zahlen gilt dies jedoch nicht, da ein ganzzahliges Vielfaches
einer ungeraden ganzen Zahl im allgemeinen nicht mehr ungerade ist.
Beispiel 2.6.4. Sei R ein Ring. Dann ist die Teilmenge {0} ein Ideal von R, das Nullideal
von R.
Beispiel 2.6.5. Sei R ein Ring. Dann ist der gesamte Ring R ein Ideal in R, das Einsideal
von R.
Ist I ein Ideal von R, welches eine Einheit x von R enthält, so folgt für alle a ∈ R,
daß
a = (a · x−1 ) · x ∈ I.
Damit ist schon I = R, es ist I also das Einsideal von R. Insbesondere ist ein Ideal das
Einsideal, wenn 1 ∈ I.
Beispiel 2.6.6. Sei R ein kommutativer Ring. Sei x ∈ R ein Ringelement. Dann heißt
(x) := {a · x | a ∈ R},
also die Teilmenge aller Vielfachen von x, das von x erzeugte Hauptideal.
Die Teilmenge x ist in der Tat ein Ideal von R. Jedes Ideal dieser Form heißt allgemein
Hauptideal.
Das Einsideal eines kommutativen Ringes ist das Hauptideal (1), das Nullideal das
Hauptideal (0).
Die Teilmenge der geraden ganzen Zahlen ist das Hauptideal (2) in Z.
37
2 Ringe
Aufgabe 2.6.7. Sei R ein kommutativer Ring.
1. Ein Element x ∈ R ist genau dann invertierbar, falls (x) = (1).
2. Sei R ein diskreter kommutativer Ring. Dann ist R genau dann ein Körper, wenn
er genau zwei Hauptideale hat, nämlich das Null- und das Einsideal.
Beispiel 2.6.8. Wir können den Begriff des Hauptideals auch auf mehr als nur einen
Erzeuger ausweiten: Seien x1 , . . . , xn Elemente aus einem kommutativen Ring R. Dann
ist
(x1 , . . . , xn ) := {a1 · b1 + . . . + an · xn | ai ∈ R}
ein Ideal in R, das von den x1 , . . . , xn erzeugte Ideal.
Ein Ideal aus R, welches von dieser Form ist, heißt endlich erzeugt.
Gegeben ein Ring R und ein Ideal I, können wir in R eine Relation ≡I einführen, die
dadurch gegeben ist, daß
∀x,y∈R (x ≡I y ⇐⇒ x − y ∈ I) .
Zwei Elemente stehen also genau dann in Relation ≡I , wenn ihre Differenz aus I enthalten ist. Aus der Tatsache, daß 0 ∈ I folgt, daß die Relation reflexiv ist. Da I unter
Negation abgeschlossen ist, ist die Relation symmetrisch. Aus der Abgeschlossenheit von
I unter der Addition folgt schließlich, daß die Relation auch transitiv ist. Es ist ≡I also
eine Äquivalenzrelation auf R.
Mit
R/I := R/≡I
bezeichnen wir die Äquivalenzklassen von ≡I . Die Äquivalenzklasse von x ∈ R bezeichnen wir mit [x]I , oder einfacher mit [x].
Beispiel 2.6.9. Die Menge Z/(2) enthält genau zwei Elemente: Dem Element [0] entspricht die Menge der geraden ganzen Zahlen, dem anderen [1] die Menge der ungeraden
ganzen Zahlen.
Wir können R/I wie folgt zu einem Ring machen: Seien x, y ∈ R zwei Elemente. Dann
definieren wir die Addition ihrer Restklassen durch
[x] + [y] := [x + y].
Die Multiplikation ist durch
[x] [y] = [x y]
gegeben. Schließlich ist die Null [0] und die Eins [1].
Die Wohldefiniertheit der Operationen folgt aus den Idealaxiomen. Für die Multiplikation rechnen wir sie exemplarisch teilweise nach: Sei d ∈ I. Wir wollen zeigen, daß
[(x + d) · y] = [x · y], daß also
(x + d) · y − x · y = d · y ∈ I.
38
2.6 Ideale
Dies folgt aber aus der Abgeschlossenheit von I unter Multiplikation mit beliebigen
Ringelementen (hier y).
Daß R/I mit den so definierten Operationen die Ringaxiome erfüllt, folgt unmittelbar
aus der Tatsache, daß R die Ringaxiome erfüllt.
Definition 2.6.10. Seien R ein Ring und I ein Ideal in R. Dann heißt R/I der Faktorring
von R nach I.
Nach Definition ist die natürliche Abbildung
π : R → R/I,
x 7→ [x]
ein Ringhomomorphismus. (Genau genommen ist die gewählte Ringstruktur auf R/I die
einzige, bezüglich der π ein Ringhomomorphismus ist.) Dieser Ringhomomorphismus
macht R/I in natürlicher Weise zu einer R-Algebra, falls R ein kommutativer Ring
ist. Ist der kommutative Ring R selbst eine A-Algebra, so wird R/I ebenfalls zu einer
A-Algebra.
Beispiel 2.6.11. Sei R ein Ring. Dann ist R/(1) der Nullring.
Wenn wir in Zukunft in Ringen der Form R/I rechnen, schreiben wir häufig ein Element [x]I mit x ∈ R einfach als x, das heißt wir unterscheiden ein Element aus R und
sein Bild unter π : R → R/I nicht in der Notation. Da π ein Ringhomomorphismus ist,
gelten alle Rechnungen in R auch in R/I. Zusatzlich haben wir in R/I weitere Rechenregeln: Es gilt x = 0 in R/I, falls x ∈ I. (Im Hauptsatz des letzten Satzes haben wir x
als Element in R/I aufgefaßt, im Nebensatz als Element aus R.) Aus dieser Regel folgt
x = x0 in R/I, falls x − x0 ∈ I, denn x = x0 ⇐⇒ x − x0 = 0.
Beispiel 2.6.12. Sei R ein kommutativer Ring. Sei n ∈ N0 . Im Ring A := R[x]/(xn+1 )
ist das Element 1 − x invertierbar, und zwar gilt in A, daß:
(1 − x)−1 = 1 + x + · · · + xn ,
denn
(1 + x + · · · + xn ) (1 − x) = (1 + x + · · · + xn ) − (x + x2 + · · · + xn+1 ) = 1 − xn+1 = 1
in A.
Bemerkung 2.6.13. Seien R und S zwei Ringe, und sei I ein Ideal in R. Wir betrachten
Ringhomomorphismen ψ : R/I → S. Verknüpfen wir einen solchen Ringhomorphismus
mit der natürlichen Surjektion π : R → R/I, so erhalten wir einen Ringhomomorphismus
φ := ψ ◦ π : R → S. Umgekehrt können wir ψ aus φ zurückgewinnen, denn es gilt
ψ : R/I → S,
[x] 7→ φ(x).
Aufgrund der Forderung nach Wohldefiniertheit ist ψ aber nicht beliebig. Sind x, x0 ∈ R
mit x ≡I x0 , also x − x0 ∈ I, so muß φ(x) = φ(x0 ) gelten. Das ist gleichbedeutend mit
der Tatsache, daß phi(d) = 0 für alle Elemente d ∈ I.
39
2 Ringe
Wir erhalten also eine umkehrbare Beziehung zwischen den Ringhomomorphismen
R → S, welche die Elemente aus I auf Null abbilden, und den Ringhomomorphismen
von R/I → S. Wir können dies auch so ausdrücken: Ein Ringhomomorphismus R/I → S
ist ein solcher Ringhomomorphismus R → S, welcher die zusätzlichen Rechenregeln in
R/I, nämlich d = 0 für alle d ∈ I, erfüllt.
Aufgabe 2.6.14. Seien R und S zwei Ringe und sei I das von den Elementen x1 , . . . , xn ∈
R erzeugte Ideal in R. Zeige, daß eine im Sinne der Bemerkung umkehrbare Beziehung
zwischen den Ringhomomorphismen R → S, welche die xi auf Null abbilden, und den
Ringhomomorphismen R/I → S existiert.
Aufgabe 2.6.15. Seien R ein Ring und S eine R-Algebra. Seien f 1 , . . . , f m ∈ R[x1 , . . . , xn ]
Polynome in n Variablen über R. Zeige, daß jede Familie y 1 , . . . , y n von Elementen in S
mit
f 1 (y 1 , . . . , y n ) = · · · = f m (y 1 , . . . , y n ) = 0
in natürlicher Weise einen Homomorphismus
y ∗ : R[x1 , . . . , xn ]/(f 1 , . . . , f m ) → S
von R-Algebren definiert un daß umgekehrt jeder Homomorphismus
R[x1 , . . . , xn ]/(f 1 , . . . , f m ) → S
von R-Algebren von der Form y ∗ ist.
(Tip: Setze xi 7→ y i und wende Aufgabe 2.6.14 an.)
Aufgabe 2.6.16. Seien R ein Integritätsbereich und a ∈ R \ {0}. Nach Aufgabe 2.6.15
existiert genau ein Homomorphismus
R[a−1 ] := R[x]/(ax − 1) → Quot(R)
von R-Algebren, welcher x auf a1 schickt.
Zeige, daß dieser Homomorphismus injektiv ist und daß sein Bild durch
np
o
A :=
∈ Quot(R) | p ∈ R, n ∈ N0
an
gegeben ist.
(Tip zur Injektivität: Für alle b0 , . . . , bn ∈ R gilt die Gleichheit
n
X
k=0
in R[x].)
40
bk xk = (1 − ax) ·
n−1
k
X
X
k=0
l=0
!
bl ak−l
xk +
n
X
k=0
!
bk an−k
xn
2.7 Hauptidealringe
2.7 Hauptidealringe
In der Linearen Algebra sind neben Körpern Ringe die der folgenden Klasse angehören
am wichtigsten:
Definition 2.7.1. Ein diskreter Integritätsbereich R heißt Bézoutscher Bereich, falls
jedes seiner endlich erzeugten Ideale ein Hauptideal ist.
Ein Bézoutscher Bereich R, für den gilt, daß für jede aufsteigende Folge
(x0 ) ⊂ (x1 ) ⊂ (x2 ) ⊂ . . .
von Hauptidealen in R ein n ∈ N0 mit (xn ) = (xn+1 ) existiert, heißt Hauptidealring.
Bemerkung 2.7.2. Ist R ein Bézoutscher Bereich, so existiert für jede endliche Menge
x1 , . . . , xn ∈ R von Elementen insbesondere ein d ∈ R mit (d) = (x1 , . . . , xn ). Ein solches
d heißt ein größter gemeinsamer Teiler der x1 , . . . , xn .
Beispiel 2.7.3. Jeder diskrete Körper ist ein Hauptidealring.
Um nachzuweisen, daß ein Integritätsbereich ein Hauptidealring ist, ist folgende stärkere Eigenschaft von Interesse: Ein Integritätsbereich R heißt euklidischer Ring, falls er
eine Norm
|·| : R → N0 ∪ {∞}
besitzt, welche folgende Eigenschaften hat:
1. |0| = ∞.
2. ∀a,b∈R |a · b| ≥ |b|.
3. Der Ring R erlaubt Division mit Rest:
∀a,b∈R ∃q,r∈R (a = q · b + r ∧ (|r| < |b| ∨ r = 0)) .
Bemerkung 2.7.4. Ist R ein euklidischer Ring mit der Norm |·|, so folgt sogar, daß
∀x∈R (x = 0 ⇐⇒ |x| = ∞) .
Um das zu sehen, schreiben wir x = 0 · q + r mit |r| < |b| ∨ r = 0. Es muß offensichtlich
r = x gelten, also |x| < ∞ ∨ x = 0. Damit ist jeder euklidische Ring diskret, denn
wir können anhand der Norm feststellen, ob die Differenz zweier Elemente Null ist oder
nicht.
Beispiel 2.7.5. Der Ring Z der ganzen Zahlen ist mit


n
|·| : Z → N0 ∪ {∞}, n 7→ −n


∞
der Norm
für n > 0,
für n < 0 und
für n = 0
ein euklidischer Ring.
41
2 Ringe
Beispiel 2.7.6. Auch im Polynomring über einem diskreten Körper K können wir Division mit Rest bezüglich des Grades als Norm durchführen. Es folgt, daß K[x] ein
euklidischer Ring ist, wenn wir als Norm den Grad wählen.
Aufgabe 2.7.7. Definiere auf der Menge Z[i] := Z × Z die Struktur eines kommutativen
Ringes, so daß die Addition durch
(x, y) + (x0 , y 0 ) = (x + x0 , y + y 0 ),
und die Multiplikation durch
(x, y) · (x0 , y 0 ) = (x · x0 − y · y 0 , x · y 0 + x0 · y)
für (x, y), (x0 , y 0 ) ∈ Z[i] gegeben ist.
Zeige, daß dieser Ring ein euklidischer Ring ist.
(Tip: Für (x, y) 6= 0 setze |(x, y)| := a2 + b2 .)
Hilfssatz 2.7.8. Ein euklidischer Ring R ist ein Hauptidealring.
Beweis. Sei I = (x1 , . . . , xn ) ein endlich erzeugtes Ideal von R. Wir müssen zeigen, daß
ein d ∈ R mit I = (d) existiert. Es reicht, den Fall zu beweisen, daß I von zwei Elementen
erzeugt ist, etwa I = (x, y). Wir können weiter davon ausgehen, daß x 6= 0 und y 6= 0.
Sei ohne Einschränkung |x| ≥ |y|. Ist x ∈ (y) sind wir fertig, dann ist nämlich I = (y).
Ansonsten werden wir zeigen, daß x0 , y 0 ∈ R mit I = (x0 , y 0 ) und |x0 | , |y 0 | < |x| existieren.
Dann wiederholen wir den Prozeß mit x0 und y 0 anstelle von x und y. Dieser Prozeß muß
irgendwann zu einem Abschluß kommen, weil die kleinste Norm 0 ist.
Zur Konstruktion von x0 , y 0 : Wir schreiben x = q · y + y 0 für q, y 0 ∈ R. Da wir den
Fall x ∈ (y) schon behandelt haben, können wir davon ausgehen, daß y 0 6= 0. Damit ist
|y 0 | < |y|. Wir setzen x0 := y und erhalten I = (x, y) = (x0 , y 0 ). Damit wissen wir, daß R
zumindest ein Bézoutscher Bereich ist.
Sei weiter
(x0 ) ⊂ (x1 ) ⊂ (x2 ) ⊂ . . .
eine Folge von Hauptidealen in R. Es folgt, daß a0 , a1 , a2 , . . . ∈ R mit xi = ai · xi+1
existieren. Damit ist |x0 | ≥ |x1 | ≥ |x2 | ≥ · · ·. Es folgt, daß ein n ∈ N0 mit |xi | = |xi+1 |
existiert.
Wir schreiben
xi+1 = q · xi + r = q · ai · xi+1 + r
mit q ∈ R und r = 0 oder |r| < |xi |. Es folgt, daß
|r| = |(1 − q · a) · xi+1 | ≥ |xi+1 | = |xi | .
Damit muß also r = 0, also (xi ) = (xi+1 ) gelten.
Beispiel 2.7.9. Der Ring Z der ganzen Zahlen ist ein Hauptidealring. Die endlich erzeugten Ideale von Z sind
(0), (1), (2), (3), . . . .
42
2.7 Hauptidealringe
Aufgabe 2.7.10. Bestimme ein d ∈ Z mit (d) = (492, 396).
Beispiel 2.7.11. Sei K ein diskreter Körper. Dann ist der Polynomring K[t] ein diskreter
Hauptidealring.
Aufgabe 2.7.12. Bestimme einen größten gemeinsamen Teiler der Polynome x3 + 1 und
x6 + x5 + x4 + x3 in F2 [x].
Aufgabe 2.7.13. Zeige, daß Z[x] kein Bézoutscher Bereich ist.
(Tip: Betrachte das Ideal (x, 2).)
Faktorringe von Hauptidealringen R nach endlich erzeugten Idealen sind also alle von
der Form R/(a) mit a ∈ R. Je nach a sind dieser von unterschiedlicher Gestalt. Für uns
sind unzerlegbare a von Interesse:
Definition 2.7.14. Sei R ein Ring. Ein Element a ∈ R heißt unzerlegbar, falls
a∈
/ R× ∧ ∀u,v∈R a = u · v =⇒ (u ∈ R× ∨ v ∈ R× ) .
Beispiel 2.7.15. Die unzerlegbaren Elemente im Ring Z der ganzen Zahlen sind die
Primzahlen 2, 3, 5, . . . und ihre Negationen −2, −3, −5, . . ..
Hilfssatz 2.7.16. Sei R ein Hauptidealring. Für ein a ∈ R \ {0} gilt dann: Ist das
Element a unzerlegbar, so ist der Faktorring R/(a) ein Körper. Ist umgekehrt R/(a) ein
diskreter Körper, so ist a unzerlegbar.
Beweis. Sei a unzerlegbar. Dann ist a keine Einheit, also (a) 6= (1), also R/(a) nicht der
Nullring. Um zu zeigen, daß R/(a) ein Körper ist, bleibt zu zeigen, daß [x] mit x ∈
/ (a)
ein Inverses in R/(a) besitzt. Dazu betrachten wir I := (a, x). Es ist I ein Ideal von R,
also I = (d) für ein d ∈ R. Aus a ∈ I folgt, daß a = u · d für ein u ∈ R. Da a unzerlegbar
ist, ist u eine Einheit oder d eine Einheit. Wegen x ∈ I existiert außerdem ein v ∈ R
mit x = v · d.
Ist u ein Einheit, so ist x = v · d = v · u−1 · a, ein Widerspruch zu x ∈
/ (a). Damit muß
d ein Einheit sein. Also ist I = (1). Damit existieren r, s ∈ R mit 1 = r · a + s · x, also
s · x = 1 − r · a.
Es folgt, daß [s] ein Inverses zu [x] ist.
Sei umgekehrt R/(a) ein diskreter Körper, insbesondere also nicht der Nullring. Damit
ist a keine Einheit. Sei a = u · v. Wir müssen zeigen, daß u oder v eine Einheit ist. Ist
[u] 6= 0, also u ∈ (a), so existiert ein r ∈ R mit u = r·s = r·u·v. Da R als Hauptidealring
ein Integritätsbereich ist, folgt, daß r · v = 1, daß also v eine Einheit ist.
Anderfalls ist [u] = 0, also u ∈
/ (a). Damit besitzt [u] ein Inverses in R/(a), etwa
[s] ∈ R/(a). Damit existiert ein t ∈ R mit 1 = s · u + t · a = (s + t · v) · u. Es folgt, daß
u invertierbar ist.
Bemerkung 2.7.17. Ist R ein euklidischer Ring und a ∈ R\{0} ein unzerlegbares Element,
so ist R/(a) ein diskreter Körper: Wir müssen uns dazu überlegen, warum die Tatsache,
daß [u] = 0 in R/(a), also u ∈ (a) für ein u ∈ R entscheidbar ist. Dazu führen wir
Division mit Rest durch: u = q · a + r. Im Falle von r = 0 ist u ∈ (a). Andernfalls haben
wir |r| < |a|, woraus folgt, daß u kein Vielfaches von a sein kann, also u ∈
/ (a).
43
2 Ringe
Beispiel 2.7.18. Sei p ∈ N ein Primzahl. Dann heißt
Fp := Z/(p)
der Körper mit p Elementen. In der Tat hat Fp genau p Elemente, nämlich [0], [1], . . . , [p−
1]. Nach dem Hilfssatz ist Fp außerdem ein Körper.
Aufgabe 2.7.19. Sei R ein Hauptidealring. Sei a ∈ R\{0} zerlegbar, das heißt, es existieren
u, v ∈ R mit a = u · v, so daß weder u noch v eine Einheit ist.
Zeige, daß R/(a) kein Integritätsbereich ist.
(Tip: Betrachte [u] und [v].)
Über dem Körper Q der rationalen Zahlen betrachten wir das Polynom x2 − 2. Wir
fragen, ob dieses Polynom eine Nullstelle in Q besitzt, das heißt, ob eine rationale Zahl
t ∈ Q mit t2 − 2 = 0 existiert. Angenommen, das ist der Fall. Dann ist t = pq mit p, q ∈ Z
und q 6= 0. Es folgt, daß
p2
q2
= 2, also
p2 = 2q 2 .
Diese Gleichung kann in den ganzen Zahlen aber keine Lösung haben, wie an der Primfaktorzerlegung beider Seiten zu sehen: Auf der linken Seite muß der Primfaktor 2 mit
einem geraden Exponenten auftauchen,
√ auf der rechten Seite mit einem ungeraden. (Dies
ist der Beweis der Irrationalität von 2.)
Wir können uns fragen, ob wir Q zu einem Körper erweitern können, der eine Lösung
von x2 − 2 = 0 besitzt, in dem also eine Quadratwurzel von 2 existiert. Eine solche
Erweiterung wird durch folgendes Beispiel geliefert:
Beispiel 2.7.20. Seien K ein diskreter Körper und p ∈ K[x] ein unzerlegbares Polynom.
Dann ist L := K[x]/(p) ein diskreter Körper und
K → L,
t 7→ [t]
eine injektiver Ringhomomorphismus. Wir können den Körper L also als eine Erweiterung von K auffassen. In diesem Sinne werden wir die Elemente von K mit ihren Bildern
in K[x]/(p) identifizieren. Insbesondere können wir p(y) ∈ K[y] auch als ein Element in
L[y] auffassen.
Es hat p(y) in L eine Nullstelle, nämlich x, denn p(x) = 0 in L.
Ist √
p von der Form p = xn −√t mit t ∈ K, so schreiben wir für das Bild von x in L
auch n t und√für L einfach K( n t).
Es ist K( n t) also eine Körpererweiterung von K, in der t eine n-te Wurzel besitzt.
Aufgabe 2.7.21. Seien K ein diskreter Körper und d ∈ K. Es sei d kein Quadrat in K.
Zeige, daß das Polynom x2 − d in K[x] unzerlegbar ist.
Zeige weiter, daß
√
√
K × K → K( 2), (x, y) 7→ x + y · 2
eine Bijektion ist.
44
2.7 Hauptidealringe
√
√
√
Aufgabe 2.7.22. Schreibe (1 − 2 2)−1 ∈ Q( 2) in der Form a + b 2 mit a, b ∈ Q.
Damit sind wir am Ende dieses Kapitels angekommen.
Wir haben eine Reihe von
√
verschiedenen Körpern kennengelernt, z.B. Q, Fp , Q( 2), Fp (t), . . ., über denen wir die
Lineare Algebra in den folgenden Kapiteln anwenden können.
Bemerkung 2.7.23. Wir erinnern außerdem an den inzwischen aus der Analysis bekannten Körper“ R. Wir haben Körper deswegen in Anführungszeichen gesetzt, weil für den
”
kommutativen Ring der reellen Zahlen nur gilt, daß
∀x∈R x ∈
/ R× =⇒ x = 0 .
Einen kommutativen Ring, welcher dieses Axiom zusätzlich erfüllt, wollen wir Restklassenkörper nennen. Für einen Ring, für den für jedes Element entscheidbar ist, ob es eine
Einheit ist oder nicht, fallen die Begriffe Restklassenkörper und Körper zusammen. Im
Falle von R können wir diese Voraussetzung allerdings nicht machen.
45
2 Ringe
46
3 Lineare Gleichungssysteme
3.1 Lineare Gleichungssysteme und Matrizen
Stellen wir uns vor, wir möchten eine Lösung von 500 g 40-prozentigen Alkohols herstellen. Zur Verfügung haben wir Lösungen von 20-prozentigen und 80-prozentigen Alkohol.
Wir fragen uns, welche Mengen dieser Lösungen wir mischen müssen, um die gewünschte
Menge der gewünschten Lösung zu erhalten. Sei etwa x die benötigte Menge in Gramm
der 20-prozentigen Lösung und y die benötigte Menge in Gramm der 40-prozentigen
Lösung. Wir erhalten folgende Gleichungen:
x+y
= 500
20 · x + 80 · y = 40 · 500 = 20000.
Im folgenden wollen Gleichungssysteme dieser Art untersuchen, welche wir lineare
Gleichungssysteme nennen werden. Insbesondere werden wir die Struktur der Lösungsmengen und die Verfahren zur Lösung dieser Gleichungssysteme angeben.
Aufgabe 3.1.1. Nehmen wir an, wir haben Lösungen von p-prozentigen und q-prozentigen
Alkohols. Daraus wollen wir eine Mischung von d Gramm z-prozentigen Alkohols herstellen, wobei p ≤ z ≤ q. Berechne, wieviel Gramm des p-prozentigen mit wieviel Gramm
des q-prozentigen Alkohols zusammengemischt werden muß.
Sei R ein kommutativer Ring. Unter einem linearen Gleichungssystem L in den Variablen x1 , . . . , xm über R verstehen wir ein Gleichungssystem der Form
A11 · x1 + A12 · x2 · · ·
A21 · x1 + A22 · x2 · · ·
..
.
An1 · x1 + An2 · x2 · · ·
+ A1m · xm = c1
+ A2m · xm = c2
..
..
.
.
+ Anm · xm = cn
mit A11 , . . . , Anm ∈ R und c1 , . . . , cn ∈ R.
Eine Lösung dieses Gleichungssystems ist dann durch Elemente b1 , . . . , bn ∈ R gegeben, so daß die Gleichungen erfüllt werden, wenn wir bi für xi setzen.
Aufgabe 3.1.2. Sei R ein diskreter Integritätsbereich. Seien p0 , . . . , pn , q0 , . . . , qn ∈ R.
Zeige, daß die Menge aller Polynome f ∈ R[x] vom Grad n mit f (pi ) = qi für i ∈
{0, . . . , n} durch die Lösungen eines linearen Gleichungssystems gegeben sind.
Zeige, daß dieses Gleichungssystem im Falle, daß R ein Körper ist und daß pi 6= pj für
i 6= j, eindeutig lösbar ist.
47
3 Lineare Gleichungssysteme
Zunächst entwickeln wir einen Formalismus, mit dem wir diese linearen Gleichungssysteme in etwas kompakterer Form schreiben können. Dazu stellen wir zunächst fest, daß
das Gleichungssystem L durch die n · m Elemente A11 , . . . , Anm ∈ R und die n Elemente
c1 , . . . , cn festgelegt ist. Die ersten n · m Elemente fassen wir folgendermaßen zusammen:
Definition 3.1.3. Sei R ein kommutativer Ring. Seien n, m ∈ N0 . Eine Matrix A über
R mit n Zeilen und m Spalten oder eine (n × m)-Matrix über R ist ein Schema der Form


A11 A12 · · · A1m
 A2 A2 · · · A2 
2
m
 1
 ..
.. . .
.. 
 .
.
.
. 
n
n
A1 A2 · · · Anm
mit A11 , . . . , Anm ∈ R. Die Matrix A kürzen wir auch häufig mit (Aij ) ab.
n
Die Menge der Matrizen über R mit n Zeilen und m Spalten bezeichnen wir mit Rm
.
Matrizen mit genau einer Spalte heißen Spaltenvektoren, Matrizen mit genau einer
Zeile heißen Zeilenvektoren. Wir schreiben
Rn := R1n
1
und Rm := Rm
für die Menge der Spaltenvektoren mit n Zeilen, beziehungsweise für die Menge der
Zeilenvektoren mit m Spalten.
n
Beispiel 3.1.4. Sei A = (Aij ) ∈ Rm
eine Matrix. Dann heißt

A11 · · ·

A> :=  ...
A1m · · ·

An1
..  ∈ Rm
. 
n
Anm
die Transponierte von A. Diese entsteht also aus A durch Spiegelung an der Diagonalen
(von oben links nach unten rechts).
Um Platz zu sparen, können wir einen Spaltenvektor der Form
 
a1
 a2 
 
 ..  ,
.
an
wobei die ai irgendwelche Elemente in einem kommutativen Ring R sind, also auch als
a1 · · ·
schreiben.
48
an
>
3.1 Lineare Gleichungssysteme und Matrizen
Beispiel 3.1.5. Sei R ein kommutativer Ring.

0 ···
 .. . .
.
.
0 ···
Dann heißen die Matrizen

0
.. 
.
0
mit n Zeilen und m Spalten Nullmatrizen. Speziell werden wir auch von Nullvektoren
sprechen. Wenn aus dem Zusammenhang die Zeilen- und Spaltenanzahlen klar sind,
schreiben wir einfach 0 für die Nullmatrizen.
Beispiel 3.1.6. Sei R ein kommutativer Ring. Seien n, m ∈ N0 . Über dem Polynomring
A := R[x11 , . . . , xnm ] in n · m Variablen gibt es eine natürliche Matrix mit n Zeilen und m
Spalten, nämlich nämlich


x11 · · · x1m


x :=  ... . . . ...  .
xn1 · · ·
xnm
Diese Matrix heißt auch die universelle Matrix mit n Zeilen und m Spalten über R.
Wir weisen auf den Spezialfall m = 1 hin: Über dem Polynomring A := R[x1 , . . . , xn ]
gibt es den natürlichen Spaltenvektor
>
x := x1 · · · xn .
Beispiel 3.1.7. Sei R ein kommutativer Ring. Dann heißt für i ∈ {1, . . . , n} der Spaltenvektor
 
0
 .. 
.
 
0
 
ei := 1 ∈ Rn ,
 
0
.
 .. 
0
wobei die 1 in der i-ten Zeile steht, der i-te Einheitsvektor. Wir setzen außerdem
ei := e>
i .
n
Beispiel 3.1.8. Seien R ein kommutativer Ring und A = (Aij ) ∈ Rm
eine Matrix. Für
jede Zeile i0 ∈ {1, . . . , n} erhalten wir einen Zeilenvektor
Ai0 := (Aij0 )j = Ai10 · · · Ain0 ,
und für jede Spalte j0 ∈ {1, . . . , m} erhalten wir einen Spaltenvektor
>
Aj0 := (Aij0 )i = A1j0 · · · Anj0 .
Diese Vektoren nennen wir die i0 -te Zeile und die j0 -te Spalte der Matrix A.
49
3 Lineare Gleichungssysteme
Dies können wir verallgemeinern: Seien I := {i1 < . . . < ip } eine endliche Teilmenge
von {1, . . . , n} und J := {j1 < . . . < jq } eine endliche Teilmenge von {1, . . . , m}. Dann
heißt
 i1

Aj1 · · · Aij1q
 .
.. 
p
AIJ :=  ..
.  ∈ Rq
i
Ajp1 · · ·
i
Ajpq
eine Untermatrix von A. Für den Fall, daß I := {1, . . . , i0 − 1, i0 + 1, . . . , n} und J :=
{1, . . . , j0 − 1, j0 + 1, . . . , m} schreiben wir auch
Aıbb00 := AIJ .
Beispiel 3.1.9. Indem wir Zeilen und Spalten einer Matrix permutieren, erhalten wir
n
neue Matrizen: Sei etwa A ∈ Rm
für einen kommutativen Ring R. Sind dann σ ∈ Sn
und τ ∈ Sm , so setzen wir
 σ(1)
σ(1) 
Aτ (1) · · · Aτ (m)

..  ∈ Rn .
..
Aστ :=  ...
.
. 
m
σ(n)
Aτ (1) · · ·
σ(n)
Aτ (m)
n
Beispiel 3.1.10. Sind A ∈ Rm
und B ∈ Rkn zwei Matrizen über einem kommutativen
Ring R mit derselben Zeilenanzahl, so erhalten wir durch Aneinanderfügen der Zeilen
von A und B eine neue Matrix
n
(A|B) ∈ Rm+k
.
l
n
zwei Matrizen mit derselben Spaltenanzahl, so erhalten
und B ∈ Rm
Sind A ∈ Rm
wir durch Aneinanderfügen der Spalten von A und B eine neue Matrix
A
n+l
∈ Rm
.
B
Beispiel 3.1.11. Schließlich können wir Matrizen unter Ringhomomorphismen φ : R → S
n
zwischen kommutativen Ringen abbilden: Sei A ∈ Rm
eine Matrix. Dann heißt


φ(A11 ) · · · φ(A1m )

.. 
..
φ(A) :=  ...
.
. 
φ(An1 ) · · ·
φ(Anm )
das Bild von A unter φ.
Wir haben oben geschrieben, daß wir den Begriff der Matrix eingeführt haben, um
lineare Gleichungssysteme besonders kompakt schreiben zu können. Dazu fehlt noch die
Definition des Produktes einer Matrix mit einem Spaltenvektor:
Ist R ein Ring, A = (Aij ) eine Matrix über R mit n Zeilen und m Spalten und ist
b = (bi ) ein Spaltenvektor über R mit m Zeilen, so nennen wir den Spaltenvektor


A11 · b1 + · · · + A1m · bm


..
A · b := 

.
An1 · b1 + · · · + Anm · bm
50
3.1 Lineare Gleichungssysteme und Matrizen
über R mit n Zeilen das Produkt der Matrix A mit dem Spaltenvektor b. (Offensichtlich
ergäbe diese Definition keinen Sinn, wenn die Anzahl der Spalten von A nicht der Anzahl
der Zeilen von b entspräche.)
Um die auftretenden Summen kürzer schreiben zu können, treffen wir folgende Vereinbarung: Ist u = (ui ) ∈ Rn ein Zeilenvektor mit n Spalten und v = (v i ) ∈ Rn ein
Spaltenvektor mit ebenso vielen Zeilen, so definieren wir
ui · v i := u1 · v 1 + · · · + un · v n ,
das heißt über gleichlautende Paare von Spalten- und Zeilenindizes wird automatisch
summiert1 . Unter Beachtung der Tatsache, daß beliebige Matrizen durch Festhalten
einer Zeile beziehungsweise Spalte Zeilen- und Spaltenvektoren liefern, können wir den
Spaltenvektor A · b auf folgende Weise kompakt schreiben:
A · b = (Aij bj )i .
Beispiel 3.1.12. Seien R ein kommutativer Ring und A ∈ Rnn . Dann ist
A · ej = Aj .
die j-te Spalte von A.
Aufgabe 3.1.13. Berechne das Produkt


 
2x
−1
0
x
2
−3x + 2
0
−1 




−2
·
 2x2
x3 − x −3x
2
x
1
0
0
über dem Polynomring Z[x].
Ist A = (Aij ) und c = (ci ), so können wir unser Gleichungssystem L von oben damit
in der Form
A·x=c
schreiben. Unter dem Lösen des Gleichungssystems ist folgendes gemeint: Für welche
Ersetzungen der xi durch Elemente aus R wird diese Gleichung wahr?
Aufgabe 3.1.14. Gib alle Lösungen des linearen Gleichungssystems
t
t−1 0
0
·x=
1 − t t2 −1
(1 − t)−1
über dem Körper Q(t) an.
Aufgabe 3.1.15. Sei φ : R → S ein Homomorphismus kommutativer Ringe. Seien weiter
n
A ∈ Rm
und c ∈ Rn . Zeige dann: Ist b ∈ Rm eine Lösung des Gleichungssystems A·x = c
über R, so ist φ(b) eine Lösung des Gleichungssystems φ(A) · x = φ(c) über S.
1
Diese Konvention ist auch unter dem Namen Einsteinsche Summenkonvention bekannt.
51
3 Lineare Gleichungssysteme
Permutationen der Matrixeinträge ändern ein Gleichungssystem nur unwesentlich:
n
Aufgabe 3.1.16. Sei R ein kommutativer Ring. Seien weiter A ∈ Rm
und c ∈ Rn .
Zeige, daß dann für jedes Paar σ ∈ Sn und τ ∈ Sm von Permutationen gilt, daß der
Spaltenvektor b ∈ Rm genau dann eine Lösung von A · x = b ist, wenn bτ eine Lösung
von Aστ · x = cσ ist.
n
eine Matrix und c ∈ Rn
Bemerkung 3.1.17. Seien R ein kommutativer Ring, A ∈ Rm
ein Spaltenvektor. Das Lösen des Gleichungssystems A · x = c können wir auch wie folgt
interpretieren:
Im Polynomring S := R[x1 , . . . , xm ] ist die Gleichung A·x = c im allgemeinen sicherlich
nicht erfüllt, denn auf der linken Seite tauchen die Variablen xj auf, auf der rechten Seite
allerdings nicht. Wir können jedoch folgende Beobachtung machen: Sei


A11 · x1 + · · · + A1m · xm − c1


..
n
g = (g i ) := A · x − c = 
∈S .
.
An1 · b1 + · · · + Anm · xm − cn
Dann ist g ein Spaltenvektor, dessen Einträge g i ∈ S jeweils Polynome in den xj sind.
Das ursprüngliche Gleichungssystem ist durch g 1 = · · · = g n = 0 gegeben. Mit A · x − c
bezeichnen wir das von den g 1 , . . . , g n erzeugte Ideal in S. Der Quotientenring
T := S/(A · x − c)
ist derjenige kommutative Ring, welchen wir aus S erhalten, wenn wir die Rechenregeln
g 1 = · · · = g n = 0 hinzufügen. Die natürliche Abbildung R → S → T , welche jedes a ∈ R
auf die Äquivalenzklasse des konstanten Polynoms schickt, macht T zu einer R-Algebra.
Nach Aufgabe 2.6.15 ist die Angabe eines Homomorphismus’ φ : T → R von R-Algebren
gleichbedeutend mit der Angabe von Elementen b1 , . . . , bm in R mit g 1 (b1 , . . . , bm ) =
· · · = g n (b1 , . . . , bm ) = 0, also mit den Lösungen b = (bj ) des Gleichungssystems.
Wir erhalten damit: Die Lösungen des Gleichungssystems A · x = c stehen in umkehrbarer Beziehung mit den Homomorphismen
R[A · x = c] := R[x1 , . . . , xm ]/(A · x − c) → R
von R-Algebren Damit können wir das Studium von A · x = c auch als Studium des
Quotientenringes R[A · x = c] auffassen.
Aufgabe 3.1.18. Sei L das lineare Gleichungssystem
7x + 3y = 4
−14x − 6y = −8
über dem Körper Q der reellen Zahlen. Gib einen Ringisomorphismus
Q[z] → Q[L]
an.
52
3.2 Matrizen spezieller Form
3.2 Matrizen spezieller Form
Um allgemeine lineare Gleichungssysteme zu lösen, werden wir sie in den folgenden
Abschnitten in lineare Gleichungssysteme mit speziellen Formen transformieren. Daß
ein lineares Gleichungssystem eine spezielle Form hat, heißt dabei, daß die definierende
Matrix von spezieller Form ist:
n
Definition 3.2.1. Sei R ein kommutativer Ring. Sei A = (Aij ) ∈ Rm
eine Matrix über
R.
1. Gilt n = m, so heißt A eine quadratische Matrix.
2. Ist A eine quadratische Matrix mit Aij = 0 für i 6= j, so heißt A eine Diagonalmatrix.
3. Ist A die Diagonal-Matrix mit Aii = 1 für alle i, so heißt A die Einheitsmatrix.
4. Gilt Aij = 0 für i > j, so heißt A eine obere Dreiecksmatrix.
5. Gilt Aij = 0 für i < j, so heißt A eine untere Dreiecksmatrix.
6. Ist A eine quadratische Dreiecksmatrix mit Aii = 1 für alle i, so heißt A unipotente
Dreiecksmatrix.
Beispiel 3.2.2. Die Matrix


1 0 0
x 1 0 
y z 1
ist eine unipotente untere Dreiecksmatrix über dem kommutativen Ring Z[x, y, z].
Satz 3.2.3. Sei R ein kommutativer Ring. Sei A ∈ Rnn eine unipotente untere Dreiecksmatrix. Dann hat das lineare Gleichungssystem A · x = c mit c ∈ Rn genau eine
Lösung.
Beweis. Die i-te Gleichung des Gleichungssystems ist durch
Ai1 · x1 + · · · + Aii−1 · xi−1 + xi = ci
gegeben. Auflösen nach xi liefert also
xi = ci − Ai1 · x1 − · · · − Aii−1 · xi−1 .
Damit ist die i-te Gleichung bei gegebenen x1 , . . . , xi−1 für genau einen Wert von xi
erfüllt. Es folgt, daß es genau eine Lösung gibt: x1 ist durch die erste Gleichung, nämlich
x1 = c1 festgelegt, x2 durch diesen Wert von x1 und die zweite Gleichung, etc.
Bemerkung 3.2.4. Eine entsprechende Aussage gilt natürlich auch für unipotente obere
Dreiecksmatrizen.
53
3 Lineare Gleichungssysteme
Aufgabe 3.2.5. Gib die Lösung des linearen Gleichungssystems


 
1 0 0
2
2 1 0 · x = 3
6 3 1
6
über dem Ring Z/(8) an.
Definition 3.2.6. Sei R ein kommutativer Ring mit 0 6= 1. Wir sagen, daß eine obere
n
Dreiecksmatrix A = (Aij ) ∈ Rm
in Stufenform vom Rang r mit 0 ≤ r ≤ n, m ist, falls
∀1≤i≤r Aii ∈ R×
Eine obere Dreiecksmatrix in
 1
A1

0
 .
 ..

0

0

 .
 ..
0
und ∀ r<i≤n Aij = 0.
1≤j≤m
Stufenform vom Rang r ist also von der Form

∗ ··· ··· ··· ··· ∗
.. 
..
..
.
.
.
.. 
... ... ...
.

· · · 0 Arr ∗ · · · ∗
,
· · · · · · · · · · · · · · · 0

.. 
.
··· ··· ··· ··· ··· 0
wobei die Aii invertierbare Elemente in R sind und die ∗ für beliebige Elemente stehen.
n
eine obere DreiSatz 3.2.7. Sei R ein kommutativer Ring mit 0 6= 1. Sei A ∈ Rm
n
ecksmatrix in Stufenform vom Rang r. Sei c ∈ R . Für das lineare Gleichungssystem
A · x = c gilt dann:
1. Gilt (cr+1 , . . . , cn )> = 0, so besitzt das lineare Gleichungssystem für jede Wahl
m >
von (br+1
∈ Rm−r genau eine Lösung b ∈ Rm mit (br+1 , . . . , bm )> =
0 , . . . , b0 )
m >
(br+1
0 , . . . , b0 ) .
2. Gilt (cr+1 , . . . , cn )> 6= 0, so hat das lineare Gleichungssystem keine Lösung.
Beweis. Die letzten n − r Zeilen des linearen Gleichungssystems A · x = c lauten 0 = ci
für i ∈ {r + 1, . . . , n}. Daher muß zwangsläufig (cr+1 , . . . , cn )> = 0 gelten, soll das
Gleichungssystem ein Lösung haben. Wir können uns im folgenden daher auf diesen Fall
beschränken.
Die übrigen r Zeilen des Gleichungssystems sehen wie folgt aus: Ist i ∈ {1, . . . , r}, so
lautet die i-te Gleichung:
Aii · xi + Aii+1 · xi+1 + · · · + Aim · xm = ci .
Da Aii in R invertierbar ist, ist diese Gleichung zu
xi = −
54
1
· (Aii+1 · xi+1 + · · · + Aim · xm )
Aii
3.3 Produkte
äquivalent. Damit ist die i-te Gleichung bei gegebenen xi+1 , . . . , xm für genau einen Wert
von xi erfüllt. Es folgt, daß es bei gegebenen xr+1 , . . . , xm genau eine Lösung gibt: xr ist
durch die r-te Gleichung festgelegt, xr−1 durch diesen Wert von xr und die (r − 1)-te
Gleichung, etc.
Folgerung 3.2.8. Seien R ein kommutativer Ring mit 0 6= 1 und A ∈ Rnn eine quadratische obere Dreiecksmatrix in Stufenform mit Maximalrang, das heißt mit Rang n.
Dann besitzt die Gleichung A · x = c für beliebiges c ∈ Rn genau eine Lösung.
Aufgabe 3.2.9. Gib die Lösungen des linearen Gleichungssystems



√ 
0
1 √0
−1
−1
√
0
−1 0
1  · x = 2 −1
−5
0
0
−2
3
√
über dem Körper Q( −1) an.
Aufgabe 3.2.10. Berechne alle Lösungen
a b
0 d
des linearen Gleichungssystems
c
f
·x=
e
g
über dem Ring Z[a, b, c, d, e, f, g, a−1 , d−1 ] an.
3.3 Produkte
Sei R ein kommutativer Ring. Sei ein lineares Gleichungssystem
B·x=y
mit B ∈ Rlm und y ∈ Rm in x gegeben. Stellen wir uns vor, daß der Spaltenvektor y
selbst Lösung eines anderen Gleichungssystems
A·y =c
n
mit A ∈ Rm
und c ∈ Rn ist. Daraus erhalten wir das Gleichungssystem
A · (B · x) = c.
Ausgeschrieben lautet dieses Gleichungssystem L dann
Aij · (Bkj · xk ) = ci ,
mit i ∈ {1, . . . , n}. Dies motiviert folgende Definition:
Die Matrix A · B ∈ Rkn mit
A · B := (Aij · Bkj )ik ∈ Rkn
55
3 Lineare Gleichungssysteme
heißt das Produkt der Matrizen A und B. (Dieses Produkt ist eine Verallgemeinerung
des Produktes zwischen einer Matrix mit einem Vektor. Auch hier ist wichtig, daß die
Matrix A genauso viele Spalten wie B Zeilen besitzt.)
Damit ist das Gleichungssystem L dann wieder ein lineares, nämlich:
(A · B) · x = c.
Beispiel 3.3.1. Über dem Ring Z[x, y, z] gilt:

 
 

x y z
2 0
2x + y y + 5z
 1 2 3  · 1 1  =  4
17 
0 −1 0
0 5
−1
−1
n
Beispiel 3.3.2. Sei R ein kommutativer Ring. Für A ∈ Rm
ist damm
ei · A = Ai ,
die i-te Zeile von A.
n
Beispiel 3.3.3. Sei R ein kommutativer Ring. Seien A ∈ Rm
, B ∈ Rkn und C ∈ Rnl . Dann
ist
l
C · (A|B) = (C · A|C · B) ∈ Rm+k
.
n
l
Beispiel 3.3.4. Sei R ein kommutativer Ring. Seien A ∈ Rm
, B ∈ Rm
und C ∈ Rkm .
Dann ist
A·C
A
·C =
∈ Rkn+l .
B
B·C
Aufgabe 3.3.5. Zeige, daß das Produkt von Matrizen im folgenden Sinne assoziativ ist:
n
Seien A ∈ Rm
, B ∈ Rkm und C ∈ Rlk drei Matrizen über einem kommutativen Ring R.
Dann ist
A · (B · C) = (A · B) · C.
Folgere daraus, daß die Menge Rnn der quadratischen Matrizen der Größe n über R
durch das Produkt von Matrizen als Multiplikationsabbildung und durch die Einheitsmatrix als neutrales Element zu einem Monoid wird.
Das neutrale Element in diesem Monoid wird in der Regel als I geschrieben.
Aufgabe 3.3.6. Seien R ein kommutativer Ring mit 0 6= 1 und n > 0. Zeige, daß das
Monoid Rnn keine Gruppe ist.
(Tip: Betrachte die Nullmatrix.)
Aufgabe 3.3.7. Seien R ein kommutativer Ring mit 0 6= 1 und n > 1. Zeige, daß das
Monoid Rnn nicht kommutativ ist.
(Tip: Löse zunächst den Fall n = 2.)
56
3.4 Determinanten
Aufgabe 3.3.8. Sei R ein kommutativer Ring.

0 1
0
 .. . .
..
.
.
.
.
.
..
N := 
 ..
.
 ..
0 ··· ···
Sei

··· 0
. . .. 
. .

n
..
. 0
 ∈ Rn .
... 
1
··· 0
Berechne die Potenzen
N k := N
· · N}
| ·{z
k-mal
der Matrix für k ∈ N0 . (Die nullte Potenz ist per definitionem die Einheitsmatrix.)
Hilfssatz 3.3.9. Sei R ein kommutativer Ring. Ist dann A ∈ Rnn eine unipotente untere
Dreiecksmatrix über R, so ist A im Monoid Rnn invertierbar, das heißt es existiert eine
Matrix A−1 ∈ Rnn mit
A · A−1 = I = A−1 · A.
Beweis. Sei B ∈ Rnn . Dann sind die n Spalten von A · B durch A · B1 , . . . , A · Bm gegeben,
wobei B1 , . . . , Bm die Spalten von B sind.
Soll für B also A · B = I gelten, muß also A · Bi = ei für alle i ∈ {1, . . . , n} gelten.
Nach Satz 3.2.3 gibt es nun jeweils genau ein Bi ∈ Rn , welches die jeweilige Gleichung
erfüllt. Damit existiert also genau eine Matrix B ∈ Rnn mit A · B = I.
Es bleibt zu zeigen, daß dann auch B·A = I gilt. Sei Ci die i-te Spalte der Matrix B·A.
Wir müssen zeigen, daß Ci = ei . Nun ist A · Ci gleich der i-ten Spalte von A · B · A = A,
also Ai . Damit löst Ci die Gleichung A · x = Ai . Nach Satz 3.2.3 ist diese Gleichung
eindeutig lösbar. Es ist ei eine Lösung. Also muß Ci = ei gelten.
Aufgabe 3.3.10. Berechne die Inverse von


1 0 0
x 1 0 
y z 1
über Z[x, y, z].
Bemerkung 3.3.11. Ist R ein kommutativer Ring mit 0 6= 1 und A ∈ Rnn eine obere
Dreiecksmatrix in Stufenform mit Maximalrang, so folgt analog aus Folgerung 3.2.8,
daß A invertierbar ist.
3.4 Determinanten
Das Lösungsverfahren für lineare Gleichungssysteme, welches wir im nächsten Abschnitt
vorstellen wollen, kommt ohne den Begriff der Determinanten aus, wenn der zugrundeliegende Ring ein diskreter Körper ist. Da wir aber auch etwas für allgemeine kommutative
Ringe aussagen zu wollen, müssen wir weiter ausholen und führen daher Determinanten
in diesem Abschnitt ein.
57
3 Lineare Gleichungssysteme
Definition 3.4.1. Sei R ein kommutativer Ring. Für eine quadratische Matrix A ∈ Rnn
heißt
X
Y
det A :=
sgn σ
Aiσ(i) ∈ R
σ∈Sn
i
die Determinante von
P A.
Dabei bedeutet σ∈Sn · · ·, daß
Q die Summe des folgenden Ausdrucks für alle Permutationen σ zu bilden ist, und i · · ·, daß das Produkt des folgenden Ausdrucks für alle
Zeilenindizes zu bilden ist. (Das leere Produkt ist dabei als 1 definiert.)
Es sei beachtet, daß die Determinante nur für quadratische Matrizen definiert ist!
Beispiel 3.4.2. Seien R ein kommutativer Ring und die Aij im folgenden beliebige Elemente aus R. Dann gelten
1
A1 A12
= A11 · A22 − A12 · A21
det
A21 A22
und

 1
A1 A12 A13
A11 · A22 · A33 + A12 · A23 · A31 + A13 · A21 · A32
det A21 A22 A23  =
−A11 · A23 · A32 − A12 · A21 · A33 − A13 · A22 · A31 .
A31 A32 A33
Die zweite Formel heißt auch Sarrussche Regel.
Beispiel 3.4.3. Seien R ein kommutativer Ring und a ∈ R. Dann ist
det(a) = a und
det() = 1,
R00
für die leere Matrix steht.
wobei () ∈
Bemerkung 3.4.4. Warum die Determinante ein sinnvoller Begriff ist, wird sich erst
später zeigen. Für den Moment nehmen wir einfach hin, daß die Determinante ein ganz
bestimmtes Polynom in den Einträgen der Matrix ist, welches im folgenden auftaucht.
Aufgabe 3.4.5. Sei R ein kommutativer Ring. Sei A ∈ Rnn eine quadratische Matrix über
R. Sind dann σ, τ ∈ Sn zwei Permutationen, so gilt
det Aστ = sgn σ · sgn τ · det A.
Hilfssatz 3.4.6. Sei A ∈ Rnn eine quadratische Matrix über dem kommutativen Ring R.
Sei i0 ∈ {1, . . . , n} eine Zeile. Seien weiter w ∈ Rn ein Zeilenvektor und u ∈ R. Sei der
Zeilenvektor Ai0 + u · w ∈ Rn durch
(Ai0 + u · w)j := Ai0 + u · wj
gegeben. Dann gilt


A1


 .. 


 . 


 i −1 
i
−1
 A0

A 0 
 i



0



det A + u · w = det A + u · det 
 w ,
 Ai0 +1 
Ai0 +1 






 .. 
..


 . 
.
A1
..
.
An
58


An
3.4 Determinanten
das heißt die Determinante der Matrix, die wir Erhalten, in dem wir auf die i0 -te Zeile
von A die u-fachen der Einträge von w addieren erhalten wir, in dem wir die Determinante von A mit dem u-fachen der Determinante derjenigen Matrix addieren, welche
wir erhalten, in dem wir die i0 -te Zeile von A durch w ersetzen.
Beweis. Wegen Aufgabe 3.4.5 können wir der Einfachheit halber davon ausgehen, daß
i0 = 1 ist. Sei
 1

A +u·w


A2


C := 
.
..


.
An
Dann ist
det C =
X
sgn σ
=
i
Cσ(i)
i
σ∈Sn
X
Y
sgn σ · (A1σ(1) + u · wσ(1) ) ·
=
Aiσ(i)
i>1
σ∈Sn
X
Y
sgn σ
Y
Aiσ(i) + u ·
i
σ∈Sn
X
sgn σ · wσ(1) ·
Y
Aiσ(i)
i>1
σ∈Sn
= det A + u · det B
mit

w
 A2 
 
B :=  ..  .
 . 

An
Hilfssatz 3.4.7. Sei A ∈ Rnn eine quadratische Matrix über dem kommutativen Ring R.
Seien i0 , i1 ∈ {1, . . . , n} zwei Zeilen mit i0 6= i1 . Sei weiter Ai0 = Ai1 , das heißt, zwei
Zeilen von A stimmen überein. Dann gilt
det A = 0.
Beweis. Wegen Aufgabe 3.4.5 können wir der Einfachheit halber davon ausgehen, daß
i0 = 1 und i1 = 2 sind. Ist σ ∈ Sn eine Permutation, so setzen wir
σ̃ :=
1
2
3
···
σ(2) σ(1) σ(3) · · ·
n
σ(n)
∈ Sn .
Es ist sgn σ̃ = − sgn σ̃.
59
3 Lineare Gleichungssysteme
Dann gilt
det A =
X
sgn σ
Y
Aiσ(i)
i
σ∈Sn
!
=
X
sgn σ
Y
i
σ∈Sn
σ(1)<σ(2)
=
X
Aiσ(i) −
Y
Aiσ̃(i)
i
Y i
sgn σ A1σ(1) · A2σ(2) − A1σ(2) · A2σ(1) ·
Aσ(i) .
i>2
σ∈Sn
σ(1)<σ(2)
Wegen A1 = A2 folgt damit det A = 0.
Die beiden letzten Hilfssätze können wir kombinieren und erhalten:
Folgerung 3.4.8. Sei A ∈ Rnn eine quadratische Matrix über dem kommutativen Ring R.
Seien i0 , i1 ∈ {1, . . . , n} zwei Zeilen mit i0 6= i1 . Sei weiter u ∈ R. Sei der Zeilenvektor
Ai1 + u · Ai0 ∈ Rn durch
(Ai1 + u · Ai0 )j = Aij1 + u · Aij0
gegeben. Dann gilt

A1
..
.







 Ai1 −1

 i

i
1
0
A
+
u
·
A
det 

 = det A,
 Ai1 +1





..


.
n
A
das heißt, die Determinante einer Matrix ändert sich nicht, wenn wir ein Vielfaches
einer Zeile auf eine andere Zeile addieren.
Beweis. Nach den vorhergehenden Hilfssätzen ist


 1 
A1
A


 .. 
..


 . 
.


 i −1 
 Ai1 −1

A 1 
 i

 i 
i
1
0
 0 
det 
A + u · A  = det A + u · det  A  = det A + u · 0 = det A.
 Ai1 +1

Ai1 +1 






 .. 
..


 . 
.
An
60
An
3.5 Die LR-Zerlegung
Aufgabe 3.4.9. Sei A ∈ Rnn eine Matrix über dem kommutativen Ring R. Zeige, daß
det A = det A> .
Aufgabe 3.4.10. Sei A ∈ Rnn eine Matrix über dem kommutativen Ring R, welche zwei
gleiche Spalten besitzt. Zeige, daß det A = 0.
Aufgabe 3.4.11. Sei A = (Aij ) ∈ Rnn eine quadratische Matrix über dem kommutativen
Ring R mit Ai1 = 0 für i > 1. Zeige, daß
det A = A11 · det A1̂1̂ .
Aufgabe 3.4.12. Berechne die Vandermondesche Determinante: Zeige, daß


x01
x02 · · · x0n
 x1
x12 · · · x1n 
 1
 Y
det  ..
(xj − xi )
..
..  =
..
 .
.
.
.  i<j
xn−1
xn−1
· · · xn−1
1
2
n
über dem Polynomring Z[x1 , . . . , xn ]. (Hier stehen die Exponenten für Potenzen, nicht
für Variablenindizes.)
(Tip: Welchen Grad haben beide Seiten der Gleichung in xn ? Welche Nullstellen haben
beide Seiten in xn ?)
Schließlich benötigen wir noch folgende Definition:
n
. Die
Definition 3.4.13. Seien R ein kommutativer Ring mit 0 6= 1 und A ∈ Rm
Determinante einer quadratischen Untermatrix von A heißt ein Minor von A.
Die Matrix A heißt determiniert, falls jeder ihrer Minoren entweder invertierbar oder
gleich Null ist.
Insbesondere sind also die Matrixeinträge selbst Minoren, nämlich (1 × 1)-Minoren.
Beispiel 3.4.14. Ist K ein diskreter Körper, so ist jede Matrix über K determiniert.
Beispiel 3.4.15. Ein Spaltenvektor über einem kommutativen Ring mit 0 6= 1 ist genau
dann determiniert, wenn jeder seiner Einträge entweder invertierbar oder gleich Null ist.
Beispiel 3.4.16. Untermatrizen determinierter Matrizen sind wieder determiniert.
3.5 Die LR-Zerlegung
Wir haben gesehen, daß sich lineare Gleichungssystem explizit lösen lassen, wenn die
zugehörige Matrix eine unipotente ist oder in Stufenform vorliegt. Wir zeigen jetzt, daß
über diskreten Körpern jede beliebige Matrix in ein Produkt einer unipotenten und einer
in Stufenform zerfällt. Dies wird uns ein Lösungsverfahren für beliebige Gleichungssysteme liefern.
61
3 Lineare Gleichungssysteme
n
eine determinierte
Satz 3.5.1. Sei R ein kommutativer Ring mit 0 6= 1. Sei A ∈ Rm
Matrix. Dann existieren zwei Permutationen σ ∈ Sn und τ ∈ Sm , eine unipotente
n
in Stufenform,
untere Dreiecksmatrix U ∈ Rnn und eine obere Dreiecksmatrix B ∈ Rm
so daß
Aστ = U · B.
Zusatz: Sei weiter c ∈ Rn eine Spaltenvektor und d ∈ Rn derjenige Vektor mit
cσ = U · d
(also d = U −1 · cσ ). Ist dann (A|c) determiniert, so ist d ein determinierter Vektor.
Beweis. Wir beweisen den Satz über Induktion über n. Im Falle, daß n = 0, ist nichts
zu zeigen.
Im weiteren Beweis gehen wir außerdem davon aus, daß ein Spaltenvektor c ∈ Rn wie
im Zusatz gegeben ist (wir können immer c = 0 wählen).
Gehen wir davon aus, daß wir den Satz für n−1 anstelle von n schon gezeigt haben. Ist
A die Nullmatrix sind wir fertig: wir wählen σ und τ als die identischen Permutationen,
U als Einheitsmatrix und B := A, und es gilt dann d = c.
Ansonsten existieren p, q mit Apq ∈ R× , da A determiniert ist. Wir wählen Permuta0
tionen σ 0 ∈ Sn und τ 0 ∈ Sm mit σ(1) = p und τ (1) = q. Dann gilt Ã11 6= 0 mit à := Aστ 0 .
0
Angenommen wir haben den Satz für à und c̃ := cσ bewiesen, das heißt die Existenz
00
00
von σ 00 ∈ Sn und τ 00 ∈ Sm , so daß (Ãστ 00 |c̃σ ) = U · (B|d) mit U , B und d wie in der
Behauptung. Dann folgt (Aστ |cσ ) = U · (B|d) mit σ := σ 0 ◦ σ 00 und τ := τ 0 ◦ τ 00 , das heißt
der Satz ist damit auch für A und d bewiesen.
Wir können daher im folgenden davon ausgehen, daß p = 1 und q = 1. Außerdem
schreiben wir im folgenden wieder A für Ã. Für i ∈ {1, . . . , n} setzen wir
ui :=
Ai1
.
A11
n
und f ∈ Rn
(Es gilt also insbesondere u1 = 1.) Wir definieren die Matrizen E ∈ Rm
durch
(
Aij − ui · A1j für i > 1
Eji :=
A1j
für i = 1
und
(
ci − u i · c1
f i :=
c1
für i > 1
für i = 1,
das heißt, die i-te Zeile von E (beziehungsweise f ) für i > 1 erhalten wir, indem wir
das ui -fache der ersten Zeile von A (beziehungsweise von c) von der i-ten Zeile von A
(beziehungsweise von c) subtrahieren. Nach Definition der ui folgt, daß E1i = 0 für i > 1.
Sei V ∈ Rnn die Matrix mit

i

u für j = 1
Vji := 1 für j = i


0 für j 6= i ∧ j > 1,
62
3.5 Die LR-Zerlegung
das heißt, V ensteht aus der Einheitsmatrix, indem die erste Spalte durch ui ersetzt
wird. Aus der Definition des Produktes von Matrizen folgt, daß
(A|c) = V · (E|f ).
n−1
Seien Ẽ ∈ Rm−1
die Matrix, welche wir erhalten, indem wir die erste Spalte und erste
Zeile in E streichen und f˜ ∈ Rn−1 der Spaltenvektor, welchen wir erhalten, indem wir
erste Zeile von f streichen.
Wir behaupten, daß (Ẽ|f˜) eine determinierte Matrix ist. Sei dazu eine Untermatrix
M dieser Matrix gegeben. Da (Ẽ|f˜) selber Untermatrix von (E|f ) ist, können wir M
auch als eine Untermatrix von (E|f ) auffassen. Wir müssen zeigen, daß det M = 0
oder det M ∈ R× . Sei etwa M = (E|f )IJ für gewisse Spalten I und Zeilen J. Seien
ˆ
Iˆ := I ∪ {1} und Jˆ := J ∪ {1}. Wir betrachten M̂ = (E|f )IJˆ. Dann entsteht M̂ aus
ˆ
(A|c)IJˆ durch Addition von Vielfachen der ersten Zeile auf die übrigen Zeilen. Damit
ˆ
gilt det M̂ = det(A|c)IJˆ nach Folgerung 3.4.8. Nun ist (A|c) determiniert, also folgt,
daß det M̂ = 0 oder det M̂ ∈ R× . Schließlich gilt M̂1i = 0 für i > 0, so daß nach
Aufgabe 3.4.11 det M̂ = A11 ·det M , so daß det M genau dann gleich Null beziehungsweise
invertierbar ist, wenn das entsprechende für det M̂ gilt, da A11 invertierbar ist.
Nach Induktionsvoraussetzung existieren Permutationen σ̃ ∈ Sn−1 , τ̃ ∈ Sm−1 , eine
n−1
n−1
unipotente untere Dreiecksmatrix Ũ ∈ Rn−1
, eine Matrix B̃ ∈ Rm−1
in Stufenform und
n−1
˜
ein determinierter Spaltenvektor d ∈ R , so daß
˜
(Ẽτ̃σ̃ |f˜σ̃ ) = Ũ · (B̃|d).
Schließlich setzen wir
und
1
2
···
σ :=
1 σ̃(1) · · ·
n
∈ Sn
σ̃(n − 1)
1 2 ···
τ :=
1 τ̃ (1) · · ·
m
∈ Sm
τ̃ (m − 1)
Sei schließlich U die Matrix, die wir erhalten, indem wir in V σ die letzten n − 1 Spalten
und Zeilen durch die Matrix Ũ ersetzen, B die Matrix, die wir erhalten, indem wir in
Eτ die letzten m − 1 Spalten und n − 1 Zeilen durch die Matrix B̃ ersetzen und d die
Matrix, die wir erhalten, indem wir in f die letzten n − 1 Zeilen durch die Matrix d˜
ersetzen. Es folgt
(Aστ |c) = U · (B|f )
und f ist determiniert.
Aus dem Beweis ergibt sich offensichtlich, daß die Matrizen U und B und die Permutationen σ und τ unabhängig von c gewählt worden sind.
Der im Beweis beschriebene Algorithmus heißt der Gauß-Algorithmus.
Die in der Folgerung beschriebene Zerlegung von A in ein Produkt einer unipotenten unteren Dreiecksmatrix und einer oberen Dreiecksmatrix in Stufenform heißt LRZerlegung von A.
63
3 Lineare Gleichungssysteme
Bemerkung 3.5.2. Da jede Matrix über einem diskreten Körper determiniert ist, können
wir den Satz im Falle, daß R ein diskreter Körper ist, also immer anwenden.
Aufgabe 3.5.3. Berechne eine LR-Zerlegung von


2 1 4 0
3 4 1 2
1 0 3 3
über dem Körper F5 .
Aufgabe 3.5.4. Zeige, daß der kommutative Ring
R := Z[a, b, c, d, a−1 , b−1 , c−1 , d−1 ]/(ad − bc)
nicht der Nullring ist. Berechne dann eine LR-Zerlegung von
a b
∈ R22 .
c d
Der eben angegebene Satz über die LR-Zerlegung ist der zentrale Satz der Linearen
Algebra, und wir werden ihn an vielen Stellen benötigen. Die erste Anwendung wird die
Bestimmung der Lösungsmenge eines linearen Gleichungssystems sein:
n
und c ∈ Rn , so daß (A|c)
Satz 3.5.5. Sei R ein kommutativer Ring. Seien A ∈ Rm
determiniert ist. Für das Gleichungssystem A · x = c ist dann einer der beiden folgenden
Fälle wahr:
1. Das Gleichungssystem hat keine Lösung.
2. Es existieren 1 ≤ j1 < j2 < · · · < jd ≤ m, so daß das lineare Gleichungssystem
für jede Wahl von f 1 , . . . , f d ∈ R genau eine Lösung b ∈ Rm mit bjk = f k für alle
k ∈ {1, . . . , d} besitzt.
Beweis. Nach dem Satz über die LR-Zerlegung existieren Permutationen σ ∈ Sn und
n
vom
τ ∈ Sm , eine unipotente untere Dreiecksmatrix U ∈ Rnn und eine Matrix B ∈ Rm
σ
Rang r in Stufenform, so daß Aτ = U · B.
Das lineare Gleichungssystem ist damit äquivalent zum System
U · B · x τ = cσ .
Da U unipotent ist, hat das Gleichungssystem U · y = cσ in y eine eindeutige Lösung,
etwa d ∈ Rn . Nach dem Satz über die LR-Zerlegung ist der Spaltenvektor d außerdem
determiniert, das heißt die Einträge sind entweder Null oder invertierbar, in jedem Falle
aber Null oder von Null verschieden.
Damit ist das originale Gleichungssystems zu
B · xτ = d
äquivalent. Da B in Stufenform vorliegt, kennen wir die Lösungsmenge dieses Systems:
Ist (dr+1 , . . . , dn ) 6= 0, so besitzt das System keine Lösung. Andernfalls existiert für jede
Wahl von f 1 , . . . , f m−r genau eine Lösung b von B · xτ = a mit bτ (r+1) = f 1 , . . . , bτ (m) =
f m−r . Schließlich setze d := m − r und j1 := τ (r + 1), . . . , jd := τ (m).
64
3.5 Die LR-Zerlegung
Aufgabe 3.5.6. Gib die Lösungen des linearen Gleichungssystems


 
6
8
6
10
2



5
6

4
·
x
=
 11 −6 −9
−3
−1 2
3
1
über dem Körper Q an.
n
Aufgabe 3.5.7. Sei R ein kommutativer Ring. Seien A ∈ Rm
und c ∈ Rn , so daß (A|c)
determiniert ist. Zeige dann, daß einer der beiden folgenden Fälle eintritt:
1. Die R-Algebra R[A · x = c] ist der Nullring.
2. Es existieren 1 ≤ j1 < j2 < · · · < jd < m, so daß der R-Algebrenhomomorphismus
R[xj1 , . . . , xjd ] → R[A · x = c],
welcher xjk auf [xjk ](A·x−c) schickt, ein Isomorphismus ist.
65
3 Lineare Gleichungssysteme
66
4 Vektorräume
4.1 Moduln
Sei R ein kommutativer Ring. Ein lineares Gleichungssystem L der Form
A·x=0
n
heißt ein homogenes lineares Gleichungssystem. Wir stellen folgendes fest:
mit A ∈ Rm
1. Der Nullvektor 0 ∈ Rm ist eine Lösung des Gleichungssystems L.
2. Sind u, v ∈ Rm zwei Spaltenvektoren, so definieren wir ihre Summe u + v ∈ Rm
durch


u1 + v 1


..
u + v := 
.
.
um + v m
Sind dann u und v beides Lösungen von L, so ist auch u + v eine Lösung, denn die
i-te Zeile von A · (u + v) ist durch Aij (uj + v j ) = Aij uj + Aij v j = 0 + 0 = 0 gegeben.
3. Ist u ∈ Rm ein Spaltenvektor und a ∈ R ein Ringelement, so definieren wir das
a-fache a · u von u durch


a · u1


a · u :=  ...  .
a · um
Ist dann u eine Lösung von L, so für jedes a ∈ R auch a · u eine Lösung, denn die
i-te Zeile von A · (a · u) ist durch Aij (a · uj ) = a · Aij uj = a · 0 = 0 gegeben.
Sowohl auf der Menge aller Spaltenvektoren mit m Zeilen als auch auf der Menge der
Lösungen von L haben wir damit eine Struktur definiert, welche eine Null, eine Addition und eine Multiplikation mit Ringelementen besitzt. Diese Operationen erfüllen die
Axiome, welche beide Mengen zu R-Moduln im Sinne der folgenden Definition machen:
Definition 4.1.1. Sei R ein Ring. Ein R-Modul M ist eine abelsche Gruppe M zusammen mit einer Operation · : R × M → M , so daß folgende Axiome erfüllt sind:
1. Die Operation von R auf M ist assoziativ: ∀x,y∈R ∀m∈M x · (y · m) = (x y) · m.
2. Die Operation von R auf M ist verträglich mit der Eins: ∀m∈M , 1 · m = m.
67
4 Vektorräume
3. Die Operation von R auf M ist distributiv in R:
∀x,y∈R ∀m∈M (x + y) · m = x · m + y · m.
4. Die Operation von R auf M ist distributiv in M :
∀x∈R ∀m,n∈M x · (m + n) = x · m + x · n.
Ist R ein (Schief-)Körper, so heißt ein R-Modul auch R-Vektorraum.
Die zugrundeliegende abelsche Gruppe von M nennen wir die additive Gruppe von M .
Bemerkung 4.1.2. Um in Einklang mit der klassischen Terminologie zu bleiben, werden wir einen R-Modul teilweise auch dann R-Vektorraum nennen, auch wenn R kein
Körper in unserem Sinne — wohl aber im Sinne der klassischen Logik — ist. Für den
Fall des Restklassenkörpers R werden wir R-Moduln in jedem Falle als R-Vektorräume
bezeichnen.
Mehr als eine Begrifflichkeit ist dies nicht. Die Axiome für einen Vektorraum sind
dieselben wie die für einen Modul.
Beispiel 4.1.3. Sei R ein kommutativer Ring. Dann ist Rm mit den oben definierten
Operationen ein R-Modul. Auf analoge Weise wird die Menge der Zeilenvektoren Rm zu
einem R-Modul.
(Offensichtlich können wir Spalten- und Zeilenvektoren auch für einen beliebigen Ring
definieren. Auch in diesem Falle werden Rm und Rm zu Moduln.)
Es besteht R0 aus genau einem Element, der Null 0. Dieser Modul heißt der Nullmodul.
Beispiel 4.1.4. In Verallgemeinerung des letzten Beispiels können wir auf der Menge
n
Rm
von Matrizen über einem kommutativen Ring R wie folgt eine Struktur eines Rn
Moduls definieren: Die Null ist durch die Nullmatrix 0 ∈ Rm
gegeben. Die Summe von
n
A, B ∈ Rm ist durch
A + B := (Aij + Bji )
gegeben und die Multiplikation von A mit a ∈ R durch
a · A := (a · Aij ).
Beispiel 4.1.5. Sei A · x = 0 ein homogenes lineares Gleichungssystem L über dem
kommutativen Ring R. Dann ist die Lösungsmenge von L mit den oben definierten
Operationen ein R-Modul.
Beispiel 4.1.6. Sei R ein kommutativer Ring. Indem wir die Multiplikation von Polynomen vergessen, wird R[x] zu einer abelschen Gruppe. Zusammen mit der Multiplikationsoperation von R auf R[x] wird R[x] damit zu einem R-Modul.
In Verallgemeinerung des letzten Beispiels erhalten wir:
Beispiel 4.1.7. Sei R ein kommutativer Ring und S eine R-Algebra. Die additive Gruppenstruktur von S zusammen mit der Algebren-Operation von R auf S macht S zu
einem R-Modul.
68
4.1 Moduln
Beispiel 4.1.8. Sei R ein kommutativer Ring und S eine R-Algebra. Sei weiter M ein
S-Modul. Wir erinnern daran, daß die R-Algebrenstruktur auf S den Ringhomomorphismus
φ : R → S, a 7→ a · 1
definiert. Diesen nutzen wir, um auf der additiven Gruppe von M die Struktur eines
R-Moduls zu definieren:
∀a∈R,m∈M a · m := φ(a) · m.
Den R-Modul, den wir so erhalten, schreiben wir auch als M R und sagen, er entstehe
durch Einschränkung der S-Modulstruktur von M auf R. Umgekehrt sagen wir, der
Modul M sei eine Fortsetzung
der R-Modulstruktur
auf M R auf S.
√
√
Sei etwa√M := Q( −1)2 der Q( −1)-Vektorraum der zweizeiligen√Spaltenvektoren.
Es ist Q( −1) eine Q-Algebra. In dem wir die Multiplikation mit −1 vergessen“,
”
können wir M auch als Q-Vektorraum M Q auffassen.
Beispiel 4.1.9. Sei E die Menge der Punkte in der Ebene. Mit P bezeichnen wir die
Menge der Pfeile in E, das sind Paare von Punkten in E bestehend aus der Pfeilspitze
und dem Pfeilende. Wir haben also P = E × E. Wir definieren eine Äquivalenzrelation
∼ in P wie folgt: Es gelte p ∼ p0 mit p, p0 ∈ P genau dann, wenn p und p0 durch Parallelverschiebung auseinander hervorgehen. Mit V := P/∼ bezeichnen wir die Menge der
Äquivalenzklasse, deren Elemente wir Vektoren in E nennen wollen. Die Äquivalenzklasse von (p0 , p1 ) schreiben wir [p0 , p1 ].
Wir behaupten, daß V in natürlicher Weise ein R-Vektorraum ist: Dazu definieren
wir auf V zunächst die Struktur einer abelschen Gruppe wie folgt: Seien v, w ∈ V zwei
Vektoren, welche beide durch Pfeile p, q repräsentiert werden. Durch Parallelverschiebung können wir erreichen, daß die Pfeilspitze von p gleich dem Pfeilende von q ist, etwa
p = [p0 , p1 ] und q = [q0 , q1 ] mit p0 = q1 . Die Summe von v und w definieren wir dann als
v + w := [q0 , p1 ],
also durch den Pfeil repräsentiert, welchen wir erhalten, indem wir den Pfeil zu w vor
den Pfeil zu v hängen. Das neutrale Element ergibt sich dann durch einen Pfeil, bei
dem Spitze und Ende zusammenfallen. Die Negation eines Elements dadurch, indem wir
Spitze und Ende vertauschen.
Sei weiter a ∈ R. Es bleibt a · v zu definieren. Sei dazu p = (p0 , p1 ) ∈ P ein Repräsentant von V . Ist dann (p2 , p0 ) derjenige Pfeil, welchen wir erhalten, indem wir p
bei Festhalten des Endpunktes um den Faktor a strecken (dabei sind negative Streckfaktoren durch Streckung in die gegenüberliegende Richtung definiert), so setzen wir
a · v = [p2 , p0 ].
Wir überlassen es als Aufgabe nachzurechnen, daß dadurch auf der Menge der Vektoren in der Ebene eine Vektorraumstruktur definiert wird.
Beispiel 4.1.10. Sei M ein R-Modul und X eine beliebige Menge. Auf der Menge M X
der Abbildungen von X nach M können wir durch die Setzung
∀f,g∈M X f + g : X → M,
x 7→ f (x) + g(x)
69
4 Vektorräume
und
∀a∈R,f ∈M X a · f : X → M,
x 7→ a · f (x)
eine Vektorraumstruktur definieren. Summe und Multiplikation mit Ringelementen sind
also punktweise definiert.
Beispiel 4.1.11. Da die Menge C ∞ (R) der beliebig oft differenzierbaren Funktionen
R → R abgeschlossen unter Summenbildung und Multiplikation mit Konstanten ist,
erhalten wir, daß diese neben dem Vektorraum RR aller Funktionen auch einen RVektorraum bildet.
Aufgabe 4.1.12. Seien R ein Ring und M ein R-Modul. Zeige:
1. Es gilt: ∀m∈M 0 · m = 0.
2. Es gilt: ∀m∈M − m = (−1) · m.
3. Es gilt: ∀a∈R a · 0 = 0.
Aufgabe 4.1.13. Sei V ein Vektorräum über einem diskreten Körper K. Zeige, daß
∀a∈K ∀v∈V (a · v = 0 =⇒ a = 0 ∨ v = 0)
gilt.
Gib ein Beispiel für einen Modul über Z an, für den die entsprechende Aussage falsch
ist.
(Tip: Betrachte einen Ring mit Charakteristik größer als 1.)
Aufgabe 4.1.14. Sei R ein kommutativer Ring. Sei M ein R-Modul.
1. Zeige, daß
ann M := {r ∈ R | ∀m∈M r · m = 0}
ein Ideal von R ist. Dieses Ideal heißt das Annulatorideal von M .
2. Die additive Gruppe von Z/(7) wird durch die Setzung
Z/(49) × Z/(7) → Z/(7),
[x](49) · [y](7) := [x · y](7)
zu einem Z/(49)-Modul. Stelle das Annulatorideal in der Form (d) mit d ∈ Z/(49)
dar.
3. Zeige, daß die additive Gruppe von M durch die (wohldefinierte?) Setzung
∀[a]∈R/ ann M,m∈M [a] · m := [a · m]
zu einem R/ ann M -Modul wird.
70
4.2 Lineare Abbildungen
4.2 Lineare Abbildungen
Wir haben Homomorphismen zwischen Monoiden, Ringen und Algebren als solche Abbildungen kennengelernt, welche die entsprechenden Operationen erhalten. Der passende
Begriff für Moduln ist der folgende:
Definition 4.2.1. Sei R ein Ring. Seien M und N zwei R-Moduln. Eine lineare Abbildung φ : M → N ist eine Abbildung, welche ein Homomorphismus der additiven Gruppen
von M und N ist und außerdem mit der Operation von R auf M und N verträglich ist:
∀a∈R ∀m∈M φ(a · m) = a · φ(m).
Anstelle lineare Abbildung könnte man auch Homomorphismus von R-Moduln sagen.
Beispiel 4.2.2. Seien R ein Ring und M ein R-Modul. Dann ist die Identität idM eine
lineare Abbildung.
n
eine Matrix. Dann ist
Beispiel 4.2.3. Sei R ein kommutativer Ring und A ∈ Rm
Rm → Rn , v 7→ A · v
eine lineare Abbildung, welche wir wieder mit A bezeichnen wollen.
Ist umgekehrt φ : Rm → Rn eine lineare Abbildung, so ist φ = A, wenn wir die Matrix
n
durch
A ∈ Rm
Aij := φ(ej )i
definieren.
n
.
Damit entsprechen lineare Abbildungen von Rm nach Rn bijektiv den Matrizen in Rm
Beispiel 4.2.4. Die Rechenregeln für die Ableitung von Summen und Produkten mit
Konstanten können wir dadurch zusammenfassen, indem wir sagen, daß die Differentiation
C ∞ (R) → C ∞ (R), f 7→ f 0
eine lineare Abbildung ist.
Beispiel 4.2.5. Sei R ein kommutativer Ring. Wir betrachten die Menge Rnn der quadratischen (n × n)-Matrizen als R-Modul. Dann ist die sogenannte Spur tr, welche durch
tr :
Rnn
→ R,
A=
(Aij )
7→
n
X
Aii
i=1
gegeben ist, eine lineare Abbildung.
Aufgabe 4.2.6. Seien R ein Ring und M, N zwei R-Moduln. Zeige, daß eine Abbildung
φ : M → N genau dann linear ist, wenn
∀a∈R ∀m1 ,m2 ∈M (φ(a · m1 + m2 ) = a · φ(m1 ) + φ(m2 )) .
Aufgabe 4.2.7. Seien R ein Ring und M , N und P drei R-Moduln. Seien φ : M → N und
ψ : N → P zwei lineare Abbildungen. Zeige, daß dann auch die Verknüpfung ψ ◦φ : M →
P linear ist.
71
4 Vektorräume
n
und B ∈ Rkm zwei Matrizen.
Beispiel 4.2.8. Sei R ein kommutativer Ring und A ∈ Rm
Die Verknüpfung A ◦ B der Abbildung A : Rm → Rn mit der Abbildung B : Rm → Rn
ist dann durch das Produkt A · B ∈ Rkn gegeben, denn für jeden Vektor v ∈ Rk gilt
(A · B)(v) = (A · B) · v = A · (B · v) = A(B(v)) = (A ◦ B)(v),
und zwei Abbildungen sind gleich, wenn sie auf allen Elementen übereinstimmen.
Wir erinnern an den Begriff eines Isomorphismus’ zwischen Ringen. In Analogie definieren wir:
Definition 4.2.9. Sei R ein Ring. Eine lineare Abbildung φ : M → N zwischen RModuln heißt ein Isomorphismus, falls eine lineare Abbildung ψ : N → M mit ψ◦φ = idM
und φ ◦ ψ = idN existiert.
Beispiel 4.2.10. Seien R ein kommutativer Ring und A ∈ Rnn eine invertierbare Matrix
(das heißt ein im Monoid Rnn invertierbares Element). Dann ist die lineare Abbildung
A : Rn → Rn ein Isomorphismus; ihre Inverse ist A−1 : Rn → Rn .
Aufgabe 4.2.11. Sei R ein Ring. Sei φ : M → N eine lineare Abbildung zwischen RModuln. Zeige, daß φ genau dann ein Isomorphismus ist, wenn φ bijektiv ist.
Eine lineare Abbildung von einem Modul auf sich selbst, nennen wir auch einen Endomorphismus. Endomorphismen können wir auch als Modulstruktur kodieren:
Bemerkung 4.2.12. Seien R ein Ring. Weiter betrachten wir den Polynomring R[X] über
R in einer Variablen. Ist φ : M → M ein Endomorphismus eines R-Moduls M , so können
wir die additive Gruppe von M durch die Setzung
∀an X n +···+a1 X+a0 ∈R[X],m∈M
(an X n + · · · + a1 X + a0 ) · m := an · An (m) + · · · + a1 · A(m) + a0 · m
zu einem R[X]-Modul machen, welchen wir Mφ schreiben wollen. Es entsteht M dann
durch Einschränkung der R[X]-Modulstruktur auf Mφ auf R.
Ist umgekehrt N ein R[X]-Modul, so können wir die Einschränkung NR der R[X]Modulstruktur auf R betrachten (wir betrachten also nur die Multiplikation mit konstanten Polynomen). Weiter definiert die Multiplikation mit X eine R-lineare Abbildung
φ : N R → N R,
m 7→ X · m,
also einen Endomorphismus auf N R .
Beide Konstruktionen sind invers zueinander.
Beispiel 4.2.13. Wir betrachten den Endomorphismus
0 1
φ :=
: Q2 → Q2
−1 0
des Q-Vektorraumes Q2 . Vermöge dieses Endomorphismus können wir Q2 dann auch als
>
Vektorraum über Q[X] ansehen. Für den Vektor 1 0 ∈ Q2 gilt dann zum Beispiel:
1
0 1
0 1
1
0 1
1
1
0
2
(X − X + 1) ·
=
·
·
−
·
+
=
.
0
−1 0
−1 0
0
−1 0
0
0
1
72
4.3 Untermoduln
Aufgabe 4.2.14. Sei R ein kommutativer Ring. Sei M ein R-Modul. Zwei Endomorphismen φ, ψ : M → M von M heißen kommutierend, falls ψ ◦ φ = φ ◦ ψ.
Gib eine natürliche, umkehrbare Beziehung zwischen Paaren (φ, ψ) kommutierender
Endomorphismen vom M und Fortsetzungen der R-Modulstruktur von M zu einer
R[X, Y ]-Modulstruktur an.
4.3 Untermoduln
Sei R ein kommutativer Ring. Sei A · x = 0 ein homogenes lineares Gleichungssystem
n
mit A ∈ Rm
. Dann ist die Menge M der Lösungen eine Teilmenge der Menge Rn . Die
Vektorraumstruktur von M und Rn sind im folgenden Sinne miteinander verträglich:
Definition 4.3.1. Sei R ein Ring. Sei M ein R-Modul. Eine Teilmenge N von M heißt
Untermodul von M , falls sie folgende Axiome erfüllt:
1. Die Teilmenge enthält die Null: 0 ∈ N .
2. Die Teilmenge ist abgeschlossen bezüglich der Addition:
∀x,y∈M (x, y ∈ N =⇒ x + y ∈ N ) .
3. Die Teilmenge ist abgeschlossen bezüglich Multiplikation mit Ringelementen:
∀a∈R,x∈M (x ∈ N =⇒ a · x ∈ N ) .
Untermoduln von Vektorräumen heißen auch Untervektorräume.
Aufgabe 4.3.2. Seien M ein R-Modul und N eine Teilmenge von M . Zeige, daß N genau
dann ein Untermodul von M ist, falls
∃x∈M x ∈ N
und
∀a∈R ∀x,y∈N a · x + y ∈ N.
Wir erhalten also:
Beispiel 4.3.3. Seien R ein kommutativer Ring und A · x = 0 ein homogenes lineares
n
Gleichungssystem mit A ∈ Rm
. Die Menge der Lösungen M des Gleichungssystemes
m
bilden einen Untermodul von R .
Beispiel 4.3.4. Ist M ein R-Modul, so sind die Unterräume M und {0} Untermoduln
von M .
Beispiel 4.3.5. Sei R ein kommutativer Ring. Sei I ⊂ {1, . . . , n} eine Teilmenge. Sei
RI := v ∈ Rn | ∀i i ∈
/ I =⇒ v i = 0 ⊂ Rn .
Dann ist RI ein Untermodul von Rn .
73
4 Vektorräume
Aufgabe 4.3.6. Sei R ein Ring und M ein R-Modul. Sei (Mi )i∈I eine Familie von Untermoduln von M , das heißt für jeden Index i aus einer Indexmenge I ist ein Untermodul
Mi gegeben. Zeige, daß dann auch der Schnitt
\
Mi = {m ∈ M | ∀i∈I m ∈ Mi }
i∈I
ein Untermodul von M ist.
Gib ein Beispiel dafür an, daß die Vereinigung
[
Mi = {m ∈ M | ∃i∈I m ∈ Mi }
i∈I
im allgemeinen kein Untermodul von M ist.
(Tip: R{1} und R{2} in R2 .)
Aufgabe 4.3.7. Seien R ein Ring und M ein R-Modul. Seien M1 , . . . , Mn Untermoduln
von M . Zeige, daß dann auch die Summe
M1 + · · · + Mn := {m1 + · · · + mn | m1 ∈ M1 , . . . , mn ∈ Mn }
ein Untermodul von M ist.
Beispiel 4.3.8. Sei R ein Ring, welchen wir auch als R-Modul über sich selbst auffassen.
Ist dann I ein Ideal von R, so wird I in natürlicher Weise zu einem R-Untermodul.
Umgekehrt ist jeder Untermodul von R ein Ideal.
Beispiel 4.3.9. Seien R ein Ring und M ein R-Modul. Für m1 , . . . , mn ∈ M setzen wir
hm1 , . . . , mn i := {a1 · m1 + · · · + an · mn | ai ∈ R} ⊂ M.
Dann ist hm1 , . . . , mn i ein Untermodul von M . Untermoduln dieser Form heißen endlich
erzeugt, die m1 , . . . , mn Erzeuger.
Den Modul M wollen wir als endlich erzeugt bezeichnen, wenn er als Untermodul von
sich selbst endlich erzeugt ist.
Einen Ausdruck der Form
a1 · m1 + · · · + an · mn
mit ai ∈ R nennen wir auch eine Linearkombination der mi .
Beispiele für endlich erzeugte Moduln erhalten wir sofort:
Beispiel 4.3.10. Sei R ein (kommutativer) Ring. Dann sind die e1 , . . . , en ∈ Rn Erzeuger
des Moduls Rn , denn ein beliebiger Spaltenvektor v = (v i ) ∈ Rn hat die Form
v = v i · ei .
74
4.3 Untermoduln
n
eine determinierte
Aufgabe 4.3.11. Sei R ein kommutativer Ring. Sei weiter A ∈ Rm
Matrix. Zeige, daß der Lösungsmodul des homogenen linearen Gleichungssystems A·x =
0 ein endlich erzeugter Untermodul von Rm ist.
(Tip: Es existieren 1 ≤ j1 < · · · < jd ≤ m und Lösungen b1 , . . . , bd ∈ Rm , für die
(
1 für l = k
bjl k =
0 für l 6= k
gilt. Jede andere Lösung ist dann eine Linearkombination der bk .)
Beispiel 4.3.12. Sei E die Menge der Punkte in der Ebene und V der Raum der Vektoren
in E. Wir wählen zwei Vektoren v, w ∈ V , welche durch Pfeile dargestellt werden,
welche nicht parallel sind. Durch Konstruktion ergibt sich dann, daß sich jeder Vektor
als Linearkombination von v und w schreiben läßt.
Wir fahren mit weiteren Beispielen von Untermoduln fort:
Beispiel 4.3.13. Die Menge der beliebig oft differenzierbaren Funktionen C ∞ (R) bildet
einen R-Untermodul von RR .
Beispiel 4.3.14. Sei E die Menge der Punkte in der Ebene und g irgendeine Gerade in
E. Mit V bezeichnen wir wieder die Menge der Vektoren in E. Die Menge der Vektoren,
welche durch Pfeile parallel zu g dargestellt werden, bildet dann einen Untervektorraum
von V .
Mit einer linearen Abbildung sind immer zwei Untermoduln verknüpft: Seien R ein
Ring und φ : M → N eine lineare Abbildung. Wir erinnern an die Definition
im φ := {φ(m) | m ∈ M } ⊂ N.
Wir behaupten, daß im φ ein Untermodul von N ist:
1. Es ist 0 = φ(0) ∈ im φ.
2. Seien m1 , m2 ∈ M . Dann ist φ(m1 ) + φ(m2 ) = φ(m1 + m2 ) ∈ M .
3. Sei m ∈ M und a ∈ R. Dann ist a · φ(m) = φ(a · m) ∈ im φ.
Weiter setzen wir
ker φ := {m ∈ M | φ(m) = 0} ⊂ M.
Wir behaupten, daß ker φ ein Untermodul von M ist:
1. Es ist φ(0) = 0, also 0 ∈ ker φ.
2. Seien m1 , m2 ∈ ker φ. Dann ist φ(m1 + m2 ) = φ(m1 ) + φ(m2 ) = 0 + 0 = 0, also
m1 + m2 ∈ ker φ.
3. Sei m ∈ ker φ und a ∈ R. Dann ist φ(a · m) = a · φ(m) = a · 0 = 0, also a · m ∈ ker φ.
75
4 Vektorräume
Definition 4.3.15. Sei R ein Ring. Sei φ : M → N eine lineare Abbildung. Dann heißt
ker φ der Kern und im φ das Bild von φ.
Aufgabe 4.3.16. Seien R ein Ring und M und N zwei R-Moduln. Sei M endlich erzeugt. Zeige, daß das Bild im φ einer linearen Abbildung φ : M → N endlich erzeugt als
Untermodul von N ist.
(Tip: Betrachte die Bilder der Erzeuger von M .)
Beispiel 4.3.17. Der Kern der linearen Abbildung
C ∞ (R) → C ∞ (R),
f 7→ f 0
ist der Untervektorraum der konstanten Funktionen auf R.
Aufgabe 4.3.18. Zeige, daß eine lineare Abbildung φ : M → N zwischen R-Moduln genau
dann injektiv ist, falls ker φ der Nullmodul ist.
n
Beispiel 4.3.19. Seien R ein kommutativer Ring und A ∈ Rm
eine Matrix. Der Kern
m
n
der linearen Abbildung A : R → R ist gerade der Lösungsmodul des homogenen
Gleichungssystem A · x = 0.
Aufgabe 4.3.20. Schreibe den Kern von


−38 −135 −42 −21
 13
46
14
7 
4
4


 −4 −14 −4 −2  : Q → Q
−5 −17 −4 −2
in der Form hv1 , . . . , vk i, wobei die vi Vektoren im Q-Vektorraum Q4 sind.
Aufgabe 4.3.21. Sei φ : M → N eine lineare Abbildung zwischen R-Moduln. Sei V ein
Untermodul von N . Zeige, daß φ−1 (V ) ein Untermodul von M ist.
Warum ist dies eine Verallgemeinerung der Tatsache, daß der Kern einer linearen
Abbildung ein Untermodul ist?
4.4 Direkte Summen
Sei R ein Ring und seien M und N zwei R-Moduln. Auf der Menge M ⊕ N := M × N
der Paare von Elementen aus M und N definieren wir die Struktur eines R-Moduls wie
folgt: Für (m1 , n1 ) ∈ M ⊕ N und (m2 , n2 ) ∈ M ⊕ N setzen wir
(m1 , n1 ) + (m2 , n2 ) := (m1 + m2 , n1 + n2 )
und für a ∈ R und (m, n) ∈ M ⊕ N setzen wir
a · (m, n) = (a · m, a · n).
Weiter sei eine Null in M ⊕ N durch
0 := (0, 0)
definiert. Die Axiome für einen R-Modul sind schnell verifiziert.
76
4.4 Direkte Summen
Definition 4.4.1. Sei R ein Ring. Seien M und N zwei R-Moduln. Der R-Modul M ⊕N
heißt die direkte Summe von M und N .
Beispiel 4.4.2. Für jeden Ring R gibt es einen natürlichen Isomorphismus
Rn ⊕ Rm → Rn+m .
Aufgabe 4.4.3. Sei R ein Ring. Sei M ein Modul und seien N1 und N2 zwei Untermoduln
von M mit N1 ∩ N2 = {0}. Zeige, daß
N1 ⊕ N2 → N1 + N2 , (n1 , n2 ) 7→ n1 + n2
ein Isomorphismus ist.
In diesem Falle sagen wir auch, daß die Summe N1 + N2 eine direkte ist.
Definition 4.4.4. Sei R ein Ring. Ein Untermodul A eines R-Moduls M heißt ein
direkter Summand von M , falls ein Untermodul B existiert, so daß
A ⊕ B → M,
(a, b) 7→ a + b
ein Isomorphismus ist. In diesem Falle heißt B ein komplementärer Summand von A.
Beispiel 4.4.5. Seien R ein Ring und I ⊂ {1, . . . , n} eine herauslösbare Teilmenge. Dann
ist RI ein direkter Summand von Rn .
Beispiel 4.4.6. Der Untermodul (2) des Z-Moduls Z ist kein direkter Summand.
Hilfssatz 4.4.7. Sei R ein Ring. Sei A ein Untermodul eines R-Moduls M . Dann ist
A genau dann direkter Summand von M , wenn ein Endomorphismus φ : M → M mit
φ2 = φ und A = im φ existieren. In diesem Falle ist
B := {m − φ(m) | m ∈ M }
ein komplementärer Summand von A.
Der Endomorphismus φ heißt Projektion auf A längs B.
Beweis. Zunächst nehmen wir an, daß M = A ⊕ B. In diesem Falle können wir jedes
m ∈ M eindeutig als m = a + b mit a ∈ A und b ∈ B schreiben. Wir definieren
φ : M → M durch φ(m) = a. Aus der Eindeutigkeit der Darstellung folgt, daß φ linear
sein muß. Es ist φ2 = φ und im φ = A.
Sei umgekehrt φ : M → M ein Endomorphismus mit φ2 = φ und im φ = A. Wir
setzen B wie in der letzten Behauptung im Hilfssatz. Jedes m ∈ M können wir als
m = φ(m) + (m − φ(m)) also als Summe von Elementen von A und von B schreiben. Es
folgt, daß M = A + B. Es bleibt zu zeigen, daß A ∩ B = {0}. Dazu sei m ∈ A ∩ B, also
m = φ(x) und m = y−φ(y) für x, y ∈ M . Es folgt φ(m) = φ(y−φ(y)) = φ(y)−φ2 (y) = 0
und φ(m) = φ2 (x) = φ(x) = m, also m = 0.
Aufgabe 4.4.8. Sei R ein Ring. Sei A ein direkter Summand eines endlich erzeugten RModuls M . Zeige, daß A endlich erzeugt ist und einen endlich erzeugten komplementären
Summanden besitzt.
77
4 Vektorräume
4.5 Freie Moduln
Die in der linearen Algebra behandelten Moduln sind in der Regel von besonders einfacher Form:
Definition 4.5.1. Seien R ein Ring und M ein R-Modul.
1. Ein Tupel (v1 , . . . , vn ) von Elementen in M heißt ein Erzeugendensystem von M ,
falls
∀m∈M ∃a1 ,...,an ∈R m = ai vi ,
falls also v1 , . . . , vn den Modul M erzeugen.
2. Ein Tupel (v1 , . . . , vn ) von Elementen in M heißt linear unabhängig, falls
∀a1 ,...,an ∈R , ai vi = 0 =⇒ a1 = · · · = an = 0 .
3. Ein linear unabhängiges Erzeugendensystem (v1 , . . . , vn ) von M heißt eine Basis
der Länge n von M .
4. Der Modul M heißt frei vom Rang n, falls er eine Basis der Länge n besitzt.
Ist K ein Körper, so nennen wir einen freien Vektorraum V vom Rang n über K einen
endlich-dimensionalen Vektorraum der Dimension n und schreiben dim V = n.
Später werden wir sehen, daß Rang und Dimension im allgemeinen wohldefiniert sind.
Aufgabe 4.5.2. Seien R ein kommutativer Ring und M ein freier R-Modul mit Basis
v1 , . . . , vn . Zeige, daß für alle m ∈ M genau ein Zeilenvektor a ∈ Rn mit m = ai vi
existiert.
Die Einträge ai von a heißen die Koordinaten von m bezüglich der Basis v1 , . . . , vn .
Beispiel 4.5.3. Sei R ein Ring. Der Modul Rn der Spaltenvektoren ist frei vom Rang n
mit Basis e1 , . . . , en .
Der Modul Rn der Zeilenvektoren ist frei vom Rang n mit Basis e1 , . . . , en .
Bemerkung 4.5.4. Das letzte Beispiel können wir auch umkehren: Ist R ein Ring und M
ein freier R-Modul mit Basis V := (v1 , . . . , vn ), so ist
V : Rn → M,
a 7→ ai vi
ein Isomorphismus. Bis auf Isomorphie sehen also alle freien Moduln wie Rn aus.
Umgekehrt definiert ein Isomorphismus V : Rn → M eine Basis
V := (V (e1 ), . . . , V (en )).
Beispiel 4.5.5. Der Z-Modul Z/(3) ist nicht frei.
78
4.6 Endlich-dimensionale Vektorräume
Bemerkung 4.5.6. Sei R ein kommutativer Ring. Sei φ : M → N eine lineare Abbildung
zwischen R-Moduln M und N . Ist dann V := (v1 , . . . , vm ) eine Basis von M und W :=
(w1 , . . . , wn ) eine Basis von N , so können wir der linearen Abbildung φ die lineare
Abbildung W −1 ◦ φ ◦ V : Rm → Rn zuordnen, welche durch eine Matrix gegeben ist,
n
welche wir wieder mit W −1 ◦ φ ◦ V ∈ Rm
bezeichnen wollen. Diese Matrix heißt die
Darstellungsmatrix von φ bezüglich der Basen V und W .
Ist v ∈ M ein Element mit v = aj vj für a ∈ Rn , so gilt
φ(v) = aj · (W −1 ◦ φ ◦ V )ij · wi .
n
Ist umgekehrt A ∈ Rm
eine Matrix, so existiert genau eine lineare Abbildung φ : M →
N , nämlich φ = W ◦ A ◦ V −1 , mit W −1 ◦ φ ◦ V = A.
Bei gewählten Basen von M und N entsprechen die linearen Abbildungen M → N
n
.
also umkehrbar den Matrizen A ∈ Rm
Aufgabe 4.5.7. Sei R ein kommutativer Ring. Sei V := (v1 , . . . , vn ) eine Basis eines freien
R-Moduls M . Dann ist die Darstellungsmatrix von idM durch die Einheitsmatrix I ∈ Rnn
gegeben.
Aufgabe 4.5.8. Sei R ein kommutativer Ring. Sei φ : M → N eine lineare Abbildung
zwischen den freien R-Moduln M und N . Seien V, V 0 Basen von M und W, W 0 Basen
von N . Sei A die Darstellungsmatrix von φ bezüglich der Basen V und W . Zeige, daß
A0 := W 0−1 W AV −1 V 0
die Darstellungsmatrix von φ bezüglich der Basen V 0 und W 0 ist.
4.6 Endlich-dimensionale Vektorräume
Satz 4.6.1. Sei K ein diskreter Körper. Seien V und W Vektorräume über K der
Dimensionen m beziehungsweise n. Für jede lineare Abbildung φ : V → W existieren
dann Basen T := (t1 , . . . , tm ) von V und U := (u1 , . . . , un ) von W und ein Index r ≤
n, m, so daß
(
ui für 1 ≤ i ≤ r
φ(ti ) =
0 für r < i ≤ m,
das heißt es ist

1

0
.
 ..

−1
U ◦φ◦T =
0
0

.
 ..
0
0 ··· ··· ··· ···
.. ..
.
.
... .. ..
.
.
··· 0
1
0 ···
··· ··· ··· ··· ···
···
···
···
···
···

0
.. 
.
.. 
.

0

0

.. 
.
0
mit r Einsen auf der Hauptdiagonalen.
79
4 Vektorräume
Wir sagen, daß die lineare Abbildung bezüglich der Basis T und U in Normalform mit
Rang r ist. Zwei lineare Abbildungen mit derselben Normalform heißen äquivalent.
Beweis. Seien R := (r1 , . . . , rm ) und S := (s1 , . . . , sn ) beliebige Basen von V beziehungsn
weise W . Sei A := S −1 ◦ φ ◦ R ∈ Km
.
Es existieren dann Permutationen σ ∈ Sn und τ ∈ Sm , eine unipotente untere Dreiecksmatrix D und eine obere Dreiecksmatrix in Stufenform B von einem Rang r, so daß
Aστ = D · B. Indem wir die Basen R und S umindizieren, können wir davon ausgehen,
daß σ und τ die identischen Permutationen sind, also A = D ·B, also B = (SD)−1 ◦φ◦R.
Wir definieren die Basis U durch U := S · D.
Das Gleichungssystem B · x = ei hat für 1 ≤ i ≤ r genau eine Lösung xi ∈ Rm mit
j
xi = 0 für j > r. Wir setzen ti := xji rj . Dann gilt
φ(ti ) = φ(xji rj ) = xji φ(rj ) = xji U (B · ej ) = U (B · xi ) = U (ei ) = ui .
Das Gleichungssystem B · x = 0 hat für r < i ≤ m genau eine Lösung xi ∈ Rm mit
(
1 für i = j, j > r
xji =
0 für i 6= j, j > r.
Wir setzen ti := xji rj . Dann gilt
φ(ti ) = φ(xji rj ) = xji φ(rj ) = xji U (B · ej ) = U (B · xi ) = U (0) = 0.
Es bleibt zu zeigen, daß T := (t1 , . . . , tm ) eine Basis ist. Da R ein Isomorphismus ist,
reicht es zu zeigen, daß (x1 , . . . , xm ) eine Basis ist. Um die lineare Unabhängigkeit zu
zeigen, betrachten wir eine Linearkombination ai xi = 0 mit a ∈ K m , also ai xji = 0 für
alle j.
Betrachten wir ein j > r. Nach Konstruktion der xi ist xji 6= 0 nur für i = j. Daraus
folgt ai = 0 für i > r.
P
Dann wenden wir B auf ai xi = 0 an und erhalten ri=1 ai ei = 0. Da die ei linear
unabhängig sind, erhalten wir ai = 0 für i ≤ r.
Es bleibt zu zeigen, daß (x1 , . . . , xm ) den Modul K m erzeugt. Sei dazu a ∈ K m ein
beliebiger Vektor. Wir setzen
X
a0 := a −
aj x j .
j>r
Da das Bild von B durch e1 , . . . , er aufgespannt wird, existieren v 1 , . . . , v r ∈ K mit
X
X
B(a0 ) =
v j ej = B(
v j xj ).
j≤r
j≤r
m
j
Die Gleichung B · y = B(a0 ) hat genau
P einej Lösung y ∈ R mit y = 0 für j > r. Da
0
dies aber sowohl auf a also auch auf j≤r v xj zutrifft, erhalten wir
X
a0 =
v j xj
j≤r
80
4.6 Endlich-dimensionale Vektorräume
und damit
a ==
X
1≤r
v j xj +
X
aj xj .
j>r
Aufgabe 4.6.2. Sei die Matrix


−6 −42 −105
A := −4 −23 −60  ∈ Q33
2
12
31
gegeben. Berechne zwei Basen T = (t1 , t2 , t3 ) und U = (u1 , u2 , u3 ) von Q3 , so daß die
lineare Abbildung A bezüglich dieser Basen in Normalform ist.
Aufgabe 4.6.3. Sei K ein diskreter Körper und V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum.
Zeige, daß eine lineare Abbildung φ : V → V genau dann äquivalent zu idV : V → V ist,
wenn φ invertierbar ist.
Wir können jetzt zeigen, daß die Dimension eines endlich-dimensionalen Vektorraumes
über einem diskreten Körper eine wohldefinierte Invariante ist:
Folgerung 4.6.4. Seien K ein diskreter Körper und V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über K. Dann haben je zwei Basen von V dieselbe Länge.
Beweis. Sei eine Basis der Länge m und eine Basis der Länge n gegeben, das heißt die
Dimension von V ist m und n. Nach Satz 4.6.1 angewendet auf die Identität idV : V →
V existieren Basen t1 , . . . , tm und u1 , . . . , un , so daß die Darstellungsmatrix von idV
bezüglich dieser in Normalform von einem Rang r ist. Da idV injektiv ist, muß r = m
gelten (kein Basisvektor ti darf auf 0 abgebildet werden). Da idV surjektiv ist, muß
außerdem r = n gelten (jeder Basisvektor uj muß getroffen werden). Es folgt also n =
m.
Satz 4.6.5. Sei K ein diskreter Körper. Sei φ : V → W eine lineare Abbildung zwischen
endlich-dimensionalen K-Vektorräumen. Dann sind ker φ und im φ endlich-dimensionale
Summanden von V beziehungsweise W , und es gilt die Rangformel
dim ker φ + dim im φ = dim V.
Die Dimension im φ des Bildes heißt der Rang rk φ von φ.
Beweis. Nach dem letzten Satz existieren eine Basis T = (t1 , . . . , tm ) von V und U =
(u1 , . . . , un ) und ein 1 ≤ r ≤ m, n mit
(
ui für 1 ≤ i ≤ r und
φ(ti ) =
0 für r < i ≤ n.
Es folgt, daß (tr+1 , . . . , tm ) eine Basis des Kerns und (u1 , . . . , ur ) eine Basis des Bildes
von φ ist, woraus insbesondere die Dimensionsformel folgt. Weiter ist (t1 , . . . , tr ) eine
Basis eines komplementären Summanden des Kernes und (ur+1 , . . . , un ) eine Basis eines
komplementären Summanden des Bildes.
81
4 Vektorräume
Aufgabe 4.6.6. Berechne eine Basis von Kern und Bild der linearen Abbildung


4t + 1 −t −6t − 2
 1
0
0 
3
4


8t − 2 −2t 2 − 12t  : Q(t) → Q(t) .
3
0
−2
Satz 4.6.7. Sei K ein diskreter Körper. Ist dann W ein endlich erzeugter Untervektorraum eines endlich-dimensionalen Vektorraumes V über K, so ist W ein endlichdimensionaler Summand von V .
Beweis. Sei W = hv1 , . . . , vn i. Dann ist
φ : K n → V,
a 7→ ai vi
eine lineare Abbildung mit W = im φ. Es folgt, daß W ein endlich-dimensionaler Summand von V ist.
Aufgabe 4.6.8. Sei der diskrete Körper (?) F4 := F2 [x]/(x2 + x + 1) mit vier Elementen
(?) gegeben.
Sei der Untervektorraum

 
 
 

1
1
x+1
x+1 +
*
 x   x   1   1 
 
 
 

W := 
 x  , x + 1 ,  0  , x + 1
x+1
x+1
1
x
von F44 gegeben.
Berechne eine Basis von W und eine eines komplementären Summanden von W .
Aufgabe 4.6.9. Sei K ein diskreter Körper. Sind dann A und B endlich erzeugte Unterräume eines endlich-dimensionalen Vektorraumes V über K, so ist A ∩ B ein endlichdimensionaler Summand von V .
(Tip: Ist C ein komplementärer Summand von B und π : V → C eine Projektion auf
C längs B, so ist A ∩ B = ker π|A .)
Aufgabe 4.6.10. Zeige den Basisergänzungssatz : Sei K ein diskreter Körper. Seien v1 , . . . , vr
linear unabhängige Vektoren in einem endlich-dimensionalen Vektorraum V über K. Zeige, daß Vektoren vr+1 , . . . , vn ∈ V existieren, so daß (v1 , . . . , vn ) eine Basis von V ist.
Hilfssatz 4.6.11. Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über einem diskreten
Körper K. Seien v1 , . . . , vr ∈ V . Dann ist die Aussage, daß die Vektoren v1 , . . . , vr
linear unabhängig sind, entscheidbar.
Beweis. Sei
φ : K r → V,
a 7→ ai vi
Dann sind v1 , . . . , vr linear unabhängig genau dann, wenn dim ker φ = 0.
82
4.7 Affine Räume
Aufgabe 4.6.12. Zeige den Austauschsatz von Steinitz : Sei K ein diskreter Körper. Sei
(v1 , . . . , vn ) eine Basis eines endlich-dimensionalen Vektorraumes V über K. Sind dann
(w1 , . . . , wm ) ∈ V linear unabhängige Vektoren, so existieren 1 ≤ j1 < · · · < jn−m ≤ n,
so daß
(vj1 , . . . , vjn−m , w1 , . . . , wm )
eine Basis von V ist.
(Tip: Zwei Basen von V haben die gleiche Länge, nämlich n. Zeige dann: Sind w1 , . . . , wr
linear unabhängig mit r < n, so existiert ein j, so daß w1 , . . . , wr , vj linear unabhängig
sind.)
4.7 Affine Räume
Sei E die Ebene. Wir erinnern an die Konstruktion des Vektorraumes V der Vektoren in E. Mit Hilfe dieser Vektoren lassen sich Punkte in E verschieben. Der präzise
mathematische Begriff hier ist der folgende:
Definition 4.7.1. Seien R ein Ring und M ein R-Modul. Ein affiner Raum A über
M ist eine Menge A zusammen mit einer Operation M × A → A, (v, p) 7→ v + p, der
Translation, so daß folgende Axiome erfüllt sind:
1. Die Null ist das neutrale Element der Translation: ∀p∈A 0 + p = p.
2. Die Translation ist assoziativ: ∀v,w∈M ∀p∈A v + (w + p) = (v + w) + p.
3. Die Translation ist transitiv: ∀p,q∈A ∃v∈M q = v + p.
4. Die Translation ist eine freie Operation: ∀p∈A ∀v∈M (p = v + p =⇒ v = 0).
5. Die Menge A enthält mindestens ein Element: ∃a∈A >.
Ist M ein freier Modul vom Rang n, so nennen wir A auch einen n-dimensionalen
affinen Raum.
Elemente eines affinen Raumes nennen wir in der Regel Punkte.
Aufgabe 4.7.2. Seien R ein Ring und M ein R-Modul. Sei A ein affiner Raum über M .
Zeige, daß für je zwei Punkte p, q ∈ A genau ein Vektor v ∈ M mit q = v + p existiert.
Diesen Vektor bezeichnen wir mit q − p.
Beispiel 4.7.3. Sei R ein Ring. Jeder R-Modul ist bezüglich seiner Addition M × M →
M, (v, w) 7→ v + w ein affiner Raum über sich selbst.
Bemerkung 4.7.4. Seien R ein Ring und M ein R-Modul. Ist dann A ein affiner Raum
über M , so können wir die Menge P := A×A der Pfeile in A betrachten. Auf P definieren
wir eine Äquivalenzrelation ∼ wie folgt: Sind p = (p0 , p1 ) ∈ P und q = (q0 , q1 ) ∈ P , so
sei
p ∼ q ⇐⇒ q0 − p0 = q1 − p1 .
83
4 Vektorräume
Sei a ∈ A. Dann ist die Abbildung
V 7→ P/ ∼ v 7→ [v + a, a]
eine Bijektion, welche unabhängig von der Wahl von a ist.
Diese Konstruktion verallgemeinert die Konstruktion der Menge der Vektoren V der
Ebene E.
n
Beispiel 4.7.5. Seien R ein kommutativer Ring, A ∈ Rm
und c ∈ Rn . Die Menge der
Lösungen von A · x = c bildet dann einen affinen Raum über der Menge der Lösungen
des homogenen Systems A · x = 0:
Sind b, b0 ∈ Rn zwei Lösungen von A · x = c, so ist b − b0 eine Lösung von A · x = 0.
Ist b ∈ Rn eine Lösung von A · x = c und ist v ∈ Rn eine Lösung von A · v = 0, so ist
b + v wieder eine Lösung von A · x = c.
Beispiel 4.7.6. Seien R ein Ring und M ein R-Modul. Sei N ein Untermodul. Schließlich
sei a ∈ M . Die Menge
N + a := {p ∈ M | p − a ∈ N }
wird vermöge der Operation N × (N + a) → N + a, (v, p) 7→ v + p zu einem affinen
Raum über N .
Ein solcher affiner Raum heißt ein affiner Unterraum von N .
Aufgabe 4.7.7. Seien R ein Ring und M ein R-Modul. Sei A eine Teilmenge von M . Sei
2 in R invertierbar. Zeige, daß A genau dann ein affiner Unterraum von M ist, falls
∃a∈M a ∈ A
und
∀p,q∈M ∀t∈R (p, q ∈ A =⇒ tp + (1 − t)q ∈ A) .
Aufgabe 4.7.8. Seien R ein Ring und M ein R-Modul. Seien A und B zwei affine Unterräume von M . Zeige, daß A ∩ B ebenfalls ein affiner Unterraum von M ist, vorausgesetzt, es existiert ein a ∈ M mit a ∈ A ∩ B.
Bemerkung 4.7.9. Sei R ein Ring und M ein freier Modul über R. Sei A ein affiner Raum
über M . Unter einem affinen Koordinatensystem o; v1 , . . . , vn von M wollen wir dann ein
Tupel bestehend aus einem Punkt o ∈ A und einer Basis (v 1 , . . . , v n ) von M verstehen.
Der Punkt o heißt der Ursprung, die Vektoren vi die Achsen des Koordinatensystems.
Für jeden Punkt p ∈ A existieren dann eindeutige a1 , . . . , an ∈ R, so daß
p = o + ai v i .
Wir nennen die ai die affinen Koordinaten von p bezüglich des Koordinatensystems
(o; v1 , . . . , vn ).
84
4.7 Affine Räume
Definition 4.7.10. Sei R ein Ring. Seien M und N zwei R-Moduln. Sei A ein affiner
Raum über M und B ein affiner Raum über N .
Eine affine Abbildung f : A → B ist dann eine Abbildung f , so daß für jedes a ∈ A
die Abbildung
M → N, v 7→ f (v + a) − f (a)
eine lineare ist.
Bemerkung 4.7.11. Sei R ein Ring. Seien M und N zwei R-Moduln. Sei A ein affiner
Raum über M und B ein affiner Raum über N . Sei f : A → B eine lineare Abbildung.
Wir setzen
f# : M → N, v 7→ f (v + a) − f (a)
und
f#0 : M → N,
v 7→ f (v + a0 ) − f (a0 ).
Mit v ∈ M gilt dann
f# (v) = f (v + a) − f (a) = f (v + (a − a0 ) + a0 ) − f ((a − a0 ) + a0 )
= f#0 (v + (a − a0 )) + f (a0 ) − (f#0 (a − a0 ) + f (a0 )) = f#0 (v).
aufgrund der Linearität. Damit ist eine Abbildung f : A → B genau dann affin, wenn
eine lineare Abbildung f# : M → N existiert, so daß
∀p∈A ∀v∈V f (v + p) = f# (v) + f (p).
Wir nennen f# den linearen Anteil von f .
Beispiel 4.7.12. Sei A ein affiner Raum über einem Modul M . Dann ist idA eine affine
Abbildung, deren linearer Anteil durch idM gegeben ist.
Aufgabe 4.7.13. Sei R ein Ring. Seien M , N und P drei R-Moduln. Seien A, B und C
drei affine Räume über M , N und P . Zeigen Sie, daß die Verknüpfung g ◦ f : A → C
zwei affiner Abbildungen f : A → B und g : B → C wieder affin ist. Berechnen Sie den
linearen Anteil von g ◦ f .
Aufgabe 4.7.14. Sei R ein Ring. Seien M ein R-Modul und A ein affiner Raum über M .
Sei v ∈ M ein Vektor. Zeige, daß die Translation um v
f : M → M,
p 7→ v + p
eine affine Abbildung ist, und gebe ihren linearen Anteil an.
Bemerkung 4.7.15. Sei R ein Ring. Seien M und N zwei R-Moduln. Sei A ein affiner
Raum über M , und sei B ein affiner Raum über N . Seien schließlich a0 ∈ A und b0 ∈ B.
Es definiert
g : A → M ⊕ R, a 7→ (a − a0 , 1)
einen Isomorphismus — das heißt eine affine Bijektion, deren Umkehrung wieder affin
ist — von A auf den affinen Unterraum (0, 1) + M von M ⊕ R. Analog ist h : B →
85
4 Vektorräume
N ⊕ R, a 7→ (b − b0 , 1) ein Isomorphismus auf den affinen Unterraum (0, 1) + N von
N ⊕ R.
Ist dann f : A → B eine affine Abbildung, so ist
fˆ: M ⊕ R → N ⊕ R,
(m, r) 7→ (r · (f (a0 ) − b0 ) + f# (m), r)
eine lineare Abbildung, für die
∀a∈A fˆ(g(a)) = h(f (a))
gilt. In diesem Sinne können wir jeden affinen Raum als affinen Unterraum und jede
affine Abbildung als lineare Abbildung ansehen.
4.8 Quotientenräume
Sei ein Modul M über einem Ring R gegeben. Sei N ein Untermodul von M . Auf M
definieren wir eine Äquivalenzrelation ∼N durch
∀m,m0 ∈M m ∼N m0 ⇐⇒ m − m0 ∈ N.
Die Menge der Äquivalenzklassen wird mit
M/N := M/∼N
bezeichnet, die Äquivalenzklasse eines Elementes m mit [m]N oder auch nur mit [m]. Wir
machen die Menge M/N durch die folgenden Setzungen zu einem R-Modul. Zunächst
ist die Addition durch
[m]N + [m0 ]N := [m + m0 ]N
für m, m0 ∈ M gegeben. Das Nullelement ist durch
0 := [0]N
gegeben. Die Operation von R auf M/N ist schließlich durch
a · [m]N := [a · m]N
für a ∈ R und m ∈ M gegeben. Wir verzichten an dieser Stelle darauf, nachzurechnen,
daß durch diese Setzungen in der Tat ein wohldefinierter R-Modul gegeben wird. Für
die Wohldefiniertheit geht entscheidend ein, daß N ein Untermodul und nicht irgendeine
Teilmenge von M ist.
Definition 4.8.1. Seien R ein Ring, M ein R-Modul und N ein Untermodul von M .
Der R-Modul M/N heißt der Quotientenmodul von M nach N .
Im Falle, daß R ein Körper ist, sprechen wir auch von einem Quotientenvektorraum.
86
4.8 Quotientenräume
Bemerkung 4.8.2. Seien R ein Ring, M ein R-Modul und N ein Untermodul von M .
Die natürliche Abbildung
π : M → M/N,
m → [m]N ,
welche jedes Element von M auf seine Äquivalenzklasse schickt, ist eine surjektive lineare
Abbildung. (Die Modulstruktur auf M/N ist gerade so definiert worden, daß π linear
ist.)
Diese Abbildung wollen wir die Quotientenabbildung oder die Strukturabbildung von
M/N nennen.
Beispiel 4.8.3. Seien R ein Ring und I ein Ideal von R. Wir erinnern an die Konstruktion
des Faktorringes R/I, welcher als R-Algebra insbesondere ein R-Vektorraum ist.
Wir können das Ideal I aber auch als Untermodul des R-Moduls R auffassen. Damit
können wir nach der Vorschrift dieses Abschnittes den Quotientenmodul R/I definieren.
Als R-Modul stimmt dieser mit dem Faktorring R/I überein.
Bemerkung 4.8.4. Seien R ein Ring ein M ein R-Modul. Sei N ein Untermodul von M .
Die Äquivalenzklassen [m]N in M/N sind genau die affinen Unterräume m + N längs N .
Beispiel 4.8.5. Seien R ein Ring und M ein R-Modul. Ist dann 0 der Nulluntermodul
von M — also derjenige Modul, welcher nur ein Element, nämlich die Null, enthält —,
so ist M/0 ∼
= M . Weiter ist M/M ∼
= 0.
Aufgabe 4.8.6. Sei K ein diskreter Körper, V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum
und U ein endlich-erzeugter Unterraum von V . Zeige, daß V /U diskret ist.
Ein wesentlicher Punkt, warum Quotientenvektorräume betrachtet werden, ist der,
daß sie erlauben, Abbildungen in gewisser Weise injektiv zu machen. Dazu erinnern wir
daran, daß der Kern einer linearen Abbildung ein Maß dafür ist, daß diese nicht injektiv
ist.
Der folgende Satz heißt der Homomorphiesatz“:
”
Satz 4.8.7. Sei R ein Ring. Sei φ : M → N eine lineare Abbildung zwischen den RModuln M und N . Dann ist die Abbildung
φ : M/ ker φ → im φ,
[m] 7→ φ(m)
wohldefiniert und ein Isomorphismus von R-Moduln.
Beweis. Zunächst zeigen wir die Wohldefiniertheit: Seien etwa [m], [m0 ] ∈ M/ ker φ mit
[m] = [m0 ], also m − m0 ∈ ker φ, also φ(m − m0 ) = 0. Daraus folgt: φ(m) = φ(m0 ).
Daß die Abbildung φ linear ist, folgt sofort aus der Linearität von φ.
Als nächstes zeigen wir die Injektivität von φ: Sei dazu [m] ∈ M/ ker φ mit φ([m]) = 0
gegeben, das heißt φ(m) = 0. Es folgt, daß m ∈ ker φ, also [m] = 0. Damit ist ker φ = 0,
die lineare Abbildung φ also injektiv.
Es bleibt, die Surjektivität zu zeigen. Dies folgt sofort aus der der Surjektivität von
φ.
87
4 Vektorräume
Aufgabe 4.8.8. Sei R ein Ring, φ : M → N eine lineare Abbildung. Sei U ein Untermodul
von M . Zeige, daß die Abbildung
φ : M/U → N,
[m]U 7→ φ(m)
genau dann wohldefiniert ist, wenn U ⊂ ker φ.
Zeige weiter, daß in diesem Falle ker φ = ker φ/U gilt.
Definition 4.8.9. Sei R ein Ring. Eine Sequenz
φ
ψ
A −−−→ B −−−→ C
von R-Moduln und linearen Abbildungen zwischen ihnen heißt exakt (bei B), falls im φ =
ker ψ.
Eine Sequenz der Form
· · · −−−→ M i −−−→ M i+1 −−−→ · · ·
heißt exakt, wenn sie an jeder Stelle M i exakt ist, wenn also die Teilsequenzen
M i−1 −−−→ M i −−−→ M i+1
exakt sind.
Eine kurze exakte Sequenz ist eine exakte Sequenz der Form
0 −−−→ M 0 −−−→ M −−−→ M 00 −−−→ 0.
Beispiel 4.8.10. Sei R ein Ring.
1. Eine Sequenz von R-Moduln der Form
φ
0 −−−→ M −−−→ N
ist genau dann exakt (bei M ), wenn φ injektiv ist.
2. Eine Sequenz von R-Moduln der Form
φ
M −−−→ N −−−→ 0
ist genau dann exakt (bei N ), wenn φ surjektiv ist.
3. Eine Sequenz von R-Moduln der Form
φ
0 −−−→ M −−−→ N −−−→ 0
ist genau dann exakt (also bei M und N ), wenn φ bijektiv ist.
Beispiel 4.8.11. Sei R ein Ring. Eine Sequenz von R-Moduln der Form
φ
M −−−→ N
ist genau dann exakt (bei M ), wenn φ injektiv ist.
88
4.8 Quotientenräume
Aufgabe 4.8.12. Sei R ein Ring und
0 −−−→ M 0 −−−→ M −−−→ M 00 −−−→ 0
eine kurze exakte Sequenz von R-Moduln. Zeige, daß ein natürlicher Isomorphismus
M 00 ∼
= M/M 0 existiert. (Dabei betrachten wir M 0 vermöge der injektiven Abbildung
0
M → M als Untermodul von M .
Beispiel 4.8.13. Sei R ein Ring. Sei φ : M → N eine lineare Abbildung. Dann sind die
natürlichen Sequenzen
0 −−−→ ker φ → M −−−→ im φ −−−→ 0
und
0 −−−→ M/ ker φ −−−→ N −−−→ N/ im φ −−−→ 0
exakt.
Aufgabe 4.8.14. Sei K ein diskreter Körper. Sei
0 −−−→ V 0 −−−→ V −−−→ V 00 −−−→ 0
eine kurze exakte Sequenz von K-Vektorräumen. Seien zwei der drei Vektorräume endlichdimensional. Zeige, daß dann auch der dritte Vektorraum endlich-dimensional ist und
daß
dim V = dim V 0 + dim V 00
gilt.
Aufgabe 4.8.15. Betrachte die lineare Abbildung


−1 3
4
 7 −11 −6
3
4


−5 5 −2 : Q → Q .
2 −1 3
Berechne eine Basis von Q4 / im φ.
89
4 Vektorräume
90
5 Abbildungsräume
5.1 Der Abbildungsraum
Sei R ein kommutativer Ring. In diesem Kapitel werden wir die Menge der linearen
Abbildungen von einem R-Modul M in einen R-Modul N betrachten. Wir setzen
HomR (M, N ) := {φ : M → N | φ ist R-linear}.
Wenn keine Mißverständnisse zu erwarten sind, lassen wir den Index R auch weg und
schreiben häufig einfach Hom(M, N ).
Zunächst stellen wir fest, daß Hom(M, N ) eine Teilmenge der Menge aller Abbildungen
N M von M nach N ist. Wir erinnern daran, daß wir die Menge N M mit der Struktur eines
R-Moduls versehen haben, indem wir die R-Modulstruktur des Zielraumes N ausgenutzt
haben. So haben wir die Summe von zwei Abbildungen f, g : M → N etwa durch
f + g : M → N,
m 7→ f (m) + g(m)
definiert. Es rechnet sich schnell nach, daß f + g eine lineare Abbildung ist, sobald die
Abbildungen f und g linear sind. Außerdem ist die Null in N M , also die Nullabbildung,
linear, und R-Vielfache von linearen Abbildungen sind wieder linear. Es folgt, daß die
Menge HomR (M, N ) der R-linearen Abbildungen ein Untermodul des R-Moduls N M
aller Abbildungen ist.
Definition 5.1.1. Seien R ein kommutativer Ring und M und N zwei R-Moduln. Der
R-Modul HomR (M, N ) heißt der Abbildungsraum (der R-linearen Abbildungen) von V
nach W .
Bemerkung 5.1.2. Seien R ein kommutativer Ring, m, n ∈ N0 . Wir erinnern daran, daß
jede lineare Abbildung φ : Rm → Rn durch Multiplikation mit einer eindeutigen Matrix
n
aus Rm
gegeben ist. Wir können dies auch so ausdrücken, daß die Abbildung
n
Φ : Rm
→ HomR (Rm , Rn ),
A 7→ (v 7→ A · v)
eine Bijektion von Mengen ist. Nun sind sowohl die linke als auch die rechte Seite RModuln. Die Matrizenaddition und Multiplikation von Matrizen mit Elementen aus R
sind gerade so gemacht, daß Φ eine lineare Abbildung wird. Damit ist Φ ein Isomorphismus, der Abbildungsraum von Rm nach Rn also isomorph zum R-Modul der (n × m)Matrizen.
91
5 Abbildungsräume
Beispiel 5.1.3. Seien R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Dann ist die Abbildung
Φ : M → HomR (R, M ), m 7→ (a 7→ a · m)
ein Isomorphismus von R-Moduln, dessen Umkehrung durch
Φ−1 : HomR (R, M ) → M,
φ 7→ φ(1)
gegeben ist.
Ist L ein dritter R-Modul, so können wir neben HomR (M, N ) auch HomR (N, L) betrachten. Sind dann φ ∈ HomR (M, N ) und ψ ∈ HomR (N, L), so ist die Komposition
ψ ◦ φ : M → L wieder linear, das heißt, wir haben eine wohldefinierte Abbildung
Υ : HomR (M, N ) × HomR (N, L) → HomR (M, L),
(φ, ψ) 7→ ψ ◦ φ.
Hilfssatz 5.1.4. Seien R ein kommutativer Ring und M, N, L drei R-Moduln. Dann ist
die Abbildung Υ : HomR (M, N )×HomR (N, L) → HomR (M, L) eine bilineare Abbildung,
das heißt linear in jedem Argument bei festgehaltenem anderen Argument.
Beweis. Wir rechnen die Linearität im ersten Argument nach: Seien dazu φ, φ0 ∈ HomR (M, N ),
ψ ∈ HomR (N, L) und a ∈ R gegeben. Es genügt dann Υ(φ + a · φ0 , ψ) = Υ(φ, ψ) + a ·
Υ(φ0 , ψ) zu zeigen. Dies ist eine Gleichheit von Abbildungen von M nach L. Die Gleichheit zeigen wir durch Auswertung auf Elementen: Sei v ∈ M beliebig. Dann ist
Υ(φ + a · φ0 , ψ)(v) = ψ((φ + a · φ0 )(v)) = ψ(φ(v) + a · φ0 (v))
= ψ(φ(v)) + a · ψ(φ(v)) = Υ(φ, ψ)(v) + a · Υ(φ0 , ψ)(v) = (Υ(φ, ψ) + a · Υ(φ0 , ψ))(v).
Das Nachrechnen der Linearität im zweiten Argument geht ganz analog.
Beispiel 5.1.5. Seien R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Wegen EndR (M ) =
HomR (M, M ) folgt, daß auch die Menge der Endomorphismen von M die Struktur eines
R-Moduls trägt. Mit der Verknüpfung
◦ : EndR (M ) × EndR (M ) → EndR (M ),
(ψ, φ) 7→ ψ ◦ φ
als Multiplikation wird EndR (M ) sogar zu einer R-Algebra. Die Eins ist dabei durch die
identische Abbildung idM gegeben.
Beispiel 5.1.6. Seien R ein kommutativer Ring und M, N, L drei R-Moduln. Jede lineare
Abbildung φ : M → N definiert dann eine lineare Abbildung
φ∗ : HomR (N, L) → HomR (M, L),
ψ 7→ ψ ◦ φ
und jede lineare Abbildung ψ : N → L eine lineare Abbildung
ψ∗ : HomR (M, N ) → HomR (M, L),
92
φ 7→ ψ ◦ φ.
5.1 Der Abbildungsraum
Aufgabe 5.1.7. Seien R ein kommutativer Ring und M, N, L drei R-Moduln. Seien φ : M →
N und ψ : N → L jeweils ein Isomorphism von R-Moduln. Zeige, daß dann auch
φ∗ : HomR (N, L) → HomR (M, L) und ψ∗ : HomR (M, N ) → HomR (M, L) zwei Isomorphismen sind.
Aufgabe 5.1.8. Sei R ein kommutativer Ring. Sind M und N zwei freie R-Moduln vom
n
.
Rang m beziehungsweise n, so ist HomR (M, N ) als R-Modul isomorph zu Rm
Bemerkung 5.1.9. Aus der vorstehenden Aufgabe folgt: Ist R ein kommutativer Ring und
sind M und N zwei freie R-Moduln vom Rang m beziehungweise n, so ist HomR (M, N )
ein freier R-Modul vom Rang n · m.
Im folgenden wollen wir eine Basis von HomR (M, N ) konstruieren. Wir erinnern dazu
an die Tatsache, daß eine Basis eines Moduls L nichts anderes als ein Isomorphismus
der Form Rk → L von R-Moduln ist, welcher die Standardbasis (e1 , . . . , ek ) von Rk
auf die gegebene Basis von L schickt. Nun stellt es sich bei der Behandlung von Abbildungsräumen als sinnvoll heraus, auch mit Rk anstelle von Rk zu arbeiten. Eine Basis
ist also auch ein Isomorphismus Rk → L, welcher (e1 , . . . , ek ) auf die gegebene Basis von
L schickt.
Wir kombinieren beide Möglichkeiten auf folgende Weise: Eine Basis von HomR (M, N )
läßt sich wie folgt konstruieren: Seien U := (u1 , . . . , um ) eine Basis von M und V :=
(v1 , . . . , vn ) eine von N . Wir schreiben
U −1 = (u1 , . . . , un )> : M → Rm
für die m Komponenten der Umkehrung U −1 von U : Rm → M . Für i ∈ {1, . . . , m} und
j ∈ {1, . . . , n} ist dann
vj · ui : M → N
eine lineare Abbildung.
Es ist dann
V o U := (v1 · u1 , . . . , vn · um )
eine Basis von HomR (M, N ), welche wir als Isomorphismus
n
Rm
→ HomR (M, N ),
ei · ej → vi · uj
von R-Moduln interpretieren.
Der Abbildungsraum hängt mit dem Quotientenraum wie folgt zusammen:
Beispiel 5.1.10. Sei R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Ist dann U ein
Untermodul von M , so gilt für jeden weiteren R-Modul N , daß die Abbildung
HomR (M/U, N ) → {φ ∈ HomR (M, N )|φ|U = 0},
(φ 7→ (m 7→ φ([m]))
eine wohldefinierter Isomorphismen zwischen R-Moduln ist. (Dabei sei beachtet, daß die
Menge auf der rechten Seite ein Untermodul von HomR (M, N ) ist.)
Diese Tatsache ist einfach eine Umformulierung des Homomorphiesatzes.
93
5 Abbildungsräume
Aufgabe 5.1.11. Sei R ein kommutativer Ring und
φ
ψ
0 −−−→ A −−−→ B −−−→ C −−−→ 0
eine exakte Sequenz von R-Moduln. Sei M ein weiterer R-Modul. Zeige, daß dann
φ∗
ψ∗
0 −−−→ Hom(M, A) −−−→ Hom(M, B) −−−→ Hom(M, C)
ebenfalls eine exakte Sequenz von R-Moduln ist.
5.2 Der Dualraum
Seien R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Wir können außerdem R als RModul auffassen. Ein spezieller Abbildungsraum, den wir untersuchen können, ist durch
M ∨ := Hom(M, R)
gegeben. In der linearen Algebra ist diese Konstruktion so wichtig, daß sie einen eigenen
Namen bekommt:
Definition 5.2.1. Seien R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Der R-Modul
M ∨ heißt der Dualraum von M .
Elemente des Dualraums von M nennen wir Linearformen auf M und schreiben sie
in der Regel mit kleinen griechischen Buchstaben.
Beispiel 5.2.2. Sei R ein kommutativer Ring. Dann existiert ein natürlicher Isomorphismus
R∨ → R, λ → λ(1)
von R-Moduln.
Beispiel 5.2.3. Sei n ∈ N1 eine positive, natürliche Zahl. Wir betrachten Z/(n) als
Z-Modul. Sei φ : Z/(n) → Z eine lineare Abbildung. Für alle k ∈ Z gilt dann:
n · φ([k]) = φ([n · k]) = φ([0]) = 0,
wegen n 6= 0 also φ([k]) = 0. Damit ist φ zwangsläufig die Nullabbildung. Folglich ist
der Dualraum von Z/(n), aufgefaßt als Z-Modul, der Nullmodul.
Beispiel 5.2.4. Sei R ein kommutativer Ring. Wir erinnern daran, daß für m, n ∈ N0
eine natürlicher Isomorphismus
n
Rm
→ HomR (Rm , Rn ),
A 7→ (v 7→ A · v)
existiert. Spezialisiert auf den Fall n = 1 erhalten wir also einen Isomorphismus
Rm → (Rm )∨ ,
α 7→ (v 7→ α · v).
Wir sagen daher auch, daß der Raum der Zeilenvektoren der Dualraum zum Raum
der Spaltenvektoren ist.
94
5.2 Der Dualraum
Beispiel 5.2.5. Sei R ein kommutativer Ring. Sei n ∈ N0 . Für jedes 1 ≤ i ≤ n ist dann
die Abbildung
Rn → R, a 7→ ai ,
welche einen Spaltenvektor auf seinen Eintrag in der i-ten Zeile abbildet, eine lineare und
damit ein Element im Dualraum von Rn . Unter der Identifikation (Rn )∨ ∼
= Rn entspricht
dieser Linearform gerade der Zeilenvektor ei ∈ Rn , so daß wir die Linearform in Zukunft
auch mit ei bezeichnen werden.
Jedem Paar bestehend aus einem Vektor v aus M und einer Linearform λ aus M ∨
können wir ein Ringelement, einen Skalar, zuordnen, nämlich λ(v). Um eine gewisse
Symmetrie zwischen M und M ∨ anzudeuten, die im Laufe dieses Kapitels aufgedeckt
wird, schreiben wir diese Zuordnung als
M ∨ × M → R,
(λ, v) 7→ hλ, viM := λ(v).
Wenn keine Verwechslungsgefahr besteht, lassen wir den Index M auch häufig weg. Es ist
schnell nachgerechnet, daß der skalarwertige Ausdruck h·, ·i linear in jedem Argument,
also bilinear, ist. Wir sprechen daher von einer Bilinearform.
Definition 5.2.6. Seien R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Dann heißt die
Bilinearform
h·, ·iM : M ∨ × M → R
das Inzidenzprodukt auf M .
Bemerkung 5.2.7. Seien R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Das Inzidenzprodukt auf M ist im ersten Argument nicht ausgeartet. Damit ist folgendes gemeint:
Sei λ ∈ M ∨ eine Linearform, für die
∀v∈M hλ, vi = 0
gilt. Dann ist λ = 0. Das liegt einfach an der Tatsache, daß eine lineare Abbildung genau
dann die Nullabbildung ist, wenn sie an jeder Stelle den Wert Null annimmt.
Unter geeigneten Voraussetzungen an den Modul ist das Inzidenzprodukt auch im
zweiten Argument nicht ausgeartet:
Hilfssatz 5.2.8. Seien R ein kommutativer Ring und M ein freier R-Modul (endlichen
Ranges). Sei v ∈ M ein Vektor, für den
∀λ∈M ∨ hλ, vi = 0
gilt. Dann ist v = 0.
Beweis. Da M ein freier R-Modul ist, existiert ein Isomorphismus φ : M → Rn von
R-Moduln. Sei v ∈ M ein Vektor, der die Voraussetzungen des Hilfssatzes erfüllt. Wir
müssen zeigen, daß v = 0 gilt. Es reicht dazu zu zeigen, daß φ(v) = 0. Es ist ei ◦φ : M → R
eine Linearform auf R. Damit ist
0 = ei ◦ φ, v = ei , φ(v) = (φ(v))i
für alle 1 ≤ i ≤ n. Damit verschwinden alle Einträge des Spaltenvektors φ(v), daher also
φ(v) = 0.
95
5 Abbildungsräume
Wir erinnern an die Konstruktion von Basen für Abbildungsräume zwischen freien
Moduln. Diese Konstruktion werden wir auf den Dualraum spezialisieren. Sei etwa M
ein freier R-Modul vom Rang n. Sei V := (v1 , . . . , vn ) eine Basis von M , also ein Isomorphismus V : Rn → M, ei 7→ vi . Setzen wir dann
v i := ei ◦ V −1 : M → R,
so erhalten wir eine Basis V̌ := (v 1 , . . . , v n )> : Rn → M ∨ des Dualraums M ∨ von M .
Definition 5.2.9. Seien R ein Ring und M ein R-Modul. Ist dann V = (v1 , . . . , vn ) eine
Basis von M , so heißt die Basis V∗ = (v 1 , . . . , v n )> von M ∨ die Dualbasis zur Basis V .
Dualbasen schreiben wir also immer in Spalten, deren Einträge Linearformen sind.
Folgerung 5.2.10. Seien R ein Ring und M ein freier R-Modul vom Rang n ∈ N0 .
Dann ist auch M ∨ ein freier R-Modul vom Rang n.
Aufgabe 5.2.11. Seien R ein Ring und M ein freier R-Modul. Sei V := (v1 , . . . , vn ) eine
Basis von M . Zeige, daß (v 1 , . . . , v n )> genau dann die Dualbasis zu V ist, wenn
i v , vj =
(
1 für i = j
0 sonst
für alle 1 ≤ i, j ≤ n gilt.
Ist (v1 , . . . , vn ) eine Basis, wollen wir in Zukunft mit (v 1 , . . . , v n )> immer die Dualbasis
bezeichnen.
Bemerkung 5.2.12. Sei R ein Ring. Sei M ein freier R-Modul mit Basis (v1 , . . . , vn ).
Sei x ∈ M ein Vektor. Dann existieren nach Definition a1 , . . . , an ∈ R mit x = ai vi .
Anwenden von v j auf diese Gleichung liefert: v j (x) = ai v j (vi ) = aj , also
x = v i , x vi .
Analog gilt für ξ ∈ M ∨ , daß
ξ = hξ, vi i v i .
Aufgabe 5.2.13. Seien
 
5

v1 := 1 ,
4
 
2

v2 := 23
7
 
6

und v3 := 2 ∈ Z3 .
5
Zeige, daß V := (v1 , v2 , v3 ) eine Basis des Z-Moduls Z3 ist, und berechne die zugehörige
Dualbasis V∗ .
96
5.2 Der Dualraum
Sei φ : M → N eine lineare Abbildung zwischen zwei beliebigen R-Moduln. Wir erinnern an die Definition von φ∗ , welches durch
φ∗ : HomR (N, ·) → HomR (M, ·),
λ 7→ λ ◦ φ
gegeben ist, wobei wir für den Punkt einen beliebigen weiteren R-Modul einsetzen
können, insbesondere also R selbst. Damit wird φ∗ zu einer Abbildung vom Dualraum
von N zum Dualraum von M und für diese spezielle Abbildung schreiben wir
φ∨ : N ∨ → M ∨ ,
λ 7→ λ ◦ φ.
Definition 5.2.14. Sei R ein Ring. Für jede lineare Abbildung φ : M → N zwischen
R-Moduln heißt φ∨ die duale (oder adjungierte) Abbildung zu φ.
Aufgabe 5.2.15. Seien R ein Ring und M und N zwei R-Moduln. Zeige, daß die Abbildung
Φ : HomR (M, N ) → HomR (N ∨ , M ∨ ),
φ 7→ φ∨
eine lineare ist.
Bemerkung 5.2.16. Den Zusammenhang zwischen einer linearen Abbildung und ihrer
adjungierten können wir auch über das Inzidenzprodukt ausdrücken: Seien R ein Ring
und φ : M → N eine lineare Abbildung. Dann gilt:
∀v∈M,µ∈N ∨ hφ∨ (µ), viM = hµ, φ(v)iN .
n
eine Matrix über R. Wir
Beispiel 5.2.17. Seien R ein kommutativer Ring und A ∈ Rm
interessieren uns für die duale Abbildung zur linearen Abbildung A : Rm → Rn . Aus
der Identifikation von (R· )∨ mit R· und der Tatsache, daß das Matrizenprodukt der
Komposition von Abbildungen entspricht, folgt:
A∨ : Rn → Rm ,
α 7→ α · A.
(Es ist eine gute Übung, sich zu überlegen, daß wir hier Matrizen mit einer passenden
Zeilen- bzw. Spaltenanzahl miteinander multiplizieren.)
Die Abbildung A∨ ist in der obigen Darstellung durch eine Multiplikation (mit A) von
rechts gegeben. Soll die duale Abbildung (wie bei linearen Abbildungen üblich) durch
eine Multiplikation mit einer Matrix von links dargestellt werden, so gelingt dies mit
Hilfe der Transposition von Vektoren und Matrizen. Es ist nämlich
A∨ (α) = A · α = (A> · α> )>
für alle α ∈ Rn . Das bedeutet, daß die transponierte Matrix genau der Abbildungsmatrix
der Dualisierung der Abbildung der nicht transponierten Matrix entspricht.
Beispiel 5.2.18. Seien R ein kommutativen Ring und N ein R-Modul. Sei ι : M → N
die Inklusionsabbildung eines Untermoduls von M . Die duale Abbildung zu ι ist dann
ι∨ : N ∨ → M ∨ ,
µ 7→ µ|M ,
das heißt die Einschränkung von N auf M .
97
5 Abbildungsräume
Beispiel 5.2.19. Seien R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Dann ist
id∨M = idM ∨ ,
was zum Beispiel schnell durch direkte Rechnung einzusehen ist. Eine andere Möglichkeit
ist die, das Inzidenzprodukt auszunutzen. Sei dazu λ ∈ M ∨ . Sei v ∈ M beliebig. Dann
haben wir
hid∨M (λ), vi = hλ, idM (v)i = hλ, vi .
Aufgrund der Nichtausgeartetheit des Inzidenzproduktes im ersten Argument folgt daraus id∨M (λ) = λ, also die Behauptung.
Aufgabe 5.2.20. Seien R ein kommutativer Ring und φ : M → N und ψ : N → L zwei
lineare Abbildungen zwischen R-Moduln. Zeige, daß dann
(ψ ◦ φ)∨ = φ∨ ◦ ψ ∨ : L∨ → M ∨ .
Aufgabe 5.2.21. Seien R ein kommutativer Ring und M und N zwei R-Moduln. Zeige,
daß
(M ⊕ N )∨ → M ∨ ⊕ N ∨ , λ 7→ (m 7→ λ((m, 0)), n 7→ λ((0, n)))
ein Isomorphismus von R-Moduln ist.
5.3 Annulatoren und Nullstellengebilde
Seien R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Es ist schnell nachgerechnet, daß
für jede Teilmenge U von R die Teilmenge
⊥
U := {λ ∈ M ∨ |∀v∈U hλ, vi = 0} ⊂ M ∨
von M ∨ ein Untermodul von M ∨ ist.
Definition 5.3.1. Seien R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Für eine Teilmenge U ⊂ M heißt der Untermodul ⊥ U von M ∨ der Annulator von U .
Der Annulator einer Teilmenge von Vektoren ist also die Menge derjenigen Linearformen, welche auf allen Elementen von U verschwinden.
Aufgabe 5.3.2. Sei R ein kommutativer Ring, und sei (v1 , . . . , vn ) eine Basis eines freien
R-Moduls M . Sei
U := hv1 , . . . , vm i
der von den ersten m Vektoren aufgespannte Untervektorraum von M .
Zeige, daß für λ ∈ M ∨ dann gilt, daß
λ ∈ ⊥ U ⇐⇒ λ ∈ v m+1 , . . . , v n ,
d.h.
⊥
98
U = v m+1 , . . . , v n .
5.3 Annulatoren und Nullstellengebilde
Satz 5.3.3. Sei V ein endlich-dimensionaler Untervektorraum über einem diskreten
Körper K und sei U ein endlich erzeugter Untervektorraum von V . Dann ist ⊥ U ein
endlich-dimensionaler Vektorraum und es gilt die Dimensionsformel
dim U + dim ⊥ U = dim V.
Beweis. Nach dem Basisergänzungssatz, Aufgabe 4.6.10, existiert eine Basis v1 , . . . , vm
von V , so daß U = hv1 , . . . , vm i. Dann folgt die Aussage aus Aufgabe 5.3.2.
Auch aus der folgenden Aussage läßt sich der vorhergehende Hilfssatz beweisen.
Aufgabe 5.3.4. Sei R ein kommutativer Ring. Seien A und B zwei R-Moduln. Sei V :=
A ⊕ B, so daß wir A als Untermodul von V auffassen können. Insbesondere können wir
⊥
A ⊂ V ∨ bilden.
Zeige, daß
⊥
A → B ∨ , λ 7→ (b 7→ λ((0, b))
ein Isomorphismus von R-Moduln ist.
Analog zum Annulator wird das Nullstellengebilde durch Vertauschung der Rollen von
Raum und Dualraum definiert:
Definition 5.3.5. Seien R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Für eine Teilmenge S ⊂ M ∨ heißt der Untermodul
S ⊥ := {v ∈ M |∀λ∈S hλ, vi = 0}
von M das Nullstellengebilde von S.
Das Nullstellengebilde einer Menge von Linearformen ist also die Menge derjenigen
Vektoren, auf welchen alle Linearformen verschwinden.
Die Operation, den Annulator beziehungsweise das Nullstellengebilde zu formen, dreht
Inklusionen um. Damit ist folgendes gemeint:
Aufgabe 5.3.6. Seien R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Zeige: Für U1 , U2 ⊂
M gilt dann:
U1 ⊂ U2 =⇒ ⊥ U2 ⊂ ⊥ U1 .
Zeige anhand eines Beispiels, daß die umgekehrte Implikation im allgemeinen nicht
gilt.
Formuliere und beweise eine entsprechende Aussage für das Nullstellengebilde.
Ebenso werden Vereinigungen in Schnitte umgewandelt:
Aufgabe 5.3.7. Seien R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Zeige: Für U1 , U2 ⊂
M gilt dann:
⊥
(U1 + U2 ) = ⊥ (U1 ∪ U2 ) = ⊥ U1 ∩ ⊥ U2 .
Formuliere und beweise eine entsprechende Aussage für das Nullstellengebilde.
Der Annulator einer Menge von Vektoren ist eine Menge von Linearformen. Insbesondere können wir sein Nullstellengebilde betrachen und erhalten:
99
5 Abbildungsräume
Hilfssatz 5.3.8. Seien R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Für jede Teilmenge U von M gilt dann:
⊥
U ⊂ (⊥ U ) .
⊥
Beweis. Sei v ∈ U . Wir müssen zeigen, daß v ∈ (⊥ U ) , daß also hλ, vi = 0 für alle
λ ∈ ⊥ U . Dies folgt aber aus der Definition von ⊥ U , da v ∈ U .
Bemerkung 5.3.9. Eine entsprechende Aussage gilt auch für den Annulator des Nullstellengebilde mit vertauschten Rollen von Raum und Dualraum.
Im Falle endlich-dimensionaler Räume gilt sogar:
Satz 5.3.10. Seien K ein diskreter Körper und V ein endlich-dimensionaler Vektorraum
über K. Sei U ein endlich-dimensionaler Untervektorraum von V . Dann gilt
⊥
U = (⊥ U ) .
Beweis. Wir wählen eine Basis (v1 , . . . , vn ) von V , so daß U = hv1 , . . . , vm i. Es bleibt
⊥
⊥
(⊥ U ) ⊂ U zu zeigen. Sei dazu ein x ∈ (⊥ U ) gewählt. Es ist zu zeigen, daß v j (x) = 0
für j > m. Dies ist nach Wahl von x aber der Fall, da v j ∈ ⊥ U .
Bemerkung 5.3.11. Eine analoge Aussage gilt für den Annulator des Nullstellengebildes
mit vertauschten Rollen von Raum und Dualraum.
Schließlich beschäftigen wir uns noch mit dem Zusammenhang von Kern und Bild der
adjungierten Abbildung mit dem Annulator.
Hilfssatz 5.3.12. Sei φ : M → N eine lineare Abbildung zwischen R-Moduln. Dann gilt
ker(φ∨ ) = ⊥ (im φ).
Beweis. Beide Seiten der zu beweisenden
N ∨ gilt:
µ ∈ ker(φ∨ ) ⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
Gleichung sind Teilmengen von N ∨ . Für µ ∈
φ∨ (µ) = 0
∀m∈M hφ∨ (µ), mi = 0
∀m∈M hµ, φ(m)i = 0
⇐⇒ µ ∈ ⊥ (im φ).
Wir können analog das Bild der adjungierten Abbildung berechnen, benötigen dazu
aber weitere Voraussetzungen. Ohne diese zusätzlichen Voraussetzungen können wir aber
immerhin folgenden Hilfssatz beweisen:
Hilfssatz 5.3.13. Sei φ : M → N eine lineare Abbildung zwischen R-Moduln. Dann gilt
im(φ∨ ) ⊂ ⊥ (ker φ).
100
5.3 Annulatoren und Nullstellengebilde
Beweis. Sei λ ∈ im(φ∨ ) ⊂ V ∨ gegeben, das heißt λ = φ∨ (µ) für ein µ ∈ W ∨ . Für
v ∈ ker φ ⊂ V gilt dann
hλ, vi = hφ∨ (µ), vi = hµ, φ(v)i = hµ, 0i = 0,
also λ ∈ ⊥ (ker φ).
Satz 5.3.14. Sei φ : V → W eine lineare Abbildung zwischen endlich-dimensionalen
Vektorräumen über einem diskreten Körper K. Dann gilt
im(φ∨ ) = ⊥ (ker φ).
Beweis. Daß der linke Raum im rechten liegt folgt schon aus dem Hilfssatz. Weiter gilt
dim im(φ∨ ) = dim W ∨ − dim ker(φ∨ )
= dim W − dim ⊥ (im φ)
= dim W − (dim W − dim im φ)
= dim V − dim ker φ
= dim ⊥ (ker φ).
Damit ist im(φ∨ ) ⊂ ⊥ (ker φ) eine Inklusion endlich-dimensionaler Vektorräume gleicher
Dimension und damit gilt Gleichheit.
Folgerung 5.3.15. Sei φ : V → W eine lineare Abbildung zwischen endlich-dimensionalen
Vektorräumen über einem diskreten Körper K. Dann gelten (ker(φ∨ ))⊥ = im φ und
(im(φ∨ ))⊥ = ker φ.
Beweis. Bilden des Nullstellengebildes auf beiden Seiten liefert die Folgerung aus der
Aussage des Hilfssatzes und des Satzes.
Sei R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Wenn wir auf M die Dualkonstruktion anwenden, erhalten wir wieder einen R-Modul, nämlich M ∨ . Damit können wir auf
diesen Raum noch einmal die Dualkonstruktion anwenden und erhalten den R-Modul
M ∨∨ .
Definition 5.3.16. Sei R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Dann heißt der
R-Modul M ∨∨ der Doppeldualraum von M .
Elemente des Moduls M ∨∨ sind also lineare Abbildungen vom Raum der Linearformen
auf M in den Ring R. Der Modul M ∨∨ steht zu M ∨ im Verhältnis wie der Modul M ∨ zu
M . Insbesondere haben wir ein Inzidenzprodukt zwischen M ∨∨ und M ∨ . Aus Gründen
die später klar werden werden, schreiben wir dieses Inzidenzprodukt in der umgekehrten
Reihenfolge, das heißt
M
(Es ist also
M
h·, ·i : M ∨ × M ∨∨ ,
(λ, L) 7→ L(λ).
hλ, Li = hL, λiM ∨ in der alten Schreibweise.)
101
5 Abbildungsräume
Mithilfe des Inzidenzproduktes auf M können wir leicht Elemente aus dem Doppeldualraum konstruieren: Für jedes v ∈ M ist nämlich
Lv : M ∨ → R,
λ 7→ hλ, viM
eine lineare Abbildung, also ein Element von M ∨∨ , für das nach Definition
hλ, viM gilt.
Über die Abbildung
I : M → M ∨∨ , v 7→ Lv
M
hλ, Lv i =
läßt sich folgendes sagen:
Aufgabe 5.3.17. Sei R ein kommutativer Ring. Sei M ein R-Modul. Die kanonische Abbildung
I : M → M ∨∨
ist eine lineare Abbildung.
Satz 5.3.18. Sei R ein kommutativer Ring und M ein freier Modul endlichen Ranges.
Dann ist die Abbildung
I : M → M ∨∨
ein Isomorphismus.
Beweis. Sei (v1 , . . . , vn ) eine Basis von M . Wir setzen ṽi := I(vi ). Dann gilt hv i , ṽj i =
hv i , vj i = δji , und damit ist (ṽ1 , . . . , ṽn ) die Dualbasis in M ∨∨ zu (v 1 , . . . , v n ), insbesondere eine Basis. Es folgt, daß I eine Basis auf eine Basis abbildet. Damit ist I ein
Isomorphismus.
Bemerkung 5.3.19. Die Tatsache, daß I zum Beispiel im Falle endlich-dimensionaler
Vektorräume über diskreten Körpern ein Isomorphismus ist, ist erheblich. Sie erlaubt
es uns nämlich, in diesem Fall einen Vektorraum V mit seinem Doppeldual V ∨∨ zu
identifizieren. Unter dieser Identifikation geht insbesondere das Inzidenzprodukt V h·, ·i
in das Inzidenzprodukt h·, ·iV über — ein Grund, weswegen wir das Inzidenzprodukt auf
V ∨ in der umgekehrten Reihenfolge geschrieben haben.
Ein Anwendung der Bemerkung ist durch folgende Aufgabe gegeben:
Aufgabe 5.3.20. Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über dem diskreten Körper
K. Sei S ein Teilmenge von V ∨ . Zeige, daß für die beiden Räume ⊥ S ⊂ V ∨∨ und S ⊥ ⊂ V
gilt, daß
I(S ⊥ ) = ⊥ S.
Folgere dann analog: Ist U ⊂ V eine Teilmenge, so gilt
I(U )⊥ = ⊥ U.
Im Falle, daß I ein Isomorphismus ist, ist also einer der beiden Begriffe von Annulator
und Nullstellengebilde redundant.
Die Aufgabe können wir zum Beispiel folgendermaßen ausnutzen:
102
5.3 Annulatoren und Nullstellengebilde
Beispiel 5.3.21. Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über dem diskreten Körper
K. Ist dann S eine Teilmenge von V ∨ , so können wir S = ⊥ (S ⊥ ) aus der entsprechenden
Tatsache für das Nullstellengebilde des Annulators herleiten:
⊥
⊥
S = (⊥ S) = I(S ⊥ ) = ⊥ (S ⊥ ).
Schließlich wollen wir uns noch den Dualraum von Quotientenräumen anschauen:
Beispiel 5.3.22. Sei R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Ist dann U ein
Untermodul von M , so ist
(M/U )∨ → ⊥ U,
λ 7→ (v 7→ λ([v]))
ein Isomorphismus von R-Moduln nach Hilfssatz 5.1.10.
Aufgabe 5.3.23. Sei K ein diskreter Körper und
φ
ψ
0 −−−→ A −−−→ B −−−→ C −−−→ 0
eine exakte Sequenz endlich-dimensionaler Vektorräume. Zeige, daß dann auch die Sequenz
ψ∨
φ∨
0 −−−→ C ∨ −−−→ B ∨ −−−→ A∨ −−−→ 0,
welche sich durch Dualisieren ergibt, eine exakte ist.
Definition 5.3.24. Sei R ein Ring und M ein R-Modul. Ist dann U ein Untermodul
von M , so daß M/U frei von Dimension q ist, so sagen wir, daß U ist ein Untermodul
der Kodimension q ist und schreiben codim U = q.
Satz 5.3.25. Sei K ein diskreter Körper und V ein endlich-dimensionaler Vektorraum
über K. Für einen endlich erzeugten Untervektorraum U von V und eine natürliche Zahl
q ∈ N0 sind dann folgende Aussagen äquivalent:
1. Es existiert ein endlich-dimensionaler Untervektorraum W von V mit dim W = q
und U + W = V und U ∩ W = 0.
2. Es ist U ein Untervektorraum der Kodimension q.
3. Es existiert ein endlich-dimensionaler Untervektorraum S von V ∨ mit dim S = q
und U = S ⊥ .
Beweis. Aus 1. folgt 2.: Sei φ : W → V /U, w 7→ [w]U die Komposition aus der Inklusion
von W in V und der Projektion von V auf V /U . Ist dann φ(w) = 0 für ein w ∈ W , so
folgt w ∈ U und damit w = 0. Also ist φ injektiv. Ist weiter ein [v]U ∈ V /U ein Vektor,
so existieren ein u ∈ U und ein w ∈ W mit v = u + w. Es folgt, daß φ(w) = [w]U = [v]U .
Damit ist φ auch surjektiv. Es ist φ als lineare Abbildung damit ein Isomorphismus
zwischen W und V /U , so daß die Behauptung folgt.
Aus 2. folgt 3.: Wir setzen S := ⊥ U . Da (V /U )∨ isomorph zu ⊥ U = S ist, folgt, daß
S endlich-dimensional mit dim S = q ist. Weiter wissen wir, daß U ⊂ S ⊥ . Es bleibt, die
103
5 Abbildungsräume
umgekehrte Inklusion zu zeigen. Sei dazu ein u ∈ V mit u ∈ S ⊥ gegeben. Wir müssen
u ∈ U , also [u]U = 0 zeigen. Da V /U endlich-dimensional ist, ist das Inzidenzprodukt
nicht ausgeartet, das heißt es reicht, für jede Linearform λ ∈ (V /U )∨ = S zu zeigen, daß
λ(u) = 0. Dies ist aber gerade die Aussage, daß u ∈ S ⊥ .
Aus 3. folgt 1.: Da U ein direkter Summand ist, können wir ein W mit U + W = V
und U ∩ W = 0 wählen. Es bleibt zu zeigen, daß dim W = q. Wie eben ist W isomorph
zu V /U . Weiter gilt dim V /U = dim (V /U )∨ = dim ⊥ U = dim ⊥ (S ⊥ ) = dim S.
Aufgabe 5.3.26. Sei K ein diskreter Körper, V ein endlich-dimensionaler Vektorraum
über K.
1. Sei U ein endlich erzeugter Unterraum von V . Zeige, daß codim U = dim V −dim U .
2. Seien U1 , U2 endlich erzeugte Unterräume von V . Zeige, daß
codim(U1 ∩ U2 ) = codim U1 + codim U2 − codim(U1 + U2 ).
Aufgabe 5.3.27. Seien
v 1 := 1 −
1
z
−1 −1 ∈ Q(z)3
und
v 2 := 1 − z 1 + z z ∈ Q(z)3
⊥
gegeben. Sei U := {v 1 , v 2 } . Berechne eine Basis von Q3 (z)/U .
Beispiel 5.3.28. Sei K ein diskreter Körper und V ein endlich-dimensionaler Vektorraum
über K. Ist dann H ein Unterraum der Kodimension eins, nennen wir H auch eine
Hyperebene in V . Grund für diese Bezeichnung ist die Tatsache, daß Ursprungsebenenen
im dreidimensionalen Raum gerade die Hyperebenen sind. Nach dem letzten Satz sind
die Hyperebenen gerade die Untervektorräume, welche Nullstellengebilde einer einzigen
nicht verschwindenden Linearform sind.
5.4 Das Tensorprodukt
Sind M, N, L drei R-Moduln, so haben wir den Begriff der bilinearen Abbildung von
M × N nach L eingeführt, also Abbildungen, welche getrennt im ersten und im zweiten Argument linear sind. In diesem Abschnitt werden wir erfahren, wie sich bilineare
Abbildungen auf lineare Abbildungen zurückführen lassen.
Dazu benötigen wir zunächst den Begriff des von einer Menge erzeugten Moduls: Sei
R ein Ring, und sei I eine Menge. Unter einer formalen R-Linearkombination über I
wollen wir einen Ausdruck der Form
ai1 ei1 + · · · + ain ein ,
verstehen, wobei i1 , . . . , in ∈ I und ai1 , . . . , ain ∈ R. Weiter seien die ei einfach Symbole
— analog zu den Symbolen xi bei der Definition eines Polynoms. Für a, b ∈ R und i ∈ I
104
5.4 Das Tensorprodukt
beschreiben dabei die Ausdrücke aei +bei und (a+b)ei diesselbe formale Linearkombination über I. Weiter sei 0·ei die leere Linearkombination, also diejenige ohne Summanden
(welche in der Regel 0 geschrieben wird).
Mit R(I) bezeichnen wir die Menge der formalen R-Linearkombinationen über I. Wir
machen R(I) folgendermaßen zu einem R-Modul: Die Summe zweier Linearkombinationen sei durch Aneinanderhängung gegeben. Die Null ist dabei die leere Linearkombination. Ist a ∈ R, so wird schließlich
a · (ai1 ei1 + · · · + ain ein ) = (aai1 ei1 ) + · · · + (aain ein )
gesetzt.
Definition 5.4.1. Sei R ein Ring. Sei I eine Menge. Der R-Modul R(I) heißt der von I
erzeugte R-Modul.
Bemerkung 5.4.2. Seien R ein Ring und I eine endliche Menge. Dann ist (ei )i∈I , wobei
ei für 1 · ei steht, eine Basis von R(I) .
Wir definieren die Abbildung
: I → R(I) ,
i 7→ ei .
Der eben definierte Modul erfüllt folgende wichtige Eigenschaft:
Satz 5.4.3. Sei R ein Ring. Sei Z ein R-Modul und γ : I → Z eine Abbildung. Dann
existiert genau eine lineare Abbildung φ : R(I) → Z mit γ = φ ◦ .
Beweis. Es muß sicherlich φ(ei ) = φ((i)) = γ(i) gelten. Da jeder Vektor in R(I) eine
Linearkombination der ei ist, gibt es höchstens ein lineares φ mit γ = φ ◦ . Auf der
anderen Seite ist durch die Setzung
φ(ai ei ) := ai γ(i)
für ai ei ∈ R(I) eine solche Abbildung gegeben.
Seien M und N zwei R-Moduln, wobei wir R als kommutativ annehmen. Wir betrachten die Menge M × N der Paare von Vektoren aus M und aus N . Wir erhalten damit
den R-Modul F := R(M ×N ) . In diesem Spezialfall erlauben wir uns die Schreibweise
˜ n := e(m×n)
m⊗
aus Gründen, die später klar werden sollten. Die Abbildung wird damit zu einer Abbildung
˜ · : M × N → F.
·⊗
Diese Abbildung hat zwei vektorwertige Argumente und hat als Zielraum einen Modul.
Es ist daher eine natürliche Frage, ob diese Abbildung bilinear ist. Betrachten wir dazu
den Untermodul U von F , welcher von allen Vektoren der Form
˜ w − (v ⊗
˜ w + v0 ⊗
˜ w),
(v + v 0 ) ⊗
0
0
˜ w − a(v ⊗
˜ w), v ⊗
˜ (w + w ) − (v ⊗
˜ w+v⊗
˜ w ) und
(av) ⊗
˜ (aw) − a(v ⊗
˜ w)
v⊗
105
5 Abbildungsräume
˜
mit a ∈ R, v, v 0 ∈ V und w, w0 ∈ W erzeugt ist. Nach Definition der Bilinearität ist ⊗
genau dann bilinear, wenn U der Nullmodul ist. Im allgemeinen ist dies nicht der Fall.
Wir haben aber ein Verfahren kennengelernt, um einen Untermodul mit dem Nullmodul zu identifieren: die Quotientenbildung. Unter der kanonischen Projektion F → F/U
gehen genau die Vektoren aus U auf den Nullvektor. Wir schreiben
M ⊗R N := F/U.
Wenn der Ring aus dem Zusammenhang klar ist, lassen wir den Index R in dieser
Schreibweise auch häufig weg.
Definition 5.4.4. Seien R ein kommutativer Ring und M, N zwei R-Moduln. Dann
heißt der R-Modul M ⊗R N das Tensorprodukt von M und N .
Das Tensorprodukt kommt zusammen mit dem sogenannten Tensorprodukt, der Abbildung
˜ n]U .
· ⊗ · : M × N → M ⊗ N, (m, n) 7→ [m ⊗
˜ ist das Tensorprodukt bilinear, nämlich gerade weil
Im Gegensatz zu der Abbildung ⊗
wir modulo U rechnen.
Vektoren im Tensorprodukt nennen wir häufig Tensoren. Die Tensoren, die im Bild der
Abbildung ⊗ liegen, heißen reine Tensoren. Es ist wichtig zu beachten, daß nicht jeder
Tensor ein reiner Tensor ist. Es ist aber jeder Tensor eine endliche Linearkombination
reiner Tensoren.
Die Definition des Tensorproduktes scheint reichlich willkürlich und abstrakt. Daher
ist folgender Satz wichtig, der zum einen die Bedeutung des Tensorproduktes hervorhebt,
als auch erlaubt, mit Tensoren zu arbeiten, ohne die explizite Definition zu benutzen:
Satz 5.4.5. Sei R ein kommutativer Ring. Sei β : M × N → Z eine bilineare Abbildung,
wobei M, N, Z jeweils ein R-Modul sind. Dann existiert genau eine lineare Abbildung
λ : M ⊗ N → Z, so daß
∀(m,n)∈M ×N β(m, n) = λ(m ⊗ n).
Beweis. Seien F := R(M ×N ) und U ⊂ F wie oben. Zunächst existiert genau eine lineare
˜ n) = β(m, n). Da β bilinear ist, folgt, daß φ auf dem
Abbildung φ : F → Z mit φ(m ⊗
oben definierten Untermodul U verschwindet, denn φ verschwindet auf allen Erzeugern
von U . Nach dem Homomorphiesatz gibt es damit ein eindeutiges λ : M ⊗N = F/U → Z
˜ n) = β(m, n).
mit λ(m ⊗ n) = φ(m ⊗
Den Inhalt der Aussage des Satzes nennen wir auch die universelle Eigenschaft des
Tensorproduktes.
Die von einer bilinearen Abbildung β : M × N → Z induzierte lineare Abbildung von
M ⊗ N nach Z wollen wir
λ : M ⊗ N → Z,
m ⊗ n → β(m, n)
schreiben. Da das Tensorprodukt bilinear ist, ist eine Abbildungsvorschrift der Form
m ⊗ n → F (m, n) genau dann eine wohldefinierte, wenn F bilinear in m und n ist.
106
5.4 Das Tensorprodukt
Beispiel 5.4.6. Sei R ein kommutativer Ring. Sind dann φ : M → M 0 und ψ : N → N 0 ,
so wird durch
φ ⊗ ψ : M ⊗ N → M 0 ⊗ N 0,
m ⊗ n → φ(m) ⊗ ψ(n)
eine lineare Abbildung definiert.
Aufgabe 5.4.7. Sei R ein kommutativer Ring. Seien M, M 0 , N drei R-Moduln. Zeige: Sind
M und M 0 zueinander isomorph, so ist auch M ⊗ N zu M 0 ⊗ N isomorph.
Aufgabe 5.4.8. Sei R ein kommutativer Ring. Sei
M 0 −−−→ M −−−→ M 00 −−−→ 0
eine exakte Sequenz von R-Moduln. Sei N ein weiterer R-Modul. Zeigen Sie, daß die
induzierte Sequenz
M 0 ⊗ N −−−→ M ⊗ N −−−→ M 00 ⊗ N −−−→ 0
wieder exakt ist.
Beispiel 5.4.9. Sei R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Wir wollen zeigen,
daß
φ : M ⊗ R → M, m ⊗ a 7→ am
ein Isomorphismus von R-Moduln ist. Dazu geben wir die Umkehrfunktion an, nämlich
ψ : M → M ⊗ R,
m 7→ m ⊗ 1.
Aufgrund der Bilinearität des Tensorproduktes ist ψ in der Tat die Umkehrung von φ.
Aufgabe 5.4.10. Sei R ein kommutativer Ring, und seien f, g ∈ R mit (f, g) = (1)
gegeben. Zeige, daß dann R/(f ) ⊗R R/(g) der Nullmodul ist.
Beispiel 5.4.11. Sei R ein kommutativer Ring, und sei S eine R-Algebra. Ist dann M
ein R-Modul, so schreiben wir
MS := M ⊗R S.
Diesen R-Modul können wir durch die Setzung
b · (m ⊗ s) := m ⊗ (sb)
für b, s ∈ S und m ∈ M zu einem S-Modul machen, welchen wir die Skalarerweiterung
von M durch S nennen.
Jede lineare Abbildung φ : M → N zwischen R-Moduln induziert eine lineare Abbildung ψS : MS → NS , m ⊗ s 7→ φ(m) ⊗ s.
Das Tensorprodukt verhält sich in bezug auf direkte Summen distributiv:
Aufgabe 5.4.12. Sei R ein kommutativer Ring, und seien M, N, L drei R-Moduln. Zeige,
daß durch
(M ⊕ N ) ⊗ L → (M ⊗ L) ⊕ (N ⊗ L),
(m, n) ⊗ ` 7→ (m ⊗ `, n ⊗ `),
ein Isomorphismus von R-Moduln definiert wird.
107
5 Abbildungsräume
Aus Symmetriegründen gilt auch die Distributivtät im zweiten Argument des Tensorproduktes.
Hilfssatz 5.4.13. Sei R ein kommutativen Ring und seien M und N zwei endlich
erzeugte R-Moduln. Dann ist auch M ⊗ N ein endlich erzeugter R-Modul.
Beweis. Sei (v1 , . . . , vm ) ein Erzeugendensystem von M , und sei (w1 , . . . , wn ) ein Erzeugendensystem von N . Dann ist (v1 ⊗ w1 , . . . , vn ⊗ wm ) ein Erzeugendensystem von
M ⊗ N.
Im Falle freier Moduln gilt sogar mehr:
Satz 5.4.14. Sei R ein kommutativer Ring. Sei M ein freier R-Modul vom Rang m,
und sei N ein freier R-Modul vom Rang n. Dann ist M ⊗ N ein freier R-Modul vom
Rang m · n.
Beweis. Es gibt folgende Kette von Isomorphismen:
M ⊗N ∼
= Rm ⊗ Rn ∼
= (Rm ⊗ R)n ∼
= (Rm )n ∼
= Rm·n .
Bemerkung 5.4.15. Aus dem Beweis des Satzes folgt also: Ist V := (v1 , . . . , vm ) eine
Basis eines R-Moduls M und W := (w1 , . . . , wn ) eine Basis des R-Moduln N , so ist
V ⊗ W := (v1 ⊗ w1 , . . . , vm ⊗ wn )
eine Basis des R-Moduls M ⊗ N .
Aufgabe 5.4.16. Ergänze
1
−1
2
3
⊗
,
⊗ 2
z
z−1
0
z
zu einer Basis des F7 (z)-Vektorraumes (F7 (z))2 ⊗ (F7 (z))2 .
Beispiel 5.4.17. Sei R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Für das Tensorprodukt mit dem Nullmodul gilt dann:
M ⊗0∼
= 0.
Mithilfe des Tensorproduktes und des Konzeptes des Dualraumes können wir lineare
Abbildungen konstruieren:
Beispiel 5.4.18. Sei R ein kommutativer Ring, und seien M und N zwei R-Moduln.
Dann ist
M : N ⊗ M ∨ → Hom(M, N ), w ⊗ λ 7→ (wλ : v 7→ w hλ, vi)
eine wohldefinierte lineare Abbildung.
Im Falle freier Moduln gilt sogar folgender Satz:
108
5.4 Das Tensorprodukt
Satz 5.4.19. Sei R ein kommutativer Ring, und seien M und N freie Moduln endlichen
Ranges. Dann ist die kanonische lineare Abbildung M : N ⊗ M ∨ → Hom(M, N ) ein
Isomorphismus.
Beweis. Sei V := (v1 , . . . , vm ) eine Basis von M , und sei W := (w1 , . . . , wn ) eine Basis
von N . Dann ist W ⊗ V = (. . . , wi ⊗ vj , . . . ) eine Basis von N ⊗ M . Weiter ist W o V =
(. . . , wi o vj ·, . . . ) eine Basis von Hom(M, N ). Damit bildet M eine Basis auf eine Basis
ab, ist damit also ein Isomorphismus.
Aufgabe 5.4.20. Sei K ein diskreter Körper. Seien V und W zwei endlich-dimensionale
K-Vektorräume. Sei t ∈ N ⊗ M ∨ . Zeige, daß t genau dann ein reiner Tensor ist, wenn
M(t) : M → N eine lineare Abbildung vom Rang Null oder Eins ist.
Der Satz läßt sich zum Beispiel auf die Spur anwenden:
Definition 5.4.21. Sei R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Dann heißt die
lineare Abbildung
tr : M ∨ ⊗ M → R, λ ⊗ v 7→ hλ, vi
die Spur auf M .
Bemerkung 5.4.22. Ist R ein kommutativer Ring und M ein freier R-Modul endlichen
Ranges. Wir können die Spur mit dem Inversen des Isomorphismus
M : M ∨ ⊗ M → EndR (M ), λ ⊗ v 7→ v · λ
komponieren und erhalten eine Abbildung tr ◦M−1 : End(M ) → R, welche wir wieder
als Spur tr bezeichnen wollen.
Diese Spur paßt mit der vorher definierten Spur quadratischer Matrizen überein: Sei
etwa φ ∈ End(M ) ein Endomorphismus. Sei A die Abbildungsmatrix von φ bezüglich
einer Basis (v1 , . . . , vn ) von M . Dann gilt
φ = vi Aij v j = M(Aij v j ⊗ vi ),
wie durch Einsetzen der Basisvektoren festzustellen. Damit ist also
tr φ = Aij v j , vi = Aii = tr A.
Beispiel 5.4.23. Sei R ein kommutativer Ring. Sei M ein freier R-Modul vom Rang n.
Dann ist tr idM = n.
Aufgabe 5.4.24. Sei R ein kommutativer Ring und M ein freier R-Modul endlichen Ranges. Seien φ, ψ ∈ End(M ) zwei Endomorphismen. Wir setzen [φ, ψ] := φ ◦ ψ − ψ ◦ φ ∈
End(M ). Zeige, daß tr[φ, ψ] = 0.
Aufgabe 5.4.25 (s). Sei R ein kommutativer Ring, und sei φ : M → M ein Endomorphismus eines freien R-Moduls endlichen Ranges. Sei ρ : R → S ein Homomorphismus von
Ringen, welcher S zu einer kommutativen R-Algebra macht. Zeige, daß
tr(φS ) = ρ(tr φ).
109
5 Abbildungsräume
5.5 Die Tensor- und die symmetrische Algebra
Seien M, N, L drei Moduln über dem kommutativen Ring R. Wir vereinbaren, daß das
Tensorprodukt zwischen Moduln linksassoziativ ist. Damit meinen wir, daß wir unter
dem Ausdruch M ⊗ N ⊗ L den Ausdruck (M ⊗ N ) ⊗ L verstehen wollen. Analoges soll
auch für das Tensorprodukt zwischen Vektoren gelten, also etwa m ⊗ n ⊗ l = (m ⊗ n) ⊗ l
für m ∈ M, n ∈ N, l ∈ L.
Wir können auch den restgeklammerten Ausdruck M ⊗ (N ⊗ L) betrachten. Dieser
Modul ist durch
(M ⊗ N ) ⊗ L → M ⊗ (N ⊗ L),
(m ⊗ n) ⊗ ` 7→ m ⊗ (n ⊗ `)
kanonisch isomorph zu M ⊗N ⊗L. Vermöge dieses Isomorphismus’ wollen wir in Zukunft
Vektoren aus M ⊗ (N ⊗ L) als Vektoren aus M ⊗ N ⊗ L ansehen. Analoge Überlegungen
gelten auch für Tensorprodukte mit mehr als drei Faktoren, und für diese vereinbaren
analoge Identifikationen.
Es zeigt sich dabei, daß die Identifikationen untereinander alle kompatibel sind. Damit
müssen wir uns ab sofort nicht mehr um die Identifikationen explizit kümmern.
Das Tensorprodukt mit mehreren Faktoren besitzt auch eine universelle Eigenschaft,
nämlich für multilineare Abbildungen. Dabei heißt eine Abbildung multilinear, falls sie
linear in jedem Element ist.
Hilfssatz 5.5.1. Seien R ein kommutativer Ring und M1 , . . . , Mn eine Folge von RModuln. Sei µ : M1 × · · · × Mn → Z eine multilineare Abbildung in einen weiteren
R-Modul Z. Dann existiert genau eine lineare Abbildung φ : M1 ⊗ · · · ⊗ Mn → Z, so daß
∀m1 ,...,mn φ(m1 ⊗ · · · ⊗ mn ) = µ(m1 , . . . , mn ).
Bemerkung 5.5.2. In dem wir vereinbaren, daß das leere Tensorprodukt durch den zugrundeliegende Ring und eine 0-lineare Abbildung einfach durch ein Element im Zielmodul gegben ist, gilt das Lemma auch für n = 0.
Beweis. Wir zeigen die Aussage des Lemmas mit Induktion über n. Der Fall n = 0
ist klar. Sei daher n > 0 und die Aussage für alle kleineren n schon bewiesen. Nach
Induktionsvoraussetzung existiert für jedes mn ∈ Mn eine lineare Abbildung φmn : M1 ⊗
. . . ⊗ Mn−1 → Z mit
φmn (m1 ⊗ . . . ⊗ mn−1 ) = µmn (m1 , . . . , mn−1 ) = µ(m1 , . . . , mn ),
mit mi ∈ Mi , da µmn eine multilineare Abbildung ist. Aufgrund der Eindeutigkeit von
φmn für jedes mn ist die Zuordnung
(M1 ⊗ · · · ⊗ Mn−1 ) ⊗ Mn → Z,
t ⊗ mn 7→ φmn (t)
nicht nur im ersten, sondern auch im zweiten Argument linear. Daher existiert eine
lineare Abbildung φ : M1 ⊗ . . . ⊗ Mn = (M1 ⊗ . . . ⊗ Mn−1 ) ⊗ Mn → Z mit φ(t ⊗ mn ) =
φmn (t) mit t ∈ M1 ⊗ . . . ⊗ Mn−1 . Diese Abbildung ist die Lösung unseres universellen
Problems.
110
5.5 Die Tensor- und die symmetrische Algebra
Für jede natürliche Zahl n ∈ N0 können wir insbesondere M ⊗n := M
· · ⊗ M}
| ⊗ ·{z
n-mal
betrachten. Hierbei ist M ⊗0 = R und M ⊗1 = M .
Definition 5.5.3. Sei R ein kommutativer Ring. Sei n ∈ N0 . Der R-Modul M ⊗n heißt
die n-te Tensorpotenz von M .
Beispiel 5.5.4. Sei R ein kommutativer Ring. Sei weiter M ein freier R-Modul vom Rang
n
m. Dann gibt es eine Kette von Isomorphismen: M ⊗n ∼
= (Rm )⊗n = Rm . Damit folgt,
daß M ⊗n ein freier R-Modul vom Rang mn ist.
Sind t ∈ M ⊗m und u ∈ M ⊗n zwei Tensoren in beliebigen Tensorpotenzen von M , so ist
t ⊗ u ∈ M ⊗m ⊗ M ⊗n . Vermöge des kanonischen Isomorphismus M ⊗m ⊗ M ⊗n ∼
= M ⊗(m+n) ,
welcher alle Klammern nach links schiebt, können wir t ⊗ u als Element in M ⊗(m+n)
auffassen. Wir erhalten also eine Abbildung
µ : M ⊗m × M ⊗n → M ⊗m+n ,
(t, u) 7→ t ⊗ u.
Diese Abbildung ist bilinear.
Um diese Abbildungen für alle m, n gemeinsam behandeln zu können, brauchen wir
ein weiteres Konzept.
Definition 5.5.5. Sei R ein Ring. Ein (positiv) gewichteter Modul M ist ein R-Modul
M zusammen mit Untermoduln (Mn )n∈N0 mit Mn ∩ Mk = 0 für n 6= k, so daß jeder
Vektor m ∈ M Summe homogener Vektoren ist. Dabei heißt ein Vektor m ∈ M homogen
vom Grad n, falls m ∈ Mn .
Falls alle Mn endlich erzeugte Moduln sind, heißt M vom endlichen Typ.
Beispiel 5.5.6. Sei R ein Ring. Sei weiter (Mn )n∈N0 eine Familie von R-Moduln. Mit
M :=
∞
M
Mn
n=0
bezeichnen wir dann folgenden R-Modul: Elemente von M sind formale Summen mi1 +
. . . + mir mit mij ∈ Mij mit den offensichtlichen Identifikationen und der offensichtlichen
Struktur als R-Modul.
Wir können jeden Modul Mn kanonisch als Untermodul von M ansehen. Damit wird
M zu einem gewichteten Modul.
Definition 5.5.7. Sei R ein kommutativer Ring. Für jeden R-Modul M heißt
T M :=
∞
M
M ⊗n
n=0
die Tensoralgebra über M .
111
5 Abbildungsräume
Aufgabe 5.5.8. Sei R ein kommutativer Ring und M ein freier R-Modul endlichen Ranges.
Zeige, daß
X
1
.
(dim M ⊗n )tn =
1
−
m
·
t
n≥0
Elemente der Tensoralgebra sind also endliche Linearkombinationen von reinen Tensoren in den Räumen M ⊗n . Die bilinearen Abbildungen µ : M ⊗m × M ⊗n → M ⊗(m+n)
setzen sich zu einer bilinearen Abbildung µ : T M × T M → T M zusammen.
Bemerkung 5.5.9. Sei R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Die universelle Eigenschaft des Tensorproduktes liefert uns, daß die bilineare Abbildung µ : T M × T M →
T M genau eine lineare Abbildung : T M ⊗ T M → T M induziert.
Indem wir µ als Multiplikation ansehen, wird der gewichtete R-Modul T M zu einem
(gewichteten) Ring. Da außerdem M ⊗0 = R haben wir eine natürliche Abbildung R →
T M . Es läßt sich schnell überprüfen, daß dadurch die Tensoralgebra T M in der Tat zu
einer Algebra über R wird.
Beispiel 5.5.10. Sei R ein kommutativer Ring. Wir fassen R L
als Modul über sich selbst
auf. Dann ist R⊗n ∼
R
für
alle
n
∈
N
.
Es
folgt,
daß
T
R
=
=
0
n∈N0 R. Sei η : R → T R
die Inklusion von R als Untermodul der Elemente vom Gewicht 1. Dann ist
R[x] → T R,
x 7→ η(1)
ein Isomorphismus kommutativer R-Algebren. Wir können also den Polynomring R[x]
als spezielle Tensoralgebra auffassen.
Die Tensoralgebra ist eine ganz besondere Algebra:
Satz 5.5.11. Sei R ein kommutativer Ring. Sei M ein R-Modul. Sei S eine R-Algebra.
Ist dann φ : M → S eine R-lineare Abbildung, so existiert genau ein Homomorphismus
α : T M → S von R-Algebren mit
∀m∈M α(m) = φ(m).
Die Aussage im Satz wird die universelle Eigenschaft der Tensoralgebra genannt.
Beweis. Jeder Tensor in T M ist eine R-Linearkombinationen von Produkten von Elementen aus M . Damit folgt sofort die Eindeutigkeit von α im Falle der Existenz.
Andererseits gibt es aufgrund der universellen Eigenschaft der Tensorpotenz eine lineare Abbildung mit
αn : M ⊗n → S,
m1 ⊗ . . . ⊗ mn 7→ φ(m1 ) · · · φ(mn ).
Diese Abbildungen setzen sich zu einer linearen Abbildung
α: TM → S
zusammen, welche auf den homogenen Tensoren vom Gewicht n mit αn übereinstimmt
und welche die gesuchte ist.
112
5.5 Die Tensor- und die symmetrische Algebra
Aufgabe 5.5.12. Seien R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Auf dem R-Modul
T M ⊗ T M definieren wir die Struktur einer R-Algebra durch
∀a,b,a0 ,b0 ∈T M (a ⊗ b) · (a0 ⊗ b0 ) = (aa0 ) ⊗ (bb0 ).
Definiere einen Homomorphismus
∆: TM → TM ⊗ TM
von R-Algebren, so daß
∀v∈M ∆(v) = v ⊗ 1 + 1 ⊗ v.
Beschreibe ∆(v1 ⊗ · · · ⊗ vn ) ∈ T M ⊗ T M für v1 , . . . , vn ∈ M .
Zeige, daß
(∆ ⊗ idT M ) ◦ ∆ = (idT M ⊗∆) ◦ ∆ : T M → T M ⊗ T M ⊗ T M.
Wir wollen jetzt untersuchen, inwiefern die Tensoralgebra eines beliebigen R-Moduls
eine kommutative R-Algebra ist. Dazu betrachten wir den Untermodul U von T M ,
welcher von allen Tensoren der Form
m1 ⊗ · · · ⊗ mn − mσ(1) ⊗ · · · ⊗ mσ(n)
mit n ∈ N0 , m1 , · · · , mn ∈ M und σ ∈ Sn aufgespannt wird. Es ist T M genau dann
kommutativ, wenn U der Nullmodul ist, denn sind t, u ∈ T M , so läßt sich tu − ut als
Linearkombination der Vektoren schreiben, welche U aufspannen:
Aufgabe 5.5.13. Sei R ein kommutativer Ring und S eine R-Algebra. Sei S 0 eine Teilmenge von S, welche S als R-Algebra erzeugt, das heißt jedes Element von S läßt sich
als R-Linearkombination von Produkten von Elementen aus S 0 schreiben.
Sei U der R-Untermodul von S, welcher von allen Elementen der Form
s1 · · · sn − sσ(1) · · · sσ(n)
erzeugt wird, wobei n ∈ N0 , s1 , . . . , sn ∈ S 0 und σ ∈ Sn .
Zeige, daß tu − ut ∈ U für alle t, u ∈ S.
Im allgemeinen ist das Produkt auf T M nicht kommutativ. Das Rezept, um das Produkt auf T M kommutativ zu machen, heißt wieder Quotientenraum. Wir setzen
SM := T M/U.
Das Produkt eines Tensors t ∈ T M unter der kanonischen Projektionsabbildung π : T M →
SM bezeichnen wir wie üblich mit [t]. Ist u ∈ U , so folgt für jedes t ∈ T M , daß
t⊗u, u⊗t ∈ U . Daraus folgt, daß die R-bilineare Multiplikationsabbildung T M ×T M →
T M genau eine bilineare Abbildung β : SM × SM → SM induziert, so daß
∀s,t∈T M β([s], [t]) = [s ⊗ t],
113
5 Abbildungsräume
denn sind zum Beispiel s, s0 ∈ T M mit [s] = [s0 ], also s − s0 ∈ U gegeben, so folgt
s ⊗ t − s0 ⊗ t = (s − s0 ) ⊗ t ∈ U,
das heißt [s ⊗ t] = [s0 ⊗ t].
Es folgt für alle u, v ∈ SM , daß β(u, v) = β(v, u), denn gilt zum Beispiel u = [s] und
v = [t] mit s, t ∈ T M , so folgt
β(u, v) = [s ⊗ t] = [t ⊗ s] − [s| ⊗ t {z
− t ⊗ s}] = [t ⊗ s] = β(v, u).
∈U
Es zeigt sich, daß durch die Setzung
u · v := β(u, v)
der R-Modul SM zu einer kommutativen R-Algebra wird. Die kanonische Projektion
π : T M → SM ist ein Homomorphismus von R-Algebren.
Definition 5.5.14. Sei R ein kommutativer Ring. Ist M ein R-Modul, so heißt SM die
symmetrische Algebra über M .
Aufgabe 5.5.15. Sei R ein kommutativer Ring. Ist dann M ein R-Modul, so haben wir
die kanonische Inklusion M → T M , nämlich als homogene Elemente vom Gewicht 1.
Zeige, daß die kanonische Projektion π : T M → SM auf M injektiv ist, so daß wir M
auch als R-Untermodul von SM auffassen können.
Aufgabe 5.5.16. Sei R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul, welcher von einem
einzigen Vektor erzeugt wird. Zeige, daß dann die Projektion T M → SM ein Isomorphismus ist.
Folgere, daß ein kanonischer Isomorphismus SR ∼
= R[t] existiert.
Durch ihre Definition erfüllt die symmetrische Algebra eine analoge Eigenschaft wie
das Tensorprodukt:
Satz 5.5.17. Sei R ein kommutativer Ring. Sei M ein R-Modul. Sei S eine kommutative
R-Algebra. Ist dann φ : M → S ein Homomorphismus von R-Moduln, so existiert genau
ein Homomorphismus α : SM → S von R-Algebren mit
∀m∈M α(m) = φ(m).
Beweis. Da die kommutative R-Algebra S insbesondere eine R-Algebra ist, existiert
nach der universellen Eigenschaft der Tensoralgebra genau ein Homomorphismus β : T M →
S von R-Algebren mit β(m) = φ(m) für alle m ∈ M . Aufgrund der Kommutativität von
S liegt der Unterraum U , welcher SM als Quotient von T M definiert, im Kern von π. Damit existiert nach dem Homomorphiesatz genau eine R-lineare Abbildung α : SM → S
mit α ◦ π = β, wobei π : T M → SM die kanonische Projektion ist. Da π ein surjektiver
Homomorphismus von R-Algebren ist, folgt, daß mit β auch α ein Homomorphismus
von R-Algebren.
114
5.5 Die Tensor- und die symmetrische Algebra
Bemerkung 5.5.18. Sei R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Wir schreiben
S n M für das Bild von M ⊗n unter der kanonischen Projektion π : T M → SM . Damit
wird SM zu einem gewichteten R-Modul.
Aufgabe 5.5.19. Sei R ein kommutativer Ring und M eine R-Algebra. Sei n ∈ N0 .
Formuliere und beweise eine universelle Eigenschaft für den R-Modul S n M in bezug auf
symmetrische multilineare Abbildungen mit n Argumenten.
Beispiel 5.5.20. Sei R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Sei x ∈ M ein
Element. Dann wird durch
Φx : S n (M ∨ ) → R,
λ1 · · · λn 7→ λ1 (x) · · · λn (x)
eine wohldefinierte lineare Abbildung gegeben. Damit können wir für jedes b ∈ S n (M ∨ )
die Abbildung
b : M → R, x 7→ Φx (b)
definieren. Elemente in S n M ∨ heißen n-Formen auf M . Eine 2-Form heißt auch quadratische Form auf M .
Aufgabe 5.5.21. Seien R ein kommutativer Ring, M ein R-Modul und q ∈ S 2 (M ∨ ) eine
quadratische Form auf M . Zeige, daß unter der Voraussetzung, daß 2 eine Einheit in R
ist, genau eine symmetrische bilineare Abbildung β : M × M → R mit
∀m∈M q(m) = β(m, m)
existiert.
Aufgabe 5.5.22. Seien R eine Q-Algebra und M ein R-Modul. Sei weiter n ∈ N0 . Auf
M ⊗n operiert die symmetrische Gruppe Sn linear durch
∀σ∈Sn ∀m1 ,...,mn ∈M σ · (m1 ⊗ · · · ⊗ mn ) = mσ−1 (1) ⊗ · · · ⊗ mσ−1 (n) .
Ein Tensor t ∈ M ⊗n heißt symmetrisch, falls
∀σ∈Sn σ · t = t.
Wir schreiben Sn M für den Untermodul von M ⊗n aller symmetrischen Tensoren.
Zeige, daß die Komposition der Inklusion mit der kanonischen Projektion
Sn M → M ⊗n → S n M
ein Isomorphismus ist.
Aufgabe 5.5.23. Sei R ein kommutativer Ring. Sei M ein R-Modul. Sei q ∈ S 2 (M ∨ )
eine quadratische Form auf M . Konstruiere eine R-Algebra C zusammen mit einer Rlinearen Abbildung ι : M → C mit ι(m)2 = q(m) für alle m ∈ M , so daß für jede weitere
R-Algebra C 0 zusammen mit einer R-linearen Abbildung ι0 : M → C 0 mit ι0 (m)2 = q(m)
für alle m ∈ M genau ein Homomorphismus α : C → C 0 von R-Algebren mit ι0 = α ◦ ι
existiert.
Die R-Algebra C heißt die Cliffordsche Algebra zum Paar (M, q).
115
5 Abbildungsräume
Seien A und B zwei R-Algebren. Auf dem Tensorprodukt A ⊗R B definieren wir durch
die Setzung
(a ⊗ b) · (a0 ⊗ b0 ) := (aa0 ) · (bb0 )
die Struktur einer R-Algebra.
Definition 5.5.24. Seien A und B zwei Algebren über dem kommutativen Ring R.
Dann heißt A ⊗R B das Tensorprodukt der kommutativen R-Algebren A und B.
Beispiel 5.5.25. Sei R ein kommutativer Ring. Dann wird durch
R[x1 , . . . , xn ] ⊗ R[y 1 , . . . , y m ] → R[x1 , . . . , xn , y 1 , . . . , y m ],
f ⊗ g 7→ f g
ein Isomorphismus kommutativer R-Algebren definiert.
Vor dem Hintergrund, daß R[t] ∼
= TR ∼
= SR, läßt sich dieses Beispiel wie folgt verallgemeinern:
Satz 5.5.26. Sei R ein kommutative Ring, und seien M und N zwei R-Moduln. Wir
fassen Vektoren aus M und N vermöge der kanonischen Inklusionen als Vektoren in
M ⊕ N auf. Dann wird durch
SM ⊗ SN → S(M ⊕ N ),
u ⊗ v 7→ uv
ein Isomorphismus von R-Algebren definiert.
Beweis. Die Abbildung α̂ : SM ⊗SN → S(M ⊕N ) wird über die universelle Eigenschaft
des Tensorprodukts definiert.
Es sei dann die R-lineare Abbildung
α : M ⊕ N → SM ⊗ SN,
(m, n) 7→ m ⊗ 1 + 1 ⊗ n
betrachtet. Diese induziert einen Homomorphismus ᾱ : S(M ⊕ N ) → SM ⊗ SN von
R-Algebren, für den ᾱ(m, n) = m ⊗ 1 + 1 ⊗ n für (m, n) ∈ M ⊕ N gilt.
Dieser Homomorphismus ist das Inverse der Abbildung α̂.
Beispiel 5.5.27. Sei R ein kommutativer Ring. Sei n ∈ N0 . Dann gibt es folgende Kette
von Isomorphismen von R-Algebren:
S(Rn ) ∼
· · ⊕ R}) ∼
· · ⊗ SR} ∼
= S(R
= SR
= R[t] ⊗ · · · ⊗ R[t] ∼
= R[t1 , . . . , tn ].
| ⊕ ·{z
| ⊗ ·{z
{z
}
|
n-mal
n-mal
n-mal
Aufgabe 5.5.28. Sei R ein kommutativer Ring und M ein freier R-Modul vom Rang n.
Zeige, daß S m M ein freier R-Modul vom Rang n+m−1
ist.
m
116
5.6 Die äußere Algebra
5.6 Die äußere Algebra
Wir erinnern uns an den Untermodul U , mit dem wir die symmetrische Algebra aus
der Tensoralgebra gewonnen haben. Indem wir den Untermodul U ein wenig verändern,
bekommen wir eine andere Algebra als Quotientenraum der Tensoralgebra:
Seien R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Sei V der Untermodul der
Tensoralgebra T M , welcher von allen Tensoren der Form
m1 ⊗ · · · ⊗ mn
mit mi ∈ M und mi = mj für mindestens ein Paar i 6= j aufgespannt wird.
Dann ist V ein Ideal der Tensoralgebra: Zunächst einmal ist V als R-Modul natürlich
unter der Addition abgeschlossen (und enthält die 0). Sind dann t ∈ T und v ∈ V , so
müssen wir noch zeigen, daß t ⊗ v, v ⊗ t ∈ V . Dazu können wir annehmen, daß t und v
jeweils reine Tensoren sind, wobei in v ein Tensorfaktor doppelt auftritt. Es folgt, daß
auch in t ⊗ v und v ⊗ t ein Tensorfaktor doppelt auftritt. Damit also t ⊗ v, v ⊗ t ∈ V .
Damit können wir eine R-Algebra durch
ΛM := T M/V
definieren.
Definition 5.6.1. Seien R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Die R-Algebra
ΛM heißt die äußere Algebra über M .
Das Produkt auf ΛM schreiben wir
ΛM × ΛM → ΛM, (u, v) 7→ u ∧ v.
Die äußere Algebra ist also ganz analog zur symmetrischen Algebra als Quotient der
Tensoralgebra nach einem Ideal definiert.
Aufgabe 5.6.2. Seien R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Mit V bezeichnen
wir den Kern der Projektion T M → ΛM .
Seien m1 , . . . , mn ∈ M . Zeige, daß dann
m1 ⊗ · · · ⊗ mn − sgn(σ) · mσ(1) ⊗ · · · ⊗ mσ(n) ∈ V
für alle σ ∈ Sn .
Analog zur symmetrischen Algebra haben wir hier auch wieder:
Bemerkung 5.6.3. Seien R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Sei π : T M →
ΛM die kanonische Projektion. Wir schreiben Λn M für das Bild von M ⊗n unter π. Damit
gilt
∞
M
ΛM =
Λn M.
n=0
Außerdem ist
Λ0 M = R und Λ1 M = M.
117
5 Abbildungsräume
Daher können (und werden) wir die Vektoren in M auch als Elemente der äußeren
Algebra auffassen, nämlich als diejenigen Elemente, die homogen vom Gewicht 1 sind.
Der R-Modul Λd M heißt die d-te äußere Potenz von M .
Da wir die äußere Algebra anders als die symmetrische Algebra definiert haben, können
wir natürlich nicht erwarten, daß die äußere Algebra auch kommutativ ist. Vielmehr
haben wir folgendes:
Hilfssatz 5.6.4. Seien R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Ist dann u ∈ M ,
so gilt
u ∧ u = 0 ∈ Λ2 M.
Sind weiter v ∈ Λp M und w ∈ Λq M homogene Elemente, so gilt
v ∧ w − (−1)pq w ∧ v = 0.
Beweis. Die erste Aussage über u ∧ u folgt aus der Tatsache, daß der Tensor u ⊗ u im
Kern der Projektion T M → ΛM liegt.
Für die zweite Aussage nehmen wir zunächst p = q = 1 an. In diesem Falle gilt:
v ∧ w + w ∧ v = (v + w) ∧ (v + w) − v ∧ v − w ∧ w = 0
nach der ersten Aussage. Damit ist dieser Fall vollständig bewiesen.
Für den allgemeinen Fall können wir aufgrund der R-Bilinearität des Dachproduktes
∧ davon ausgehen, daß
v = v1 ∧ · · · ∧ vp
und w = w1 ∧ · · · ∧ wq
mit vi , wj ∈ M . Dann gilt
v ∧ w = v1 ∧ · · · ∧ vp ∧ w1 · · · ∧ wq
= (−1)p w1 ∧ v1 ∧ · · · ∧ vp ∧ w2 · · · ∧ wq
= ···
= (−1)pq w1 ∧ · · · ∧ wq ∧ v1 ∧ · · · ∧ vp = (−1)pq w ∧ v.
Beispiel 5.6.5. Sei R ein kommutativer Ring. Dann gilt
ΛR = R ⊕ R
mit jeweils einer Kopie von R im Gewicht 0 und 1. Mit anderen Worten ist Λn R = 0 für
n ≥ 2.
Auch die äußere Algebra erfüllt eine universelle Eigenschaft:
Satz 5.6.6. Seien R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Sei S eine R-Algebra.
Ist dann φ : M → S eine R-lineare Abbildung mit φ(m) · φ(m) = 0 für alle m ∈ M , so
existiert genau ein Homomorphismus α : ΛM → S von R-Algebren, so daß
∀m∈M α(m) = φ(m).
118
5.6 Die äußere Algebra
Beweis. Der Beweis ist vollkommen analog zum entsprechenden Beweis für die universelle Eigenschaft der symmetrischen Algebra, so daß wir ihn hier auslassen.
Als nächstes möchten wir die äußere Algebra einer direkten Summe zweier Moduln
studieren. Seien A und B zwei gewichtete Algebren über dem kommutativen Ring R.
Dann können wir auf dem Tensorprodukt A⊗R B die Struktur einer R-Algebra definieren,
indem wir
0
(a ⊗ b) · (a0 ⊗ b0 ) := (−1)p q · (aa0 ) ⊗ (bb0 )
setzen, wobei a, a0 ∈ A und b, b0 ∈ B und a0 homogen vom Grad p0 und b homogen vom
ˆ R B für die so definierte R-Algebra.
Grad q ist. Wir schreiben A ⊗
Definition 5.6.7. Sei R ein kommutativer Ring. Seien A und B zwei gewichtete Rˆ R B das Supertensorprodukt der beiden R-Algebren A und
Algebren. Dann heißt A ⊗
B.
Satz 5.6.8. Seien R ein kommutativer Ring und M und N zwei R-Moduln. Dann wird
durch
ˆ ΛN → Λ(M ⊕ N ), (u ⊗ v) 7→ u ∧ v
ΛM ⊗
ein Isomorphismus von R-Algebren definiert.
ˆ ΛN → Λ(M ⊕ N ) an.
Beweis. Wir geben eine Inverse zur Abbildung α̌ : ΛM ⊗
Dazu betrachten wir zunächst die R-lineare Abbildung
ˆ ΛN,
α : M ⊕ N → ΛM ⊗
(m, n) 7→ m ⊗ 1 + 1 ⊗ n.
Es folgt
α(m, n)2 = (m ⊗ 1 + 1 ⊗ n)2 = (m ∧ m) ⊗ 1 + m ⊗ n − m ⊗ n + 1 ⊗ (n ∧ n) = 0.
Nach universeller Eigenschaft der äußeren Algebra wird also ein Algebrenhomomorphismus
ˆ ΛN
ᾱ : Λ(M ⊕ N ) → ΛM ⊗
induziert. Dieser ist die gesuchte Umkehrung zu α̌.
Beispiel 5.6.9. Sei R ein kommutativer Ring. Sei n ∈ N0 . Dann gibt es folgende Kette
von Isomorphismen:
∼
ˆ · · · ⊗Λ(Re
ˆ
ˆ · · · ⊗(R
ˆ
Λ(Rn ) ∼
⊕ Ren ).
= Λ(Re1 ⊕ · · · ⊕ Ren ) ∼
= Λ(Re1 )⊗
n ) = (R ⊕ Re1 )⊗
Aus diesem Beispiel folgt sofort:
Folgerung 5.6.10. Sei R ein kommutativer Ring. Sei M ein freier R-Modul mit Basis
V := (v1 , . . . , vn ). Dann ist
Λk V := (vi1 ∧ · · · ∧ vik )i1 <···<ik
eine Basis des R-Moduls Λk M . Insbesondere ist nk der Rang von Λk M .
119
5 Abbildungsräume
Beispiel 5.6.11. Sei R ein kommutativer Ring. Ist M ein freier R-Modul vom Rang n,
so ist Λn M ein freier R-Modul vom Rang 1, also isomorph zu R als R-Modul.
Aufgabe 5.6.12. Sei R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul, welcher von den
Elementen m1 , . . . , mn ∈ M erzeugt wird. Zeige, daß Λk M = 0, falls k > n.
Aufgabe 5.6.13 (m). Gib ein Beispiel für einen kommutativen Ring R, einen R-Modul
M und einen Vektor f ∈ Λ2 M an, so daß
f ∧ f 6= 0 ∈ Λ4 M.
Aufgabe 5.6.14 (m). Sei der Vektorraum V := (F5 )3 gegeben. Wie üblich bezeichnen wir
mit (e1 , e2 , e3 ) seine Standardbasis.
Berechne die Dimension des von den Vektoren
3, 9 − e1 , e2 ∧ e3 ∧ (e2 − 3e3 ), e1 ∧ (4 − e1 + 2e3 ), e2 ∧ e3 ∧ (1 + e1 ) + 4e1 ∧ e2 ∧ e3
in ΛV aufgespannten Untervektorraumes.
Folgerung 5.6.15. Sei R 6= 0 ein nicht trivialer kommutativer Ring und M ein RModul, welcher frei vom Rang m und frei vom Rang n ist. Dann ist n = m.
Beweis. Angenommen, n 6= m. Dann ist eine Zahl größer als die andere, etwa n > m.
Auf der einen Seite haben wir Λn M = 0, da M von m Elementen erzeugt wird. Auf der
anderen Seite haben wir Λn M = R, da M frei vom Rang n ist, ein Widerspruch.
Satz 5.6.16. Sei K ein diskreter Körper und V ein endlich-dimensionaler Vektorraum
über K. Sind dann v1 , . . . , vd ∈ V , so gilt
(v1 , . . . , vd ) linear unabhängig ⇐⇒ v1 ∧ · · · ∧ vd 6= 0.
Beweis. Sind (v1 , . . . , vd ) linear unabhängig, können wir die gegebenen Vektoren zu einer Basis B := (v1 , . . . , vn ) ergänzen. Dann ist v1 ∧ · · · ∧ vd ein Basisvektor in Λd B,
insbesondere also nicht der Nullvektor.
Sei umgekehrt v1 ∧ · · · ∧ vd 6= 0. Da in endlich-dimensionalen Vektorräumen entscheidbar ist, ob Vektoren linear unabhängig sind, dürfen wir annehmen, daß (v1 , . . . , vd ) linear
abhängig sind und dies zu einem Widerspruch führen: Aufgrund der linearen Abhängigkeit gibt es ein 0 6= a ∈ Rn mit ai vi = 0. Sei etwa aj 6= 0 für ein j ∈ {1, . . . , n}. Dann
können wir
X
aj v j = −
ai v i
i6=j
schreiben. Nach den Rechenregeln für das Dachprodukt folgt, daß
aj v1 ∧ · · · ∧ vn = 0,
also v1 ∧ · · · ∧ vn = 0, ein Widerspruch.
120
5.6 Die äußere Algebra
Definition 5.6.17. Sei R kommutativer Ring. Seien weiter R-Moduln M und N gegeben. Eine multilineare Abbildung µ : V n := V
· · × V} → N heißt alternierend, falls
| × ·{z
n-mal
µ(v1 , . . . , vn ) = 0 für alle vi ∈ M , wenn immer i 6= j mit vi = vj existieren.
Beispiel 5.6.18. Sei R ein kommutativer Ring. Dann ist die n-lineare Abbildung
Rn × · · · × Rn → R,
(v1 , . . . , vn ) 7→ det(v1 | · · · |vn )
nach den nachgerechneten Eigenschaften der Determinante eine alternierende Abbildung.
Beispiel 5.6.19. Sei R ein kommutativer Ring. Sei M ein R-Modul. Die Abbildung
M n = M × · · · × M → Λn M,
(m1 , . . . , mn ) 7→ m1 ∧ · · · ∧ mn
ist alternierend.
In gewisser Weise ist dies die universelle alternierende Abbildung, denn es gilt:
Satz 5.6.20. Seien R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Ist dann µ : M n → N
eine alternierende multilineare Abbildung in einen weiteren R-Modul, so existiert genau
eine lineare Abbildung λ : Λn M → N mit
∀v1 ,...,vn ∈M λ(v1 ∧ · · · ∧ vn ) = µ(v1 , . . . , vn ).
Beweis. Sei V n der Kern der kanonischen Projektion M ⊗n → Λn M , das heißt, V n wird
aufgespannt von Tensoren der Form v1 ⊗ · · · ⊗ vn mit vi ∈ M und vi = vj für mindestens
ein Paar i 6= j. Nach der universellen Eigenschaft des Tensorproduktes existiert zunächst
genau eine lineare Abbildung φ : M ⊗n → N mit φ(v1 ⊗ · · · ⊗ vn ) = µ(v1 , . . . , vn ). Nach
Voraussetzung an µ folgt,daß φ auf V n verschwindet. Daher folgt die eindeutige Existenz
der linearen Abbildung λ dann aus dem Homomorphiesatz.
Mit Hilfe dieses Satzes erhalten wir als Anwendung eine Beschreibung des Dualraums
einer äußeren Potenz:
Hilfssatz 5.6.21. Sei R ein kommutativer Ring. Sei M ein R-Modul. Für jedes d ∈ N0
ist dann
!
d
X
Y
∨
Λd M ∨ → (Λd M ) , λ1 ∧ · · · ∧ λd 7→ v1 ∧ · · · ∧ vd 7→
sgn(σ)
λi , vσ(i)
σ∈Sd
i=1
ein wohldefinierter Homomorphismus von R-Moduln.
Ist M ein freier R-Modul endlichen Ranges, so ist die Abbildung sogar ein Isomorphismus.
121
5 Abbildungsräume
Beweis. Auf der rechten Seite steht nichts anderes als die Determinante von (hλi , vj i),
welche insbesondere alternierend in den Zeilen und Spalten ist. Daher folgt aus zweimaliger Anwendung des Satzes, daß die Abbildung wohldefiniert ist.
Sei jetzt M frei mit Basis V := (v1 , · · · , vn ). Um zu zeigen, daß die Abbildung ein
Isomorphismus ist, geben wir eine Umkehrabbildung an, nämlich:
X
∨
α(vi1 ∧ · · · ∧ vid ) · v i1 ∧ · · · ∧ v id .
(Λd M ) → Λd M ∨ , α 7→
i1 <···<id
Bemerkung 5.6.22. Seien R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Eine alternierende Abbildung M d → R heißt auch d-Form. Die Menge der d-Formen wird durch
∨
(Λd M ) gegeben. Ist M frei vom endlichem Rang n, so ist die Menge der d-Formen nach
dem Hilfssatz damit durch Λd M gegeben.
Eine n-Form, welche den Modul Λn M ∨ aufspannt, bezeichnen wir in diesem Falle auch
als Determinantenform. Es folgt, daß es immer Determinantenformen auf M gibt und
sich je zwei Determinantenformen durch eine Einheit in R unterscheiden.
Ein andere Anwendung der universellen Eigenschaft der äußeren Potenz ist:
Definition 5.6.23. Sei R ein kommutativer Ring. Sei d ∈ N0 . Ist dann φ : M → N eine
lineare Abbildung, so heißt die lineare Abbildung
Λd φ : Λd M → Λd N,
m1 ∧ · · · ∧ md 7→ φ(m1 ) ∧ · · · ∧ φ(md )
die d-te äußere Potenz von φ.
Beispiel 5.6.24. Sei R ein kommutativer Ring. Sei d ∈ N0 . Ist dann M ein R-Modul, so
ist
Λd idM = idΛd M .
Beispiel 5.6.25. Sei R ein kommutativer Ring. Sei d ∈ N0 . Sind dann φ : M → N und
ψ : N → L lineare Abbildungen zwischen R-Moduln, so ist
Λd (ψ ◦ φ) = Λd ψ ◦ Λd φ.
Beispiel 5.6.26. Seien R ein kommutativer Ring und M und N freie R-Moduln mit
Basen V := (v1 , . . . , vm ) und W := (w1 , . . . , wn ). Sei φ : M → N eine lineare Abbildung.
n
Sei A = (aij ) ∈ Rm
die Darstellungsmatrix von φ bezüglich V und W .
Für jedes d ∈ N0 ist dann
,...,jd j1 <...<jd
Λd A := (det Aji11,...,i
)
,
d i1 <...<id
die Matrix der d-Minoren, die Darstellungsmatrix der d-ten äußeren Potenz Λd φ von φ
bezüglich der Basen Λd V und Λd W . (Es sei beachtet, daß die Zeilen und Spalten der
Matrix Λd A nicht durch natürliche Zahlen, sondern durch streng monoton steigende
Folgen natürlicher Zahlen indiziert werden, genauso wie die Basisvektoren von Λd V .)
122
5.6 Die äußere Algebra
Um die Behauptung einzusehen, müssen wir Λd φ auf Basisvektoren anwenden: Es gilt
(Λd φ)(vi1 ∧ · · · ∧ vid ) = φ(vi1 ) ∧ · · · ∧ φ(vid )
n
X
=
(aji11 wj1 ) ∧ · · · ∧ (ajidd wjd )
j1 ,...,jd =1
=
X
X
sgn σ ·
j1 <···<jd σ∈Sn
=
X
d
Y
k
ajiσ(k)
· wj1 ∧ · · · ∧ wjd
k=1
{j ,...,j }
det A{i11,...,idd} · wj1 ∧ · · · ∧ wjd .
j1 <···<jd
Aufgabe 5.6.27. Sei K ein diskreter Körper. Sei
α
β
0 −−−→ V 0 −−−→ V −−−→ V 00 −−−→ 0
eine exakte Sequenz endlich-dimensionaler Vektorräume der Dimensionen n0 = dim V 0 , n =
dim V, n00 = dim V 00 , also n0 + n00 = n.
Zeige, daß die Vorschrift
0
00
Φ : Λn V 0 ⊗ Λn V 00 → Λn V, (v10 ∧ · · · ∧ vn0 0 ) ⊗ (β(v1 ) ∧ · · · ∧ β(vn00 ))
7→ α(v10 ) ∧ · · · ∧ α(vn0 0 ) ∧ v1 ∧ · · · ∧ vn00
einen wohldefinierten Isomorphismus ein-dimensionaler Vektorräume liefert.
Hilfssatz 5.6.28. Sei K ein diskreter Körper. Sei φ : V → W eine lineare Abbildung
zwischen endlich-dimensionalen Vektorräumen. Ist dann Λd φ = 0 : Λd V → Λd W , so ist
φ eine Abbildung, deren Rang kleiner als d ist.
Beweis. Seien v1 , · · · , vd in V . Dann ist φ(v1 )∧· · · φ(vd ) = 0. Damit ist (φ(v1 ), · · · , φ(vd ))
nicht linear unabhängig.
Aufgabe 5.6.29. Sei K ein diskreter Körper. Sei V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum.
Ein Quotientenvektorraum von V ist ein endlich-dimensionaler Vektorraum Q zusammen mit einer surjektiven linearen Abbildung πQ : V → Q. Ist ein weiterer Quotientenvektorraum Q0 gegeben, so sei Q = Q0 als Quotientenvektorräume genau dann, wenn
ker πQ = ker πQ0 ⊂ V .
Wir bezeichnen mit GdV (K) die Menge der d-dimensionalen Quotientenvektorräume
von V . Diese Menge ist eine sogenannte Graßmannsche Varietät.
Im Falle von d = 1 schreiben wir PV (K) := G1V (K). Dann heißt die Varietät projektiver Raum.
Zeige, daß
i : GdV (K) → PΛd V (K),
(π : V → Q) 7→ (Λd π : Λd V → Λd Q)
eine wohldefinierte injektive Abbildung ist. Diese Injektion ist die sogenannte Plückereinbettung.
123
5 Abbildungsräume
(Tip: Zeige, daß ein v ∈ V genau dann in ker π liegt, falls für alle w ∈ Λd−1 V gilt, daß
Λd π(v ∧ w) = 0.)
Zusatzaufgabe: Wir wollen das Bild der Plückereinbettung beschreiben. Zeige zunächst,
daß durch
µ : Λd−1 V ⊗ Λd+1 V → S 2 (Λd V ),
7→
d+1
X
(x1 ∧ · · · ∧ xd−1 ) ⊗ (y1 ∧ · · · ∧ yd+1 )
(−1)i−1 (x1 ∧ · · · ∧ xd−1 ∧ yi ) · (y1 ∧ · · · ∧ yi−1 ∧ yi+1 ∧ · · · ∧ yd+1 )
i=1
eine wohldefinierte lineare Abbildung gegeben wird.
Ist λ : Λd V → L ein Element in PV (K), so sei
S 2 λ : S 2 (Λd V ) → S 2 L,
v · w 7→ λ(v) · λ(w).
Zeige dann, daß λ genau dann im Bild der Plückereinbettung i liegt, falls
∀α∈Λd−1 V ∀β∈Λd+1 V (S 2 λ)(µ(α, β)) = 0.
Definition 5.6.30. Sei R ein kommutativer Ring. Sei φ : M → M ein Endomorphismus
eines freien R-Moduls vom Rang n. Dann heißt
det φ := tr Λn φ
die Determinante von φ.
Bemerkung 5.6.31. Die so definierte Determinante stimmt mit der Determinanten von
Matrizen im folgenden Sinne überein:
Sei V := (v1 , . . . , vn ) eine Basis von M . Sei dann die Matrix A = (aij ) ∈ Rnn durch
φ(vj ) = aij vi definiert. Dann ist det A = det φ. Dies folgt aus Beispiel 5.6.26.
Damit folgt, daß die Determinante eines Endomorphismus gleich der Determinanten
einer Darstellungsmatrix von φ bezüglich einer beliebigen Basis (welche allerdings für
Definitions- und Zielraum gleich gewählt sein muß) ist.
Beispiel 5.6.32. Sei R ein kommutativer Ring. Ist dann M ein freier R-Modul endlichen
Ranges, so gilt
det idM = 1.
Beispiel 5.6.33. Sei R ein kommutativer Ring. Seien φ, ψ : M → M zwei Endomorphismen von R. Dann gilt
det(ψ ◦ φ) = (det ψ) · (det φ).
∨
Für den folgenden Hilfssatz rufen wir in Erinnerung, daß Λd M ∨ = (Λd M ) .
Hilfssatz 5.6.34. Seien R ein kommutativer Ring und M ein freier R-Modul vom Rang
n. Für jedes d ∈ {0, . . . , n} ist dann
Λn M ∨ ⊗ Λd M → Λn−d M ∨ ,
ein Isomorphismus von R-Moduln.
124
⊗ x 7→ (y 7→ h, x ∧ yi)
5.6 Die äußere Algebra
Beweis. Wir geben eine Umkehrung der Abbildung an: Dazu definieren wir folgendes:
Sei I ⊂ {1, . . . , n} eine endliche Teilmenge. Wir setzen I¯ := {1, . . . , n} \ I. Weiter sei
1 ...
sgn I := sgn
i1 . . .
d d + 1 ...
n
,
id
j1
. . . jn−d
I = {i1 < · · · < id }, J = {j1 < · · · < jn−d }.
Sei V = (v1 , . . . , vn ) eine Basis von M . Wir setzen weiter
vI := vi1 ∧ · · · ∧ vid ∈ Λd M
und analog v I ∈ Λd M ∨ .
Mit diesen Definition ist die Abbildung durch
Λn M ∨ ⊗ Λd M → Λn−d M ∨ ,
¯
v {1,...,n} ⊗ vI 7→ sgn I · v I
und ihre Umkehrabbildung damit durch
Λn−d M ∨ 7→ Λn M ∨ ⊗ Λd M,
¯
v I 7→ sgn I · v {1,...,n} ⊗ vI
gegeben.
Weiter vereinbaren wir, daß ein oben stehender gequerter Index I¯ als unten stehender
Index aufzufassen ist und daß entsprechend ein unten stehender gequerter Index als oben
stehender Index aufzufassen ist. In diesem Sinne wechselt kein Index seine Position in
den oben angegeben Abbildungsvorschriften.
Sei φ : M → M ein Endomorphismus eines freien R-Moduls M vom Rang n. Wir
wählen eine Determinantenform ∈ Λn M ∨ . (Bis auf ein Element in R× ist diese eindeutig.) Sei d ∈ {0, . . . , n}. Seien v ∈ Λn−d M . Seien w ∈ Λd M . Der Ausdruck ((Λn−d φ)(v)∧
w) ∈ R ist linear in v. Nach dem letzten Hilfssatz existiert damit genau ein (Vd φ)w ∈
Λd M mit
∀v∈Λn−d M ((Λn−d φ)v ∧ w) = (v ∧ (Vd φ)w).
Der Ausdruck Vd (φ)(w) ist unabhängig von der Wahl von . Aus der Eindeutigkeit folgt
weiter, daß Vd (φ)(w) linear ist. Wir erhalten also einen Endomorphismus
Vd φ : Λd M → Λd M,
w 7→ (Vd φ)w.
Definition 5.6.35. Sei R ein kommutativer Ring. Sei φ : M → M ein Endomorphismus
eines freien R-Moduls M vom Rang n. Sei d ∈ {0, . . . , n}. Dann heißt Vd φ : Λd M → Λd M
die d-te Adjunkte von φ.
Im Falle d = 1 schreiben wir
adj φ := V1 φ
und nennen adj φ einfach die Adjunkte von φ.
125
5 Abbildungsräume
Bemerkung 5.6.36. Sei R ein kommutativer Ring. Sei φ : M → M ein Endomorphismus
eines freien R-Moduls M vom Rang n. Sei d ∈ {0, . . . , n}. Dann ist Vd φ homogen von
Gewicht n − d in φ, das heißt
Sn−d End(M ) → End(Λd M ),
φ⊗(n−d) 7→ Vd φ
ist eine wohldefinierte R-lineare Abbildung.
Beispiel 5.6.37. Sei R ein kommutativer Ring. Sei φ : M → M ein Endomorphismus
eines freien R-Moduls vom Rang n. Sei V := (v1 , . . . , vn ) eine Basis von M . Die Abbildungsmatrix von φ bezüglich der Basis V nennen wir A = (aji ) ∈ Rnn . Wir haben also
φ(vi ) = aji vj .
Wir wollen die Abbildungsmatrix B := (bIJ ) von Vd φ bestimmen. Dazu wählen wir
:= v 1 ∧ · · · ∧ v n . Seien weiter I, J ⊂ {1, . . . , n} zwei endliche Mengen mit d Elementen.
Dann gilt:
bIJ := v I , (Vd φ)(vJ ) = sgn I¯ · h, vI¯ ∧ (Vd φ)vJ i
= sgn I¯ · , (Λn−d φ)(vI¯) ∧ vJ
E
D
¯
= sgn I¯ · sgn J¯ · v J , (Λn−d φ)vI¯
¯
= sgn I¯ · sgn J¯ · det AJI¯
¯
= sgn I · sgn J · det AJI¯ .
Bis auf Vorzeichen sind die Matrixeinträge der d-ten Adjunkten durch die (n−d)-Minoren
gegeben. Dies gibt insbesondere eine Interpretation der Minoren in geometrischen Termen.
Satz 5.6.38. Sei R ein kommutativer Ring. Sei φ : M → M ein Endomorphismus eines
freien R-Moduls endlichen Ranges. Dann gilt
(Vd φ) ◦ (Λd φ) = (det φ) · idΛd M = (Λd φ) ◦ (Vd φ).
Beweis. Wir zeigen zunächst die erste Gleichheit. Dazu wählen wir eine Determinantenform ∈ Λn M ∨ . Seien x ∈ Λd M und y ∈ Λn−d M beliebig. Dann gilt
((Vd φ ◦ Λd φ)(x) ∧ y) = ((Λd φ)(x) ∧ (Λn−d φ)(y)) = ((Λn φ)(x ∧ y) = det φ · (x ∧ y).
Da die Paarung (· ∧ ·) nicht ausgeartet ist, folgt daraus (Vd φ ◦ Λd )(x) = det φ · x, also
die erste Gleichheit.
Für die zweite Gleichheit betrachten wir zunächst den Spezialfall, daß R der diskrete
Körper K := Q(a11 , . . . , ann ), M der Modul K n und φ der durch die universelle Matrix
A := (aij ) gegebene Endomorphismus K n → K n ist. Es ist det A 6= 0, also ein invertierbares Element in K. Aus der schon bewiesenen Gleichheit (Vd φ)◦(Λd φ) = (det A)·idΛd K n
folgt damit schon, daß Λd φ injektiv sein muß. Nach Rangsatz istΛd φ damit auch surjektiv, also auch invertierbar. Es folgt, daß Vd φ = det φ · (Λd φ)−1 . Insbesondere folgt, daß
Vd φ und Λd φ vertauschen, woraus die zweite Gleichheit für diesen Spezialfall folgt.
Da die zweite Gleichheit über K richtig ist, folgt, daß sie auch über R = Z[a11 , . . . , ann ],
wieder mit der universellen Matrix, richtig ist.
126
5.6 Die äußere Algebra
Für einen beliebigen kommutativen Ring und einen beliebigen Endomorphismus bekommen wir die Aussage dann durch Spezialisierung der aij .
Folgerung 5.6.39. Sei R ein kommutativer Ring. Sei φ : M → M ein Endomorphismus
eines freien R-Moduls endlichen Ranges. Dann gilt
φ ◦ (adj φ) = (det φ) · idM = (adj φ) ◦ φ.
Diese Folgerung ist auch unter dem Namen Cramersche Regel“ bekannt.
”
Beweis. Die Folgerung ist der Spezialfall des Satzes für d = 1.
Folgerung 5.6.40. Sei R ein kommutativer Ring. Dann ist ein Endomorphismus φ : M →
M eines freien R-Moduls genau dann invertierbar, wenn det φ eine Einheit in R ist.
Beweis. Sei zunächst φ ∈ End(M ) invertierbar. Dann existiert ein ψ ∈ End(M ) mit
φ ◦ ψ = idM . Anwenden der Determinanten liefert (det φ) · (det ψ) = 1, also det φ ∈ R× .
Sei umgekehrt det φ ∈ R× . Dann folgt aus der letzten Folgerung, daß φ invertierbar
mit Inverse
adj φ
.
φ−1 =
det φ
Bemerkung 5.6.41. Der letzte Satz erlaubt es uns, die Determinante einer Matrix A ∈ Rnn
über einem kommutativen Ring R auf folgende Art zu berechnen: Seien dazu endliche
Teilmengen I, L ⊂ {1, . . . , n} mit d Elementen gegeben. Dann gilt
det A · δIL = eL , det A · idΛd Rn (eI )
= eL , (Vd A)(Λd A)(eI )
= det AJI eL , (Vd A)(eJ )
¯ ¯
= sgn J sgn K · det AJI det AJK̄ eL , eK = sgn J sgn L · det AJI det AJL̄ ,
wobei nach unseren Konventionen über J zu summieren ist.
Damit können wir die Berechnung der Determinanten von A auf Determinanten von
Untermatrizen zurückführen. Diese Methode heißt der Laplacesche Entwicklungssatz“.
”
Beispiel 5.6.42. Wir wollen die Determinante der Matrix


0 3 0
1
1 2 −1 0 
4

A=
0 2 4 −1 ∈ Z4
0 0 3 −2
nach dem Laplaceschen Entwicklungssatz berechnen. Dazu wählen wir mit den Bezeichnungen der Bemerkung I = L = {1}. Dann haben wir
¯
det A = sgn J · det AJ1 · det AJ2,3,4
1,3,4
1,2,4
1,2,3
= 0 · det A2,3,4
2,3,4 − 1 · det A2,3,4 + 0 · det A2,3,4 − 0 · det A2,3,4


3 0 1
= − det 2 4 −1 = 9.
0 3 −2
127
5 Abbildungsräume
128
6 Feinstruktur von Endomorphismen
6.1 Die Smithsche Normalform
In diesem Kapitel wollen wir uns mit dem sogenannten Normalformenproblem für Endomorphismen endlich-dimensionalen Vektorräumen beschäftigen. Es ist also die Frage,
ob die Darstellungsmatrix eines Endomorphismus bezüglich einer bestimmten Basis eine
besonders einfache Gestalt hat.
Dazu beginnen wir zunächst mit linearen Abbildungen über Hauptidealringen:
Hilfssatz 6.1.1. Seien R ein Hauptidealring und M und N zwei freie R-Moduln vom
Rang m beziehungsweise n. Ist dann φ : M → N eine lineare Abbildung, so existieren
eine Basis V := (v1 , . . . , vm ) von M und eine Basis W := (w1 , . . . , wn ) von N , so daß
für die Darstellungsmatrix A := W −1 φV von φ bezüglich V und W gilt, daß A eine
Diagonalmatrix ist, daß also Aji = 0, falls i 6= j.
Beweis. Seien V := (v1 , . . . , vm ) und W := (w1 , . . . , wn ) Basen von M und N . Sei
n
A := W −1 φV ∈ Rm
. Im Falle A = 0 sind wir fertig. Ansonsten können wir durch
Vertauschen der Basisvektoren erreichen, daß a11 6= 0.
Wir wollen V und W nun soweit abändern, daß A in der behaupteten Form ist. Da R
ein Hauptidealring ist, existiert ein d ∈ R mit (d) = (A11 , A12 ). Damit existieren s, t ∈ R
mit d = sA11 + tA12 . Sei
n
A0 := (sA1 + tA2 | (−A12 A1 + A11 A2 )/d | A3 | · · · | Am ) ∈ Rm
.
Sei weiter
V 0 := (sV1 + tV2 | (−A12 V1 + A11 V2 )/d | V3 | · · · | Vm ) : Rm → M.
Da det(V −1 ◦ V 0 ) = 1, ist V 0 invertierbar, also wieder eine Basis. Wir haben weiter
A0 = W −1 φV 0
Die neue Matrix stimmt mit der Matrix A in allen Spalten außer den ersten und zweiten
überein. Außerdem haben wir (A0 )11 = d und (A0 )12 = 0. Wir ersetzen schließlich V durch
V 0 und dementsprechend A durch A0 .
Spielen wir das gleiche Spiel mit den den Spalten 3, . . . , m anstelle von 2, können wir
schließlich annehmen, daß V derart ist, daß die erste Zeile von A nur Nullen enthält
außer dem ersten Element. Dieses ist gleich einem größten gemeinsamen Teiler d1 der
Elemente in der ersten Zeile der ursprünglichen Matrix A.
129
6 Feinstruktur von Endomorphismen
Als nächstes machen wir dieselben Umformungsschritte mit den Vektoren aus W :
Dazu betrachten wir wieder ein d ∈ R mit (d) = (A11 , A21 ). Damit existeren s, t ∈ R mit
d = sA11 + tA21 . Sei
n
A0 := (sA1 + tA2 | (−A21 A1 + A11 A2 )/d | A3 | · · · | An )> ∈ Rm
.
Sei weiter
W 0 := ((A11 W1 + A21 W2 )/d | −tW1 + sW2 | W3 | · · · | Wn ) : Rn → N.
Da det(W −1 ◦ W 0 ) = 1, ist W 0 invertierbar, also wieder eine Basis. Es ist leicht nachgerechnet, daß W 0 A0 = φV , also
A0 = W 0−1 φV.
Die neue Matrix stimmt mit der Matrix A in allen Zeilen außer der ersten und zweiten
überein. Außerdem haben wir (A0 )11 = d und (A0 )21 = 0. Wir ersetzen schließlich W durch
W 0 und dementsprechend A durch A0 .
Spielen wir das gleiche Spiel mit den Zeilen 3, . . . , n anstelle von 2, können wir schließlich annehmen, daß W derart ist, daß die erste Spalte von A nur Nullen enthält außerdem
dem ersten Element. Dieses ist gleich einem größten gemeinsamen Teiler d2 der Elemente
in der ersten Spalte der Matrix aus dem letzten Schritt. Insbesondere gilt d2 |d1 .
Bei dem Wechsel der Basis in W wird in der Regel die spezielle Form der ersten Zeile
nicht erhalten. Daher führen wir einen erneuten Wechsel der Basis V durch, so daß die
erste Zeile wieder nur aus Nullen besteht, außer einem ersten Element, d3 . Wir haben
dann d3 |d2 .
Wir machen so weiter und erhalten eine Folge d1 , d2 , . . . mit di+1 |di . Da R ein Hauptidealring ist, existiert ein n mit d := dn = dn+1 bis auf Einheiten in R. Das bedeutet
aber, daß wir irgendwann eine Matrix erhalten, deren z.B. erste Spalte bis auf das erste
Element d nur aus Nullen besteht und deren erste Zeile nur Elemente, welche assoziiert
zu d sind, enthält. Dann können wir im folgenden Schritt jeweils t = 0 wählen. Dadurch
erreichen wir am Ende dieses Schrittes, daß A in der ersten Zeile und Spalte nur Nullen
enthält, außer dem Element A11 .
{2,...,n}
Dann wenden wir das selbe Verfahren auf die Matrix A{2,...,n} an und so weiter.
Satz 6.1.2. Seien R ein Hauptidealring und M und N zwei freie R-Moduln vom Rang
m beziehungsweise n. Ist dann φ : M → N eine lineare Abbildung, so existieren eine
Basis V := (v1 , . . . , vm ) von M und eine Basis W := (w1 , . . . , wn ) von N , so daß für
die Darstellungsmatrix A = (aji ) := W −1 φV von φ bezüglich V und W gilt, daß aji = 0,
falls i 6= j und aii |ai+1
i+1 für alle i.
In diesem Falle sagen wir, daß φ bezüglich der Basen V und W in Smithscher Normalform ist. Die Elemente a11 |a22 | · · · |akk mit k = min{m, n} heißen die invarianten Faktoren
der Normalform.
Beweis. Zunächst können wir nach dem Hilfssatz annehmen, daß Basen V und W von
M und N existieren, so daß φ in Diagonalgestalt ist.
130
6.1 Die Smithsche Normalform
Dann können wir durch elementare Zeilen- und Spaltenumformungen wie im Hilfssatz
erreichen, daß das Element a11 alle übrigen Elemente auf der Diagonalen teilt (und ein
größter gemeinsamer Teiler aller ehemaligen Diagonalelemente ist). Dann machen wir
mit dem Verfahren mit a22 und allen übrigen Diagonalelementen weiter und so fort.
n
eine Matrix über einem Hauptidealbereich R. Mit (Λd A) bezeichnen wir
Sei A ∈ Rm
das Ideal, welches von allen d-Minoren von A aufgespannt wird.
n
Hilfssatz 6.1.3. Seien R ein Hauptidealbereich und A ∈ Rm
eine Matrix über R. Sind
n
m
dann S ∈ Rn und T ∈ Rm invertierbare Matrizen, gilt
(Λd (SAT )) = (Λd A)
für alle d.
Beweis. Die Zeilen von SA sind Linearkombination der Zeilen von A. Daraus folgt,
daß die Minoren von SA Linearkombinationen der Minoren von A sind. Es folgt also,
daß (Λd (SA)) ⊂ (Λd A). Da S invertierbar ist, folgt analog, daß (Λd A) ⊂ Λd (SA), also
Gleichheit.
Auf analoge Weise folgt schließlich die Behauptung.
Bemerkung 6.1.4. Sei R ein Hauptidealring. Sei φ : M → N eine lineare Abbildung
zwischen freien R-Moduln endlichen Ranges. Nach dem Hilfssatz können wir damit
(Λd φ) := (Λd A)
setzen, wobei A eine Darstellungsmatrix von φ bezüglich beliebiger Basen von M und
N ist.
Satz 6.1.5. Sei R ein Hauptidealring. Sei φ : M → N eine lineare Abbildung zwischen
freien R-Moduln endlichen Ranges. Sind dann (a1 , . . . , ak ) und (a01 , . . . , a0k ) die invarianten Faktoren zweier Smithscher Normalformen von φ, so gilt
∀i∈I (ai ) = (a0i ).
Beweis. Nach dem Hilfssatz gilt offensichtlich (Λd φ) = (a1 , . . . , ad ) = (a01 , . . . , a0d ), woraus die Behauptung durch Induktion über d folgt.
Aufgabe 6.1.6 (m). Berechne die invarianten Faktoren der linearen Abbildung


2 −6 8
4 −4 16 : Z3 → Z3 .
0 −8 8
Aufgabe 6.1.7 (m). Berechne zwei Basen
lineare Abbildung
 2
x + 1 3x3 − 3x2
 x + 2 3x2 − 2x
x 3x2 − 3x
V und W von Q[x]4 und Q[x]3 , so daß die

x3 − x2 x3 − 2x2 − 1
x2 − x x2 − 3x − 2 
x2 − x
x2 − 2x
von Q[x]4 nach Q[x]3 bezüglich V und W in Smithscher Normalform ist. Gib ihre invarianten Faktoren an.
131
6 Feinstruktur von Endomorphismen
Aufgabe 6.1.8. Ein Bewertungsring R ist ein Integritätsbereich R, so daß
∀a,b∈R ((a) ⊂ (b) ∨ (b) ⊂ (a)) .
Zeige: Sei R ein Bewertungsring, und sei φ : M → N eine lineare Abbildung zwischen
freien R-Moduln endlichen Ranges. Dann existieren Basen V von M und W von N , so
daß φ bezüglich der Basen V und W in Smithscher Normalform ist.
Aufgabe 6.1.9. Sei R ein Bewertungsring. Zeige, daß R ein lokaler Ring ist, das heißt, es
gilt 0 6= 1 in R und daß aus s + t = 1 für s, t ∈ R folgt, daß s ∈ R× oder t ∈ R× .
Aufgabe 6.1.10. Sei R ein Hauptidealring. Seien φ : M → N und φ0 : M 0 → N 0 zwei
lineare Abbildungen. Gib ein Verfahren an, die invarianten Faktoren von φ ⊗ φ0 : M ⊗
M 0 → N ⊗ N 0 aus denen von φ und ψ zu berechnen.
6.2 Endlich präsentierte Moduln
Definition 6.2.1. Sei R ein kommutativer Ring. Ein R-Modul M heißt endlich präsentiert, falls eine exakte Sequenz der Form
ψ
φ
Rm −−−→ Rn −−−→ M −−−→ 0
gibt.
Eine solche Sequenz heißt dann Präsentation von M . Die Bilder der e1 , . . . , en ∈ Rn
unter φ heißen dann die Erzeuger der Präsentation von M und die Bilder der e1 , . . . , em
unter ψ heißen die Relationen der Präsentation von M . Die Darstellungsmatrix von ψ
heißt die Präsentationsmatrix von M .
Bemerkung 6.2.2. Bis auf Isomorphie ist ein endlich präsentierter Modul über einem
kommutativen Ring offensichtlich durch seine Präsentationsmatrix A bestimmt. Wir
schreiben dann coker A für den Modul.
Bemerkung 6.2.3. Ein endlich präsentierter Modul über einem kommutativen Ring ist
insbesondere endlich erzeugt.
Aufgabe 6.2.4. Seien R ein kommutativer Ring und M und N zwei endlich präsentierte
R-Moduln. Zeige, daß dann auch M ⊕ N und M ⊗ N endlich präsentiert sind.
Beispiel 6.2.5. Sei R ein kommutativer Ring und M ein R-Modul. Dann besitzt M genau
dann eine endliche Präsentation der Form
0 −−−→ Rn −−−→ M −−−→ 0,
wenn M ein freier R-Modul endlichen Ranges ist.
n
Beispiel 6.2.6. Sei R ein kommutativer Ring, und sei A ∈ Rm
eine (nicht notwendigeri
weise quadratische) Diagonalmatrix (also Aj = 0 für i 6= j). Dann ist
coker A ∼
= R/(A11 ) ⊕ · · · ⊕ R/(Ann ),
132
6.2 Endlich präsentierte Moduln
wobei wir Akk = 0 für k > m setzen. Einen R-Modul der Form R/(a) mit a ∈ R wollen
wir zyklisch nennen.
Umgekehrt besitzt jeder Modul, welcher isomorph zu einer endlichen direkten Summe
zyklischer Moduln ist, eine Präsentation durch eine Diagonalmatrix.
Hilfssatz 6.2.7. Seien R ein kommutativer Ring und M ein endlich präsentierter Rn
m
Modul mit Darstellungsmatrix A ∈ Rm
. Sind dann S ∈ Rnn und T ∈ Rm
invertierbare
n
Matrizen, ist auch SAT ∈ Rm eine Darstellungsmatrix von M .
Beweis. Sei
A
φ
SAT
φ◦S −1
Rm −−−→ Rn −−−→ M −−−→ 0
eine exakte Sequenz. Dann ist auch
Rm −−−→ Rn −−−→ M −−−→ 0
eine exakte Sequenz.
Schließlich können wir das Hauptresultat dieses Abschnittes formulieren, der Struktursatz über endlich präsentierte Moduln über Hauptidealringen:
Satz 6.2.8. Sei M ein endlich präsentierter Modul über einem Hauptidealbereich. Dann
existieren Hauptideale a1 ⊃ a2 ⊃ · · · ⊃ an , so daß ein Isomorphismus
M∼
= R/a1 ⊕ · · · ⊕ R/an
von R-Moduln existiert.
Beweis. Sei
A
Rm −−−→ Rn −−−→ M −−−→ 0
eine endliche Präsentation von M . Nach dem Satz über die Smithsche Normalform exim
und T ∈ Rnn , so daß SAT in Smithscher Normalstieren invertierbare Matrizen S ∈ Rm
form ist.
Damit folgt die Aussage des Satzes aus dem Form von SAT , dem Hilfssatz und dem
letzten Beispiel.
Die Zerlegung in zyklische Moduln, die im letzten Satz beschrieben wird, ist im wesentlichen eindeutig:
Satz 6.2.9. Sei R ein kommutativer Ring. Seien p1 ⊃ · · · ⊃ pm und q1 ⊃ · · · ⊃ qn
Ideale von R mit m ≤ n. Es existiere ein Isomorphismus
R/p1 ⊕ · · · ⊕ R/pm ∼
= R/q1 ⊕ · · · ⊕ R/qn .
Dann gilt:
q1 = · · · = qn−m = (1)
und weiter
pi = qn−m+i
für alle i ∈ {1, . . . , m}.
133
6 Feinstruktur von Endomorphismen
Beweis. Um die erste Behauptung zu zeigen, reicht es, q1 = (1) zu zeigen, falls n > m.
Sei S := R/q1 . Dann haben wir Isomorphismen
S
⊕n
∼
=
n
M
R/(qj + q1 ) ∼
= M/q1 M ∼
=
m
M
j=1
R/(pi + q1 )
i=1
als S-Moduln. Wir können S m surjektiv auf die rechte Seite abbilden. Damit existiert
auch eine Surjektion φ : S m → S n . Damit muß Λn φ : Λn S m → Λn S n ∼
= S surjektiv sein.
Es ist Λn S m wegen n > m der Nullmodul. Damit ist S = 0, also q1 = (1).
Um den zweiten Teil zu zeigen, können wir ohne Einschränkung annehmen, daß n = m.
Aus Symmetriegründen reicht es zu zeigen, daß pk ⊂ qk für alle k. Sei x ∈ pk . Für ein
Ideal r von R setzen wir
(r : x) = {r ∈ R | rx ∈ r}.
Dann haben wir
n
M
R/(qj : x) ∼
= xM ∼
=
j=1
n
M
R/(pi : x).
i=k+1
Wenden wir die schon bewiesene erste Behauptung auf xM an, erhalten wir (q1 : x) =
· · · = (qk : x) = (1), also x ∈ qk .
Beispiel 6.2.10. Wir können jede abelsche Gruppe insbesondere als Z-Modul auffassen.
Damit erhalten wir, daß jede endlich präsentierte abelsche Gruppe A isomorph zu einer
Gruppe der Form
Z/(d1 ) ⊕ · · · ⊕ Z/(dn )
ist, wobei die di eindeutig sind unter der Voraussetzung, daß d1 |d2 | · · · |dn und d1 , d2 , . . . >
1.
Aufgabe 6.2.11. Sei die abelsche Gruppe
A = ha, b, c | 15a + 12b − 3c, 3a + 6b + 3c, 9a + 24b + 15ci
gegeben, das heißt A wird als Z-Modul von den drei Elementen a, b, c modulo einem
Ideal erzeugt, welches durch drei Elemente gegeben ist.
Gib drei Erzeuger x, y, z von A und drei ganze Zahlen d, e, f mit d|e|f an, so daß
A = hx, y, z | dx, ey, f zi .
n
Aufgabe 6.2.12. Sei R ein kommutativer Ring. Sei M ∈ Rm
eine Matrix über R, welche
m
eine Linksinverse besitzt, das heißt, für die ein A ∈ Rnm existiert, so daß AM = I ∈ Rm
die Einheitsmatrix ist. Zeige, daß im Falle n < m der Ring R der Nullring ist.
134
6.3 Torsionsmoduln
6.3 Torsionsmoduln
Sei R ein diskreter Integritätsbereich. Sei M ein R-Modul. Wir setzen
Mtor := {m ∈ M | ∃a∈R (a 6= 0 ∧ am = 0)}.
Es ist leicht einzusehen, daß Mtor ein Untermodul von M ist.
Weiter setzen wir
ann M := {a ∈ R | ∀m∈M am = 0}.
Es ist ann M offensichtlich ein Ideal von R.
Definition 6.3.1. Sei R ein diskreter Integritätsbereich. Sei M ein R-Modul. Der Modul
Mtor heißt der Torsionsuntermodul von M . Das Ideal ann M heißt der Annulator von
M.
Gilt M = Mtor , heißt M ein Torsionsmodul.
Satz 6.3.2. Sei M ein endlich präsentierter Modul über einem Hauptidealring R. Dann
ist Mtor ein endlich präsentierter direkter Summand von M , welcher ein freies Komplement besitzt.
Weiter ist ann Mtor ein nicht triviales Hauptideal von R.
Beweis. Zunächst existieren Ideale p1 ⊃ · · · ⊃ pm , so daß M ∼
= R/p1 ⊕ · · · ⊕ R/pm . Wir
setzen p0 := (1). Wir wählen ein k ∈ N0 mit pk 6= (0) und pi = (0) für i > k. Dann ist
Mtor ∼
= R/p1 ⊕ · · · ⊕ R/pk und M ∼
= Mtor ⊕ Rm−k .
Weiter ist pk = ann Mtor .
Sei jetzt R allgemeiner ein kommutativer Ring. Sei d ∈ R. Wir setzen
M [d] := {m ∈ M | dm = 0}.
und
∞
M [d ] :=
∞
[
M [dk ].
k=0
Beide Teilmengen von M sind Untermoduln von M . Weiter stellen wir fest, daß M [d] +
M [d0 ] ⊂ M [dd0 ] für d, d0 ∈ R.
Definition 6.3.3. Sei R ein diskreter Integritätsbereich. Sei M ein R-Modul. Sei d ∈ R.
Der Untermodul M [d∞ ] heißt die d-Komponente von M .
Hilfssatz 6.3.4. Sei R ein kommutativer Ring. Sei M ein R-Modul. Seien a, b ∈ R, so
daß (a, b) = (1). Dann gilt M [(ab)∞ ] = M [a∞ ] ⊕ M [b∞ ].
Ist M [(ab)∞ ] außerdem endlich erzeugt, so ist die Projektion von M [(ab)∞ ] auf M [a∞ ]
durch Multiplikation mit einem Element von R gegeben.
Schließlich gilt: der Modul M [(ab)∞ ] ist genau dann zyklisch, das heißt von einem
Element erzeugt, wenn M [a∞ ] und M [b∞ ] zyklisch sind.
135
6 Feinstruktur von Endomorphismen
Beweis. Um M [(ab)∞ ] = M [a∞ ] ⊕ M [b∞ ] zu zeigen, reicht es zu zeigen, daß K =
K[a∞ ] ⊕ K[b∞ ] für jeden endlich erzeugten Untermodul K von M [(ab)∞ ], das heißt, wir
können davon ausgehen, daß T := M [(ab)∞ ] endlich erzeugt ist.
In diesem Falle existiert ein k ∈ N0 mit ak bk T = 0, also T = M [(ab)k ]. Da (a, b) = (1),
existieren s, t ∈ R mit sa + tb = 1. Entwickeln wir 1 = (sa + tb)2k−1 nach Potenzen von a
und b sehen wir, daß s0 , t0 ∈ R mit s0 ak + t0 bk = 1 existieren. Sei p := t0 bk und q := s0 ak ,
also p + q = 1.
Für x ∈ T ist pqx = 0. Daraus folgt insbesondere p2 x = p(p + q)x = px und analog
q 2 x = qx für x ∈ T . Es folgt, daß
pT ⊕ qT → T, (px, qx) 7→ px + qx
ein Isomorphismus mit Umkehrung
T → pT ⊕ qT, x 7→ (px, qx).
Wir wollen jetzt zeigen, daß pT = T [a∞ ]. (Analog folgt dann, daß qT = T [b∞ ].) Dazu
überlegen wir uns zunächst, daß pT ⊂ T [ak ] ⊂ T [a∞ ]. Sei umgekehrt x ∈ T [a∞ ]. Es
folgt, daß q n x = 0 für genügend großes n. Damit können wir
x = (1 − q)(1 + q + q 2 + · · · + q n−1 )x = p(1 + q + · · · + q n−1 )x
schreiben; insbesondere ist also x ∈ pT .
Ist schließlich T = hxi zyklisch, so ist T [a∞ ] = hpxi und T [b∞ ] = hqxi. Ist umgekehrt
T [a∞ ] = hyi und T [b∞ ] = hzi, so setze x := y + z. Dann ist y = px ∈ hxi und
z = qx ∈ hxi. Damit ist T = hxi.
Satz 6.3.5. Sei R ein kommutativer Ring. Sei M ein R-Modul. Sei a ∈ R mit a =
pe11 · · · pemm mit pi ∈ R und ei ∈ N0 , wobei (pi , pj ) = (1) für alle Paare i 6= j. Dann gilt
∞
M [a∞ ] = M [p∞
1 ] ⊕ · · · ⊕ M [pm ].
Ist M außerdem endlich erzeugt, ist die Projektion von M [a∞ ] auf M [p∞
i ] durch Multiplikation mit einem Element von R gegeben.
Beweis. Wir wenden den Hilfssatz einfach mehrfach hintereinander an. Hierbei nutzen wir aus: Gilt (p, q) = 1 und (p, r) = 1, so folgt auch (p, qr) = 1. Außerdem gilt
M [(dk )∞ ] = M [d∞ ] für eine beliebige Potenz k > 0.
Für die folgende Definition müssen wir den Begriff der Primzahl auf beliebige diskrete
Integritätsbereiche R verallgemeinern: Ein Element p ∈ R von R heißt prim, falls es
keine Einheit in R ist und aus ab ∈ (p) schon a ∈ (p) oder b ∈ (p) folgt, wenn also
aus der Tatsache, daß p ein Produkt teilt schon folgt, daß p auch mindestens einen der
Faktoren teilt.
Die Primelemente in Z sind genau die Primzahlen und ihre Negativen.
Definition 6.3.6. Sei R ein diskreter Hauptidealring und p ∈ R ein Primelement. Ein
R-Modul M heißt p-primär, falls M [p∞ ] = M .
136
6.4 Die Frobeniussche Normalform
Gilt für einen Modul M über R also, daß dM = 0 für ein d ∈ R, welches eine
Primfaktorzerlegung der Form d = pe11 · · · pemm mit (pi , pj ) = (1) für i 6= j und pi prim
zuläßt, so ist M die direkte Summe primärer Untermoduln.
Satz 6.3.7. Sei R ein Hauptidealbereich. Sei p ∈ R ein Primelement. Sei weiter M ein
endlich präsentierter p-primärer R-Modul. Dann existiert ein Isomorphismus
M∼
= R/(pe1 ) ⊕ · · · ⊕ R/(pem )
mit ei ∈ N0 .
Beweis. Nach dem Struktursatz ist M isomorph zu einer direkten Summe von R-Moduln
der Form R/p mit p ein Hauptideal von R. Da M nach Voraussetzung p-primär ist, muß
pm ∈ p für ein m gelten. Sei p = (a) für a ∈ R. Dann existiert ein b ∈ R mit pm = ab.
Da p prim ist, folgt, daß eine Einheit u ∈ R× mit a = upn und 0 ≤ n ≤ m existiert.
Damit ist p = (pn ).
Die Primpotenzen pei , die im Satz auftauchen, heißen die Elementarteiler von M . Ist
M allgemeiner eine direkte Summe p-primärer Untermoduln, heißen die Elementarteiler
der primären Untermoduln die Elementarteiler von M .
6.4 Die Frobeniussche Normalform
Seien K ein diskreter Körper und V ein Vektorraum über K. Sei weiter φ : V → V
ein Endomorphismus von V . Wir erinnern an die Definition des K[X]-Moduls Vφ : Die
additive Gruppe von Vφ stimmt mit der additiven Gruppen von V überein. Weiter haben
wir die Multiplikation von K auf K[X] durch die Setzung X · v := φ(v) für v ∈ V
definiert.
Da K[X] ein Hauptidealring ist, können wir unter anderem alle unsere Ergebnisse
über Moduln über Hauptidealringen auf den K[X]-Modul Vφ anwenden. Da der K[X]Modul aber nichts anderes als den Endomorphismus φ kodiert, werden wir sehen, daß
wir Informationen über die Feinstruktur von φ bekommen.
Dazu müssen wir aber zunächst zeigen, daß Vφ ein endlich präsentierter K[X]-Modul
ist.
Hilfssatz 6.4.1. Sei V ein n-dimensionaler Vektorraum über dem diskreten Körper K.
Sei weiter φ : V → V ein Endomorphismus. Dann existiert eine exakte Sequenz von
K[X]-Moduln der Form
A
ψ
0 −−−→ K[X]n −−−→ K[X]n −−−→ Vφ −−−→ 0.
Insbesondere ist Vφ ein endlich präsentierter K[X]-Modul mit Präsentationsmatrix A ∈
K[X]nn .
137
6 Feinstruktur von Endomorphismen
Beweis. Wir wählen eine Basis U := (u1 , . . . , un ) von V . Dann sei B ∈ Rnn mit φ(ui ) =
Bij uj . Wir definieren die Abbildung ψ : K[X]n → Vφ durch ψ(f ) = f i ui . Wir definieren
dann di ∈ K[X]n durch di := Xei − Bij ej , ei ∈ K[X]n .
Es reicht zu zeigen, daß ker ψ ein freier K[X]-Modul mit Basis d1 , . . . , dn ist. Dazu
halten wir zunächst fest, daß d1 , . . . , dn ∈ ker ψ.
Sei weiter g ∈ ker ψ. Aufgrund der Relation Xei = di − Bij ej können wir g in der Form
g = hi di + ci ei schreiben, so daß ci ∈ K. Es folgt ci ei ∈ ker ψ, also ci ui = 0. Da die ui
eine Basis von V bilden, folgt ci = 0. Damit ist g = hi di , also erzeugen die di den Kern
von ψ.
Es bleibt zu zeigen, daß die di linear unabhängig sind. Sei dazu hi di = 0. Also hi Xei =
hi Bij ej . Angenommen, ein hi 6= 0. Dann können wir annehmen, daß der Grad von X in
h1 maximal ist. Aber h1 X = hi Bi1 , ein Widerspruch. Also sind alle hi = 0. Damit sind
die di linear unabhängig.
Bemerkung 6.4.2. Sei K ein diskreter Körper und φ : K n → K n ein Endomorphismus,
gegeben durch die Matrix B ∈ Knn . Mit A := (δij X − Bij ) ∈ K[X]nn ist dann die Sequenz
A
0 −−−→ K[X]n −−−→ K[X]n −−−→ (K n )B −−−→ 0
eine exakte Sequenz von K[X]-Moduln (hierbei operiert X auf K n durch Multiplikation
mit B). Der vorletzte Pfeil ist durch die Zuordnung ei 7→ ei gegeben.
Beispiel 6.4.3. Betrachten wir den Q-Vektorraum V := Q2 . Sei der Endomorphismus
1 1
B=
:V →V
0 1
gegeben. Dann ist eine Präsentationsmatrix des K[X]-Moduls von VB durch
X −1
−1
A=
0
X −1
gegeben.
Folgerung 6.4.4. Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über dem diskreten
Körper K. Sei φ : V → V ein Endomorphismus. Dann ist
Vφ ∼
= K[X]/(f1 ) ⊕ · · · ⊕ K[X]/(fs ),
wobei die fi ∈ K[X] normierte, nicht konstante Polynome mit f1 |f2 | · · · sind.
Weiter ist ann Vφ = {g ∈ K[X] | g(φ) = 0} ein nicht triviales Hauptideal von K[X],
nämlich das von fs aufgespannte.
Beweis. Nach dem Hilfssatz existiert eine exakte Sequenz der Form
A
0 −−−→ K[X]n −−−→ K[X]n −−−→ Vφ −−−→ 0
mit A ∈ K[X]nn . Nach dem Satz über die Smithsche Normalform können wir annehmen,
daß A in Smithscher Normalform ist, also eine Diagonalmatrix, auf deren Diagonale
138
6.4 Die Frobeniussche Normalform
Polynome g1 , . . . , gn ∈ K[X] mit g1 |g2 | . . . stehen. Da A injektiv ist, ist gi 6= 0 für alle
i. Damit können wir durch Multiplikation mit Einheiten erreichen, daß die gi normierte
Polynome sind.
Es folgt weiter, daß Vφ ∼
= K[X]/(g1 )⊕· · ·⊕K[X]/(gn ). Die K[X]/(gi ) mit konstantem
gi geben keinen Beitrag, so daß wir sie in der Darstellung weglassen können. Damit
kommen wir auf eine Darstellung wie die behauptete.
Definition 6.4.5. Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über dem diskreten
Körper K. Sei φ : V → V ein Endomorphismus. Dann heißt das normierte Polynom
g ∈ K[X] mit (g) = ann Vφ das Minimalpolynom von φ.
Beispiel 6.4.6. Sei der Q-Vektorraum V := Q3 gegeben. Sei ein Endomorphismus


2 −3 3
B := −1 4 −3 : V → V
−1 3 −2
gegeben. Der Q[X]-Modul VB besitzt dann


X −2
3
−3
X −4
3 
A :=  1
1
−3
X +2
als Darstellungsmatrix. Nach elementaren Spalten und Zeilenumformungen über dem
Polynomring erhalten wir, daß auch


1
0
0

0
A0 := 0 X − 1
2
0
0
X − 3X + 2
eine Darstellungsmatrix von VB ist. Da X 2 − 3X + 2 = (X − 1)(X − 2) ist das Minimalpolynom von B durch X 2 − 3X + 2 gegeben. Weiter ist
VB ∼
= K[X]/(X − 1) ⊕ K[X]/(X 2 − 3X + 2).
Für die folgende Definition erinnern wir an die Skalarerweiterung eines Moduls.
Definition 6.4.7. Seien R ein kommutativer Ring und M ein freier R-Modul endlichen
Ranges. Sei φ : M → M ein Endomorphismus. Dann heißt
pφ := det(x(idM )R[x] − φR[x] ) ∈ R[x]
das charakteristische Polynom von φ.
Das charakteristische Polynom ist ein normiertes Polynom, dessen Grad der Rang des
Moduls ist.
In Zukunft schreiben wir einfach x − φ ∈ End(MR[x] ) anstelle von x(idM )R[x] − φR[x] .
139
6 Feinstruktur von Endomorphismen
Beispiel 6.4.8. Sei R ein kommutativer Ring. Sei M ein freier R-Modul mit Basis
v1 , . . . , vn . Ist dann φ : M → M ein Endomorphismus mit φvi = Aji vj für A ∈ Rnn ,
so gilt für sein charakteristisches Polynom
pφ = det((xδij − Aji )ji ) ∈ R[x].
Für das charakteristische Polynom gilt der Satz von Cayley–Hamilton:
Satz 6.4.9. Seien R ein kommutativer Ring und M ein freier R-Modul endlichen Ranges. Ist dann φ : M → M ein Endomorphismus, so ist er Nullstelle seines charakteristischen Polynoms, das heißt pφ (φ) = 0, also pφ ∈ ann Mφ .
Beweis. Wir wenden das auf x − φ an, was wir über die Adjunkte wissen und erhalten
(x − φ) ◦ adj(x − φ) = pφ · idMR[x] . Setzen wir ein beliebiges v ∈ M , welches wir vermöge
v 7→ v ⊗ 1 als Element in MR[x] auffassen, in die Gleichung ein, erhalten wir
x adj(x − φ)(v) − φ(adj(x − φ)(v)) = pφ · v ∈ MR[x] .
Schließlich definieren wir eine R-lineare Abbildung MR[x] → Mφ , m ⊗ f → f · m. Wenden
wir diese Abbildung auf beide Seiten der Gleichung an, erhalten wir, daß die linke Seite
Null wird. Die rechte Seite wird zu pφ (φ)(v).
Beispiel 6.4.10. Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über einem diskreten Körper
K. Dann ist das Minimalpolynom mφ eines Endomorphismus φ : V → V ein Teiler des
charakteristischen Polynoms pφ von φ, denn pφ ∈ ann Vφ = (mφ ).
Beispiel 6.4.11. Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über einem diskreten Körper
K. Sei φ : V → V ein Endomorphismus. Dann ist das charakteristische Polynom von
φ genau dann das Minimalpolynom von φ, falls Vφ ein zyklischer Modul ist, wenn also
Vφ ∼
= K[X]/(f ) für ein normiertes Polynom f ∈ K[X].
Was bedeutet es für einen Endomorphismus, wenn Vφ von der Form K[X]/(f ) ist?
Der folgende Hilfssatz gibt Aufschluß.
Hilfssatz 6.4.12. Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über einem diskreten
Körper K. Sei φ : V → V ein Endomorphismus, so daß Vφ ∼
= K[X]/(f ) für ein normiertes Polynom f = X n + an−1 X n−1 + · · · + a0 ∈ K[X]. (Wir sagen dann, der Endomorphismus sei zyklisch.) Dann existiert eine Basis (v1 , · · · , vn ) von V , so daß die
Darstellungsmatrix A ∈ Knn von φ bezüglich dieser Basis (also φ(vi ) = Aji vj ) die Gestalt


0 . . . . . . 0 −a0
. .
 ..

. .. ..
1

 .

.
.
.

.. 
B(f ) = 0 . . . . ..

. . .

.
.
.
. .

. 0
0 . . . 0 1 −an−1
hat.
140
6.4 Die Frobeniussche Normalform
Die Matrix B(f ) ∈ Rnn heißt die Begleitmatrix zu f .
Beweis. Sei ψ : K[X]/(f ) → Vφ ein Isomorphismus von K[X]-Moduln. Als K-Vektorraum
besitzt K[X]/(f ) die Basis ([1](f ) , [X](f ) , . . . , [X n−1 ](f ) ). Es folgt, daß v1 , . . . , vn mit
vi := ψ([X i−1 ]) eine Basis des K-Vektorraumes V ist. Für i < n gilt weiter
φ(vi ) = φ(ψ([X i−1 ]) = ψ(X[X i−1 ]) = ψ([X i ]) = vi+1 .
Schließlich ist
φ(vn ) = φ(ψ([X n−1 ])) = φ(−a0 ψ([1]) − · · · − an−1 ψ([X n−1 ])) = −a0 v1 − · · · − an−1 vn .
Damit folgt, daß B(f ) die Darstellungsmatrix von φ bezüglich der Basis (v1 , . . . , vn )
ist.
Aufgabe 6.4.13. Sei f ∈ K[X] ein normiertes Polynom vom Grade n über einem diskreten
Körper K. Berechne das charakteristische Polynom der Begleitmatrix B(f ) ∈ Knn , das
heißt, der durch B(f ) induzierten linearen Abbildung K n → K n .
(Tip: Entwicklung nach der ersten Zeile und Induktion über n.)
Bemerkung 6.4.14. Sei f ∈ K[X] ein normiertes Polynom vom Grad n über einem
Körper K. Dann ist die Begleitmatrix zu B(f ) ∈ Knn Nullstelle des Polynoms f , also
f (B(f )) = 0.
Dies folgt aus der Tatsache, daß für den durch B(f ) beschriebenen Endomorphismus
φ : K n → K n gilt, daß (K n )φ ∼
= K[X]/(f ).
Aufgabe 6.4.15. Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über dem diskreten Körper
K. Sei φ : V → V ein Endomorphismus. Wir nennen einen Unterraum U von V invariant
unter φ, falls φ(U ) ⊂ U .
Zeigen Sie, daß ein Unterraum U genau dann invariant unter φ ist, wenn U ein Untermodul von Vφ ist.
Satz 6.4.16. Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über einem diskreten Körper
K. Sei φ : V → V ein Endomorphismus mit charakteristischem Polynom pφ ∈ K[X] und
Minimalpolynom mφ . Dann existieren nicht-konstante, normierte Polynome f1 , . . . , fs ∈
K[X] mit f1 | · · · |fs , f1 · · · fs = pφ und fs = mφ und eine Basis (v1 , . . . , vn ) von V ,
bezüglich der die Darstellungsmatrix A ∈ Rnn von φ (also φ(vi ) = Aji vj ) die Form


B(f1 )


...
B(f1 , . . . , fs ) := 

B(fs )
hat. (Die nicht angegebenen Einträge sind alle 0.)
Die Polynome f1 , . . . , fs sind dadurch eindeutig bestimmt und heißen die invarianten
Faktoren von φ.
Wir sagen, daß der Endomorphismus φ bezüglich der Basis (v1 , . . . , vn ) in Frobeniusscher Normalform A ist.
141
6 Feinstruktur von Endomorphismen
Beweis. Zunächst existieren normierte, nicht konstante Polynome f1 , . . . , fs mit f1 |f2 | · · ·
und ein Isomorphismus
ψ : K[X]/(f1 ) ⊕ · · · ⊕ K[X]/(fs ) → Vφ
von K[X]-Moduln. Es folgt zunächst, daß Vφ als K[X]-Modul eine direkte Summenzerlegung Vφ = V1 ⊕ · · · ⊕ Vs in K[X]-Untermoduln Vi mit Vi ∼
= K[X]/(fi ) besitzt.
Insbesondere gilt φ(Vi ) ⊂ Vi . Nach dem Hilfssatz wissen wir, daß Basen Ui der Vi als
K-Vektorräume existieren, so daß φ|Vi : Vi → Vi bezüglich der Basis Ui durch die Begleitmatrix B(fi ) dargestellt wird. Aneinanderfügen der Basen Ui zu einer Basis von V
liefert, daß φ durch B(f1 , . . . , fs ) dargestellt wird.
Es bleibt, die Eindeutigkeit der fi zu zeigen. Dies folgt aber aus der Eindeutigkeit der
Darstellung von Vφ als direkte Summe zyklischer Moduln und der Tatsache, daß die fi
eindeutig sind, wenn sie normiert sind und f1 |f2 | · · · gilt.
Bemerkung 6.4.17. Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über einem diskreten
Körper K. Sei φ : V → V ein Endomorphismus. Seien die invarianten Faktoren von φ
durch f1 | · · · |fs ∈ K[X] gegeben. Dann ist das Minimalpolynom von φ gerade durch fs
gegben.
Wegen fi (B(fi )) = 0 sehen wir außerdem, daß B = B(f1 , . . . , fs ) Nullstelle des charakteristischen Polynoms pφ = f1 · · · fs von φ ist. Da B eine Darstellungsmatrix von
φ ist, ist damit auch pφ (φ) = 0. Wir haben also einen weiteren Beweis des Satzes von
Cayley–Hamilton gefunden.
Aufgabe 6.4.18. Sei A ∈ Knn die Frobeniussche Normalform eines Endomorphismus
φ : V → V eines endlich-dimensionalen Vektorraums über einem diskreten Körper K.
Sei L ein Erweiterungskörper von K (das heißt L ist ein Körper mit Unterkörper K).
Zeige, daß die Frobeniusnormalform von φL : VL → VL wieder durch A gegeben ist, wenn
wir die Einträge von A als Elemente von L auffassen.
Aufgabe 6.4.19. Seien A, B ∈ Knn zwei Matrizen über einem diskreten Körper. Sei I ∈ Knn
die Einheitsmatrix. Wir nennen A und B ähnlich, wenn eine invertierbare Matrix S ∈ Knn
mit B = SAS −1 existiert.
Zeigen Sie, daß Ähnlichkeit eine Äquivalenzrelation ist.
Zeigen Sie, daß A und B genau dann ähnlich sind, wenn die Folge der normierten
invarianten Faktoren von X · I − A ∈ K[X]nn gleich der Folge der normierten invarianten
Faktoren von X · I − B ist.
Aufgabe 6.4.20. Sei der Q-Vektorraum V := Q3 gegeben. Sei ein Endomorphismus


2 −3 3
B := −1 4 −3 : V → V
−1 3 −2
gegeben. Berechne eine Basis von V bezüglich der B in Frobeniusscher Normalform ist.
142
6.5 Eigenwerte und Eigenvektoren
6.5 Eigenwerte und Eigenvektoren
Definition 6.5.1. Seien R ein kommutativer Ring und M ein freier R-Modul endlichen
Ranges. Sei φ : M → M ein Endomorphismus. Die Nullstellen des charakteristischen
Polynoms pφ heißen die Eigenwerte von φ.
Definition 6.5.2. Sei R ein diskreter Integritätsbereich. Sei φ : M → M ein Endomorphismus eines freien R-Moduls M endlichen Ranges. Ist dann v ∈ M \ {0} ein nicht
trivialer Vektor, für den ein a ∈ R mit φ(v) = av existiert, heißt v ein Eigenvektor zum
Eigenwert a von φ.
Hilfssatz 6.5.3. Sei R ein diskreter Integritätsbereich. Sei φ : M → M ein Endomorphismus eines freien R-Moduls M endlichen Ranges. Ist dann v ∈ M \ {0} ein Eigenvektor von φ zum Eigenwert a ∈ R, so ist a insbesondere ein Eigenwert von φ, das heißt
pφ (a) = 0.
Beweis. Es ist pφ (a) · v = adj(a − φ)(av − φ(v)) = adj(a − φ)(0) = 0. Da M ein freier
Modul ist (und damit außer 0 keine Torsionselemente besitzt), folgt wegen v 6= 0 schon
pφ (a) = 0.
Es gilt auch die umgekehrte Richtung:
Hilfssatz 6.5.4. Seien R ein diskreter Integritätsbereich und M ein freier R-Modul
endlichen Ranges. Sei φ : M → M ein Endomorphismus. Ist dann a ∈ R ein Eigenwert
von φ, also pφ (a) = 0, existiert ein v ∈ M \ {0}, so daß v Eigenvektor zum Eigenwert a
ist.
Beweis. Sei K der Quotientenkörper von R. Wir können das charakteristische Polynom
pφ ∈ R[X] auch als Polynom in K auffassen. Es ist dann das charakteristische Polynom
von φK : MK → MK . Dieses besitzt bei a ∈ R ⊂ K eine Nullstelle, damit ist a−φK nicht
invertierbar. Nach dem Satz über die LR-Zerlegung besitzt a − φK damit einen nicht
trivialen Kern, also etwa ein ṽ ∈ MK \ {0} mit φK (ṽ) = aṽ. Es ist also ṽ ein Eigenvektor
von φK zum Eigenwert a.
Nach Definition von MK existiert ein r ∈ R \ {0}, so daß v := rṽ ∈ M (Multiplizieren
mit dem Hauptnenner!). Damit ist auch φ(v) = av, also ist v der gesuchte Eigenvektor
zum Eigenwert a.
Bemerkung 6.5.5. Seien R ein diskreter Integritätsbereich und M ein freier R-Modul
endlichen Ranges. Ist dann φ : M → M ein Endomorphismus, sind die Eigenvektoren
von φ zu einem Eigenwert a ∈ R genau die von Null verschiedenen Vektoren in
Mφ [X − a] = {v ∈ M | (X − a)v = 0}.
Der Untermodul Mφ [X − a] heißt der Eigenraum von φ zum Eigenwert a.
Aufgabe 6.5.6. Seien R ein diskreter Integritätsbereich und M ein freier R-Modul. Seien
v1 , . . . , vs Eigenvektoren zu paarweise verschiedenen Eigenwerten eines Endomorphismus
φ : M → M . Zeige, daß das System (v1 , . . . , vs ) linear unabhängig ist.
143
6 Feinstruktur von Endomorphismen
Definition 6.5.7. Seien R ein diskreter Integritätsbereich und M ein freier R-Modul.
Sei φ : M → M ein Endomorphismus. Eine Eigenbasis (v1 , . . . , vn ) zu φ ist eine Basis
aus Eigenvektoren von φ.
Bemerkung 6.5.8. Seien R ein diskreter Integritätsbereich und M ein freier R-Modul.
Sei φ : M → M ein Endomorphismus. Ist (v1 , . . . , vn ) eine Eigenbasis zu φ von M , ist
die Darstellungsmatrix von φ bezüglich dieser Basis diagonal. Auf der Diagonalen stehen
die Eigenwerte zu den Eigenvektoren vi .
Ist umgekehrt φ ein diagonalisierbarer Endomorphismus, das heißt, es existiert eine Basis (v1 , . . . , vn ) bezüglich der φ durch eine diagonale Matrix dargestellt wird, ist
(v1 , . . . , vn ) eine Eigenbasis von φ. Die Eigenwerte von der vi sind die Einträge auf der
Diagonalen der Darstellungsmatrix.
6.6 Die Weierstraßsche und Jordansche Normalform
Wir erinnern daran, daß der Polynomring K[X] in einer Variablen über einem diskreten
Körper K ein euklidischer Ring ist. Daraus folgt insbesondere, daß die Primelemente in
K[X] genau die irreduziblen Polynome sind, also solche, welche sich nicht in ein Produkt
von Polynomen kleineren Grades zerlegen lassen.
Ist m ∈ K[X] ein normiertes Polynom, wollen wir ein Produkt m = pe11 · · · pemm ∈
K[X] im folgenden eine Primfaktorzerlegung von m nennen, wenn die pi jeweils nichtkonstante, normierte, irreduzible (d.h. prime) Polynome mit pi 6= pj (d.h. (pi , pj ) = (1)
für i 6= j sind.
Satz 6.6.1. Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über dem diskreten Körper K.
Sei φ : V → V ein Endomorphismus. Sei mφ = pe11 · · · pemm eine Primfaktorzerlegung des
Minimalpolynoms von φ. Dann existiert eine eindeutige direkte Summenzerlegung
V = Vp1 ⊕ · · · ⊕ Vpm
von V in φ-invariante Summanden, so daß das Minimalpolynom von φ|Vpi : Vpi → Vpi
durch pei i gegeben ist.
Weiter vertauschen die Projektionen πi : V → Vpi auf die invarianten Summanden
mit allen Endomorphismen ψ : V → V , welche mit φ vertauchen.
Dabei sagen wir, daß zwei Endomorphismen φ, ψ : V → V vertauschen, wenn [φ, ψ] :=
φ ◦ ψ − ψ ◦ φ = 0.
Beweis. Es ist Vφ = Vφ [mφ ]. Damit zerfällt Vφ in seine primären Komponenten, wir
erhalten also eine direkte Summenzerlegung
Vφ = Vp1 ⊕ · · · ⊕ Vpm
von K[X]-Moduln mit Vpi = Vφ [p∞
i ]. (Die primären Komponenten sind genau die, deren
Annulator eine Potenz eines pi ist.) Genauer ist sogar Vpi = Vφ [pei i ].
144
6.6 Die Weierstraßsche und Jordansche Normalform
Die Projektionen Vφ → Vpi sind durch Multiplikation mit Polynomen fi ∈ K[X] gegeben. Damit sind die Projektionen πi durch den Endomorphismus fi (φ) gegeben. Da ein
Endomorphismus, welcher mit φ vertauscht auch mit allen Polynomen in φ vertauschen,
folgt schließlich der Zusatz.
Hilfssatz 6.6.2. Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über dem diskreten Körper
K. Sei φ : V → V ein zyklischer Endomorphismus, dessen Minimalpolynom von der
Form mφ = f e mit f = X n + an−1 X n−1 + · · · + a0 ∈ K[X] ist. Dann existiert eine
Basis (v1 , . . . , ven ) von V , so daß die Darstellungsmatrix von φ bezüglich dieser Basis
die Gestalt


B(f )
...


 N

en
C(f (n) ) := 
 ∈ Ren
... ...


N B(f )
hat, wobei

0 ...
0 . . .

N :=  ..
.
0 ...
0
...

1
0

n
..  ∈ Rn .

.
. . . 0.
Beweis. Es existiert ein Isomorphismus
ψ : K[X]/(f e ) → Vφ
von K[X]-Moduln. Es ist ([1], . . . , [X n−1 ], [f ], . . . , [f X n−1 ], . . . , [f e−1 X n−1 ] eine Basis von
K[X]/(f e ) als K-Vektorraum. Damit bilden die Bilder dieser Elemente unter ψ eine Basis
von Vφ als K-Vektorraum. Ist etwa v1 := ψ([1]), folgt, daß
v1 , φ(v1 ), . . . , φn−1 (v1 ), f (φ)(v1 ), . . . , f (φ)(φn−1 )(v1 ), . . . , f e−1 (φ)(φn−1 (v1 ))
eine Basis des K-Vektorraumes V bilden. Bezüglich dieser Basis hat φ die angegebene
Darstellungsmatrix C(f (n) ).
Satz 6.6.3. Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über dem diskreten Körper K.
Sei φ : V → V ein Endomorphismus. Sei pφ = pe11 · · · pemm eine Primfaktorzerlegung des
charakteristischen Polynoms von φ. Dann existieren Partitionen (d.h. additive Zerlegungen) ei = ni1 + · · · + niri mit 1 ≤ ni1 ≤ . . . ≤ niri und eine Basis (v1 , . . . , vn ) von V ,
bezüglich der die Darstellungsmatrix A ∈ Rnn von φ (also φ(vi ) = Aji vj ) durch


(n )
C(p1 11 )
(n )


(n )
...
mrm )
C(p1 11 , . . . , p1 1r1 , . . . , p(n
)=

m
(n
)
C(pm mrm )
gegeben ist.
n
Die Primpotenzen pn1 11 , . . . , pmmrm ∈ K[X] sind dadurch eindeutig bestimmt und heißen
die Elementarteiler von φ.
145
6 Feinstruktur von Endomorphismen
Wir sagen, daß der Endomorphismus φ bezüglich der Basis (v1 , . . . , vn ) in Weierstraßscher Normalform A gegeben ist.
Beweis. Zunächst zerfällt V in eine direkte Summe V = Vp1 ⊕ · · · Vpm von φ-invarianten
Untermoduln, so daß das Minimalpolynom auf Vpi eine Potenz von pi ist. Es folgt, daß das
charakteristische Polynom auf Vpi durch pei i gegeben ist. Weiter existieren Isomorphismen
nir
Vpi ∼
= K[X]/(pni i1 )⊕· · ·⊕K[X]/(pi i ) von K[X]-Moduln. Damit zerfällt V in eine direkte
Summe zyklischer φ-invarianter Untermoduln, deren Minimalpolynom jeweils von der
n
Form pi ij ist. Mit dem letzten Hilfssatz folgt dann die Behauptung. Die Eindeutigkeit
der Elementarteiler ergibt sich aus der Eindeutigkeit der Elementarteiler für p-primäre
Moduln über beliebigen kommutativen Ringen oder zum Beispiel aus der folgenden
Aufgabe.
Aufgabe 6.6.4. Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über dem diskreten Körper
K. Sei φ : V → V ein Endomorphismus mit den invarianten Faktoren f1 , . . . , fs ∈ K[X].
h
h
Seien weiter p1 , . . . , pm ∈ K[X] irreduzible normierte Polynome, so daß fj = p1 1j · · · pmmj
h
für hij ∈ N0 existieren. Zeigen Sie, daß die Elementarteiler von φ dann durch pi ij mit
hij 6= 0 gegeben sind.
Beispiel 6.6.5. Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über dem diskreten Körper
K. Sei φ : V → V ein Endomorphismus. Zerfalle das Minimalpolynom von φ vollständig
in Linearfaktoren, das heißt wir haben eine Primfaktorzerlegung mφ = pe11 · · · pemm mit
pi = X − ai und ai 6= aj für i 6= j. Da B(X − ai ) = (ai ), folgt aus dem letzten Satz, daß
eine Basis von V existiert, bezüglich der φ durch eine Matrix A der Form


(n )
J(a1 11 )
(n )


(n )
..
mrm )
J(a1 11 , . . . , a1 1r1 , . . . , a(n
)=

.
m
(n
)
J(am mrm )
gegeben ist. Hierbei ist

0 ... ... 0
 .. ..
.. 
1
.
.
.


 . . . . . . . . . .. 
n
.
J(a ) := 0

. .
 .. . . . . . . . . 0 


...
0
0
1 a.

a
In diesem Falle sagen wir, φ besitze eine Jordansche Normalform und nennen die
Matrix A auch Jordansche Normalform von φ.
Aufgabe 6.6.6. Wir betrachten den Q-Vektorraum Q3 . Sei der Endomorphismus


28 −8 12
A :=  65 −18 30  : Q3 → Q3
−13 4 −4
gegeben. Zeigen Sie, daß A eine Jordansche Normalform besitzt und geben Sie sie an.
146
6.7 Die Jordan–Chevalley-Zerlegung
Aufgabe 6.6.7 (m). Wir betrachten den Q-Vektorraum Q4 . Sei der Endomorphismus


−2 1 −2 0
1
0 −4 2
4
4

A := 
 5 −2 2 1 : Q → Q
8 −3 1 2
gegeben. Berechnen Sie eine Basis (v1 , . . . , v4 ) von Q4 , so daß A bezüglich dieser Basis
in Weierstraßscher Normalform B ist. Geben Sie die Matrix B an.
Aufgabe 6.6.8. Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über einem diskreten Körper
K. Sei φ : V → V ein Endomorphismus mit invarianten Faktoren f1 | · · · |fs ∈ K[X]. Sei
d := dim Vφ [X − a] für ein a ∈ K. Sei X − a ein Teiler von fk+1 , aber nicht von fk . Zeige,
daß d = s − k.
Aufgabe 6.6.9. Sei der Q-Vektorraum
Eigenräume der linearen Abbildung

−1
−2
A := 
−5
−5
V := Q4 gegeben. Berechne die Eigenwerte und
4
5
6
6
2
2
6
5

−2
−2
 : V → V.
−3
−2
Wie sehen die Frobeniussche und die Weierstraßsche Normalform von A aus?
Aufgabe 6.6.10. Seien K ein diskreter Körper und V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über K. Sei φ : V → V ein idempotenter Endomorphismus, das heißt φ2 = φ.
Zeige, daß jeder Eigenwert von φ entweder 0 oder 1 ist und φ diagonalisierbar ist.
Aufgabe 6.6.11. Seien K ein diskreter Körper und V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über K. Sei a ∈ K kein Eigenwert des Endomorphismus φ : V → V . Zeige, daß
ein Polynom f ∈ K[X] mit f (φ) · (a − φ) = idV existiert.
(Tip: Betrachte zunächst den Fall a = 0 und den Satz von Cayley–Hamilton für φ.)
6.7 Die Jordan–Chevalley-Zerlegung
Für das folgende benötigen wir den Begriff der Abzählbarkeit: Eine Menge X heißt
abzählbar, wenn wir ihre Elemente aufzählen können: x1 , x2 , . . ..
Bemerkung 6.7.1. Sei K ein Körper. Unter einem Oberkörper L von K wollen wir einen
Körper mit K ⊂ L verstehen, welcher die Rechenoperationen von K fortsetzt.
Ist ι : K → E irgendein Homomorphismus diskreter Körper, so folgt aus ι(x) = 0
mit x ∈ K, daß ι(x) nicht invertierbar ist. Damit kann aber auch x nicht invertierbar
sein. Damit ist x = 0, also ι eine injektive Abbildung. Vermöge ι können wir also K als
Unterkörper von E ansehen und E als Oberkörper von K. Homomorphismen diskreter
Körper definieren also Oberkörper.
147
6 Feinstruktur von Endomorphismen
Hilfssatz 6.7.2. Sei K ein abzählbarer, diskreter Körper. Sei f ∈ K[X] ein nicht konstantes Polynom. Dann existiert ein abzählbarer diskreter Oberkörper L von K und ein
a ∈ L mit f (a) = 0.
Beweis. Sei x1 , x2 , . . . eine Aufzählung der Elemente von K[X]. Wir konstruieren eine
Folge a1 ⊂ a2 ⊂ · · · endlich erzeugter Ideale wie folgt:
Zunächst sei a1 = (f ). Ist aj konstruiert, konstruieren wir aj+1 wie folgt: Sei ã das
von aj und xj in K[X] erzeugte Ideal. Ist 1 ∈ ã, setzen wir aj+1 = aj . Ansonsten setzen
wir aj+1 = ã.
Sei m die Vereinigung der Ideale aj . Die Menge m ist herauslösbar auf K[X], denn
xi ∈ m genau dann, wenn xj ∈ aj+1 . Damit ist L := K[X]/m ein diskreter kommutativer
Ring. In diesem Ring hat f eine Nullstelle, nämlich a = [X]m , da f ∈ m.
Es bleibt zu zeigen, daß L ein Körper ist. Da 1 ∈
/ m ist zunächst 0 6= 1 in L. Sei jetzt
[x] ∈ L \ m, also x ∈
/ m. Dann ist x = xj für ein j, so daß 1 in dem von m und xj
erzeugten Ideal liegt. Damit ist [x] in L invertierbar.
Folgerung 6.7.3. Sei K ein abzählbarer, diskreter Körper. Sei f ∈ K[X] ein nicht
konstantes Polynom. Dann existiert ein abzählbarer diskreter Oberkörper L von K, in
dem f in Linearfaktoren zerfällt.
Wir nennen den Oberkörper L einen Zerfällungskörper von f .
Als nächsten benötigen wir eine Reihe weiterer Definitionen aus der Algebra, welche
das Vorkommen mehrfacher Nullstellen von Polynomen betreffen:
Sei R ein kommutativer Ring. Für jedes Polynom f = an xn +an−1 xn−1 +· · ·+a0 ∈ R[x]
und k ∈ N0 definieren wir
X i
(k)
∂x f :=
ai xi−k .
k
i≥0
Im Spezialfall k = 1 setzen wir weiter
f 0 := ∂x(1) f
und nennen f 0 die Ableitung von f .
Aufgabe 6.7.4. Sei R ein kommutativer Ring. Zeige, daß die Ableitung
R[x] → R[x], f 7→ f 0
eine lineare Abbildung mit
(f g)0 = f 0 g + f g 0
ist.
Beispiel 6.7.5. Sei f ∈ R[x] ein Polynom über den reellen Zahlen. Dann gilt
1 ∂k
f = ∂x(k) f,
k! ∂xk
wobei der Ausdruck auf der linken Seite die aus der Analysis bekannte k-te Ableitung
ist.
148
6.7 Die Jordan–Chevalley-Zerlegung
Beispiel 6.7.6. Sei f ∈ R[x] ein Polynom über einem diskreten Integritätsbereich R. Es
(k)
ist ∂x f = 0, falls k > deg f .
Wir erinnern daran, daß a ∈ R genau dann eine Nullstelle eines Polynoms f ∈ R[x] ist,
wenn f = (x − a)g für ein g ∈ R[x]. Entsprechend nennen wir a ∈ R eine (mindestens)
doppelte Nullstelle, falls f = (x − a)2 g für ein g ∈ R[x].
Hilfssatz 6.7.7. Sei f ∈ R[x] ein Polynom über einem kommutativen Ring R. Dann
hat f in a ∈ R genau dann eine doppelte Nullstelle, wenn f (a) = f 0 (a) = 0.
Beweis. Sei zunächst f = (x − a)2 g für ein g ∈ R. Dann ist sicherlich f (a) = 0. Weiter
ist f 0 = 2(x − a)g + (x − a)2 g 0 , also gilt auch f 0 (a) = 0.
Sei umgekehrt f (a) = f 0 (a) = 0. Aus f (a) = 0 folgt zunächst, daß ein Polynom
h ∈ R[x] mit f = (x − a)h existiert. Es ist f 0 = h + (x − a)h0 . Einsetzen von a liefert
0 = f 0 (a) = h(a). Also ist a eine Nullstelle von h, und damit haben wir h = (x − a)g für
ein g ∈ R[x]. Also ist f = (x − a)2 h.
Außerdem besitzt die aus der Analysis bekannte Taylorformel ein algebraisches Äquivalent:
Hilfssatz 6.7.8. Sei f ∈ R[x] ein Polynom über einem kommutativen Ring R. Dann
gilt für h ∈ R, daß
∞
X
∂x(k) f · hk .
f (x + h) =
k=0
n
Beweis. Es reicht, die Gleichheit für P
f = x zu
zeigen, da beide Seiten linear in f sind.
n−k
n
n
n
In diesem Falle haben wir (x + h) = k=0 k x hk nach der binomischen Formel.
Schließlich definieren wir den Begriff der Separabilität für ein Polynom:
Definition 6.7.9. Sei K ein diskreter Körper. Ein Polynom f ∈ K[x] heißt separabel,
falls (f, f 0 ) = (1).
Eine alternative Charakterisierung ist durch den folgenden Hilfssatz gegeben.
Hilfssatz 6.7.10. Sei K ein abzählbarer diskreter Körper. Ein Polynom f ∈ K[x] ist
genau dann separabel, wenn es in einem Zerfällungskörper L keine mehrfache Nullstelle
besitzt.
Beweis. Sei zunächst f separabel. Besäße f über L eine doppelte Nullstelle a ∈ L, wäre
f (a) = f 0 (a) = 0, also wäre x−a Teiler von f und f 0 . Damit wäre aber nicht (f, f 0 ) = (1).
Besitze umgekehrt f in seinem Zerfällungskörper keine mehrfache Nullstelle. Wäre
(f, f 0 ) = (g) für ein nicht konstantes Polynom g ∈ K[x], so wäre ein Linearfaktor x − a
von g in L[x] ein gemeinsamer Teiler von f und f 0 , also hätten f und f 0 eine gemeinsame
Nullstelle in L.
Bemerkung 6.7.11. Daß der Körper im letzten Hilfssatz als abzählbar vorausgesetzt
worden ist, ist keine große Einschränkung, da die (endlich vielen) Koeffizienten eines
jeden Polynoms in einem abzählbaren Körper liegen.
149
6 Feinstruktur von Endomorphismen
Hilfssatz 6.7.12. Sei K ein diskreter Körper. Seien f, g ∈ K[x] zwei separable Polynome mit (f, g) = (1). Dann ist auch f g separabel.
Beweis. Wir können davon ausgehen, daß K abzählbar ist. Besäße f g eine doppelte
Nullstelle in einem Oberkörper L von K, würden f und g in L eine gemeinsame Nullstelle
besitzen. Damit hätten f und g aber einen gemeinsamen Teiler.
Aufgabe 6.7.13. Sei K ein diskreter Körper der Charakteristik 0. Zeige, daß jedes unzerlegbare Polynom über K separabel ist.
Aufgabe 6.7.14. Sei K ein diskreter Körper. Sei g ∈ K[X] ein separables Polynom und
f ∈ K[X] ein Teiler von g. Zeige, daß auch f separabel ist.
Schließlich werden wir noch den folgenden Hilfssatz benötigen:
Hilfssatz 6.7.15. Sei K ein diskreter Körper. Sei f ∈ K[x] ein separables Polynom.
Dann existiert eine
P Folge von Polynomen g1 , g2 , . . . ∈ K[x], so daß für alle n ∈ N0 das
Polynom f (x − nj=1 gj f j ) von der Potenz f n+1 geteilt wird.
Beweis. Die gi konstruieren wir rekursiv. Nehmen wir also an, daß schon g1 , . . . , gn−1
konstruiert sind.PWir konstruieren gn wie folgt:
j
n
Sei h := x − n−1
j=1 gj f . Nach Konstruktion teilt f das Polynom f (h). Wir suchen
also ein Polynom gn , so daß f (h − gn f n ) von f n+1 geteilt wird. Um einen Ansatz für gn
zu finden, untersuchen wir zunächst f (h − gn f n ) für ein beliebiges Polynom gn :
Die Taylorentwicklung von f (h − gn f n ) um h liefert uns
f (h − gn f n ) = f (h) − f 0 (h) · gn f n + · · · = f (h) − f 0 (h) · gn f n + bf n+1 ,
für ein Polynom b ∈ K[x], welches die fehlenden Terme aufsammelt. Die Taylorentwicklung von f 0 (h) um x liefert uns
f 0 (h) = f 0 + (∂ 2 f )(h − x) + · · · = f 0 + pf
für ein Polynom p ∈ K[x], da h − x durch f teilbar ist.
Nach Konstruktion existiert ein Polynom q ∈ K[x] mit f (h) = qf n . Damit ergibt
unsere kurze Rechnung von oben, daß
f (h − gn f n ) = (q − gn f 0 )f n + (b − pgn )f n+1 .
Um den Term auf der linken Seite durch f n+1 teilbar zu machen, reicht es daher
gn so zu wählen, daß q − gn f 0 durch f teilbar ist. Da f nach Voraussetzung separabel
ist, existieren Polynome r, s ∈ K[x] mit rf + sf 0 = 1. Setzen wir gn := sq, so folgt
q − gn f 0 = qrf , also ist q − gn f 0 durch f teilbar.
Nach diesem Ausflug in die Algebra der Polynome kommen wir zum eigentlichen
Gegenstand dieses Abschnitts:
Definition 6.7.16. Sei φ : M → M ein Endomorphimus eines endlich erzeugten Moduls
M über einem kommutativen Ring R. Dann heißt φ nilpotent, falls φn = 0 für ein n ∈ N0 .
150
6.7 Die Jordan–Chevalley-Zerlegung
Bemerkung 6.7.17. Sei φ : M → M ein Endomorphimus eines endlich erzeugten Moduls
M über einem kommutativen Ring R. Dann ist φ offensichtlich genau dann nilpotent,
falls Mφ = Mφ [x∞ ].
Hilfssatz 6.7.18. Seien φ, ψ : M → M zwei kommutierende nilpotente Endomorphismen eines endlich erzeugten Moduls M über einem kommutativen Ring R. Dann ist auch
φ + ψ nilpotent.
Beweis. Gelte φr = 0 und ψ s = 0. Wir können r = s annehmen. Da φψ = ψφ gilt der
binomische Lehrsatz für (φ + ψ)2r−1 , also
2r−1
(φ + ψ)
=
2r−1
X
k=0
2r − 1 k 2r−1−k
φ ψ
= 0,
k
denn entweder ist k oder 2r − 1 − k größer oder gleich r.
Aufgabe 6.7.19. Gib zwei nicht kommutierende Endomorphismen eines endlich-dimensionalen
Vektorraumes über einem diskreten Körper an, welche nilpotent sind, deren Summe aber
nicht nilpotent ist.
Satz 6.7.20. Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über dem diskreten Körper
K. Dann ist ein Endomorphismus φ : V → V genau dann nilpotent, wenn eine Basis
(v1 , . . . , vn ) von V existiert, so daß die Darstellungsmatrix von φ bezüglich dieser Basis
von der Form


0 ... ...
0
.. 
 ..
.
∗
.
 .
.. 
.
0 . . . .
.



. .
.
.
.
 .. . . . . . . .. 
0 ... 0
∗ 0
ist, wobei das Symbol ∗“ jeweils für eine Null oder eine Eins steht.
”
Beweis. Zunächst halten wir fest, daß φ genau dann nilpotent ist, wenn sein Mininmalpolynom von der Form mφ = X k ist.
Die oben angegebene Matrix ist in Frobeniusscher Normalform mit einem Minimalpolynom der Form X k . Umgekehrt ist die Frobeniussche Normalform zu einem Endomorphismus mit Minimalpolynom der Form mφ = X k von dieser Form.
Definition 6.7.21. Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über einem diskreten
Körper K. Dann heißt ein Endomorphismus φ : V → V halbeinfach, falls das Minimalpolynom von φ separabel ist.
Hilfssatz 6.7.22. Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über einem diskreten
Körper K. Seien φ, ψ : V → V zwei kommutierende diagonalisierbare Endomorphismen.
Dann existiert eine gemeinsame Eigenbasis (v1 , . . . , vn ) von φ und ψ.
151
6 Feinstruktur von Endomorphismen
Beweis. Sei v ∈ Vφ [X − a] für a ∈ K. Dann ist φ(ψ(v)) = ψ(φ(v)) = ψ(av) = aψ(v),
also auch ψ(v) ∈ Vφ [X − a]. Damit sind die Eigenräume von φ unter ψ invariant. Da
die Einschränkung von ψ auf diese Eigenräume jeweils wieder diagonalisierbar ist (denn
das jeweilige Minimalpolynom kann nur disjunkte Linearfaktoren enthalten), gibt es eine
Eigenbasis von ψ auf jedem der Eigenräume von φ. Zusammensetzen dieser Eigenbasen
liefert die gesuchte Basis (v1 , . . . , vn ).
Analog wie bei nilpotenten Endomorphismen haben wir hier auch:
Hilfssatz 6.7.23. Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über einem diskreten
Körper K. Seien φ, ψ : V → V zwei kommutierende halbeinfache Endomorphismen von
V . Dann ist auch φ + ψ halbeinfach.
Beweis. Indem wir eine Basis wählen, können wir davon ausgehen, daß V = K n für ein
n ∈ N0 . In diesem Falle werden φ und ψ durch zwei Matrizen dargestellt mit jeweils
endlich vielen Elementen. Dann können wir ohne Einschränkung der Allgemeinheit den
Körper K durch den von diesen Elementen erzeugten (abzählbaren!) Unterkörper von
K ersetzen.
Damit existiert ein Oberkörper L von K, indem die Minimalpolynome von φ und ψ in
jeweils disjunkte Linearfaktoren zerfallen. Daraus folgt durch Betrachtung der Jordanschen Normalform, daß φL und ψL beide diagonalisierbar sind, also Eigenbasen besitzen.
Da sie vertauschen, gibt es eine gemeinsame Eigenbasis. Diese ist dann auch Eigenbasis von (φ + ψ)L . Damit zerfällt das Minimalpolynom von φ + ψ über L in disjunkte
Linearfaktoren, ist also separabel.
Aus dem Beweis des letzten Lemmas können wir also folgendes ablesen:
Bemerkung 6.7.24. Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über einem abzählbaren,
diskreten Körper K. Ein Endomorphismus φ : V → V von V ist genau dann halbeinfach,
wenn eine Körpererweiterung L von K existiert, so daß φL diagonalisierbar ist.
Beispiel 6.7.25. Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über einem diskreten Körper
K. Sei φ : V → V ein Endomorphismus von V , welcher zugleich nilpotent und halbeinfach ist. Dann ist φ notwendigerweise die Nullabbildung, denn aus der Nilpotenz von
φ folgt, daß das Minimalpolynom von der Form X k ist. Aus der Halbeinfachheit folgt,
daß k = 1 sein muß. Damit ist X im Annulator von Vφ , also operiert φ auf V trivial,
d.h. φ = 0.
Die Tatsache, daß sich nilpotente und halbeinfache Endomorphismen nur in der Nullabbildung überlappen, führt auf folgenden Zerlegungssatz, die sogenannte additive Jordan–
Chevalley–Zerlegung:
Satz 6.7.26. Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über einem diskreten Körper
K. Sei φ : V → V ein Endomorphismus und sei
mφ =
s
Y
i=1
152
pei i
6.7 Die Jordan–Chevalley-Zerlegung
eine Primfaktorzerlegung des Minimalpolynoms von φ. Sind die unzerlegbaren Polynome pi jeweils separabel (etwa wenn die Charakteristik von K Null ist), existiert genau
ein Paar bestehend aus einem halbeinfachen Endomorphismus δ : V → V und einem
nilpotenten Endomorphismus ν : V → V , so daß φ = δ + ν und [δ, ν] = 0.
Weiter gilt
k
`
X
X
i
δ=
ai φ und ν =
bj φj
i=1
j=1
für gewisse a1 , . . . , ak , b1 , . . . , b` ∈ K.
Beweis. Wir beweisen zunächst die Existenz eines solchen Paares aus δ und ν. Taucht
das irreduzible Polynom
QsX unter den pi auf, setzen wir p0 = 1. Ansonsten setzen wir
p0 = X. Dann ist m := i=0 pi ein separables Polynom, welches nach Konstruktion durch
x teilbar ist. Weiter existiert sicherlich ein r ∈ N0 , so daß mr vom charakteristischen
Polynom pφ von φ geteilt wird. Nach dem Satz von Cayley–Hamilton ist damit mr (φ) =
0.
Da m separabel
∈ K[X], so daß das PolyPr−1 ist, iexistieren rweiter Polynome g1 , . . . , gr−1P
i
nom m(X − i=1 gi m ) durch m teilbar ist. Wir setzen n := r−1
i=1 gi m ∈ K[X]. Dieses
ist ein durch m teilbares Polynom, so daß m(X − n) durch mr geteilt wird.
Betrachten wir nun den Endomorphismus ν := n(φ) : V → V . Da n durch m teilbar
ist, ist nr durch mr teilbar, liegt also im Annulator von Vφ . Damit ist ν r = 0, also ist ν
nilpotent. Außerdem läßt sich ν in der angegebenen Form als Polynom in φ schreiben,
welches in der Tat keinen konstanten Term besitzt, da n durch m und dies wiederum
durch X teilbar ist.
Schließlich setzen wir δ := φ − ν = φ − n(φ) : V → V . Da m(X − n) durch mr
teilbar ist, also im Annulator von Vφ liegt, ist m(ν) die Nullabbildung. Damit ist das
Minimalpolynom mν von ν ein Teiler von m. Da m separabel ist, ist damit auch mν
separabel, also ν halbeinfach. Da sowohl δ und ν Polynome in φ sind, folgt, daß beide
kommutieren.
Es bleibt, die Eindeutigkeit zu zeigen. Sei dazu φ = δ 0 + ν 0 eine weitere Zerlegung von
φ in einen halbeinfachen und einen nilpotenten Endomorphismus mit [δ 0 , ν 0 ] = 0. Da δ
und ν Polynome in φ sind, kommutieren δ 0 und ν 0 auch mit δ und ν. Betrachten wir die
Gleichheit δ − δ 0 = ν − ν 0 sehen wir, daß wegen der Kommutativität links ein halbeinfacher und rechts ein nilpotenter Endomorphismus steht. Aber nur die Nullabbildung ist
zugleich halbeinfach und nilpotent, so daß δ = δ 0 und ν = ν 0 folgen.
Aufgabe 6.7.27. Seien K ein diskreter Körper und V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über K. Ein Endomorphismus φ : V → V heißt unipotent, falls φ − idV nilpotent
ist.
Zeige: Ist φ ein Isomorphismus, existiert genau ein Paar bestehend aus einem unipotenten Endomorphismus υ : V → V und einem halbeinfachen δ : V → V , so daß υ und
δ vertauschen und φ = υ ◦ δ.
(Diese Zerlegung heißt die multiplikative Jordan–Chevalley-Zerlegung. Tip: Die Summe eines invertierbaren mit einem nilpotenten Endomorphismus ist wieder invertierbar.)
153
6 Feinstruktur von Endomorphismen
Aufgabe 6.7.28. Sei der Endomorphismus


4 0 2
A = 1 4 1 : Q3 → Q3
0 0 2
des Q-Vektorraumes Q3 gegeben. Bestimme zwei Polynome n, d ∈ Q[X] ohne konstanten
Term, so daß N = n(A) nilpotent ist, D = d(A) halbeinfach ist und A = N + D gilt.
154
7 Symmetrische Bilinearformen
7.1 Polarbasen
Im folgenden werden wir eine Reihe von Moduln betrachten, in denen wir wie bei
Dualräumen die Indizes von Vektoren oben schreiben. Solche Moduln wollen wir der
Übersichtlichkeit halber mit großen griechischen Buchstaben benennen.
Definition 7.1.1. Seien R ein kommutativer Ring und Γ ein R-Modul. Eine symmetrische Bilinearform β in Γ ist ein Element β ∈ S2 Γ.
Wir erinnern daran, daß S2 Γ der Raum der symmetrischen Tensoren in Γ⊗2 ist, also
der Raum derjenigen Tensoren, welche durch Vertauschen beider Faktoren in sich selbst
übergehen. Wenn wir im folgenden Elemente in S2 Γ angeben, lassen wir aus Gründen
der Übersichtlichkeit das Tensorzeichen häufig weg.
Beispiel 7.1.2. Sei Γ := Z hξ, ηi. Dann sind ξ 2 + η 2 und ξη + ηξ zwei Beispiele für
symmetrische Bilinearformen in Γ. Das Element ξη ∈ Γ⊗2 ist nicht symmetrisch und
daher keine symmetrische Bilinearform.
Ist β ∈P
S2 Γ eine symmetrische Bilinearform, so existieren also Elemente βi0 , βi00 ∈ Γ
mit β = i βi0 ⊗ βi00 . Die rechte Seite werden wir im folgenden symbolisch β(1) ⊗ β(2)
schreiben.
Bemerkung 7.1.3. Seien R ein kommutativer Ring und Γ ein R-Modul. Sei M := Γ∨
der Dualraum von Γ (damit bekommen Vektoren in M unten stehende Indizes.) Jede
symmetrische Bilinearform β ∈ S2 Γ induziert eine symmetrische bilineare Abbildung
β̌ : M × M → R, (m, n) 7→ β(1) , m · β(2) , n ,
∨
also ein Element in (S 2 M ) , welches wir wieder mit β̌ bezeichnen wollen:
β̌ : S 2 M → R, mn 7→ β(1) , m · β(2) , n .
Ein solches Element nennen wir eine symmetrische Bilinearform auf M .
Beispiel 7.1.4. Seien R ein kommutativer Ring und Γ ein freier R-Modul mit Basis
(v 1 , . . . , v n ). Die zugehörige Dualbasis von M := Γ∨ bezeichnen wir mit V = (v1 , . . . , vn ).
Ist β ∈ S2 Γ eine symmetrische Bilinearform in Γ, ist
β = Aı̄j v i v j ∈ Γ ⊗ Γ
für eine ganz bestimmte Matrix A = (Aı̄j ) ∈ Rnn̄ . (Hierbei deutet der Querbalken über
den Indizes an, daß die Indizes eigentlich unten stehen.)
155
7 Symmetrische Bilinearformen
Da β symmetrisch ist, folgt, daß A eine symmetrische Matrix ist, also A> = A.
Die Matrix A heißt die Darstellungsmatrix von β zur Basis V , und wir schreiben auch
A = V > βV .
Es gilt weiter
β̌(vi , vj ) = Aı̄j ,
im Falle, daß Γ frei und vom endlichen Rang ist, ist β also durch β̌ bestimmt.
Allgemein ist die Abbildung β̌ durch
β̌ : (v, w) 7→ (V −1 v)> (AV −1 w)
gegeben.
Bemerkung 7.1.5. Seien R ein kommutativer Ring und Γ ein freier R-Modul. Sei M :=
Γ∨ . Sei β ∈ S2 Γ eine symmetrische Bilinearform in Γ. Seien V : Rn → M und W : Rn →
M zwei Basen. Die Darstellungsmatrizen von β bezüglich der beiden Basen rechnen sich
dann wie folgt um:
W > βW = (V −1 W )> (V > βV )(V −1 W ),
das heißt, es geht die Transponierte der Basiswechselmatrix ein.
Definition 7.1.6. Seien R ein kommutativer Ring und Γ ein R-Modul. Sei M := Γ∨ .
Sei β ∈ S2 Γ eine symmetrische Bilinearform. Wir nennen zwei Vektoren v, w ∈ M
senkrecht bezüglich β, falls β̌(v, w) = 0. (Diese Relation ist offensichtlich symmetrisch
und abgeschlossen unter Linearkombinationen.)
Ist U eine Teilmenge von M , bezeichnen wir mit
⊥
U = {v ∈ M | ∀w∈U β̌(v, w) = 0}
die Teilmenge aller Vektoren von M , welche senkrecht auf allen Vektoren aus U stehen.
Diese Teilmenge heißt orthogonales Komplement von U .
Schließlich heißt
ker β := ⊥ M ⊂ M
der Kern von β.
Es ist leicht einzusehen, daß ⊥ U und ker β jeweils Untermoduln von M sind.
Beispiel 7.1.7. Seien R ein kommutativer Ring und Γ ein freier R-Modul mit Basis
(v 1 , . . . , v n ). Sei V = (v1 , . . . , vn ) die Dualbasis von M := Γ∨ . Sei β ∈ S2 M . Sei B :=
V > βV ∈ Rnn̄ die Darstellungsmatrix von β bezüglich V . Dann ist V (ker B) der Kern von
β.
Satz 7.1.8. Sei K ein diskreter Körper mit char K 6= 2. Sei V ein endlich-dimensionaler
Vektorraum über K. Für jede Bilinearform β ∈ S2 V ∨ existiert dann eine Basis U =
(u1 , . . . , un ) von V , so daß die Darstellungsmatrix B := U > βU ∈ Rnn̄ eine Diagonalmatrix mit Biī 6= 0 für 1 ≤ i ≤ r und Biī = 0 für r + 1 ≤ i ≤ n. Hierbei ist
r = dim V − dim ker β und heißt der Rang von β.
Weiter heißt die Restklasse von B11̄ · · · Brr̄ in K × /(K × )2 die Diskrimante von β und
hängt nicht von der Basis U ab.
156
7.1 Polarbasen
Eine Basis wie im Satz heißt Polarbasis von β.
Beweis. Daß r in der Darstellungsmatrix der Rang sein muß, folgt aus dem vorhergehenden Beispiel. Die Unabhängigkeit der Diskrimanten folgt aus der folgenden Beobachtung:
Seien B, B 0 beides Diagonalmatrizen und es gelte B 0 = A> BA für eine weitere Matrix A.
Dann ist det B 0 = det B(det A)2 , also modulo Quadraten in K gleich det B. (In unserem
Fall betrachten wir nur die ersten r Spalten und Zeilen von A.)
Zunächst sei U eine beliebige Basis von V . Sei A = U > bU ∈ Rnn̄ . Gesucht ist eine
invertierbare Matrix S ∈ Rnn , so daß S > AS in der angegebenen Diagonalform ist. Dann
ist U S die gesuchte Basis von A.
Nennen wir zwei Matrizen A, A0 kongruent, wenn ein invertierbares S mit S > AS =
0
A existiert, sehen wir, daß die folgende Operation aus einer Matrix eine kongruente
macht: Addition eines Vielfachens einer Spalte auf eine andere Spalte und Addition des
gleichen Vielfachens der einen entsprechenden Zeile auf die andere entsprechende Zeile.
Wir müssen zeigen, daß A kongruent zu einer Diagonalmatrix ist.
Ist A = 0 die Nullmatrix sind wir fertig. Wir zeigen ansonsten, daß wir annehmen
können, daß A1̄1 6= 0. Sei etwa A1̄1 = 0. Es gibt i, j, so daß Aīj 6= 0. Durch eine Zeilenund die entsprechende Spaltenpermutation (welche die Kongruenzklasse nicht ändern)
können wir davon ausgehen, daß etwa i = 1. Dann addieren wir die j-te Spalte auf die
erste Spalte und die j-Zeile auf die erste Zeile. Wir erhalten eine kongruente Matrix mit
A1̄1 = 2A1̄i 6= 0, da char K 6= 2.
Jetzt können wir durch entsprechendes Addieren der ersten Spalte beziehungsweise
der erste Zeile auf die übrigen Spalten beziehungsweise Zeile erreichen, daß wir eine
kongruente Matrix erhalten, welche in der ersten Spalte und ersten Zeile außer bei A1̄1
nur Nullen enthält.
Dann machen wir genauso weiter mit der verbleibenden unteren rechten (n − 1) × (n −
1)-Matrix und so weiter.
Aufgabe 7.1.9. Sei die symmetrische Bilinearform


2 2 4
A = 2 1 0  ∈ Q3̄3
4 0 −10
in dem Q-Vektorraum Q3 gegeben, das heißt A ist die Darstellungsmatrix der symmetrischen Bilinearform bezüglich der Standardbasis (e1 , e2 , e3 ). Berechne eine Polarbasis
von A, den Rang von A und die Diskrimante von A.
Folgerung 7.1.10. Sei K ein diskreter Körper mit char K 6= 2 und K × /(K × )2 = {1}.
Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über K. Für jede Bilinearform β ∈ S2 V ∨
existiert dann eine Basis U = (u1 , . . . , un ) von V , so daß die Darstellungsmatrix B :=
U > bU ∈ Rnn̄ eine Diagonalmatrix mit Biī = 1 für 1 ≤ i ≤ r und Biī = 0 für r + 1 ≤ i ≤ n,
wobei r der Rang von β ist.
(Für die komplexen Zahlen gilt zum Beispiel C× /(C× )2 = {1}.)
157
7 Symmetrische Bilinearformen
Beweis. Da K × = (K × )2 , ist jede Zahl eine Quadratzahl. Sei zunächst U = (u1 , . . . , un )
eine beliebige Polarbasis und B die Darstellungsmatrix
von β bezüglich U . Ist dann etwa
√
` := Biī 6= 0, können wir ui durch ui / ` ersetzen. Bezüglich der neuen Basis ist dann
Biī = 1.
√
Aufgabe 7.1.11.
Sei
R
ein
diskreter,
reell
abgeschlossener
Körper.
Sei
C
=
R(
−1). Wir
√
setzen i := −1. Wir nennen C den komplexen Abschluß von R.
Zeige, daß genau ein Körperautomorphismus (ein Isomorphismus eines Körpers in sich
selbst) C → C, z 7→ z̄ existiert, welcher auf R die Identität ist und i auf −i abbildet.
Dieser Automorphismus heißt komplexe Konjugation.
Zeige weiter, daß in C jedes Element eine Quadratwurzel besitzt. Zeige schließlich,
daß für alle z ∈ C gilt, daß z̄z ∈ R und z̄z ≥ 0.
Aufgabe 7.1.12. Sei R ein diskreter, reell abgeschlossener Körper mit komplexem Abschluß C. Sei V ein endlich-dimensionaler C-Vektorraum. Wir definieren einen C-Vektorraum
V̄ wie folgt: Als abelsche Gruppe sei V̄ gleich V . Zur Unterscheidung schreiben wir Elemente aus V aufgefaßt als Elemente in V̄ mit einem Querstrich. Die Multiplikation eines
Elementes v̄ ∈ V̄ mit einem Element z ∈ C ist durch z · v̄ := z̄ · v gegeben. Insbesondere
erhalten wir eine R-lineare Abbildung V → V̄ , v 7→ v̄.
Eine hermitesche Sesquilinearform in V ist ein Element in b ∈ V̄ ⊗ V , so daß b unter
der Abbildung V̄ ⊗ V → V̄ ⊗ V , v̄ ⊗ w 7→ w̄ ⊗ v in sich selbst übergeht.
Zeige, daß b eine bilineare Abbildung
b̌ : V ∨ × V ∨ → C
definiert. Sei U := (v1 , . . . , vn ) eine Basis von V . Zeige weiter, daß für die Matrix A :=
(b̌(v̄ ī , vj )) ∈ Cnn̄ gilt, daß A> = Ā. (Der Querstrich über einer Matrix bedeutet, daß jedes
Element zu konjugieren ist.) Die Matrix A heißt die Darstellungsmatrix von b bezüglich
der Basis U .
7.2 Nicht ausgeartete symmetrische Bilinearformen
Seien R ein kommutativer Ring und Γ ein R-Modul. Sei M := Γ∨ . Sei β ∈ S2 Γ eine
symmetrische Bilinearform in Γ. Wir definieren die lineare Abbildung
Iβ : M → Γ, v 7→ β(1) ⊗ β(2) , v .
Für v, w ∈ M haben wir also
hIβ (v), wi = β̌(v, w).
Aufgabe 7.2.1. Seien R ein kommutativer Ring und M ein freier R-Modul endlichen
Ranges. Wir identifizieren M mit M ∨∨ bezüglich der kanonischen linearen Abbildung
I : M → M ∨∨ .
Sei b ∈ S2 M eine symmetrische Bilinearform in M . Zeige, daß Ib = I∨b : M ∨ → M ∨∨ =
M.
158
7.2 Nicht ausgeartete symmetrische Bilinearformen
Hilfssatz 7.2.2. Seien R ein kommutativer Ring und Γ ein freier R-Modul endlichen
Ranges. Ist dann β ∈ S2 Γ eine symmetrische Bilinearform in Γ, folgt
ker Iβ = ker β.
Beweis. Sei v ∈ ker Iβ ⊂ M := Γ∨ . Für w ∈ M beliebig haben wir dann β̌(v, w) =
hIβ (v), wi = 0, also v ∈ ker β.
Sei umgekehrt v ∈ ker β. Dann folgt analog, daß hIβ (v), wi = 0 für alle w ∈ M . Da M
frei ist, folgt damit Iβ (v) = 0, also v ∈ ker Iβ .
Definition 7.2.3. Seien K ein diskreter Körper und V ein endlich-dimensionaler Vektorraum. Eine symmetrische Bilinearform β ∈ S2 (V ∨ ) heißt nicht ausgeartete symmetrische Bilinearform auf V , falls die lineare Abbildung Iβ : V → V ∨ ein Isomorphismus ist.
(Hierbei verwenden wir den kanonischen Isomorphismus V → V ∨∨ .)
Ist β eine fest gewählte, nicht ausgeartete Bilinearform in V ∨ , schreiben wir in Zukunft
in der Regel hv, wi für β̌(v, w), wenn v, w ∈ V .
Hilfssatz 7.2.4. Seien K ein diskreter Körper und V, W zwei endlich-dimensionale
Vektorräume, über denen nicht ausgeartete Bilinearformen definiert sind.
Ist φ : V → W eine lineare Abbildung, existiert genau eine lineare Abbildung φ∗ : W →
V mit
∀v∈V ∀w∈W hw, φ(v)i = hφ∗ (w), vi
Die Abbildung φ∗ heißt die zu φ adjungierte Abbildung.
Beweis. Wir schreiben IV : V → V ∨ und IW : W → W ∨ für die von den nicht entarteten
Bilinearformen auf V und W induzierten Isomorphismen. Dann gilt
hw, φ(v)i = hIW (w), φ(v)iW = hφ∨ (IW (w)), viV = IV−1 (φ∨ (IW (w)), v ,
woraus folgt, daß φ∗ = IV−1 ◦ φ∨ ◦ IW gesetzt werden muß.
Beispiel 7.2.5. Seien K ein diskreter Körper und φ : V → W eine Abbildung zwischen
zwei endlich-dimensionalen Vektorräumen mit Basis U = (u1 , . . . , un ) beziehungsweise
T = (t1 , . . . , tn ). Weiter seien auf V und W nicht ausgeartete symmetrische Bilinearformen durch Darstellungsmatrizen A beziehungsweise B bezüglich U beziehungsweise T
gegeben.
Sei etwa D die Darstellungsmatrix von φ. Wir wollen die Darstellungsmatrix D∗ von
φ∗ bestimmen. Dazu seien v ∈ V und w ∈ W . Dann haben wir
hw, φ(v)i = ((T −1 w)> BT −1 )(T DU −1 )v = w> (T −1 )> BDU −1 v.
Auf der anderen Seite ist
hφ∗ (w), vi = (U −1 (U D∗ T −1 )w)> AU −1 v = w> (T −1 )> (D∗ )> AU −1 v.
Da v und w beliebig sind, folgt, daß BD = (D∗ )> A, also D∗ = (BDA−1 )> .
159
7 Symmetrische Bilinearformen
7.3 Skalarprodukte
Definition 7.3.1. Ein reell abgeschlossener Körper K ist ein Körper K mit K × /(K × )2 =
{±1}, in dem −1 keine Summe von Quadraten ist und über dem jedes Polynom ungeraden Grades eine Nullstelle besitzt.
Bemerkung 7.3.2. Der in der Analysis eingeführte Körper“ der reellen Zahlen erfüllt
”
die Eigenschaften eines reell abgeschlossenen Körpers.
Bemerkung 7.3.3. Sei K ein reell abgeschlossener Körper. Für jede Zahl ` ∈ K \ {0} gilt
dann, daß entweder ` oder −` eine Quadratwurzel besitzt. Definieren wir ` > 0, wenn `
eine Quadratwurzel besitzt, so wird K zu einem angeordneten Körper. Dazu überlegen
wir uns folgendes:
Sind a, b > 0. Angenommen, a + b besitze keine Quadratwurzel. Dann können wir
2
c = −a − b für ein c ∈ K × schreiben. Nach Voraussetzung sind a, b Quadrate, also gibt
es d, e ∈ K × mit c2 + d2 + e2 = 0. Lösen wir die Gleichung nach −e2 auf und dividieren
durch e2 erhalten wir, daß −1 eine Summe von Quadraten wäre. Damit muß also a + b
eine Quadratwurzel besitzen. Es folgt, daß a + b > 0.
Daraus folgt insbesondere, daß endliche Summen von 1 positiv sein müssen. Also ist
die Charakteristik eines reell abgeschlossen Körpers immer 0.
Der nächste Satz ist der Sylvestersche Trägheitssatz
Satz 7.3.4. Sei K ein diskreter reell abgeschlossener Körper. Sei V ein endlich-dimensionaler
Vektorraum über K. Für jede Bilinearform β ∈ S2 V ∨ existieren dann r, s ∈ N0 und eine
Basis U = (u1 , . . . , un ) von V , so daß die Darstellungsmatrix B := U > βU ∈ Rnn̄ eine
Diagonalmatrix mit Biī = 1 für 1 ≤ i ≤ r, Biī = −1 für r + 1 ≤ i ≤ r + s und und Biī = 0
für r + s + 1 ≤ i ≤ n.
Die Zahlen r, s hängen hierbei nur von β ab, und r − s heißt der Trägheitsindex von
β.
Beweis. Zunächst wählen wir eine Polarbasis von β. Da die Elemente oder ihre Negationen auf der Diagonalen der Darstellungsmatrix von β Quadratwurzeln besitzen, können
wir die Polarbasis zu umnormieren, so daß B von der gewünschten Form ist, also nur
1, −1, 0 auf der Diagonalen enthält.
Es ist offensichtlich r + s der Rang von β. Es bleibt damit zu zeigen, daß r nur von β
abhängt.
Dazu nennen wir ein System v1 , . . . , vk ∈ V ∨ linear unabhängiger Vektoren positiv,
falls die vi paarweise senkrecht bezüglich β sind und β̌(vi , vi ) > 0. Wir behaupten, daß
die Zahl r die maximale Länge m eines positiven Systems ist. Da die ersten r Vektoren
in U offensichtlich ein positives System bilden, sehen wir, daß m ≥ r.
Angenommen, es existiert ein positives System der Länge r + 1, etwa v1 , . . . , vr+1 .
Ist dann v eine Linearkombination der Vektoren v1 , . . . , vr+1 , folgt, daß β̌(v, v) > 0.
Ist umgekehrt v eine Linearkombination der Vektoren ur+1 , . . . , un , so folt β̌(v, v) ≤
0. Damit muß aber das System v1 , . . . , vr+1 , ur+1 , . . . , un linear unabhängig sein — ein
Widerspruch zur Dimension von V .
160
7.3 Skalarprodukte
Definition 7.3.5. Sei K ein diskreter reell abgeschlossener Körper. Sei V ein endlichdimensionaler Vektorraum. Ein Skalarprodukt auf V ist eine nicht-entartete symmetrische Bilinearform β ∈ S2 V ∨ mit maximalem Trägheitsindex (also Trägheitsindex gleich
Rang).
Ein euklidischer Vektorraum über K ist ein endlich-dimensionaler Vektorraum V zusammen mit einem Skalarprodukt auf V .
Sind u, v ∈ V zwei Vektoren, nennen wir den Skalar hu, vi das Skalarprodukt von v
und w.
Bemerkung 7.3.6. Seien K ein diskreter, reell abgeschlossener Körper und V ein endlichdimensionaler K-Vektorraum. Ein Skalarprodukt auf V ist also eine solche symmetrische
Bilinearform β ∈ S2 V ∨ für die eine Basis (u1 , . . . , un ) von V existiert, so daß
β = (u1 )2 + . . . + (un )2 = ui uī
Eine solche Basis heißt Orthonormalbasis von β. Die Darstellungsmatrix von β bezüglich
dieser Basis ist die Diagonalmatrix, die auf der Diagonalen nur 1 enthält.
Sind U also eine Orthonormalbasis und a = ai ui und b = bi ui zwei Vektoren in V , gilt
ha, bi = ai bī .
Beispiel 7.3.7. Seien K ein diskreter, reell abgeschlossener Körper. Das Skalarprodukt
auf K n , welches durch
β = ei eī
gegeben ist, heißt das Standardskalarprodukt. Wenn nichts anderes gesagt wird, werden
wir in Zukunft K n immer mit diesem Skalarprodukt versehen als euklidischen Vektorraum betrachten.
Aufgabe 7.3.8. Sei R ein diskreter, reell abgeschlossener Körper mit komplexem Abschluß C. Sei V ein endlich-dimensionaler C-Vektorraum. Beweise den Sylvesterschen
Trägheitssatz für eine hermitesche Sesquilinearform in V .
Aufgabe 7.3.9. Sei K ein diskreter, reell abgeschlossener Körper. Sei φ : V → W eine
lineare Abbildung zwischen euklidischen Vektorräumen über K. Sei A die Darstellungsmatrix von φ bezüglich zweier Orthonormalbasen von V und W . Berechne die Darstellungsmatrix der adjungierten Abbildung φ∗ : W → V bezüglich derselben Basen.
Aufgabe 7.3.10. Sei K ein diskreter, reell abgeschlossener Körper. Sei V ein endlichdimensionaler Vektorraum. Zeige, daß eine symmetrische Matrix A ∈ Knn̄ genau dann
die Darstellungsmatrix eines Skalarproduktes auf V ist, wenn alle Minoren von A positiv
sind.
Satz 7.3.11. Sei K ein diskreter, reell abgeschlossener Körper. Sei V ein euklidischer
K-Vektorraum. Ist dann U ein endlich-erzeugter Untervektorraum von V , so existiert
eine Basis von U , welche zu einer Orthonormalbasis von V erweitert werden kann.
161
7 Symmetrische Bilinearformen
Beweis. Sei u1 , . . . , uk eine Basis von U . Diese können wir zu einer Basis u1 , . . . , un von
V erweitern. Daraus bilden wir neue Vektoren durch die rekursive Setzung
i−1 X
ui , u0j 0
0
0 0 uj .
ui := ui −
uj , uj
j=1
Diese Vektoren bilden eine Basis von V , wobei u01 , . . . , u0k eine Basis von U bilden. Weiter
stehen die Vektoren paarweise orthogonal aufeinander. Damit wird durch
ũi := p
1
u0i
0
0
hui , ui i
die gewünschte Basis definiert.
Das Konstruktionsverfahren im Beweis ist auch unter dem Namen Gram–Schmidt–
Orthonormalisierung bekannt.
Aufgabe 7.3.12. Sei K ein diskreter, reell abgeschlossener Körper. Sei ein Skalarprodukt
auf K 3 durch die Matrix


4 0 1
0 6 0
1 0 5
bezüglich der Standardbasis (e1 , e2 , e3 ) gegeben.
Gib eine Orthonormalbasis (u1 , u2 , u3 ) dieses Skalarproduktes an, so daß (u1 , u2 ) eine
Basis des von
 
 
1
−2
 0  und  1 
−2
0
aufgespannten Unterraumes U von K 3 .
Aufgabe 7.3.13. Sei K ein diskreter, reell abgeschlossener Körper. Sei V ein euklidischer K-Vektorraum. Sei U ein endlich-erzeugter Untervektorraum von V . Folgere aus
der Gram–Schmidt–Orthonormalisierung, daß U genau eine Struktur eines euklidischen
Vektorraumes besitzt, so daß das Skalarprodukt von zwei Vektoren in U dasselbe wie
das Skalarprodukt der Vektoren in V ist.
7.4 Euklidische Normalformen
Sei K ein diskreter, reell abgeschlossener Körper. Sei φ : V → V ein Endomorphismus
eines euklidischen K-Vektorraumes V . In diesem Abschnitt wollen wir das Verhältnis
zwischen φ und seiner adjungierten Abbildung φ∗ bezüglich des Skalarproduktes auf V
untersuchen.
Dazu definieren wir zunächst:
Definition 7.4.1. Sei K ein diskreter, reell abgeschlossener Körper. Eine Endomorphismus φ : V → V eines euklidischen Vektorraumes heißt symmetrisch, falls φ = φ∗ .
162
7.4 Euklidische Normalformen
Die Bedingung φ = φ∗ ist nach Definition der adjungierten Abbildung offensichtlich
zu der Bedingung
∀u,v∈V hu, φ(v)i = hφ(u), vi
äquivalent. Es sei beachtet, daß die Bedingung (wie auch die Definition von φ∗ ) vom
gewählten Skalarprodukt abhängt.
Beispiel 7.4.2. Sei K ein diskreter, reell abgeschlossener Körper und φ : V → V ein
Endomorphismus eines euklidischen K-Vektorraumes. Zunächst bemerken wir, daß offensichtlich φ∗∗ = φ und (φ◦ψ)∗ = ψ ∗ ◦φ∗ für einen beliebigen weiteren Endomorphismus
ψ : V → V gilt.
Daraus können wir folgern, daß für jeden beliebigen Endomorphismus φ : V → V der
Endomorphismus φ ◦ φ∗ : V → V symmetrisch ist, denn
(φ ◦ φ∗ )∗ = φ∗∗ ◦ φ∗ = φ ◦ φ∗ .
Wie können wir an der Matrixdarstellung eines Endomorphismus ablesen, ob er symmetrisch ist? Das folgende Beispiel gibt Auskunft:
Beispiel 7.4.3. Seien K ein diskreter, reell abgeschlossener Körper und φ : V → V ein
Endomorphismus eines euklidischen K-Vektorraumes V . Sei U : K n → V eine Orthonormalbasis von V . Ist dann A ∈ Knn die Darstellungsmatrix von φ bezüglich V , so wissen
wir nach Aufgabe 7.3.9, daß die Darstellungsmatrix von φ∗ durch A> ∈ Rnn gegeben ist.
Damit folgt, daß ein Endomorphismus zwischen euklidischen Vektorräumen genau dann
symmetrisch ist, wenn seine Darstellungsmatrix A bezüglich einer Orthonormalbasis
symmetrisch ist, also A = A> gilt.
Wir wollen zeigen, daß sich symmetrische Endomorphismen immer diagonalisieren
lassen.
Satz 7.4.4. Seien K ein diskreter, reell abgeschlossener Körper und φ : V → V ein
symmetrischer Endomorphismus eines euklidischen K-Vektorraumes V . Dann existiert
eine orthonormale Eigenbasis zu φ.
Beweis. Zunächst folgt den Eigenschaften eines reell abgeschlossenen Körpers, daß jedes
Polynom über K in lineare und quadratische Faktoren zerfällt. (Das ist im wesentlichen
die Aussage des Fundamentalsatzes der Algebra.)
Damit zerfällt insbesondere das charakteristische Polynom von φ in lineare und quadratische Faktoren. Nach dem Satz über die Weierstraßsche Normalform zerfällt V damit in eine direkte Summe ein- und zweidimensionaler φ-invarianter Unterräume. Sei
U ⊂ V ein solcher zweidimensionaler Unterraum. Wählen wir eine Orthonormalbasis von U , wird die Einschränkung von φ auf diesen Unterraum durch eine Matrix
der Form ( ab db ) dargestellt. Das charakteristische Polynom von φ|U : U → U ist damit durch (X − a)(X − d) − b2 = X 2 − (a + d)X + ad − b2 ∈ K[X] gegeben. Da
(a + d)2 − 4ad + 4b2 = (a − d)2 + 4b2 ≥ 0 hat die zugehörige quadratische Gleichung
zwei (beziehungsweise eine doppelte) Lösungen. Damit zerfällt U auch weiter in zwei
φ-invariante Unterräume der Dimension 1. Damit ist φ diagonalisierbar.
163
7 Symmetrische Bilinearformen
Sind v, w ∈ V zwei Eigenvektoren zu verschiedenen Eigenwerten, etwa a, b, so folgt:
(a − b) hv, wi = hav, wi − hv, bwi = hφ(v), wi − hv, φ(w)i = hφ(v), wi − hφ(v), wi = 0.
Aus a 6= b folgt, daß v und w senkrecht aufeinander stehen. Damit stehen die Vektoren aus verschiedenen Eigenräumen von φ senkrecht aufeinander. In dem wir für jeden
Eigenraum eine Orthonormalbasis wählen, erhalten wir die gesuchte Basis von V .
Der Satz ist auch unter dem Namen Spektralsatz oder Hauptachsentransformationssatz bekannt. Die Eigenwerte von φ heißen auch die Trägheitsmomente von φ.
Aufgabe 7.4.5. Sei K ein diskreter, reell abgeschlossener Körper. Wir betrachten K n mit
dem Standardskalarprodukt. Berechne eine orthogonale Eigenbasis des symmetrischen
Endomorphismus


5 −3 −6
4  : K n → K n.
A := −3 2
−6 4
8
Eine weitere Klasse von Endomorphismen euklischer Vektorräume ist interessant:
Definition 7.4.6. Sei K ein diskreter, reell abgeschlossener Körper. Ein Endomorphismus φ : V → V eines euklidischen K-Vektorraumes heißt orthogonal, falls φ ◦ φ∗ = idV =
φ∗ ◦ φ gilt, also
∀v,w∈V hφ(v), φ(w)i = hv, wi .
Die Menge der orthogonalen Endomorphismen wird mit O(V ) bezeichnet.
Betrachten wir K n als euklidischen Vektorraum mit Standardskalarprodukt, schreiben
wir auch O(n, K) := O(K n ).
Bemerkung 7.4.7. Sei K ein diskreter, reell abgeschlossener Körper. Ist dann φ : V → V
ein orthogonaler Endomorphismus eines euklidischen K-Vektorraumes, so ist der Endomorphismus φ + φ∗ = φ + φ−1 offensichtlich symmetrisch. Wir werden auf diese Tatsache
zurückkommen.
Beispiel 7.4.8. Sei K ein diskreter, reell abgeschlossener Körper. Ein Endomorphismus
φ : V → V eines euklidischen K-Vektorraumes ist genau dann orthogonal, wenn für die
Darstellungsmatrix A von φ bezüglich irgendeiner Orthonormalbasis gilt, daß AA> = I,
wobei I für die Einheitsmatrix steht.
Beispiel 7.4.9. Sei K ein diskreter, reell abgeschlossener Körper. Sei V ein euklidischer
K-Vektorraum mit Orthonormalbasis U . Dann ist eine weitere Basis U 0 von V genau
dann eine Orthonormalbasis, wenn für die Basiswechselmatrix S := U 0 −1 ◦ U ∈ Knn gilt,
daß S ∈ O(n).
Beispiel 7.4.10. Sei K ein diskreter, reell abgeschlossener Körper. Sind dann c, s ∈ K
zwei Elemente in K mit c2 + s2 = 1 wird durch
c −s
D(c, s) =
: K2 → K2
s c
ein orthogonaler Endomorphismus von K 2 definiert. Wir nennen D(c, s) eine (eigentliche) Drehung um den Winkel (c, s)“.
”
164
7.4 Euklidische Normalformen
Satz 7.4.11. Seien K ein diskreter, reell abgeschlossener Körper und φ : V → V ein
orthogonaler Endomorphismus eines euklidischen K-Vektorraumes V . Dann existiert
eine orthonormale Basis U = (u1 , . . . , un ) von V , so daß die Darstellungsmatrix A von
φ bezüglich U die Form








A=








D(c1 , s1 )
...




D(ck , sk )


1

..

.


1


−1


...

−1
mit c2i + s2i = 1 hat, wobei die fehlenden Einträge für 0 stehen.
Eine Darstellungsmatrix dieser Form nennen wir eine Normalform des orthogonalen
Endomorphismus φ.
Beweis. Wir beweisen den Satz durch Induktion über die Dimension von V . Die Idee ist
dabei die folgende: Haben wir einen φ-invarianten Unterraum U von V gefunden, so ist
sein orthogonales Komplement ⊥ U = {v ∈ V | ∀u∈U hv, ui = 0} wieder φ-invariant. Ist
U nicht der Nullvektorraum, reicht es daher, den Satz für φ|U zu beweisen, da für ⊥ U
die Induktionsvoraussetzung greift.
Außerdem folgt aus dieser Tatsache, daß φ ein halbeinfacher Endomorphismus ist,
denn jeder φ-invariante Unterraum von V besitzt ein φ-invariantes Komplement.
Da das charakteristische Polynom von φ in lineare und quadratische Faktoren zerfällt,
existiert ein ein- oder ein zweidimensionaler φ-invarianter Unterraum U . Nach den
Vorüberlegungen können wir V = U , also dim V = 1 oder dim V = 2 annehmen.
Im Falle, daß dim V = 1 ist, existiert sicherlich eine orthonormale Eigenbasis. Es bleibt
zu zeigen, daß der Eigenwert ±1 ist. Dies folgt aber aus der Tatsache, daß in diesem
Falle φ = φ∗ gilt und damit φ2 = id.
Betrachten wir jetzt den Fall, daß dim V = 2. Sei (u, v) eine Orthonormalbasis von
V . Sei D = ( ac db ) die Darstellungsmatrix von φ bezüglich dieser Basis. Wir können
annehmen, daß das charakteristische Polynom (X − a)(X − d) − bc nicht zerfällt, also
(a − d)2 + 4bc < 0. Insbesondere haben b und c unterschiedliches Vorzeichen. Aus der
Orthogonalität von φ folgt weiter DD> = 1 = D> D, also a2 + b2 = c2 + d2 = a2 + c2 =
b2 + d2 = 1 und ac + bd = ab + cd = 1. Eine Reihe von Fallunterscheidungen liefert jetzt,
daß D von der Form D(c, s) ist.
Beispiel 7.4.12. Sei K ein diskreter, reell abgeschlossener Körper. Sei V ein dreidimensionaler euklidischer Vektorraum über K. Ist dann φ : V → V eine eigentliche Drehung,
165
7 Symmetrische Bilinearformen
daß heißt ein orthogonaler Endomorphismus mit det φ = 1, so existiert immer eine Basis
(u, v, w) von V , bezüglich der die Darstellungsmatrix von φ von der Form


c −s 0
s c 0
0 0 1
mit c, s ∈ K und c2 + s2 = 1 gegeben ist. (Es sei beachtet, daß hier s = 0 und c = ±1
erlaubt ist.) Die durch den Ursprung und w laufende Gerade ist eine Drehachse von φ.
Aufgabe 7.4.13. Seien K ein diskreter, reell abgeschlossener Körper. Gib eine orthonormale Basis von K 3 an, bezüglich der die Darstellungsmatrix des orthogonalen (?)
Endomorphismus


0
−4/5
−3/5
A = 4/5 −9/25 12/25 
3/5 12/25 −16/25
in Normalform ist.
Aufgabe 7.4.14. Sei R ein diskreter, reell abgeschlossener Körper mit komplexem Abschluß C. Sei V ein endlich-dimensionaler C-Vektorraum. Ein hermitesches Skalarprodukt auf V ist eine hermitesche Sesquilinearform β ∈ S2 V ∨ , für die eine Basis (u1 , . . . , un )
von V existiert, so daß β = u∗ı̄ ui . (Hierbei ist u∗ı̄ = (ui )∗ ∈ (V ∨ )∗ . Eine solche Basis heißt
unitär
Ein unitärer C-Vektorraum ist ein endlich-dimensionaler Vektorraum V über C zusammen mit einem hermiteschen Skalarprodukt. Die induzierte Bilinearform auf V schreiben wir als
∗
h·, ·i : V ∗ ⊗ V → C, u∗ ⊗ v 7→ β(1)
, u∗ β(2) , v
∗
mit β = β(1)
⊗ β(2) .
Sei V ein solcher unitärer Vektorraum über C. Sei φ : V → V ein Endomorphismus
mit
∀u,v∈V hu∗ , φ(v)i = hφ(u)∗ , vi ,
ein symmetrischer Endomorphismus. Zeige, daß eine unitäre Eigenbasis von φ existiert.
Aufgabe 7.4.15. Sei R ein diskreter, reell abgeschlossener Körper mit komplexem Abschluß C. Sei V ein unitärer C-Vektorraum. Sei φ : V → V ein Endomorphismus mit
∀u,v∈V hu∗ , φ(v)i = (φ−1 (u))∗ , v .
Zeige, daß eine unitäre Eigenbasis von φ existiert und für alle Eigenwerte z von φ gilt,
daß zz ∗ = 1.
Schließlich definieren wir einen letzten Begriff für an die euklidische Struktur angepaßte Endomorphismen:
Definition 7.4.16. Sei K ein diskreter, reell abgeschlossener Körper. Ein Endomorphismus φ : V → V eines euklidischen K-Vektorraumes heißt normal, falls φφ∗ = φ∗ φ.
166
7.4 Euklidische Normalformen
Beispiel 7.4.17. Symmetrische und orthogonale Endomorphismen euklidischer Vektorräume
sind normal.
Hilfssatz 7.4.18. Sei K ein diskreter, reell abgeschlossener Körper und φ : V → V ein
normaler Endomorphismus eines euklidischen K-Vektorraumes V mit φ2 = φ. Dann ist
φ symmetrisch.
Solche Endomorphismen heißen orthogonale Projektionen.
Beweis. Seien u, v ∈ V . Wir schreiben x = φ(x) + z, wobei z ∈ ker φ. Dann gilt:
hφ∗ (z), φ∗ (z)i = hz, φφ∗ (z)i = hz, φ∗ φ(z)i = hφ(z), φ(z)i = 0,
also z ∈ ker φ∗ .
Damit ist
hx, φ(y)i = hφ(x) + z, φ(y)i = hφ(x), φ(y)i + hφ∗ (z), yi = hφ(x), φ(y)i .
Aus Symmetriegründen ist damit hx, φ(y)i = hφ(x), yi.
Hilfssatz 7.4.19. Seien K ein diskreter, reell abgeschlossener Körper und φ : V → V
ein normaler Endomorphismus eines euklidischen K-Vektorraumes V . Ist φ nilpotent,
folgt φ = 0.
Beweis. Aus dem Abschnitt über die duale Abbildung wissen wir, daß das Bild der
dualen Abbildung der Annulator des Kernes ist. Wir können im Falle der adjungierten
Abbildung ganz analog schließen und erhalten eine orthogonale Zerlegung
V = ker φ∗ ⊕ im φ.
Da ker φ∗ = ker φ, da φ normal ist, folgt also, daß V = ker φ ⊕ im φ für einen normalen
Endomorphismus. Damit ist φ|im φ injektiv. Es folgt, daß φ nur dann nilpotent sein kann,
wenn V = ker φ, also φ = 0.
Satz 7.4.20. Seien K ein diskreter, reell abgeschlossener Körper und φ : V → V ein
normaler Endomorphismus eines euklidischen K-Vektorraumes V . Dann ist φ halbeinfach und die primären Unterräume von Vφ sind paarweise orthogonal.
Beweis. Sei V = V1 ⊕ · · · ⊕ Vr die Zerlegung von V in primäre φ-invariante Unterräume.
Sei πi : V → Vi die Projektion von V auf Vi , welche ein Polynom in φ ist. Damit ist
πi wieder normal. Da πi2 = πi folgt weiter, daß die πi jeweils symmetrisch sind. Seien
ui ∈ Vi , uj ∈ Vj mit i 6= j. Dann gilt
hui , uj i = hui , πj (uj )i = hπj (ui ), uj i = 0.
Damit ist V = V1 ⊕ · · · ⊕ Vr eine Zerlegung in paarweise orthogonale Unterräume.
Damit können wir annehmen, daß V = V1 , daß also das Minimalpolynom von φ von
der Form pk mit einem irreduziblen Polynom k ist. Es ist p(φ) nilpotent. Damit ist
p(φ) = 0. Also ist k = 1.
167
7 Symmetrische Bilinearformen
Folgerung 7.4.21. Seien K ein diskreter, reell abgeschlossener Körper und φ : V → V
ein normaler Endomorphismus eines euklidischen K-Vektorraumes V . Ist dann U ein
endlich-dimensionaler φ-invarianter Unterraum von V , so auch ⊥ U .
Beweis. Sei V = V1 ⊕ · · · ⊕ Vr die Zerlegung von Vφ in die paarweise orthogonalen
primären Unterräume. Seien die πi : V → Vi die Projektionen. Ist dann x ∈ U , so ist
x = π1 (x) + · · · + πr (x) mit πi (x) ∈ Vi . Da πi ein Polynom in φ ist, folgt außerdem
πi (x) ∈ U . Damit ist also U = (V1 ∩ U ) ⊕ · · · ⊕ (Vr ∩ U ). Damit können wir davon
ausgehen, daß V = V1 , daß also das Minimalpolynom φ linear oder quadratisch ist. Im
lineare Fall ist φ einfach eine Streckung und damit ist ⊥ U sicherlich invariant unter φ.
Im quadratischen Fall haben wir φ2 + pφ + q = 0 mit p2 − 4q < 0. Wir überlegen uns
als erstes, daß φ∗ − φ invertierbar ist.
Dazu sei K der Kern von φ∗ − φ. Es ist K invariant unter φ und φ∗ . Insbesondere
ist die Einschränkung von φ auf K symmetrisch. Wäre K nicht der Nullvektorraum,
hätte φ damit einen Eigenvektor, im Widerspruch zur Tatsache, daß X 2 + pX + q keine
Nullstellen hat. Damit ist also K = 0, also φ∗ − φ invertierbar.
Aus (φ∗ )2 + pφ∗ + q = 0 und der entsprechenden Gleichung für φ folgt
(φ∗ φ − q)(φ∗ − φ) = 0.
√
√
1 q
Damit ist φ∗ φ = q > 0. Also ist φ = qψ, wobei ψ = ψ . Damit ist φ eine Drehstreckung. Es folgt, daß φ dann den zu U orthogonalen Unterraum in sich überführt.
Satz 7.4.22. Seien K ein diskreter, reell abgeschlossener Körper und φ : V → V ein
normaler Endomorphismus eines euklidischen K-Vektorraumes V . Dann existiert eine
orthonormale Basis U = (u1 , . . . , un ) von V , so daß die Darstellungsmatrix A von φ
bezüglich U die Form


D(p1 , q1 )
...






D(pk , qk )


A=

r1




.
..


rn−k
mit pi , qi , rj ∈ K hat, wobei die fehlenden Einträge für 0 stehen. (Hierbei setzen wir also
nicht p2i + qi2 = 1 voraus.)
Beweis. Der Beweis ist analog zu dem für orthogonale Endomorphismen.
168