Antworten Extra Vertiefungsfragen im Verwaltungsrecht AT

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hemmer
Verwaltungsrecht AT
Lösung Extra-Vertiefungsfragen, Seite 1
FRAGEN ZUM VERWALTUNGSRECHT AT
1. Was versteht man unter einer Zusicherung? Welche Rechtsfolge hat eine Zusicherung?
Wie ist die Wirksamkeit einer Zusicherung zu prüfen?
Die Zusicherung ist in § 38 I VwVfG geregelt und stellt einen Unterfall der Zusage dar. Es handelt
sich um die Zusage einen Verwaltungsakt zu erlassen oder zu unterlassen (bspw. Erklärung,
dass eine Gaststättenerlaubnis erteilt wird).
Die Rechtsnatur der Zusicherung ist umstritten. Nach wohl h.M. stellt die Zusicherung selbst keinen Verwaltungsakt dar (arg.: nach 38 II VwVfG gelten die meisten Regelungen über VAe entsprechend), sondern lediglich eine Willenserklärung. Es entsteht aber eine Bindungswirkung, aus
der sich ein eigener Anspruch auf Erlass des Verwaltungsaktes ergibt (arg.: Umkehrschluss aus
§ 38 III VwVfG). Diese Bindungswirkung kann allerdings auch wieder aufgehoben werden bzw.
entfallen (§ 38 III; §§ 38 II, 48, 49 VwVfG).
Wirksamkeitsvoraussetzungen sind Zuständigkeit und Schriftform (§ 38 I VwVfG) sowie kein Eingreifen von § 44 VwVfG.
2. Welches Prüfungsschema wenden Sie bei Ansprüchen aus einem öffentlich-rechtlichen
Vertrag an?
vgl. Übersicht 11 und Fall 9 AT.
3. An welche Normen müssen Sie denken, sobald ein VA formelle Mängel aufweist?

§ 44 VwVfG: Nichtigkeit des VA

§ 45 VwVfG: Heilung von Verfahrens- und Formfehlern  VA wird rechtmäßig

§ 46 VwVfG: Unbeachtlichkeit von Verfahrens- und Formfehlern  VA bleibt rechtswidrig

§ 47 VwVfG: Umdeutung eines fehlerhaften VA
4. Was ist unter schlichtem Verwaltungshandeln zu verstehen und wo besteht hier Klausurrelevanz?
Schlichtes Verwaltungshandeln liegt bei reinen Realakten vor (z.B. bloße Auskünfte, Berichte,
Warnungen, Dienstfahrten, Auszahlung von Geld, Unterricht, etc.). Sie sind nicht auf einen
Rechtserfolg gerichtet, sondern auf einen tatsächlichen Erfolg.
Dabei ist anzuerkennen, dass auch schlichtes Verwaltungshandeln in subjektive Rechte eingreifen kann. Dies ist jedoch nicht ausreichend; zu beachten ist vielmehr, dass die Regelung gerade
final auf die Folge gerichtet sein muss.
Etwas anderes gilt jedoch, wenn der bloßen Handlung konkludent ein Duldungsgebot zu entnehmen ist. Dies ist etwa der Fall, wenn die Handlung aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift erfolgt und das Ergebnis einer Subsumtion oder Ermessensentscheidung ist. Bei vielen polizeilichen Standardmaß nahmen wird dies gegeben sein. So enthält die Beschlagnahme (Realakt)
gleichzeitig den objektiven Erklärungswert, der, der Maßnahme Unterworfene, müsse dies dulden.
RA Dr. Schlömer / Thomas Hombert
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Lösung Extra-Vertiefungsfragen, Seite 2
Klausurrelevante Fälle sind staatliche Äußerungen (Warnungen), tatsächliche Handlungen (Bauen) und hoheitliche Immissionen (z.B. kirchliches Mahngeläut, Sirenen).
5. Wie prüfen Sie die Rechtmäßigkeit schlichten Verwaltungshandelns?
RGL erforderlich?



bei Intention  (Regelung wird bezweckt)
bei Intensität: streitig, ob verf.immmante Schranken ausreichen (vgl. Sektenwarnung)
falls beides (-)  RGL nicht erforderlich
Formelle Rechtmäßigkeit


Zuständigkeit
(ein Teil der Lehre fordert für bestimmte Realakte eine Anhörung analog § 28 VwVfG)
Materielle Rechtmäßigkeit


ggf. Voraussetzungen der RGL
Verhältnismäßigkeit
6. Welche Arten von Verwaltungsvorschriften kennen Sie? Wann werden Verwaltungsvorschriften klausurrelevant?
 ermessenslenkende VV: Ermessensrichtlinien
 gesetzesvertretende VV: wenn gesetzliche Regelungen in normbedürftigen Bereichen fehlen, z.B. Subventionsrichtlinien; Übergang zu Ermessensrichtlinien ist fließend
 gesetzesauslegende/ norminterpretierende VV: Auslegungsrichtlinien insb. für unbestimmte Rechtsbegriffe
 normkonkretisierende VV: Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe bzw. „offene“ gesetzliche Tatbestände in rechtsatzmäßiger Weise aufgrund gesetzlicher Ermächtigung, vgl. TALuft + TA-Lärm
 Organisations- und Dienstvorschriften: betreffen innere Organisation und Dienstbereich
einer Behörde
Klausurrelevant sind insbesondere die normkonkretisierenden VV, denen eine begrenzte Außenwirkung zukommt (vgl. dazu den Fall im Baurecht zur TA-Lärm) sowie die ermessenslenkenden
VV, bei denen sich eine Außenwirkung aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG ergeben kann.
RA Dr. Schlömer / Thomas Hombert
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Lösung Extra-Vertiefungsfragen, Seite 3
Fragen zum Verwaltungsprozessrecht
1. Wann besteht ein subjektiv-öffentliches Recht und was ist darunter zu verstehen?
Unter dem subjektiv-öffentlichen Recht versteht man die einem Subjekt durch eine öffentlich-rechtliche
Rechtsnorm zuerkannte Rechtsmacht, die es erlaubt, zur Verfolgung eigener Interessen vom Staat ein
bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen zu fordern.
Ein solches subjektiv-öffentliches Recht liegt vor, wenn eine Rechtsnorm die Verwaltung zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet und diese Rechtsnorm zumindest auch dem Schutz der Interessen des
einzelnen Bürgers dient.
2. Wann hat eine Norm Drittschutzgehalt? Wie ausführlich prüfen Sie dies in der Klagebefugnis?
Ob eine Norm drittschützend ist, wird innerhalb von § 42 II VwGO geprüft:
Nach der Schutznormtheorie ist eine Norm drittschützend, wenn sie neben dem Schutz von Allgemeininteressen auch den Schutz von Interessen konkreter Dritter bezweckt. Ob eine Norm diesen Zweck
verfolgt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Indizien dafür, sind die Erwähnung des Dritten in der Vorschrift, die Intensität der Interessengefährdung sowie die Unterscheidbarkeit des geschützten Personenkreises von der Allgemeinheit. Bei dem Schutz des Dritten darf es sich nicht um einen bloßen Reflex handeln, sondern die Norm muss gerade dessen Schutz bezwecken.
Prüfungsfolge:
 Ist die Norm drittschützend?
 Gehört der Kläger zum geschützten Personenkreis?
 Ist das Recht des Klägers möglicherweise verletzt?
3. Wie prüfen Sie die Begründetheit der Verpflichtungsklage?
vgl. Übersicht 4.
RA Dr. Schlömer / Thomas Hombert
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Lösung Extra-Vertiefungsfragen, Seite 4
4. Welcher Zeitpunkt ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der Entscheidung über
die Anfechtungsklage maßgeblich? Welcher Zeitpunkt ist maßgeblich bei der Verpflichtungsklage?
Anfechtungsklage:
Grundsatz

Letzte Behördenentscheidung
Ausnahme (aber Regelfall in der Klausur!!!)
 Letzte Mündliche Verhandlung vor VG
bei
 VA noch nicht vollzogen
 Dauer-VA (hiervon Ausnahme
bei behördlichen Wiedergestattungsverfahren
(z. B. § 35 VI GewO; § 3 StVG)
=> letzte Behördenentscheidung)
Verpflichtungsklage:
Grundsatz
 Letzte Mündliche Verhandlung vor VG
Ausnahme
 Letzte Behördenentscheidung
bei
 Prüfungsentscheidungen
 Abschnittsweise gewährte Leistungen
 [Ermessens-VA (str., wegen § 114 S. 2 VwGO, zumindest soweit die Behörde Ermessenserwägungen nachgeschoben hat,
ist auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen)]
5. Wie prüfen Sie die Zulässigkeit der allgemeinen Leistungsklage?
Statthaftigkeit (nicht geregelt aber in §§ 43 II, 111, 113 VwGO vorausgesetzt)
Klagebefugnis, § 42 II VwGO analog (h.M.)
Vorverfahren unstatthaft (Ausn. ggf. Beamtenrecht)
Frist ist nicht zu prüfen (allenfalls Verwirkung)
Klagegegner zu bestimmen nach dem allgemeinen Rechtsträgerprinzip
übrige Sachentscheidungsvoraussetzungen
6. Wie prüfen Sie die Zulässigkeit der allgemeinen Feststellungsklage?
Statthaftigkeit: Bestehen eines Rechtsverhältnisses (konkreter Sachverhalt, rechtliche Beziehung
zwischen Person und Person oder Person und Sache, aufgrund einer ör Norm)
Subsidiarität, § 43 II VwVfG
Klagebefugnis str.
h.L.: (-), Feststellungsinteresse reicht
Rspr.: , Popularklagenausschluss, § 42 II VwGO analog
Feststellungsinteresse
Vorverfahren unstatthaft (Ausn. ggf. Beamtenrecht)
Frist ist nicht zu prüfen (allenfalls Verwirkung)
RA Dr. Schlömer / Thomas Hombert
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Lösung Extra-Vertiefungsfragen, Seite 5
Klagegegner zu bestimmen nach dem allgemeinen Rechtsträgerprinzip
übrige Sachentscheidungsvoraussetzungen
7. Geben Sie einen Überblick über den Ablauf des Widerspruchsverfahrens
1. Schritt:
Erlassbehörde überprüft selbst den Verwaltungsakt. Hält sie den Widerspruch für begründet, „hilft sie
ihm“ ab, indem sie den belastenden Verwaltungsakt aufhebt bzw. den begehrten Verwaltungsakt erlässt. (Abhilfeentscheidung, § 72 VwGO); andernfalls leitet sie die Angelegenheit weiter an die nächsthöhere Behörde (Widerspruchsbehörde, § 73 VwGO; Devolutiveffekt).
2. Schritt:
Die Widerspruchsbehörde prüft den Verwaltungsakt ebenfalls unter allen Gesichtspunkten (Recht- und
Zweckmäßigkeit). Ist der Widerspruch zulässig und begründet, muss der Verwaltungsakt aufgehoben
bzw. erlassen werden. Ist der Widerspruch dagegen unzulässig oder unbegründet, dann wird er durch
den Widerspruchsbescheid zurückgewiesen und damit der angefochtene Verwaltungsakt bestätigt.
Achtung: Gem. § 7 AGVwGO liegt im Regelfall kein Devolutiveffekt mehr vor.
8. Reformatio in peius im Widerspruchsverfahren: Welche Probleme ergeben sich hier?
vgl. Übersicht 16.
9. Was ist unter vorbeugendem Rechtsschutz zu verstehen?
Im Gegensatz zum vorläufigen Rechtsschutz begehrt der Betroffene im Falle des vorbeugenden
Rechtsschutzes eine endgültige Entscheidung.
Prinzipiell ist eine vorbeugende Unterlassungs- oder Feststellungsklage gegen drohende Verwaltungsakte unzulässig. Grds. soll es nur repressiven Rechtsschutz über die Anfechtungsklage geben, deren
Zulässigkeitsvoraussetzungen andernfalls ausgehöhlt würden.
Diese Konkurrenzregelung ist im Hinblick auf Art. 19 IV GG grds. unbedenklich, da die Möglichkeit des
vorläufigen Rechtsschutzes besteht. In Ausnahmefällen kann sich aber die Notwendigkeit eines vorbeugenden Rechtsschutzes ergeben. Dafür bedarf es aber eines qualifizierten Rechtsschutzbedürfnisses.
Ein solches besteht

wenn ein nicht wiedergutzumachender Schaden entstünde,

wenn ein Abwarten nicht zumutbar wäre (Strafe/ Bußgeld droht),

wenn ein Verwaltungsakt aus rechtlichen Gründen nicht aufgehoben werden könnte (z.B. bei der
Ernennung eines Beamten),

wenn sonst vollendete Tatsachen geschaffen würden (z.B. bei sich kurzfristig erledigenden Verwaltungsakten, bei denen auch vorläufiger Rechtsschutz nicht rechtzeitig möglich wäre).
Im Regelfall ist die Thematik im Rahmen eines Antrags nach § 123 VwGO anzusprechen, vgl. dazu
Übersicht 7.
RA Dr. Schlömer / Thomas Hombert
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Lösung Extra-Vertiefungsfragen, Seite 6
Bei vorbeugendem Rechtsschutz gegenüber Realakten gilt diese Einschränkung nicht, da die §§ 68 ff.
VwGO hier grds. nicht gelten und die §§ 80 ff VwGO nicht anwendbar sind.
10. In welchen Fällen ist der Streit zwischen Vollziehbarkeitstheorie und Wirksamkeitstheorie i.R.d.
§ 80 I VwGO entscheidungserheblich?
Nach der Wirksamkeitstheorie hat der Suspensiveffekt zur Folge, dass der angefochtene Verwaltungsakt in seiner Wirksamkeit bis zur rechtskräftigen Entscheidung suspendiert wird. Erst wenn die aufschiebende Wirkung nach Klärung der Rechtslage entfällt, wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die
Zukunft wirksam. Gegen diese Ansicht spricht aber der Wortlaut von § 43 II VwVfG.
Die Vollziehbarkeitstheorie geht daher davon aus, dass der angegriffene Verwaltungsakt trotz der aufschiebenden Wirkung wirksam ist, er aber bis zum Eintritt der Rechtskraft nicht vollzogen werden kann.
Danach wird die Vollzugshemmung mit Wirkung für die Vergangenheit beseitigt.
Unterschiede ergeben sich nur dann, wenn die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes bestätigt wird,
Widerspruch und Anfechtungsklage also erfolglos bleiben:
Wehrt ein Beamter sich gegen seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis (§§ 28 ff. BBG), haben
sein Widerspruch und seine Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Bleibt die Anfechtung erfolglos,
erwächst die Entscheidung in Bestandskraft.
Nach der Vollziehbarkeitstheorie ist die Entlassung als zum Entlassungszeitpunkt tatsächlich erfolgt
anzusehen (ex tunc). Die aufgrund der aufschiebenden Wirkung erhaltenen Bezüge müssen daher zurückgewährt werden, § 87 II BBG i.V.m. §§ 812 I 2, 1. Alt, 818 BGB. Anders dagegen nach der Wirksamkeitstheorie. Hier wird die Entlassungsverfügung erst mit Bestandskraft wirksam (ex nunc). Bis dahin ändert sich am Dienstverhältnis nichts, so dass für den Zeitraum der Suspensivwirkung ein
Rechtsgrund für die erhaltenen Leistungen besteht und kein Rückzahlungsanspruch der Behörde.
11. Ist der Antrag nach § 80 V 1, 2. Alt. VwGO schon dann unbegründet, wenn der VA offenkundig
rechtmäßig ist oder ist auch in diesem Fall noch eine Interessenabwägung erforderlich?
Vgl. dazu Übersicht 5. Es ist eine weitere Interessenabwägung erforderlich, da sonst die Verwaltung
jeden rechtmäßigen VA für sofort vollziehbar erklären könnte, was dem Regel-Ausnahme Verhältnis
von § 80 I und II zuwider liefe.
12. Welche Auswirkungen des Europarechts sind i.R.d. §§ 80 V, 123 VwGO zu berücksichtigen?
Im Falle von europarechtlichem Bezug hat der EuGH entschieden, dass einstweiliger Rechtsschutz nur
zulässig ist, falls ein irreversibler Schaden droht. Ansonsten könne der Vorrang des Gemeinschaftsrechts unterlaufen werden. Vgl. dazu Näheres im Hauptkurs Europarecht und Hemmer/Wüst/Hutka
Europa Rn. 366.
RA Dr. Schlömer / Thomas Hombert
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Lösung Extra-Vertiefungsfragen, Seite 7
13. Welche zwei Grundkonstellationen lassen sich bei Anträgen nach § 80 a VwGO unterscheiden?
§ 80 a VwGO regelt VA mit Drittwirkung, vgl. Übersicht 8.
§ 80 a I VwGO erfasst den Fall, dass der VA den Adressaten begünstigt und den Dritten belastet (z.B. Baugenehmigung; Gaststättenerlaubnis).
§ 80 a II VwGO erfasst den Fall, dass der VA den Adressaten belastet und den Dritten begünstigt (z.B. Abrissverfügung, Auflage für den Gastwirt seinen Biergarten schon um 20 Uhr
wegen der Nachbarschaft zu schließen; Obdachloseneinweisung, die den Eigentümer belastet und den Obdachlosen begünstigt). Vgl. dazu umfassend Besprechung im BauR.
14. Was ist unter einer Normerlassklage zu verstehen?
Es muss differenziert werden in echte und unechte Normerlassklagen.
Unter einer unechten Normerlassklage ist das Begehren zu verstehen, ein bestimmtes Unterlassen des Normgebers zum Angriffspunkt für eine Klage auf Aufhebung der Vorschrift
werden zu lassen. Der Bürger rügt, eine bestehende Satzung oder Rechtsverordnung ginge
nicht weit genug. Die Begründung für die Rechts- bzw. Verfassungswidrigkeit der Norm ist
hier, dass ein bestimmter Regelungstatbestand zum Komplex der Norm dazugehört, aber
fehlerhaft nicht mitgeregelt wurde. Die Nichtigkeit der vorhandenen Norm ergibt sich damit
aus der Unvollständigkeit einer bestehenden Regelung. Eine diesbezügliche Klage muss
immer die vorhandene Norm angreifen. In 13 Ländern Deutschlands ist dafür
§ 47 I Nr. 2 VwGO die richtige Verfahrensart - nur drei Länder (Hamburg, Berlin, NRW) haben von § 47 I Nr. 2 keinen Gebrauch gemacht, so dass hier allenfalls eine allg. Feststellungsklage in Betracht käme.
Eine echte Normerlassklage setzt dagegen nicht bei einer bestehenden Vorschrift an, sondern will diese generell erst schaffen. Nur bei diesem Klagebegehren entstehen die Schwierigkeiten, die richtige Klageart festzustellen.
a)
Als Rechtsschutzform kommt hier zunächst für 13 Länder eine analoge Anwendung
der Normenkontrollklage nach § 47 VwGO in Frage. Dies etwa mit der Begründung, dass
der Erlass einer Norm wohl mit derselben Rechtsschutzform durchzusetzen ist wie ihre Aufhebung.
Dieser Argumentation steht aber wohl der Wortlaut der §§ 45, 47 VwGO entgegen, wonach
eine Grundsatzzuständigkeit des VG besteht und nur in gesetzlich geregelten Ausnahmefällen (§§ 47 f. VwGO) eine erstinstanzliche Zuständigkeit des OVG begründet werden soll.
Innerhalb des § 47 VwGO ist aber ausschließlich von der Entscheidung über die Gültigkeit/
Ungültigkeit von Rechtsnormen die Rede, es findet sich kein Hinweis auf eine Entscheidungsmöglichkeit in Bezug auf den Erlass einer Norm (BVerwG, NJW 1989, 1495).
b)
In Betracht kommen auch die allgemeine Leistungsklage oder die Feststellungsklage.
aa)
Die Leistungsklage wurde vom BayVGH (BayVBl 1981, 499) als zutreffende Klageart
angesehen, vor allem gestützt auf die Subsidiaritätsklausel des § 43 II 1 VwGO. Problematisch daran ist allerdings, dass eine Verurteilung zum Erlass einer Rechtsnorm mit einem
bestimmten Inhalt in Konflikt mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz kommt (Kopp, VwGO,
§ 47, Rdnr. 9).
RA Dr. Schlömer / Thomas Hombert
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Lösung Extra-Vertiefungsfragen, Seite 8
bb)
Deshalb wurde vom BVerwG (NVwZ 1990, 162) die Feststellungsklage bejaht, ohne
dass dabei die Leistungsklage als nicht vertretbar bezeichnet worden wäre. Lediglich die genannten verfassungsrechtlichen Bedenken führten zur Annahme dieser Klageart. Die Form
des Feststellungsbegehrens entspricht eher dem im Gewaltenteilungsgrundsatz begründeten Gedanken, dass auf die Entscheidungsfreiheit der rechtsetzenden Organe gerichtlich nur
in dem für den Rechtsschutz des Bürgers unumgänglichen Umfang (Art. 19 IV GG) einzuwirken ist.
Weiteres Problem: Rechtsschutzbedürfnis: Grundsätzlich muss davon ausgegangen werden, dass das berechtigte Interesse am Erlass einer Rechtsnorm nur in Ausnahmefällen bejaht werden kann. Die mögliche Rechtsverletzung muss nur durch den Erlass einer Norm
aus der Welt geschafft werden können, sonst besteht kein Bedürfnis für die Durchbrechung
des Gewaltenteilungsprinzips.
RA Dr. Schlömer / Thomas Hombert