Perspektiven Juli 2016 Editorial: Von ökonomischer Vernunft und Brexit-Verlierern EWU-Konjunktur: Brexit wirft Schatten auf eigentlich günstige Aussichten Wachstumsabschwächung im 2. Quartal zeichnet sich ab Unsicherheit gestiegen – Prognosen bis auf Weiteres aber unverändert EWU-Inflationsrate immer noch negativ US-Konjunktur: Spürbare Wachstumsbeschleunigung bereits im 2. Quartal Privater Verbrauch führt konjunkturelle Belebung an Arbeitsmarktbericht für Mai wohl ein Ausreißer nach unten Bessere Konjunkturaussichten für die 2. Jahreshälfte Beschleunigung der Inflation lässt noch auf sich warten Rentenmarkt: Brexit-Votum drückt Renditen tiefer ins Minus 10-jährige Bundesanleihen erstmals mit negativer Rendite Bank of England dürfte zeitnah ihren Leitzins senken Keine geldpolitische Lockerung in der EWU und den USA zu erwarten Aktienmarkt: Wall Street wird vorübergehend zum Outperformer Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt Kurseinbruch von historischer Dimension? Zunächst wird die Unsicherheit in Europa dominieren S&P 500 zunächst als Outperformer Postbank Research Seite 1 Perspektiven Juli 2016 Team Postbank Research Dr. Marco Bargel Chefvolkswirt [email protected] Heinrich Bayer [email protected] Dr. Lucas Kramer [email protected] Heinz-Gerd Sonnenschein [email protected] www.postbank.de Redaktionsschluss: 27. Juni 2016 Deutsche Postbank AG Zentrale Friedrich-Ebert-Allee 114-126 53113 Bonn Telefon: (0228)920-0 Disclaimer: Alle hier veröffentlichten Angaben erfolgen unverbindlich und stellen Informationsmaterial dar, also weder eine Anlageberatung noch eine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf irgendeines Wertpapiers. Die Informationen in diesem Dokument wurden aus Daten erarbeitet, von deren Richtigkeit ausgegangen wurde; die Deutsche Postbank AG garantiert diese jedoch nicht. Die Angaben dienen ausschließlich zur Information, die dem Investor eine selbständige Anlageentscheidung erleichtern soll. Postbank Research Seite 2 Perspektiven Juli 2016 Von ökonomischer Vernunft und BrexitVerlierern Sehr geehrte Damen und Herren, die britischen Wähler haben entschieden. Großbritannien wird nach einer mehr als 40 Jahre währenden Mitgliedschaft die Europäische Union bald verlassen. Auch wenn Umfragen das Ergebnis des Referendums erwarten ließen – der Schock sitzt bei Vielen tief. Die EU dringt angesichts der bestehenden Unsicherheit auf schnellen Vollzug. Zu groß ist wohl die Sorge vor einer Verbreitung des Brexit-Virus auch in anderen EU-Mitgliedstaaten, wenn das Thema EU-Ausstieg zu lange auf der politischen Agenda bleibt. Ein langwieriger und schwieriger Trennungsprozess lässt sich allerdings nicht vermeiden. Es gibt zu viele, teilweise sehr komplexe Themenbereiche, die für die Zeit nach dem Brexit neu geregelt werden müssen. Die ersten Reaktionen aus anderen EU-Staaten lassen außerdem erahnen, dass man es den Briten in den Verhandlungen nicht leicht machen wird, um mögliche Nachahmer abzuschrecken und einen Dominoeffekt zu vermeiden. Ganz umgehen kann man das Risiko von Ansteckungseffekten nicht. Zu tief verwurzelt ist die Skepsis gegenüber der EU in vielen Mitgliedstaaten inzwischen, so dass breiter Raum für EU-kritische Parteien entstanden ist. Nicht nur die Briten werden zu den Verlierern des Brexits zählen. Über die letzten Jahrzehnte ist Großbritannien für viele Unternehmen aus anderen EU-Mitgliedstaaten zu einem wichtigen Absatzmarkt und Produktionsstandort geworden. Besonders stark verzahnt und vom Brexit potenziell am stärksten betroffen sind in Deutschland die Automobilindustrie, der Maschinenbau, Pharma und Chemie. Es dürfte auch im Interesse Deutschlands liegen, dass für die Zeit nach der EU-Mitgliedschaft zumindest eine Art Freihandelszone mit Großbritannien verhandelt wird, in der ein weiterhin zollfreier Güterund Dienstleistungsverkehr möglich ist. Deutlich komplexer ist die Interessenlage mit Blick auf die Finanzindustrie und die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Die Briten Postbank Research werden auf den Fortbestand der Kapitalund Zahlungsverkehrsfreiheit drängen, um die für sie so wichtige Finanzindustrie vor allzu großem Schaden zu bewahren. Die übrigen EU-Staaten werden einen Preis dafür verlangen. Dieser könnte in weitreichenden Zugeständnissen Großbritanniens bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit bestehen. Hierin liegt allerdings eine hohe politische Brisanz, ist doch die Sorge vor einer unkontrollierten Zuwanderung aus anderen EU-Staaten ein wesentlicher Treiber für den Brexit gewesen. Die große Ironie des EU-Austritts für Großbritannien könnte darin liegen, dass die Briten am Ende nicht mehr, sondern weniger Kontrolle über viele Politikbereiche bekommen. Denn als Mitglied der Gemeinschaft können sie viele Themen politisch mitgestalten. Diese Möglichkeit gibt es nach einem Austritt so nicht mehr. Die komplizierte politische Gemengelage macht es schwierig, den Ausgang der Austrittsverhandlungen vorherzusagen. Damit sind auch die wirtschaftlichen Effekte des Brexits sowohl für Großbritannien als auch für andere EU-Staaten kaum zu beziffern. Wahrscheinlich ist aber, dass sich britische Unternehmen wegen der gestiegenen Unsicherheit mit Investitionen zurückhalten werden. Dasselbe gilt für ausländische Unternehmen, die in Großbritannien investieren möchten. In Verbindung mit einer Konsumzurückhaltung der verunsicherten Verbraucher könnte dies auf kurze Sicht sogar zu einer Rezession in Großbritannien führen. Auf lange Sicht ist für die wirtschaftliche Entwicklung in den EU-Ländern aber sehr viel entscheidender, inwieweit der grenzüberschreitende Güter- und Kapitalverkehr durch den Brexit nachhaltig beeinträchtigt wird. Im schlimmsten Fall, wenn Großbritannien keinen privilegierten Zugang zum EU-Binnenmarkt mehr hätte, könnten sich die Verluste über die nächsten 10-15 Jahre auf gut 10% des britischen Bruttoinlandsproduktes belaufen. Auch für Deutschland dürfte der Schaden Seite 3 Perspektiven Juli 2016 in einem solchen Szenario substanziell sein. In einem wahrscheinlicheren Szenario, mit einem weitgehend freien Güter- und Kapitalverkehr auch nach dem Brexit, fallen die Verluste deutlich geringer aus. Zumindest für Großbritannien dürften sie über einen längeren Zeitraum aber auch im günstigsten Fall immer noch mehrere Prozent der Wirtschaftsleistung erreichen. An den Märkten kam es nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses zu den erwarteten Ausschlägen. Während sich Investoren aus risikobehafteteren Anlageformen wie Aktien und Unternehmensanleihen zurückzogen, profitierten vor allem Bundesanleihen, Gold und die von Anlegern als sicherer Hafen angesehenen Währungen von der gestiegenen Unsicherheit. Angesichts der hohen potenziellen Belastungen für die Realwirtschaft, die von einem Brexit ausgehen können, fielen die Marktbewegungen bisher aber eher moderat aus. Sehr wahrscheinlich dürfte die Unsicherheit wegen der geschilderten politischen und ökonomischen Unwägbarkeiten aber noch für einige Zeit anhalten, so dass bei risikobehafteten Anlagen auch in den kommenden Wochen noch mit einer gedämpften Wert- bzw. Kursentwicklung gerechnet werden kann. Stark unter Druck bleiben dürfte vor allem das britische Pfund, da sich durch die Brexit-Entscheidung die fundamentalen Verhältnisse zulasten der britischen Währung verändern dürften. Denn die britische Notenbank könnte die Leitzinsen bald absenken, um negative Effekte, die vom Referendum auf die Realwirtschaft ausgehen, aufzufangen. Aktuell ist nicht davon auszugehen, dass andere Notenbanken dem Beispiel der Bank of England folgen und ihre Geldpolitik weiter lockern werden. Zwar haben die großen Notenbanken signalisiert, ihre Banken im Bedarfsfall mit Sonderliquidität zu versorgen. Dies stellt jedoch eine normale Reaktion der Währungshüter auf Postbank Research krisenhafte Entwicklungen dar und bedeutet keinesfalls eine Abkehr vom bestehenden geldpolitischen Kurs. Dass es zu einem Austrocknen der Liquidität kommt und die Notmaßnahmen tatsächlich in Anspruch genommen werden müssen, ist ohnehin unwahrscheinlich. Anders als im Falle der Finanzkrise liegen die großen Risiken beim Brexit im realwirtschaftlichen Bereich und nicht im Finanzsektor. Auch die potenziellen Effekte des EU-Austritts für den britischen Finanzsektor betreffen in erster Linie die realwirtschaftliche Sphäre, da es bei einer Verlagerung von Teilen der Finanzindustrie auf den Kontinent vor allen um Arbeitsplätze und Investitionen ginge und nicht um Ausfallrisiken in den Bilanzen der Finanzinstitute. Aus Sicht der EZB könnte sich allerdings dann ein Handlungsbedarf ergeben, wenn die Diskussion um Dominoeffekte des Brexits in den kommenden Wochen an Schärfe zunimmt und zu einer entsprechenden Verunsicherung an den Märkten führt. In diesem Fall könnte es zu einer starken Ausweitung der Risikoprämien bei Staats- und Unternehmensanleihen im Euroraum kommen. Allerdings bietet das bestehende Anleiheankaufprogramm der EZB ausreichend Spielräume, auf Marktverwerfungen entsprechend zu reagieren und die Märkte zumindest kurzfristig zu stabilisieren. So könnte sie bspw. das monatliche Ankaufvolumen für Unternehmensanleihen bzw. italienische, spanische oder portugiesische Staatsanleihen temporär erhöhen und damit einer Ausweitung der Risikoprämien entgegenwirken. Eine weitere Leitzinssenkung wäre in einem solchen Umfeld wenig zielführend. Nur im Falle einer signifikanten Verschlechterung des realwirtschaftlichen Umfelds im Euroraum oder einem nochmaligen Rückgang der Inflation dürfte die EZB die Zinsschraube weiter lockern. Eine solche Entwicklung ist trotz Brexit-Entscheidung aktuell aber nicht wahrscheinlich. Seite 4 Perspektiven Juli 2016 Für Unternehmen, Anleger und Märkte gilt es in den kommenden Wochen und Monaten einen kühlen Kopf zu bewahren und sich von politischen Unsicherheiten, welche das Brexit-Referendum notwendigerweise nach sich zieht, nicht verunsichern zu lassen. Es gibt eine berechtigte Hoffnung, dass sich in den Austrittsverhandlungen zwischen EU und Großbritannien die ökonomische Vernunft durchsetzt und der Schaden für die Realwirtschaft letztendlich in Grenzen halten wird. Dr. Marco Bargel Postbank Research Seite 5 Perspektiven Juli 2016 EWU-Konjunktur: Brexit wirft Schatten auf eigentlich günstige Aussichten Wachstumsabschwächung im 2. Quartal zeichnet sich ab Die EWU-Industrieproduktion (ohne Bau) ist im April um 1,1% gegenüber dem Vormonat gestiegen. Aus Ländersicht zeichneten insbesondere die kräftigen Zuwächse in den großen Euro-Ländern Deutschland (+1,1%) und Frankreich (+1,2%) für das gute Ergebnis verantwortlich. Zudem wiesen einzelne kleinere Mitgliedsstaaten sogar Zuwachsraten von mehr als 6% auf. Der Ausstoß wurde im April bei allen Güterarten im Vormonatsvergleich gesteigert. Positiv stachen die dauerhaften Konsumgüter hervor, deren Output um 2,3% ausgeweitet wurde. Aber auch nichtdauerhafte Konsumgüter (+1,6%) sowie Investitionsgüter (+1,9%) legten im April kräftig zu. Insgesamt kann damit von einem gelungenen Start der EWU-Industrie ins laufende Quartal gesprochen werden. Dennoch untermauern die Industriedaten unsere Erwartung, dass sich das Wachstum des BIP im 2. Quartal spürbar abschwächt. Denn zum einen lagen die Produktionsniveaus sowohl in der EWU als auch in Deutschland im April nur um 0,2% über dem Durchschnitt des 1. Quartals. Zum anderen muss nach einem so starken Monatsplus mit einer Gegenbewegung gerechnet werden. Dies würde dann dazu führen, dass von der Industrie im laufenden Quartal keine nennenswerten Wachstumsimpulse ausgehen. Wir rechnen deshalb unverändert damit, dass sich der BIPZuwachs in der EWU im 2. Quartal von 0,6% auf 0,3% halbiert. Für Deutschland erwarten wir aufgrund einer Normalisierung der Bautätigkeit nach dem witterungsbedingt sehr starken Jahresauftakt eine Wachstumsmoderierung von 0,7% auf 0,2%. Unsicherheit gestiegen – Prognosen bis auf Weiteres aber unverändert Grundsätzlich sehen wir die deutsche und die EWU-Konjunktur auch weiterhin auf Postbank Research ifo-Index steigt – aber welche Bedeutung hat das noch? Index 115 Index 110 105 110 100 105 95 100 90 12 13 14 15 16 ifo-Geschäftsklima (li. S.) Geschäftsklima Ver. Gew. (re. S.) Quelle: Thomson Reuters Datastream einem guten Weg. Die Risiken sind durch das Votum der britischen Wähler für einen Austritt des Landes aus der EU aber gestiegen. Dabei erwarten wir kurzfristig noch nicht einmal spürbare negative Effekte auf die Exporte. Jedoch könnte die sich nun anschließende Phase politischer Unsicherheit die Unternehmen veranlassen, sich mit Investitionen zurückzuhalten, was dann mit einer gewissen Verzögerung wiederum negative Auswirkungen auf das Beschäftigungswachstum und den privaten Verbrauch hätte. Die von dem Votum ausgehenden Wachstumsrisiken dürften aber eher das kommende als das laufende Jahr betreffen. Der Brexit-Schock trifft die Unternehmen zumindest in einer recht guten Verfassung, was helfen sollte, die negativen Folgen in Grenzen zu halten. So ist der ifoGeschäftsklimaindex für die gewerbliche Wirtschaft Deutschlands im Juni um 0,9 auf 108,7 Punkte gestiegen, wobei die Verbesserung von den Erwartungen angeführt wurde, was üblicherweise als gutes Zeichen für die Konjunktur und insbesondere die Investitionsneigung zu werten ist. Gestützt wird der positive Eindruck durch die Breite der Stimmungsverbesserung, die sich vom Verarbeitenden Gewerbe über die Bauwirtschaft und den Großhandel bis hin zu den Dienstleistungsunternehmen erstreckte. Lediglich die Stimmung im Seite 6 Perspektiven Juli 2016 Einzelhandel gab auf hohem Niveau nach. Aber natürlich stellt sich die Frage, welche Aussagekraft Stimmungsindikatoren, deren Ergebnisse ausschließlich auf Befragungen im Zeitraum vor dem Brexit-Votum basieren, überhaupt noch besitzen. Nächsten Monat wissen wir möglicherweise mehr. Vorläufig halten wir an unseren 2016er BIP-Prognosen von 1,8% für Deutschland und von 1,5% für die EWU fest, wobei wir ohne das britische Austrittsvotum für die EWU sogar ein leichtes Aufwärtsrisiko gesehen hätten. Ab sofort stehen unsere Wachstumsprognosen aber mit negativer Tendenz unter verstärkter Beobachtung, insbesondere die für 2017. EWU-Inflationsrate immer noch negativ Die EWU-Inflationsrate ist im Mai leicht von -0,2% auf -0,1% gestiegen. Dies war unter anderem auf eine moderat höhere Dynamik bei den Preisen für Nahrungsmittel, Tabak und Alkohol zurückzuführen, deren Vorjahresveränderungsrate von 0,8% auf 0,9% zulegte. Hingegen haben die Energiepreise trotz des jüngsten Anstiegs des Ölpreises die Preisentwicklung im Vorjahresvergleich mit einem Rückgang um 8,1% weiterhin belastet, wenn auch etwas weniger deutlich als in den Monaten Lohnstückkosten sprechen für tendenziell etwas höhere Kerninflation % gg. Vj. % gg. Vj. 5 8 6 4 4 3 2 2 0 1 -2 0 00 02 04 06 08 10 12 14 16 Lohnstückkosten (li. S.) Kernverbraucherpreise (re. S.) Quelle: Thomson Reuters Datastream zuvor. Die Kerninflationsrate wiederum stieg von 0,7% auf 0,8%. Wir gehen davon aus, dass die Belastung durch die niedrigen Energiepreise in den kommenden Monaten aufgrund von Basiseffekten weiter nachlässt und erwarten deshalb in der 2. Jahreshälfte eine Rückkehr der Inflationsrate in den positiven Bereich. Leichtes Aufwärtspotenzial sehen wir perspektivisch auch bei der Kerninflation, da der Zuwachs bei den Lohnstückkosten in den letzten Quartalen zugenommen hat, wenn auch bislang nur sehr leicht. Er sollte sich aber weiter verstärken, sofern sich unser verhalten positives Konjunkturszenario bestätigt. Vor diesem Hintergrund rechnen wir für 2017 mit einem Anstieg der Inflationsrate auf 1,3% nach 0,2% in diesem Jahr. Heinrich Bayer Prognosen Postbank Deutschland Euroraum 2015 2016e 2017e 2015 2016e 2017e Reales BIP in % ggü. Vj. 1,7 1,8 1,5 1,6 1,5 1,4 Privater Verbrauch 2,0 1,9 1,5 1,7 1,7 1,5 Bruttoanlageinvestitionen 2,2 3,2 2,1 2,7 2,5 2,3 Staatsverbrauch 2,5 2,2 1,2 1,3 1,5 1,2 Exporte 5,4 2,7 4,2 5,1 2,9 3,8 Importe 5,8 4,6 5,2 5,9 4,1 4,5 Außenbeitrag* 0,2 -0,6 -0,1 -0,1 -0,4 -0,1 Lagerinvestitionen* -0,5 0,2 0,2 -0,1 0,1 0,0 Arbeitslosenquote in % 6,4 6,2 6,5 10,9 10,0 9,6 Inflationsrate in % 0,3 0,5 1,5 0,0 0,2 1,3 Staatl. Finanzierungssaldo** 0,6 0,0 0,0 -2,1 -2,0 -1,7 * Wachstumsbeiträge in % des BIP ** in % des BIP Postbank Research Seite 7 Perspektiven Juli 2016 US-Konjunktur: Spürbare Wachstumsbeschleunigung bereits im 2. Quartal Privater Verbrauch führt konjunkturelle Belebung an Die US-Wirtschaft bietet nach den bislang vorliegenden Daten im 2. Quartal weiterhin ein gespaltenes Bild, dies allerdings mit einem deutlich positiveren Unterton als im Winterhalbjahr. Sehr verhalten ist immer noch die Entwicklung in der Industrie. Diese hat ihre winterliche Schwächephase zwar überwunden, klare Besserungstendenzen waren bis zuletzt aber auch noch nicht zu erkennen. So stagnierte die Produktion im Frühjahr mehr oder weniger, während die Auftragseingänge ohne den volatilen Transportsektor leicht zulegen konnten. Von dieser Seite ist somit im laufenden Quartal noch kein nennenswerter Beitrag zum BIP-Wachstum zu erwarten. Dagegen haben die persönlichen Ausgaben bereits im April kräftig angezogen. In realer Rechnung übertrafen sie in diesem Monat das Durchschnittsniveau des 1. Quartals um 0,7% (nicht annualisiert). Zudem deutet ein spürbarer Anstieg der Einzelhandelsumsätze in der Abgrenzung ohne Autos, Tankstellen und Baumaterialien darauf hin, dass die realen Konsumausgaben im Mai nochmals zugelegt haben. Wir rechnen deshalb nunmehr für den privaten Verbrauch im 2. Quartal mit einer annualisierten Wachstumsrate von gut 3% und einem BIP-Wachstum von annualisiert 2%. Arbeitsmarktbericht für Mai wohl ein Ausreißer nach unten Trotz der Anzeichen einer konjunkturellen Belebung hat sich der US-Arbeitsmarkt im Mai enttäuschend entwickelt. Es wurden lediglich 38 Tsd. zusätzliche Stellen geschaffen. Dies ist der niedrigste Wert seit September 2010. Zudem wurde der Stellenaufbau in den beiden Vormonaten kumuliert um 59 Tsd. nach unten korrigiert, auf 123 Tsd. im April und 186 Tsd. im März. Die Abschwächung des Beschäftigungsaufbaus dürfte zum Teil den Postbank Research Privater Verbrauch nimmt wieder Fahrt auf % gg. Vq. % gg. Vq. 1,4 3,0 1,2 2,5 1,0 2,0 0,8 1,5 0,6 1,0 0,4 0,5 0,2 0,0 0,0 -0,5 2014 2015 2016 Persönliche Ausgaben, real (l.S.) EH-Ums. ex Autos, Bau, Tankst. (r.S.) Quelle: Thomson Reuters Datastream Umstand reflektieren, dass es angesichts der niedrigen Arbeitslosenquote für die Unternehmen inzwischen schwieriger geworden ist, Arbeitskräfte zu finden. Zudem drückte ein großer Streik die Stellenbilanz um 35 Tsd. Da dieser inzwischen beendet ist, wird er im Juni die ausgewiesene Beschäftigungsveränderung in entsprechendem Umfang pushen. Aber selbst unter Berücksichtigung dieser Einwände verbleibt eine deutliche Dämpfung der Beschäftigungsbilanz. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die breite Streuung der Schwäche im Mai. Im Verarbeitenden Gewerbe gingen 10 Tsd. Stellen verloren, im Baugewerbe 15 Tsd. und im Bergbau 10 Tsd. Im privaten Dienstleistungssektor wurden zwar 61 Tsd. zusätzliche Beschäftigungsverhältnisse geschaffen. Dies aber war fast ausschließlich dem strukturell expandierenden Erziehungs- und Gesundheitssektor zu verdanken, der ein Plus von 67 Tsd. erzielte. Damit zeichnet sich ab, dass der Arbeitsmarktbericht für Mai zwar einerseits ein Ausreißer nach unten gewesen ist. Andererseits gehen wir aber auch davon aus, dass der über die letzten Monate hinweg rückläufige Stellenaufbau zumindest partiell auch eine Spätfolge des schwachen Wachstums in den beiden Winterquartalen darstellt. Und dieser Effekt könnte durchaus über die Sommermonate hinweg anhalten. Allzu große Sorgen um Seite 8 Perspektiven Juli 2016 die Entwicklung des Arbeitsmarktes sind aber nicht angebracht. So bewegen sich z.B. die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe nach wie vor in der Nähe ihrer historischen Tiefs, ein klares Zeichen, dass es keine breit angelegten Entlassungen gibt. Der Stellenaufbau sollte sich somit wieder verstärken, sofern die Konjunktur im 2. Halbjahr weiter anzieht. Ölpreisanstieg gibt Verbraucherpreisen Auftrieb Prozent durchschn. Index 4 80 3 70 2 60 1 50 0 40 -1 Bessere Konjunkturaussichten für die 2. Jahreshälfte 30 10 11 12 13 14 15 16 Inflationsrate (l.S.) ISM-Preiskomponenten (r.S.) Quelle: Thomson Reuters Datastream; Prognosen Postbank Diesbezüglich sind wir durchaus optimistisch. Der private Verbrauch zeigte zuletzt schon wieder Anzeichen einer Beschleunigung. Was noch fehlt, sind vor allem lebhaftere Investitionen, die zuletzt doch arg enttäuscht haben. Allerdings haben hier Sondereffekte, wie der massive Rückgang der Investitionen im Bergbau, eine Rolle gespielt. Zudem dürfte die Investitionsneigung auch durch das unsichere globale Umfeld und die sehr schwache Entwicklung der Exporte gebremst worden sein. Hier ist jedoch Besserung in Sicht. Der Druck seitens der außenwirtschaftlichen Flanke hat bereits etwas nachgelassen. Gewisse Abwärtsrisiken resultieren aber aus dem Votum der britischen Wähler für einen Austritt des Landes aus der EU. Hieraus möglicherweise entstehende negative Auswirkungen auf die europäische Konjunktur sowie schwächere Finanzmärkte könnten auch die US-Wirtschaft belasten. Mit starken Auswirkungen rechnen wir aber nicht. Prognosen Postbank USA 2015 2016e 2017e Reales BIP in % ggü. Vj. 2,4 1,7 2,4 Privater Verbrauc h 3,1 2,7 2,4 Bruttoanlageinvestitionen 4,0 1,7 4,7 Staatsverbrauc h 0,7 1,4 1,6 Exporte 1,1 -0,4 2,4 Importe 4,9 1,4 4,0 Außenbeitrag* -0,6 -0,3 -0,3 Lagerinvestitionen* 0,2 -0,5 -0,1 0,1 1,4 Inflationsrate in % * Wachstumsbeiträge in % des BIP 2,3 Postbank Research An unserer BIP-Prognose von 1,7% für 2016 halten wir vorläufig fest. Die Aufund Abwärtsrisiken bewerten wir als ausgeglichen. Für 2017 rechnen wir unverändert mit einem BIP-Wachstum von 2,4%. Beschleunigung der Inflation lässt noch auf sich warten Die US-Verbraucherpreise sind im Mai um 0,2% gegenüber dem Vormonat gestiegen. Damit fiel das Plus etwas moderater als im Vorfeld infolge des höheren Ölpreises erwartet aus. Dies war insbesondere auf die Nahrungsmittelpreise zurückzuführen, die im Mai um 0,2% nachgegeben haben. Ohne deren Berücksichtigung kletterten die Verbraucherpreise um 0,3%, gestützt durch ein Plus in Höhe von 1,2% bei den Energiepreisen. Die Kernverbraucherpreise ohne Energie und Nahrungsmittel legten erwartungsgemäß um 0,2% zu, wodurch sich die Kerninflationsrate von 2,1% auf 2,2% erhöhte, während die Inflationsrate um 0,1 Prozentpunkte auf 1,0% zurückging. Damit weist diese im bisherigen Jahresverlauf noch keine Anstiegstendenz auf, was sich aber zu Beginn der 2. Jahreshälfte ändern sollte. Bis zum Ende des Jahres könnte die Inflationsrate bis auf 2% klettern. Für 2016 rechnen wir unverändert mit einer durchschnittlichen Teuerungsrate von 1,4%, die sich 2017 auf 2,3% beschleunigen sollte. Heinrich Bayer Seite 9 Perspektiven Juli 2016 Rentenmarkt: Brexit-Votum drückt Renditen tiefer ins Minus 10-jährige Bundesanleihen erstmals mit negativer Rendite Am 14. Juni dieses Jahres war es soweit: Erstmalig in der Geschichte wiesen 10-jährige deutsche Staatsanleihen mit -0,004% eine negative Rendite auf. Damit einhergehend lag die Kapitalmarktkurve im gesamten Laufzeitenbereich von ein bis zehn Jahren im negativen Bereich. Der nachfolgende weitere Rückgang führte dazu, dass die 10-jährige Bundrendite mit -0,02% am 16. Juni abermals ein historisches Tief markierte. Gleiches galt auch für die Renditen 2und 5-jähriger Bundesanleihen, die am gleichen Tag auf -0,60% beziehungsweise -0,50% nachgaben und damit ebenfalls neue Rekordtiefstände verzeichneten. Auf der einen Seite dürfte – wie auch in der Vergangenheit – die im März abermals expansiver gestaltete Geldpolitik der EZB den erneuten Rückgang der Bundrenditen befördert haben, wobei mit der Umsetzung eines Großteils der beschlossenen Maßnahmen erst im Juni begonnen wurde. Auf der anderen Seite spiegelten sich in der Bewegung aber spätestens seit Anfang des Monats auch die zunehmenden Sorgen der Marktteilnehmer hinsichtlich des britischen Referendums über den EU-Verbleib des Landes am 23. Juni wider, die verstärkte Fluchtbewegungen in den sicheren Hafen deutscher Staatsanleihen zur Folge hatten. Ab dem 17. Juni erfolgte dann jedoch eine deutliche Gegenbewegung. Dies war insofern eine Überraschung, da zu diesem Zeitpunkt die Stimmung in den Meinungsumfragen wieder einmal gedreht hatte und zahlreiche Befragungen nun eine Stimmenmehrheit für die Befürworter eines EU-Austritts auswiesen. Dennoch wurde das Risiko eines Brexits an den Finanzmärkten in den folgenden Tagen sukzessive ausgepreist. So kletterte die 10-jährige Bundrendite bis zum 23. Juni wieder bis auf 0,09%. Insbesondere vor dem Hintergrund der gefühlten Sicherheit in den Tagen vor dem Referendum fielen dann die Marktreaktionen am Tag danach umso Postbank Research Kapitalmarktzinsen mit Laufzeit bis zu zehn Jahren im negativen Bereich Rendite in % 0,0 0,0 -0,1 -0,1 -0,2 -0,2 -0,3 -0,3 -0,4 -0,4 -0,5 -0,5 -0,6 -0,6 -0,7 -0,7 0 2 4 6 8 Bundesanleihen: Laufzeit in Jahren Aktuell 10 14.06.2016 Quelle: Thomson Reuters Datastream kräftiger aus, wobei deutsche Bundesanleihen als sicherer Hafen besonders gefragt waren. Die 10-jährige Bundrendite gab in der Folge zwischenzeitlich um 27 Basispunkte auf -0,17% nach und lag schlussendlich bei -0,05% und damit um 15 Basispunkte unter ihrem Niveau vom Vortag. Ähnliche Bewegungen – wenn auch etwas weniger deutlich ausgeprägt – zeigten sich bei Bundesanleihen mit 2- und 5-jähriger Laufzeit, die auf -0,64% (-7 Basispunkte) beziehungsweise -0,54% (-11 Basispunkte) im Vortagsvergleich nachgaben. Am USRentenmarkt sank die Rendite 10-jähriger Treasuries um 16 Basispunkte auf 1,58%, während die Renditen von Staatsanleihen der EWU-Peripherieländer in vergleichbarem Ausmaß Zuwächse zu verzeichnen hatten. Bank of England dürfte zeitnah ihren Leitzins senken Auch in den kommenden Wochen und Monaten dürfte die Dynamik an den Rentenmärkten stark von den Nachwehen des überraschenden Brexit-Votums geprägt sein. Auch wenn sich am Status Quo zwischen Großbritannien und der EU durch das Votum alleine zunächst nichts ändert – bis zum Abschluss der noch nicht begonnenen Austrittsverhandlungen bleibt das Land vollwertiges EU-Mitglied mit allen Seite 10 Perspektiven Juli 2016 Rechten und Pflichten – so sind doch aufgrund der hohen Unsicherheit negative realwirtschaftliche Effekte diesseits und jenseits des Ärmelkanals zu erwarten. Am schnellsten dürften diese sich darin zeigen, dass Investitionen – insbesondere exportorientierter Unternehmen – aufgeschoben oder sogar vollständig ausgesetzt werden. Wir gehen vor diesem Hintergrund davon aus, dass die Bank of England (BoE) kurzfristig ihren Leitzins von 0,5% auf 0,25% absenken wird, um die negativen Auswirkungen auf die britische Konjunktur abzufedern. So hat der Gouverneur der BoE, Mark Carney, hierzu bereits am Tag nach dem Referendum eine gewisse Bereitschaft signalisiert, zugleich aber darauf hingewiesen, dass insbesondere die nun anstehenden politischen Entscheidungen zur konkreten Ausgestaltung des EU-Austritts die langfristige realwirtschaftliche Entwicklung in Großbritannien bestimmen werden. Keine geldpolitische Lockerung in der EWU und den USA zu erwarten Demgegenüber gehen wir aktuell nicht davon aus, dass die EZB sowie die Fed sich der BoE anschließen und – über ´normale` konzertierte Krisenmaßnahmen hinaus – ihre Geldpolitik ebenfalls expansiver gestalten werden. Für die EZB liegt diese Einschätzung insbesondere darin begründet, dass die bestehenden Programme noch hinreichend Spielraum bieten, auch ohne den Beschluss neuer Maßnahmen auf negative Marktentwicklungen – wie beispielsweise eine deutliche Ausweitung der Renditespreads bei Staats- und Unternehmensanleihen in den EWU-Peripherieländern – zu reagieren. Zum einen wurde das Volumen des laufenden Anleiheankaufprogramms im April von 60 auf 80 Mrd. Euro angehoben. Zum anderen wurde das Programm erst mit Wirkung zum 8. Juni dahingehend erweitert, dass nun auch Unternehmensanleihen angekauft werden können. Dabei hat die EZB bisher erst Corporates mit einem Gegenwert von 4,9 Mrd. Euro in ihren Bestand genommen. Vor diesem Hintergrund ergibt sich somit ein erheblicher Spielraum, einer unerwünschten Ausweitung der Renditespreads in der EWU-Peripherie – auch ohne eine Verän- Postbank Research Bank of England wird Leitzins senken, EZB wartet ab derung des Gesamtvolumens oder der Laufzeit des QE-Programms – durch gezielte Käufe von Staats- oder Unternehmensanleihen seitens der EZB entgegenzuwirken. Auch das Ergebnis der Ausschreibung des ersten von vier zielgerichteten Langfristtendern für Banken im Euroraum (TLTRO-2) Ende vergangener Woche zeigt, dass im Rahmen der bereits beschlossenen geldpolitischen Lockerungsmaßnahmen noch Luft nach oben ist. So wurden zwar von den Banken auf den ersten Blick beträchtliche 399 Mrd. Euro in Anspruch genommen. Dabei lag die Netto-Kreditaufnahme aber lediglich bei 31 Mrd. Euro, obwohl TLTRO-2 unter bestimmten Voraussetzungen für die Banken eine Refinanzierung über einen Zeitraum von vier Jahren nebst Zinsprämie in Höhe des aktuellen Einlagensatzes (-0,40%) ermöglicht. Eine erneute Absenkung der Leitzinsen – die im aktuellen Umfeld ohnehin wenig zielführend wäre – ist aus unserer Sicht nur im Falle einer erheblichen Abschwächung der Konjunktur oder eines nochmaligen Rückgangs der Inflationsrate im Euroraum zu erwarten. Dies halten wir aktuell nicht für wahrscheinlich, wobei hinsichtlich der konjunkturellen Dynamik die Risiken durch das Brexit-Votum aber zugenommen haben. Auch die US-Notenbank Fed dürfte trotz des negativen Votums der britischen Wähler unverändert an ihrer Absicht festhalten, den Leitzins sukzessive weiter anzuheben. Nachdem zahlreiche Fed-Offizielle in den vergangenen Wochen und Monaten bei verschiedenen Anlässen immer wieder auf einen möglichen Brexit als wesentliches Seite 11 Perspektiven Juli 2016 Staatsanleihen erst gegen Ende des Jahres wieder mit höheren Renditen Prozent 5,0 5,0 4,0 4,0 3,0 3,0 2,0 2,0 1,0 1,0 0,0 0,0 -1,0 2008 politik seitens der EZB dürfte auch ohne eine nochmalige Ausweitung einen nachhaltigen Anstieg der Bundrenditen – zumindest bis zum aktuell avisierten Ende des Anleiheankaufprogramms im März 2017 – verhindern. Mit steigenden US-Zinsen erwarten wir auf Jahressicht weiterhin einen lediglich moderaten Zuwachs der 10-jährigen Bundrendite auf 0,40%. Dr. Lucas Kramer -1,0 2010 2012 2014 2016 10-j. Bundrendite 10-j. Treasury-Rendite Quelle: Thomson Reuters Datastream; Prognosen Postbank Risiko für die Stabilität an den internationalen Finanzmärkten hingewiesen haben, halten wir aber an unserer bisherigen Einschätzung fest, dass die Fortsetzung der im Dezember vergangenen Jahres eingeleiteten Zinswende erst gegen Ende des Jahres erfolgen wird, obwohl die Risiken für die US-Konjunktur durch das Brexit-Votum sicherlich geringer sind als beispielsweise für die Eurozone. Auch wenn es sich beim überraschend schwachen US-Arbeitsmarktbericht für Mai potenziell um einen statistischen Ausreißer gehandelt haben dürfte, sollte dieser ebenfalls dazu beitragen, dass die FOMC-Mitglieder – wie sie es immer wieder betont haben – an einem vorsichtigen Anpassungspfad für den US-Leitzins festhalten. Hierfür spricht auch die zu erwartende Aufwertung des Dollars aufgrund von Kapitalflucht in die als sicherer Hafen geltende US-Währung. Der Leitzins dürfte daher Ende 2016 bei 0,50-0,75% liegen und auf Sicht von zwölf Monaten auf 0,75-1,00% steigen. Prognosen Postbank Postbank Research in 3 M in 12 M 0,00 0,00 0,00 Leitzinsen in % Euroraum Nachdem die Flucht in den sicheren Hafen infolge des Brexit-Votums am 23. Juni zu deutlichen Rücksetzern bei den Renditen von Staatsanleihen diesseits und jenseits des Atlantiks geführt hat, dürfte sich ein nachhaltiger Anstieg nochmals verzögern. Vor dem Hintergrund der erwarteten Reaktionen der Notenbanken sollte die Rendite 10-jähriger US-Treasuries bis zum Jahreswechsel zunächst nur auf 1,90% zulegen. Mit der graduellen Anhebung der US-Leitzinsen erwarten wir weiterhin auf Sicht von zwölf Monaten einen Anstieg auf 2,30%. Die anhaltend ultraexpansive Geld- 27.06. USA 0,25-0,50 0,25-0,50 0,75-1,00 Japan -0,10 -0,10 -0,10 UK 0,50 0,25 0,25 Renditen 10 Jahre in % Bunds -0,12 0,00 0,40 US-Treas. 1,44 1,70 2,30 Jap. JGBs -0,20 -0,10 0,10 Brit. Gilts 0,93 1,10 1,50 Spreads ggü. Bunds in Basispunkten 10j. Swap 50 35 30 EWU-Corp. 103 100 80 Quelle: Bloomberg, Thomson Reuters Datastream Seite 12 Perspektiven Juli 2016 Aktienmarkt: Wall Street wird vorübergehend zum Outperformer Kurserholung vor UK-Referendum kam zu früh Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt Im Vorfeld des Referendums über einen Austritt Großbritanniens aus der EU hatten sich die Notierungen an vielen Börsen erholt. Die Chance, dass das Referendum scheitern könnte, schien den Umfragen sowie den Quoten der Buchmacher zu Folge gegeben. In den Morgenstunden des 24. Juni folgte dann die Ernüchterung. Die Stimmenauszählung zeigte, dass 51,9% der Briten für einen Austritt ihres Landes aus der EU gestimmt hatten. Zunächst legten die Kurse an den asiatischen Märkten den Rückwärtsgang ein. Hier hatten die Börsen geöffnet, als sich der Wahlausgang abzeichnete. Am Kabutocho schloss der Topix 7,3% schwächer. Die europäischen Märkte starteten mit deutlichen Abschlägen in den Handelstag. Der DAX beispielsweise verlor in den ersten Handelsminuten rund zehn Prozent an Wert. Im Handelsverlauf erholten sich die Notierungen moderat und der deutsche Leitindex schloss 6,3% schwächer. Viele Anleger sorgten sich offenbar auch um den Fortbestand der Eurozone. Denn mit Abschlägen von jeweils deutlich mehr als zehn Prozent standen die Leitindizes aus Italien, Spanien und Griechenland besonders im Wind. Auch in London gaben die Notierungen nach. Der FTSE 250, der mit dem deutschen MDAX vergleich- Postbank Research bar ist, büßte 7,2% ein. Die Blue Chips, die im FTSE 100 gelistet sind, zeigten sich dagegen vergleichsweise stabil. Der FTSE 100 schloss lediglich 3,1% schwächer. Die deutlich geringere Abhängigkeit vom europäischen Markt im Allgemeinen und vom britischen im Speziellen reduziert die möglichen negativen Folgen eines Brexit für diese Firmen. Das gleiche Bild war auch an der Wall Street zu beobachten. Hier lasteten weniger die Furcht vor den Auswirkungen eines Brexit, als vielmehr die Sorgen vor einem längerfristig starken Greenback auf der Stimmung der Anleger und somit auf der Kursentwicklung. Der Standard & Poor‘s 500 zeigte mit -3,6% einen mit dem des FTSE 100 vergleichbaren Kursrückgang. Am 27. Juni legten die Notierungen am Kabutocho wieder zu und auch in Europa starteten die Börsen einen Erholungsversuch. Dieser war noch nicht von Erfolg gekrönt. Die möglichen negativen Auswirkungen eines Brexit für Europa im Allgemeinen und Großbritannien im Speziellen sind noch zu unbestimmt, als dass sich Anleger offenbar klar positionieren möchten. Ein wichtiger Punkt für Firmen auf beiden Seiten des Ärmelkanals ist beispielsweise, ob es auch künftig einen freien Handel zwischen Großbritannien und der EU geben wird. Viele Unternehmen werden aber nicht abwarten, bis die Fakten geschaffen wurden. Sie überdenken heute schon ihre regionalen Investitionspläne mit Blick auf mögliche Szenarien. Kurseinbruch von historischer Dimension? Der Kursabschlag von 6,3% für den DAX schafft es auf Platz drei der schwächsten Handelstage des deutschen Leitindex. Platz zwei hält die Lehman-Pleite mit einem Minus von 7,1% am 6. Oktober 2008. Mit deutlichem Abstand belegt der 16. Oktober 2008 (-12,8%) den Spitzenplatz. Firmenübernahmen hatten damals die Wall Street befeuert. Als ein großer Deal platzte, platzte auch die Blase. Seite 13 Perspektiven Juli 2016 DAX, Euro Stoxx 50 und Topix fallen in Bereich ihrer Jahrestiefs zurück Indizes, indexiert 31.12.15 = 100 105 105 100 95 90 85 80 Feb DAX S&P 500 Mrz Apr 2016 Mai 40 95 35 35 90 30 30 85 25 25 20 20 15 15 Jun 10 Euro St. 50 Topix 10 2015 2016 DAX S&P 500 Euro St. 50 Quelle: Thomson Reuters Datastream Zunächst wird die Unsicherheit in Europa dominieren Deutliche Kursschwankungen der Aktienaber auch der Volatilitätsindizes prägen den bisherigen Jahresverlauf. Daran wird sich nach unserer Einschätzung in den kommenden Wochen nichts ändern. Dies gilt insbesondere für die Kursentwicklung von DAX und Euro Stoxx 50. Unter dem Eindruck des Brexit-Votums der Briten erwarten wir beide Indizes auf Sicht von drei Monaten in einem ausgeprägten Seitwärtstrend, dessen obere Begrenzung beispielsweise beim DAX die 10.000er Marke darstellen sollte. Erst wenn absehbar ist, wie die Austrittsverhandlungen mit Großbritannien gestaltet werden können, dürfte die Unsicherheit langsam abebben. Erst dann werden die Marktteilnehmer nach unserer Ansicht wieder offen für harte Fakten sein. Gute Unternehmensberichte sollten bis dato maximal auf Einzelwertebene positive Kursreaktionen generieren können. S&P 500 zunächst als Outperformer Besonders in diesem Zeitfenster wird der S&P 500 sowohl den DAX als auch den Euro Stoxx 50 outperformen. Die räumliche Entfernung und die daher geringeren Einflüsse der Brexit-Diskussionen sind ein wichtiger Pluspunkt. Aber vor allem erwirtschaften US-Unternehmen das Gros ihrer Umsätze und Gewinne im Heimatmarkt. Die im S&P 500 gelisteten Firmen erzielen Postbank Research 45 100 75 Jan Volatilitätsindizes 45 40 80 75 Unsicherheit in Europa erhöht – dies dürfte nach Brexit-Votum so bleiben Quelle: Thomson Reuters Datastream beispielsweise nur 17% ihrer Gewinne in Europa. Sie sollten daher mehrheitlich solide Quartalsberichte abliefern und über positive Geschäftsaussichten berichten. Denn nach den Aussagen internationaler Topmanager sind die Geschäftsaussichten für ihr eigenes Unternehmen meist gut. Dies bekundeten rd. 90 Prozent der Teilnehmer des seit dem 27. Juni in Tianjin, China, tagenden World Economic Forum. Langfristig bleiben wir aber auch für DAX und Euro Stoxx 50 optimistisch gestimmt. Die Köpfe werden zwar zunächst in den Führungsetagen rauchen, aber sie werden mit geeigneten Strategien dem Austrittswusch der Briten begegnen und ihre Produktionsprozesse und Warenwege entsprechend modifizieren. Spätestens nach dem Jahreswechsel sollten DAX und Euro Stoxx 50 aus dem Seitwärtstrend nach oben ausbrechen. 12.000 Punkte erscheinen aus heutiger Sicht für den DAX zwar nahezu unerreichbar weit entfernt. Bei einem positiven und zügigen Verlauf der Gespräche sowie einer Belebung der globalen konjunkturellen Entwicklung bleiben sie aber noch erreichbar. Heinz-Gerd Sonnenschein Prognosen Postbank 27.06. in 3 M in 12 M DAX 9.269 9400-9600 11900-12100 Euro St. 50 2.697 2650-2850 3400-3600 S&P 500 2.001 2025-2125 2250-2350 Topix 1.226 1200-1300 1400-1500 Quelle: Bloomberg Seite 14 Perspektiven Juli 2016 Marktprognosen Juli 2016 Zinsen in % Euroraum Refisatz 3-Monats-Euribor 2-j. Bunds 10-j. Bunds USA Fed Funds Rate 3-Monats-Libor 2-j. Treasuries 10-j. Treasuries EUR/USD-Spreads in Basispunkten 3-M-Geld: Euribor ./. USD-Libor 10 J.: Bunds ./. Treasuries Japan Overnight Call Rate 10-j. Staatsanleihen (JGB’s) UK Base Rate 10-j. Staatsanleihen (Gilts) 27.06.16 in 3 Monaten in 6 Monaten in 9 Monaten in 12 Monaten 0,00 -0,28 -0,65 -0,12 0,00 -0,25 -0,60 0,00 0,00 -0,25 -0,50 0,10 0,00 -0,25 -0,50 0,30 0,00 -0,25 -0,50 0,40 0,25-0,50 0,63 0,59 1,44 0,25-0,50 0,65 0,70 1,70 0,50-0,75 0,90 1,00 1,90 0,50-0,75 0,90 1,10 2,10 0,75-1,00 1,15 1,30 2,30 -91 -156 -90 -170 -115 -180 -115 -180 -140 -190 -0,10 -0,20 -0,10 -0,10 -0,10 -0,10 -0,10 0,00 -0,10 0,10 0,50 0,93 0,25 1,10 0,25 1,20 0,25 1,40 0,25 1,50 27.06.16 in 3 Monaten in 6 Monaten in 9 Monaten in 12 Monaten 50 -6 103 508 35 -5 100 500 35 -5 90 480 30 -5 80 460 30 -5 80 450 27.06.16 in 3 Monaten in 6 Monaten in 9 Monaten in 12 Monaten 1,1038 112,40 0,8354 1,0790 7,3444 1,10 110 0,85 1,10 7,40 1,05 105 0,85 1,10 7,40 1,05 105 0,85 1,10 7,35 1,00 100 0,85 1,10 7,00 27.06.16 in 3 Monaten in 6 Monaten in 9 Monaten in 12 Monaten 46,04 1.325 40 1.350 45 1.350 50 1.300 50 1.250 Swap/Credit Spreads in Basispunkten 10-j. Swaps ./. Bunds 5-j. Pfandbriefe ./. Swaps EWU Corporates A-Rated ./. Bunds US Corporates B-BB-Rated ./. Treasuries Wechselkurse US-Dollar (EUR/USD) Japanisc her Yen (EUR/JPY) Britisc hes Pfund (EUR/GBP) Schweizer Franken (EUR/CHF) Chinesisc her Renminbi (EUR/CNY) Commodities Rohöl Brent Spot ($/Barrel) Gold Spot ($/Feinunze) Aktien 27.06.16 KGV 2016e DAX Euro Stoxx 50 Standard & Poor's 500 * Topix * KGV mit operativen Gewinnen gerechnet 9.269 2.697 2.001 1.226 Kursziel in 3 Monaten in 12 Monaten 2017e 11,7 12,4 17,1 11,4 10,6 9400-9600 11900-12100 11,0 2650-2850 3400-3600 15,0 2025-2125 2250-2350 10,6 1200-1300 1400-1500 Quelle: Bloomberg, Thomson Reuters Datastream, IBES Konjunkturprognosen Juli 2016 BIP, real in % ggü. Vq., sb. Deutschland Euroraum USA Japan Q1 2016 Q2e Q3e Q4e Q1 2017e Q2 Q3 Q4 0,7 0,6 0,2 0,4 0,2 0,3 0,5 -0,2 0,5 0,4 0,6 0,3 0,4 0,4 0,6 0,3 0,4 0,3 0,6 0,4 0,4 0,3 0,5 0,3 Postbank Research 0,5 0,4 0,6 0,3 0,4 0,3 0,5 0,4 2015 1,7 1,6 2,4 0,6 BIP, real in % ggü. Vj. 2016e 2017e 1,8 1,5 1,7 0,3 1,5 1,4 2,4 1,0 Inflationsrate in % 2015 2016e 2017e 0,3 0,0 0,1 0,8 0,5 0,2 1,4 0,0 1,5 1,3 2,3 1,0 Seite 15
© Copyright 2024 ExpyDoc