Perspektiven_Juli_2016 [Kompatibilitätsmodus]

Perspektiven
Juli 2016
Editorial: Von ökonomischer Vernunft und Brexit-Verlierern
EWU-Konjunktur: Brexit wirft Schatten auf eigentlich günstige Aussichten
Wachstumsabschwächung im 2. Quartal zeichnet sich ab
Unsicherheit gestiegen – Prognosen bis auf Weiteres aber unverändert
EWU-Inflationsrate immer noch negativ
US-Konjunktur: Spürbare Wachstumsbeschleunigung bereits im 2. Quartal
Privater Verbrauch führt konjunkturelle Belebung an
Arbeitsmarktbericht für Mai wohl ein Ausreißer nach unten
Bessere Konjunkturaussichten für die 2. Jahreshälfte
Beschleunigung der Inflation lässt noch auf sich warten
Rentenmarkt: Brexit-Votum drückt Renditen tiefer ins Minus
10-jährige Bundesanleihen erstmals mit negativer Rendite
Bank of England dürfte zeitnah ihren Leitzins senken
Keine geldpolitische Lockerung in der EWU und den USA zu erwarten
Aktienmarkt: Wall Street wird vorübergehend zum Outperformer
Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt
Kurseinbruch von historischer Dimension?
Zunächst wird die Unsicherheit in Europa dominieren
S&P 500 zunächst als Outperformer
Postbank Research
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Team Postbank Research
Dr. Marco Bargel
Chefvolkswirt
[email protected]
Heinrich Bayer
[email protected]
Dr. Lucas Kramer
[email protected]
Heinz-Gerd Sonnenschein
[email protected]
www.postbank.de
Redaktionsschluss: 27. Juni 2016
Deutsche Postbank AG
Zentrale
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ausschließlich zur Information, die dem
Investor eine selbständige Anlageentscheidung erleichtern soll.
Postbank Research
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Von ökonomischer Vernunft und BrexitVerlierern
Sehr geehrte Damen und Herren,
die britischen Wähler haben entschieden.
Großbritannien wird nach einer mehr als
40 Jahre währenden Mitgliedschaft die
Europäische Union bald verlassen. Auch
wenn Umfragen das Ergebnis des Referendums erwarten ließen – der Schock sitzt
bei Vielen tief. Die EU dringt angesichts der
bestehenden Unsicherheit auf schnellen
Vollzug. Zu groß ist wohl die Sorge vor
einer Verbreitung des Brexit-Virus auch in
anderen EU-Mitgliedstaaten, wenn das
Thema EU-Ausstieg zu lange auf der
politischen Agenda bleibt. Ein langwieriger
und schwieriger Trennungsprozess lässt
sich allerdings nicht vermeiden. Es gibt zu
viele, teilweise sehr komplexe Themenbereiche, die für die Zeit nach dem Brexit
neu geregelt werden müssen. Die ersten
Reaktionen aus anderen EU-Staaten lassen
außerdem erahnen, dass man es den Briten
in den Verhandlungen nicht leicht machen
wird, um mögliche Nachahmer abzuschrecken und einen Dominoeffekt zu
vermeiden. Ganz umgehen kann man das
Risiko von Ansteckungseffekten nicht. Zu
tief verwurzelt ist die Skepsis gegenüber
der EU in vielen Mitgliedstaaten inzwischen, so dass breiter Raum für EU-kritische Parteien entstanden ist.
Nicht nur die Briten werden zu den Verlierern des Brexits zählen. Über die letzten
Jahrzehnte ist Großbritannien für viele
Unternehmen aus anderen EU-Mitgliedstaaten zu einem wichtigen Absatzmarkt
und Produktionsstandort geworden. Besonders stark verzahnt und vom Brexit
potenziell am stärksten betroffen sind in
Deutschland die Automobilindustrie, der
Maschinenbau, Pharma und Chemie. Es
dürfte auch im Interesse Deutschlands
liegen, dass für die Zeit nach der EU-Mitgliedschaft zumindest eine Art Freihandelszone mit Großbritannien verhandelt
wird, in der ein weiterhin zollfreier Güterund Dienstleistungsverkehr möglich ist.
Deutlich komplexer ist die Interessenlage
mit Blick auf die Finanzindustrie und die
Arbeitnehmerfreizügigkeit. Die Briten
Postbank Research
werden auf den Fortbestand der Kapitalund Zahlungsverkehrsfreiheit drängen, um
die für sie so wichtige Finanzindustrie vor
allzu großem Schaden zu bewahren. Die
übrigen EU-Staaten werden einen Preis
dafür verlangen. Dieser könnte in weitreichenden Zugeständnissen Großbritanniens bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit
bestehen. Hierin liegt allerdings eine hohe
politische Brisanz, ist doch die Sorge vor
einer unkontrollierten Zuwanderung aus
anderen EU-Staaten ein wesentlicher Treiber für den Brexit gewesen. Die große
Ironie des EU-Austritts für Großbritannien
könnte darin liegen, dass die Briten am
Ende nicht mehr, sondern weniger Kontrolle über viele Politikbereiche bekommen.
Denn als Mitglied der Gemeinschaft können sie viele Themen politisch mitgestalten. Diese Möglichkeit gibt es nach einem
Austritt so nicht mehr.
Die komplizierte politische Gemengelage
macht es schwierig, den Ausgang der Austrittsverhandlungen vorherzusagen. Damit
sind auch die wirtschaftlichen Effekte des
Brexits sowohl für Großbritannien als auch
für andere EU-Staaten kaum zu beziffern.
Wahrscheinlich ist aber, dass sich britische
Unternehmen wegen der gestiegenen Unsicherheit mit Investitionen zurückhalten
werden. Dasselbe gilt für ausländische
Unternehmen, die in Großbritannien investieren möchten. In Verbindung mit
einer Konsumzurückhaltung der verunsicherten Verbraucher könnte dies auf kurze
Sicht sogar zu einer Rezession in Großbritannien führen. Auf lange Sicht ist für die
wirtschaftliche Entwicklung in den EU-Ländern aber sehr viel entscheidender, inwieweit der grenzüberschreitende Güter- und
Kapitalverkehr durch den Brexit nachhaltig
beeinträchtigt wird. Im schlimmsten Fall,
wenn Großbritannien keinen privilegierten
Zugang zum EU-Binnenmarkt mehr hätte,
könnten sich die Verluste über die nächsten 10-15 Jahre auf gut 10% des britischen Bruttoinlandsproduktes belaufen.
Auch für Deutschland dürfte der Schaden
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in einem solchen Szenario substanziell sein.
In einem wahrscheinlicheren Szenario, mit
einem weitgehend freien Güter- und Kapitalverkehr auch nach dem Brexit, fallen die
Verluste deutlich geringer aus. Zumindest
für Großbritannien dürften sie über einen
längeren Zeitraum aber auch im günstigsten Fall immer noch mehrere Prozent der
Wirtschaftsleistung erreichen.
An den Märkten kam es nach Bekanntgabe
des Abstimmungsergebnisses zu den erwarteten Ausschlägen. Während sich Investoren aus risikobehafteteren Anlageformen wie Aktien und Unternehmensanleihen zurückzogen, profitierten vor allem
Bundesanleihen, Gold und die von Anlegern als sicherer Hafen angesehenen Währungen von der gestiegenen Unsicherheit.
Angesichts der hohen potenziellen Belastungen für die Realwirtschaft, die von
einem Brexit ausgehen können, fielen die
Marktbewegungen bisher aber eher moderat aus. Sehr wahrscheinlich dürfte die Unsicherheit wegen der geschilderten politischen und ökonomischen Unwägbarkeiten
aber noch für einige Zeit anhalten, so dass
bei risikobehafteten Anlagen auch in den
kommenden Wochen noch mit einer gedämpften Wert- bzw. Kursentwicklung
gerechnet werden kann. Stark unter
Druck bleiben dürfte vor allem das britische Pfund, da sich durch die Brexit-Entscheidung die fundamentalen Verhältnisse
zulasten der britischen Währung verändern
dürften. Denn die britische Notenbank
könnte die Leitzinsen bald absenken, um
negative Effekte, die vom Referendum auf
die Realwirtschaft ausgehen, aufzufangen.
Aktuell ist nicht davon auszugehen, dass
andere Notenbanken dem Beispiel der
Bank of England folgen und ihre Geldpolitik weiter lockern werden. Zwar haben
die großen Notenbanken signalisiert, ihre
Banken im Bedarfsfall mit Sonderliquidität
zu versorgen. Dies stellt jedoch eine normale Reaktion der Währungshüter auf
Postbank Research
krisenhafte Entwicklungen dar und bedeutet keinesfalls eine Abkehr vom bestehenden geldpolitischen Kurs. Dass es zu einem
Austrocknen der Liquidität kommt und die
Notmaßnahmen tatsächlich in Anspruch
genommen werden müssen, ist ohnehin
unwahrscheinlich. Anders als im Falle der
Finanzkrise liegen die großen Risiken beim
Brexit im realwirtschaftlichen Bereich und
nicht im Finanzsektor. Auch die potenziellen Effekte des EU-Austritts für den
britischen Finanzsektor betreffen in erster
Linie die realwirtschaftliche Sphäre, da es
bei einer Verlagerung von Teilen der
Finanzindustrie auf den Kontinent vor allen
um Arbeitsplätze und Investitionen ginge
und nicht um Ausfallrisiken in den Bilanzen
der Finanzinstitute.
Aus Sicht der EZB könnte sich allerdings
dann ein Handlungsbedarf ergeben, wenn
die Diskussion um Dominoeffekte des
Brexits in den kommenden Wochen an
Schärfe zunimmt und zu einer entsprechenden Verunsicherung an den Märkten
führt. In diesem Fall könnte es zu einer
starken Ausweitung der Risikoprämien bei
Staats- und Unternehmensanleihen im
Euroraum kommen. Allerdings bietet das
bestehende Anleiheankaufprogramm der
EZB ausreichend Spielräume, auf Marktverwerfungen entsprechend zu reagieren
und die Märkte zumindest kurzfristig zu
stabilisieren. So könnte sie bspw. das
monatliche Ankaufvolumen für Unternehmensanleihen bzw. italienische, spanische
oder portugiesische Staatsanleihen temporär erhöhen und damit einer Ausweitung der Risikoprämien entgegenwirken.
Eine weitere Leitzinssenkung wäre in
einem solchen Umfeld wenig zielführend.
Nur im Falle einer signifikanten Verschlechterung des realwirtschaftlichen Umfelds im
Euroraum oder einem nochmaligen
Rückgang der Inflation dürfte die EZB die
Zinsschraube weiter lockern. Eine solche
Entwicklung ist trotz Brexit-Entscheidung
aktuell aber nicht wahrscheinlich.
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Perspektiven Juli 2016
Für Unternehmen, Anleger und Märkte gilt
es in den kommenden Wochen und Monaten einen kühlen Kopf zu bewahren und
sich von politischen Unsicherheiten, welche
das Brexit-Referendum notwendigerweise
nach sich zieht, nicht verunsichern zu
lassen. Es gibt eine berechtigte Hoffnung,
dass sich in den Austrittsverhandlungen
zwischen EU und Großbritannien die
ökonomische Vernunft durchsetzt und der
Schaden für die Realwirtschaft letztendlich
in Grenzen halten wird.
Dr. Marco Bargel
Postbank Research
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EWU-Konjunktur: Brexit wirft Schatten auf eigentlich
günstige Aussichten
Wachstumsabschwächung im 2.
Quartal zeichnet sich ab
Die EWU-Industrieproduktion (ohne Bau)
ist im April um 1,1% gegenüber dem Vormonat gestiegen. Aus Ländersicht zeichneten insbesondere die kräftigen Zuwächse
in den großen Euro-Ländern Deutschland
(+1,1%) und Frankreich (+1,2%) für das
gute Ergebnis verantwortlich. Zudem
wiesen einzelne kleinere Mitgliedsstaaten
sogar Zuwachsraten von mehr als 6% auf.
Der Ausstoß wurde im April bei allen
Güterarten im Vormonatsvergleich gesteigert. Positiv stachen die dauerhaften Konsumgüter hervor, deren Output um 2,3%
ausgeweitet wurde. Aber auch nichtdauerhafte Konsumgüter (+1,6%) sowie
Investitionsgüter (+1,9%) legten im April
kräftig zu. Insgesamt kann damit von
einem gelungenen Start der EWU-Industrie
ins laufende Quartal gesprochen werden.
Dennoch untermauern die Industriedaten
unsere Erwartung, dass sich das Wachstum
des BIP im 2. Quartal spürbar abschwächt.
Denn zum einen lagen die Produktionsniveaus sowohl in der EWU als auch in
Deutschland im April nur um 0,2% über
dem Durchschnitt des 1. Quartals. Zum
anderen muss nach einem so starken
Monatsplus mit einer Gegenbewegung
gerechnet werden. Dies würde dann dazu
führen, dass von der Industrie im laufenden Quartal keine nennenswerten Wachstumsimpulse ausgehen. Wir rechnen deshalb unverändert damit, dass sich der BIPZuwachs in der EWU im 2. Quartal von
0,6% auf 0,3% halbiert. Für Deutschland
erwarten wir aufgrund einer Normalisierung der Bautätigkeit nach dem witterungsbedingt sehr starken Jahresauftakt
eine Wachstumsmoderierung von 0,7%
auf 0,2%.
Unsicherheit gestiegen – Prognosen bis
auf Weiteres aber unverändert
Grundsätzlich sehen wir die deutsche und
die EWU-Konjunktur auch weiterhin auf
Postbank Research
ifo-Index steigt – aber welche
Bedeutung hat das noch?
Index
115
Index
110
105
110
100
105
95
100
90
12
13
14
15
16
ifo-Geschäftsklima (li. S.)
Geschäftsklima Ver. Gew. (re. S.)
Quelle: Thomson Reuters Datastream
einem guten Weg. Die Risiken sind durch
das Votum der britischen Wähler für einen
Austritt des Landes aus der EU aber gestiegen. Dabei erwarten wir kurzfristig
noch nicht einmal spürbare negative
Effekte auf die Exporte. Jedoch könnte die
sich nun anschließende Phase politischer
Unsicherheit die Unternehmen veranlassen,
sich mit Investitionen zurückzuhalten, was
dann mit einer gewissen Verzögerung
wiederum negative Auswirkungen auf das
Beschäftigungswachstum und den privaten
Verbrauch hätte. Die von dem Votum
ausgehenden Wachstumsrisiken dürften
aber eher das kommende als das laufende
Jahr betreffen.
Der Brexit-Schock trifft die Unternehmen
zumindest in einer recht guten Verfassung,
was helfen sollte, die negativen Folgen in
Grenzen zu halten. So ist der ifoGeschäftsklimaindex für die gewerbliche
Wirtschaft Deutschlands im Juni um 0,9
auf 108,7 Punkte gestiegen, wobei die
Verbesserung von den Erwartungen angeführt wurde, was üblicherweise als gutes
Zeichen für die Konjunktur und insbesondere die Investitionsneigung zu werten ist.
Gestützt wird der positive Eindruck durch
die Breite der Stimmungsverbesserung, die
sich vom Verarbeitenden Gewerbe über
die Bauwirtschaft und den Großhandel bis
hin zu den Dienstleistungsunternehmen
erstreckte. Lediglich die Stimmung im
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Perspektiven Juli 2016
Einzelhandel gab auf hohem Niveau nach.
Aber natürlich stellt sich die Frage, welche
Aussagekraft Stimmungsindikatoren, deren
Ergebnisse ausschließlich auf Befragungen
im Zeitraum vor dem Brexit-Votum basieren, überhaupt noch besitzen. Nächsten
Monat wissen wir möglicherweise mehr.
Vorläufig halten wir an unseren 2016er
BIP-Prognosen von 1,8% für Deutschland
und von 1,5% für die EWU fest, wobei wir
ohne das britische Austrittsvotum für die
EWU sogar ein leichtes Aufwärtsrisiko
gesehen hätten. Ab sofort stehen unsere
Wachstumsprognosen aber mit negativer
Tendenz unter verstärkter Beobachtung,
insbesondere die für 2017.
EWU-Inflationsrate immer noch
negativ
Die EWU-Inflationsrate ist im Mai leicht
von -0,2% auf -0,1% gestiegen. Dies war
unter anderem auf eine moderat höhere
Dynamik bei den Preisen für Nahrungsmittel, Tabak und Alkohol zurückzuführen,
deren Vorjahresveränderungsrate von
0,8% auf 0,9% zulegte. Hingegen haben
die Energiepreise trotz des jüngsten
Anstiegs des Ölpreises die Preisentwicklung
im Vorjahresvergleich mit einem Rückgang
um 8,1% weiterhin belastet, wenn auch
etwas weniger deutlich als in den Monaten
Lohnstückkosten sprechen für tendenziell etwas höhere Kerninflation
% gg. Vj.
% gg. Vj.
5
8
6
4
4
3
2
2
0
1
-2
0
00
02
04
06
08
10
12
14
16
Lohnstückkosten (li. S.)
Kernverbraucherpreise (re. S.)
Quelle: Thomson Reuters Datastream
zuvor. Die Kerninflationsrate wiederum
stieg von 0,7% auf 0,8%. Wir gehen
davon aus, dass die Belastung durch die
niedrigen Energiepreise in den kommenden Monaten aufgrund von Basiseffekten
weiter nachlässt und erwarten deshalb in
der 2. Jahreshälfte eine Rückkehr der Inflationsrate in den positiven Bereich. Leichtes
Aufwärtspotenzial sehen wir perspektivisch
auch bei der Kerninflation, da der Zuwachs
bei den Lohnstückkosten in den letzten
Quartalen zugenommen hat, wenn auch
bislang nur sehr leicht. Er sollte sich aber
weiter verstärken, sofern sich unser verhalten positives Konjunkturszenario bestätigt.
Vor diesem Hintergrund rechnen wir für
2017 mit einem Anstieg der Inflationsrate
auf 1,3% nach 0,2% in diesem Jahr.
Heinrich Bayer
Prognosen Postbank
Deutschland
Euroraum
2015
2016e
2017e
2015
2016e
2017e
Reales BIP in % ggü. Vj.
1,7
1,8
1,5
1,6
1,5
1,4
Privater Verbrauch
2,0
1,9
1,5
1,7
1,7
1,5
Bruttoanlageinvestitionen
2,2
3,2
2,1
2,7
2,5
2,3
Staatsverbrauch
2,5
2,2
1,2
1,3
1,5
1,2
Exporte
5,4
2,7
4,2
5,1
2,9
3,8
Importe
5,8
4,6
5,2
5,9
4,1
4,5
Außenbeitrag*
0,2
-0,6
-0,1
-0,1
-0,4
-0,1
Lagerinvestitionen*
-0,5
0,2
0,2
-0,1
0,1
0,0
Arbeitslosenquote in %
6,4
6,2
6,5
10,9
10,0
9,6
Inflationsrate in %
0,3
0,5
1,5
0,0
0,2
1,3
Staatl. Finanzierungssaldo**
0,6
0,0
0,0
-2,1
-2,0
-1,7
* Wachstumsbeiträge in % des BIP ** in % des BIP
Postbank Research
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Perspektiven Juli 2016
US-Konjunktur: Spürbare Wachstumsbeschleunigung
bereits im 2. Quartal
Privater Verbrauch führt konjunkturelle Belebung an
Die US-Wirtschaft bietet nach den bislang
vorliegenden Daten im 2. Quartal weiterhin ein gespaltenes Bild, dies allerdings mit
einem deutlich positiveren Unterton als im
Winterhalbjahr. Sehr verhalten ist immer
noch die Entwicklung in der Industrie.
Diese hat ihre winterliche Schwächephase
zwar überwunden, klare Besserungstendenzen waren bis zuletzt aber auch noch
nicht zu erkennen. So stagnierte die Produktion im Frühjahr mehr oder weniger,
während die Auftragseingänge ohne den
volatilen Transportsektor leicht zulegen
konnten. Von dieser Seite ist somit im laufenden Quartal noch kein nennenswerter
Beitrag zum BIP-Wachstum zu erwarten.
Dagegen haben die persönlichen Ausgaben bereits im April kräftig angezogen. In
realer Rechnung übertrafen sie in diesem
Monat das Durchschnittsniveau des 1.
Quartals um 0,7% (nicht annualisiert).
Zudem deutet ein spürbarer Anstieg der
Einzelhandelsumsätze in der Abgrenzung
ohne Autos, Tankstellen und Baumaterialien darauf hin, dass die realen Konsumausgaben im Mai nochmals zugelegt
haben. Wir rechnen deshalb nunmehr für
den privaten Verbrauch im 2. Quartal mit
einer annualisierten Wachstumsrate von
gut 3% und einem BIP-Wachstum von
annualisiert 2%.
Arbeitsmarktbericht für Mai wohl ein
Ausreißer nach unten
Trotz der Anzeichen einer konjunkturellen
Belebung hat sich der US-Arbeitsmarkt im
Mai enttäuschend entwickelt. Es wurden
lediglich 38 Tsd. zusätzliche Stellen
geschaffen. Dies ist der niedrigste Wert
seit September 2010. Zudem wurde der
Stellenaufbau in den beiden Vormonaten
kumuliert um 59 Tsd. nach unten korrigiert, auf 123 Tsd. im April und 186 Tsd.
im März. Die Abschwächung des Beschäftigungsaufbaus dürfte zum Teil den
Postbank Research
Privater Verbrauch nimmt wieder Fahrt
auf
% gg. Vq.
% gg. Vq.
1,4
3,0
1,2
2,5
1,0
2,0
0,8
1,5
0,6
1,0
0,4
0,5
0,2
0,0
0,0
-0,5
2014
2015
2016
Persönliche Ausgaben, real (l.S.)
EH-Ums. ex Autos, Bau, Tankst. (r.S.)
Quelle: Thomson Reuters Datastream
Umstand reflektieren, dass es angesichts
der niedrigen Arbeitslosenquote für die
Unternehmen inzwischen schwieriger
geworden ist, Arbeitskräfte zu finden.
Zudem drückte ein großer Streik die Stellenbilanz um 35 Tsd. Da dieser inzwischen
beendet ist, wird er im Juni die ausgewiesene Beschäftigungsveränderung in entsprechendem Umfang pushen. Aber selbst
unter Berücksichtigung dieser Einwände
verbleibt eine deutliche Dämpfung der
Beschäftigungsbilanz. Verstärkt wird dieser
Eindruck durch die breite Streuung der
Schwäche im Mai. Im Verarbeitenden
Gewerbe gingen 10 Tsd. Stellen verloren,
im Baugewerbe 15 Tsd. und im Bergbau
10 Tsd. Im privaten Dienstleistungssektor
wurden zwar 61 Tsd. zusätzliche Beschäftigungsverhältnisse geschaffen. Dies aber
war fast ausschließlich dem strukturell
expandierenden Erziehungs- und Gesundheitssektor zu verdanken, der ein Plus von
67 Tsd. erzielte. Damit zeichnet sich ab,
dass der Arbeitsmarktbericht für Mai zwar
einerseits ein Ausreißer nach unten gewesen ist. Andererseits gehen wir aber auch
davon aus, dass der über die letzten
Monate hinweg rückläufige Stellenaufbau
zumindest partiell auch eine Spätfolge des
schwachen Wachstums in den beiden Winterquartalen darstellt. Und dieser Effekt
könnte durchaus über die Sommermonate
hinweg anhalten. Allzu große Sorgen um
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Perspektiven Juli 2016
die Entwicklung des Arbeitsmarktes sind
aber nicht angebracht. So bewegen sich
z.B. die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe
nach wie vor in der Nähe ihrer historischen
Tiefs, ein klares Zeichen, dass es keine breit
angelegten Entlassungen gibt. Der Stellenaufbau sollte sich somit wieder verstärken,
sofern die Konjunktur im 2. Halbjahr weiter anzieht.
Ölpreisanstieg gibt Verbraucherpreisen
Auftrieb
Prozent
durchschn. Index
4
80
3
70
2
60
1
50
0
40
-1
Bessere Konjunkturaussichten für die
2. Jahreshälfte
30
10
11
12
13
14
15
16
Inflationsrate (l.S.)
ISM-Preiskomponenten (r.S.)
Quelle: Thomson Reuters Datastream; Prognosen Postbank
Diesbezüglich sind wir durchaus optimistisch. Der private Verbrauch zeigte zuletzt
schon wieder Anzeichen einer Beschleunigung. Was noch fehlt, sind vor allem lebhaftere Investitionen, die zuletzt doch arg
enttäuscht haben. Allerdings haben hier
Sondereffekte, wie der massive Rückgang
der Investitionen im Bergbau, eine Rolle
gespielt. Zudem dürfte die Investitionsneigung auch durch das unsichere globale
Umfeld und die sehr schwache Entwicklung der Exporte gebremst worden sein.
Hier ist jedoch Besserung in Sicht. Der
Druck seitens der außenwirtschaftlichen
Flanke hat bereits etwas nachgelassen.
Gewisse Abwärtsrisiken resultieren aber
aus dem Votum der britischen Wähler für
einen Austritt des Landes aus der EU. Hieraus möglicherweise entstehende negative
Auswirkungen auf die europäische Konjunktur sowie schwächere Finanzmärkte
könnten auch die US-Wirtschaft belasten.
Mit starken Auswirkungen rechnen wir
aber nicht.
Prognosen Postbank
USA
2015 2016e 2017e
Reales BIP in % ggü. Vj.
2,4
1,7
2,4
Privater Verbrauc h
3,1
2,7
2,4
Bruttoanlageinvestitionen
4,0
1,7
4,7
Staatsverbrauc h
0,7
1,4
1,6
Exporte
1,1
-0,4
2,4
Importe
4,9
1,4
4,0
Außenbeitrag*
-0,6
-0,3
-0,3
Lagerinvestitionen*
0,2
-0,5
-0,1
0,1
1,4
Inflationsrate in %
* Wachstumsbeiträge in % des BIP
2,3
Postbank Research
An unserer BIP-Prognose von 1,7% für
2016 halten wir vorläufig fest. Die Aufund Abwärtsrisiken bewerten wir als ausgeglichen. Für 2017 rechnen wir unverändert mit einem BIP-Wachstum von 2,4%.
Beschleunigung der Inflation lässt
noch auf sich warten
Die US-Verbraucherpreise sind im Mai um
0,2% gegenüber dem Vormonat gestiegen. Damit fiel das Plus etwas moderater
als im Vorfeld infolge des höheren Ölpreises erwartet aus. Dies war insbesondere
auf die Nahrungsmittelpreise zurückzuführen, die im Mai um 0,2% nachgegeben
haben. Ohne deren Berücksichtigung kletterten die Verbraucherpreise um 0,3%,
gestützt durch ein Plus in Höhe von 1,2%
bei den Energiepreisen. Die Kernverbraucherpreise ohne Energie und Nahrungsmittel legten erwartungsgemäß um 0,2% zu,
wodurch sich die Kerninflationsrate von
2,1% auf 2,2% erhöhte, während die
Inflationsrate um 0,1 Prozentpunkte auf
1,0% zurückging. Damit weist diese im
bisherigen Jahresverlauf noch keine
Anstiegstendenz auf, was sich aber zu
Beginn der 2. Jahreshälfte ändern sollte.
Bis zum Ende des Jahres könnte die Inflationsrate bis auf 2% klettern. Für 2016
rechnen wir unverändert mit einer durchschnittlichen Teuerungsrate von 1,4%, die
sich 2017 auf 2,3% beschleunigen sollte.
Heinrich Bayer
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Rentenmarkt: Brexit-Votum drückt Renditen
tiefer ins Minus
10-jährige Bundesanleihen erstmals
mit negativer Rendite
Am 14. Juni dieses Jahres war es soweit:
Erstmalig in der Geschichte wiesen 10-jährige deutsche Staatsanleihen mit -0,004%
eine negative Rendite auf. Damit einhergehend lag die Kapitalmarktkurve im gesamten Laufzeitenbereich von ein bis zehn Jahren im negativen Bereich. Der nachfolgende weitere Rückgang führte dazu, dass die
10-jährige Bundrendite mit -0,02% am 16.
Juni abermals ein historisches Tief markierte. Gleiches galt auch für die Renditen 2und 5-jähriger Bundesanleihen, die am
gleichen Tag auf -0,60% beziehungsweise
-0,50% nachgaben und damit ebenfalls
neue Rekordtiefstände verzeichneten.
Auf der einen Seite dürfte – wie auch in
der Vergangenheit – die im März abermals
expansiver gestaltete Geldpolitik der EZB
den erneuten Rückgang der Bundrenditen
befördert haben, wobei mit der Umsetzung eines Großteils der beschlossenen
Maßnahmen erst im Juni begonnen wurde.
Auf der anderen Seite spiegelten sich in
der Bewegung aber spätestens seit Anfang
des Monats auch die zunehmenden Sorgen
der Marktteilnehmer hinsichtlich des britischen Referendums über den EU-Verbleib
des Landes am 23. Juni wider, die verstärkte Fluchtbewegungen in den sicheren Hafen deutscher Staatsanleihen zur Folge hatten. Ab dem 17. Juni erfolgte dann jedoch
eine deutliche Gegenbewegung. Dies war
insofern eine Überraschung, da zu diesem
Zeitpunkt die Stimmung in den Meinungsumfragen wieder einmal gedreht hatte
und zahlreiche Befragungen nun eine
Stimmenmehrheit für die Befürworter eines EU-Austritts auswiesen. Dennoch wurde das Risiko eines Brexits an den Finanzmärkten in den folgenden Tagen sukzessive ausgepreist. So kletterte die 10-jährige
Bundrendite bis zum 23. Juni wieder bis
auf 0,09%. Insbesondere vor dem Hintergrund der gefühlten Sicherheit in den Tagen vor dem Referendum fielen dann die
Marktreaktionen am Tag danach umso
Postbank Research
Kapitalmarktzinsen mit Laufzeit bis zu
zehn Jahren im negativen Bereich
Rendite in %
0,0
0,0
-0,1
-0,1
-0,2
-0,2
-0,3
-0,3
-0,4
-0,4
-0,5
-0,5
-0,6
-0,6
-0,7
-0,7
0
2
4
6
8
Bundesanleihen: Laufzeit in Jahren
Aktuell
10
14.06.2016
Quelle: Thomson Reuters Datastream
kräftiger aus, wobei deutsche Bundesanleihen als sicherer Hafen besonders gefragt
waren. Die 10-jährige Bundrendite gab in
der Folge zwischenzeitlich um 27 Basispunkte auf -0,17% nach und lag schlussendlich bei -0,05% und damit um 15 Basispunkte unter ihrem Niveau vom Vortag.
Ähnliche Bewegungen – wenn auch etwas
weniger deutlich ausgeprägt – zeigten sich
bei Bundesanleihen mit 2- und 5-jähriger
Laufzeit, die auf -0,64% (-7 Basispunkte)
beziehungsweise -0,54% (-11 Basispunkte)
im Vortagsvergleich nachgaben. Am USRentenmarkt sank die Rendite 10-jähriger
Treasuries um 16 Basispunkte auf 1,58%,
während die Renditen von Staatsanleihen
der EWU-Peripherieländer in vergleichbarem Ausmaß Zuwächse zu verzeichnen
hatten.
Bank of England dürfte zeitnah ihren
Leitzins senken
Auch in den kommenden Wochen und
Monaten dürfte die Dynamik an den Rentenmärkten stark von den Nachwehen des
überraschenden Brexit-Votums geprägt
sein. Auch wenn sich am Status Quo zwischen Großbritannien und der EU durch
das Votum alleine zunächst nichts ändert –
bis zum Abschluss der noch nicht begonnenen Austrittsverhandlungen bleibt das
Land vollwertiges EU-Mitglied mit allen
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Perspektiven Juli 2016
Rechten und Pflichten – so sind doch aufgrund der hohen Unsicherheit negative realwirtschaftliche Effekte diesseits und jenseits des Ärmelkanals zu erwarten. Am
schnellsten dürften diese sich darin zeigen,
dass Investitionen – insbesondere exportorientierter Unternehmen – aufgeschoben
oder sogar vollständig ausgesetzt werden.
Wir gehen vor diesem Hintergrund davon
aus, dass die Bank of England (BoE) kurzfristig ihren Leitzins von 0,5% auf 0,25%
absenken wird, um die negativen Auswirkungen auf die britische Konjunktur abzufedern. So hat der Gouverneur der BoE,
Mark Carney, hierzu bereits am Tag nach
dem Referendum eine gewisse Bereitschaft
signalisiert, zugleich aber darauf hingewiesen, dass insbesondere die nun anstehenden politischen Entscheidungen zur konkreten Ausgestaltung des EU-Austritts die
langfristige realwirtschaftliche Entwicklung
in Großbritannien bestimmen werden.
Keine geldpolitische Lockerung in der
EWU und den USA zu erwarten
Demgegenüber gehen wir aktuell nicht davon aus, dass die EZB sowie die Fed sich
der BoE anschließen und – über ´normale`
konzertierte Krisenmaßnahmen hinaus –
ihre Geldpolitik ebenfalls expansiver gestalten werden. Für die EZB liegt diese Einschätzung insbesondere darin begründet,
dass die bestehenden Programme noch
hinreichend Spielraum bieten, auch ohne
den Beschluss neuer Maßnahmen auf negative Marktentwicklungen – wie beispielsweise eine deutliche Ausweitung der Renditespreads bei Staats- und Unternehmensanleihen in den EWU-Peripherieländern –
zu reagieren. Zum einen wurde das Volumen des laufenden Anleiheankaufprogramms im April von 60 auf 80 Mrd. Euro
angehoben. Zum anderen wurde das Programm erst mit Wirkung zum 8. Juni dahingehend erweitert, dass nun auch Unternehmensanleihen angekauft werden können. Dabei hat die EZB bisher erst Corporates mit einem Gegenwert von 4,9 Mrd. Euro in ihren Bestand genommen. Vor diesem Hintergrund ergibt sich somit ein erheblicher Spielraum, einer unerwünschten
Ausweitung der Renditespreads in der
EWU-Peripherie – auch ohne eine Verän-
Postbank Research
Bank of England wird Leitzins senken,
EZB wartet ab
derung des Gesamtvolumens oder der
Laufzeit des QE-Programms – durch gezielte Käufe von Staats- oder Unternehmensanleihen seitens der EZB entgegenzuwirken. Auch das Ergebnis der Ausschreibung
des ersten von vier zielgerichteten Langfristtendern für Banken im Euroraum
(TLTRO-2) Ende vergangener Woche zeigt,
dass im Rahmen der bereits beschlossenen
geldpolitischen Lockerungsmaßnahmen
noch Luft nach oben ist. So wurden zwar
von den Banken auf den ersten Blick beträchtliche 399 Mrd. Euro in Anspruch genommen. Dabei lag die Netto-Kreditaufnahme aber lediglich bei 31 Mrd. Euro, obwohl TLTRO-2 unter bestimmten Voraussetzungen für die Banken eine Refinanzierung über einen Zeitraum von vier Jahren
nebst Zinsprämie in Höhe des aktuellen
Einlagensatzes (-0,40%) ermöglicht. Eine
erneute Absenkung der Leitzinsen – die im
aktuellen Umfeld ohnehin wenig zielführend wäre – ist aus unserer Sicht nur im
Falle einer erheblichen Abschwächung der
Konjunktur oder eines nochmaligen Rückgangs der Inflationsrate im Euroraum zu
erwarten. Dies halten wir aktuell nicht für
wahrscheinlich, wobei hinsichtlich der konjunkturellen Dynamik die Risiken durch das
Brexit-Votum aber zugenommen haben.
Auch die US-Notenbank Fed dürfte trotz
des negativen Votums der britischen Wähler unverändert an ihrer Absicht festhalten,
den Leitzins sukzessive weiter anzuheben.
Nachdem zahlreiche Fed-Offizielle in den
vergangenen Wochen und Monaten bei
verschiedenen Anlässen immer wieder auf
einen möglichen Brexit als wesentliches
Seite 11
Perspektiven Juli 2016
Staatsanleihen erst gegen Ende des
Jahres wieder mit höheren Renditen
Prozent
5,0
5,0
4,0
4,0
3,0
3,0
2,0
2,0
1,0
1,0
0,0
0,0
-1,0
2008
politik seitens der EZB dürfte auch ohne eine nochmalige Ausweitung einen nachhaltigen Anstieg der Bundrenditen – zumindest bis zum aktuell avisierten Ende des
Anleiheankaufprogramms im März 2017 –
verhindern. Mit steigenden US-Zinsen erwarten wir auf Jahressicht weiterhin einen
lediglich moderaten Zuwachs der 10-jährigen Bundrendite auf 0,40%.
Dr. Lucas Kramer
-1,0
2010
2012
2014
2016
10-j. Bundrendite
10-j. Treasury-Rendite
Quelle: Thomson Reuters Datastream; Prognosen Postbank
Risiko für die Stabilität an den internationalen Finanzmärkten hingewiesen haben,
halten wir aber an unserer bisherigen Einschätzung fest, dass die Fortsetzung der im
Dezember vergangenen Jahres eingeleiteten Zinswende erst gegen Ende des Jahres
erfolgen wird, obwohl die Risiken für die
US-Konjunktur durch das Brexit-Votum sicherlich geringer sind als beispielsweise für
die Eurozone. Auch wenn es sich beim
überraschend schwachen US-Arbeitsmarktbericht für Mai potenziell um einen statistischen Ausreißer gehandelt haben dürfte,
sollte dieser ebenfalls dazu beitragen, dass
die FOMC-Mitglieder – wie sie es immer
wieder betont haben – an einem vorsichtigen Anpassungspfad für den US-Leitzins
festhalten. Hierfür spricht auch die zu erwartende Aufwertung des Dollars aufgrund von Kapitalflucht in die als sicherer
Hafen geltende US-Währung. Der Leitzins
dürfte daher Ende 2016 bei 0,50-0,75%
liegen und auf Sicht von zwölf Monaten
auf 0,75-1,00% steigen.
Prognosen Postbank
Postbank Research
in 3 M
in 12 M
0,00
0,00
0,00
Leitzinsen in %
Euroraum
Nachdem die Flucht in den sicheren Hafen
infolge des Brexit-Votums am 23. Juni zu
deutlichen Rücksetzern bei den Renditen
von Staatsanleihen diesseits und jenseits
des Atlantiks geführt hat, dürfte sich ein
nachhaltiger Anstieg nochmals verzögern.
Vor dem Hintergrund der erwarteten Reaktionen der Notenbanken sollte die Rendite
10-jähriger US-Treasuries bis zum Jahreswechsel zunächst nur auf 1,90% zulegen.
Mit der graduellen Anhebung der US-Leitzinsen erwarten wir weiterhin auf Sicht
von zwölf Monaten einen Anstieg auf
2,30%. Die anhaltend ultraexpansive Geld-
27.06.
USA
0,25-0,50 0,25-0,50 0,75-1,00
Japan
-0,10
-0,10
-0,10
UK
0,50
0,25
0,25
Renditen 10 Jahre in %
Bunds
-0,12
0,00
0,40
US-Treas.
1,44
1,70
2,30
Jap. JGBs
-0,20
-0,10
0,10
Brit. Gilts
0,93
1,10
1,50
Spreads ggü. Bunds in Basispunkten
10j. Swap
50
35
30
EWU-Corp.
103
100
80
Quelle: Bloomberg, Thomson Reuters Datastream
Seite 12
Perspektiven Juli 2016
Aktienmarkt: Wall Street wird vorübergehend zum Outperformer
Kurserholung vor UK-Referendum kam
zu früh
Erstens kommt es anders, zweitens als
man denkt
Im Vorfeld des Referendums über einen
Austritt Großbritanniens aus der EU hatten
sich die Notierungen an vielen Börsen
erholt. Die Chance, dass das Referendum
scheitern könnte, schien den Umfragen
sowie den Quoten der Buchmacher zu
Folge gegeben. In den Morgenstunden des
24. Juni folgte dann die Ernüchterung. Die
Stimmenauszählung zeigte, dass 51,9%
der Briten für einen Austritt ihres Landes
aus der EU gestimmt hatten.
Zunächst legten die Kurse an den asiatischen Märkten den Rückwärtsgang ein.
Hier hatten die Börsen geöffnet, als sich
der Wahlausgang abzeichnete. Am
Kabutocho schloss der Topix 7,3% schwächer. Die europäischen Märkte starteten
mit deutlichen Abschlägen in den Handelstag. Der DAX beispielsweise verlor in den
ersten Handelsminuten rund zehn Prozent
an Wert. Im Handelsverlauf erholten sich
die Notierungen moderat und der deutsche Leitindex schloss 6,3% schwächer.
Viele Anleger sorgten sich offenbar auch
um den Fortbestand der Eurozone. Denn
mit Abschlägen von jeweils deutlich mehr
als zehn Prozent standen die Leitindizes
aus Italien, Spanien und Griechenland
besonders im Wind. Auch in London gaben die Notierungen nach. Der FTSE 250,
der mit dem deutschen MDAX vergleich-
Postbank Research
bar ist, büßte 7,2% ein. Die Blue Chips, die
im FTSE 100 gelistet sind, zeigten sich
dagegen vergleichsweise stabil. Der FTSE
100 schloss lediglich 3,1% schwächer. Die
deutlich geringere Abhängigkeit vom
europäischen Markt im Allgemeinen und
vom britischen im Speziellen reduziert die
möglichen negativen Folgen eines Brexit
für diese Firmen. Das gleiche Bild war auch
an der Wall Street zu beobachten. Hier
lasteten weniger die Furcht vor den Auswirkungen eines Brexit, als vielmehr die
Sorgen vor einem längerfristig starken
Greenback auf der Stimmung der Anleger
und somit auf der Kursentwicklung. Der
Standard & Poor‘s 500 zeigte mit -3,6%
einen mit dem des FTSE 100 vergleichbaren Kursrückgang.
Am 27. Juni legten die Notierungen am
Kabutocho wieder zu und auch in Europa
starteten die Börsen einen Erholungsversuch. Dieser war noch nicht von Erfolg
gekrönt. Die möglichen negativen Auswirkungen eines Brexit für Europa im Allgemeinen und Großbritannien im Speziellen
sind noch zu unbestimmt, als dass sich
Anleger offenbar klar positionieren möchten. Ein wichtiger Punkt für Firmen auf
beiden Seiten des Ärmelkanals ist beispielsweise, ob es auch künftig einen freien
Handel zwischen Großbritannien und der
EU geben wird. Viele Unternehmen
werden aber nicht abwarten, bis die
Fakten geschaffen wurden. Sie überdenken heute schon ihre regionalen Investitionspläne mit Blick auf mögliche Szenarien.
Kurseinbruch von historischer
Dimension?
Der Kursabschlag von 6,3% für den DAX
schafft es auf Platz drei der schwächsten
Handelstage des deutschen Leitindex. Platz
zwei hält die Lehman-Pleite mit einem
Minus von 7,1% am 6. Oktober 2008. Mit
deutlichem Abstand belegt der 16. Oktober 2008 (-12,8%) den Spitzenplatz.
Firmenübernahmen hatten damals die Wall
Street befeuert. Als ein großer Deal
platzte, platzte auch die Blase.
Seite 13
Perspektiven Juli 2016
DAX, Euro Stoxx 50 und Topix fallen in
Bereich ihrer Jahrestiefs zurück
Indizes, indexiert 31.12.15 = 100
105
105
100
95
90
85
80
Feb
DAX
S&P 500
Mrz
Apr
2016
Mai
40
95
35
35
90
30
30
85
25
25
20
20
15
15
Jun
10
Euro St. 50
Topix
10
2015
2016
DAX
S&P 500
Euro St. 50
Quelle: Thomson Reuters Datastream
Zunächst wird die Unsicherheit in
Europa dominieren
Deutliche Kursschwankungen der Aktienaber auch der Volatilitätsindizes prägen
den bisherigen Jahresverlauf. Daran wird
sich nach unserer Einschätzung in den
kommenden Wochen nichts ändern. Dies
gilt insbesondere für die Kursentwicklung
von DAX und Euro Stoxx 50. Unter dem
Eindruck des Brexit-Votums der Briten
erwarten wir beide Indizes auf Sicht von
drei Monaten in einem ausgeprägten Seitwärtstrend, dessen obere Begrenzung beispielsweise beim DAX die 10.000er Marke
darstellen sollte. Erst wenn absehbar ist,
wie die Austrittsverhandlungen mit Großbritannien gestaltet werden können, dürfte
die Unsicherheit langsam abebben. Erst
dann werden die Marktteilnehmer nach
unserer Ansicht wieder offen für harte
Fakten sein. Gute Unternehmensberichte
sollten bis dato maximal auf Einzelwertebene positive Kursreaktionen generieren
können.
S&P 500 zunächst als Outperformer
Besonders in diesem Zeitfenster wird der
S&P 500 sowohl den DAX als auch den
Euro Stoxx 50 outperformen. Die räumliche Entfernung und die daher geringeren
Einflüsse der Brexit-Diskussionen sind ein
wichtiger Pluspunkt. Aber vor allem erwirtschaften US-Unternehmen das Gros ihrer
Umsätze und Gewinne im Heimatmarkt.
Die im S&P 500 gelisteten Firmen erzielen
Postbank Research
45
100
75
Jan
Volatilitätsindizes
45
40
80
75
Unsicherheit in Europa erhöht – dies
dürfte nach Brexit-Votum so bleiben
Quelle: Thomson Reuters Datastream
beispielsweise nur 17% ihrer Gewinne in
Europa. Sie sollten daher mehrheitlich solide Quartalsberichte abliefern und über positive Geschäftsaussichten berichten. Denn
nach den Aussagen internationaler Topmanager sind die Geschäftsaussichten für ihr
eigenes Unternehmen meist gut. Dies
bekundeten rd. 90 Prozent der Teilnehmer
des seit dem 27. Juni in Tianjin, China,
tagenden World Economic Forum.
Langfristig bleiben wir aber auch für DAX
und Euro Stoxx 50 optimistisch gestimmt.
Die Köpfe werden zwar zunächst in den
Führungsetagen rauchen, aber sie werden
mit geeigneten Strategien dem Austrittswusch der Briten begegnen und ihre
Produktionsprozesse und Warenwege
entsprechend modifizieren. Spätestens
nach dem Jahreswechsel sollten DAX und
Euro Stoxx 50 aus dem Seitwärtstrend
nach oben ausbrechen. 12.000 Punkte
erscheinen aus heutiger Sicht für den DAX
zwar nahezu unerreichbar weit entfernt.
Bei einem positiven und zügigen Verlauf
der Gespräche sowie einer Belebung der
globalen konjunkturellen Entwicklung
bleiben sie aber noch erreichbar.
Heinz-Gerd Sonnenschein
Prognosen Postbank
27.06.
in 3 M
in 12 M
DAX
9.269
9400-9600
11900-12100
Euro St. 50
2.697
2650-2850
3400-3600
S&P 500
2.001
2025-2125
2250-2350
Topix
1.226
1200-1300
1400-1500
Quelle: Bloomberg
Seite 14
Perspektiven Juli 2016
Marktprognosen Juli 2016
Zinsen in %
Euroraum
Refisatz
3-Monats-Euribor
2-j. Bunds
10-j. Bunds
USA
Fed Funds Rate
3-Monats-Libor
2-j. Treasuries
10-j. Treasuries
EUR/USD-Spreads in Basispunkten
3-M-Geld: Euribor ./. USD-Libor
10 J.: Bunds ./. Treasuries
Japan
Overnight Call Rate
10-j. Staatsanleihen (JGB’s)
UK
Base Rate
10-j. Staatsanleihen (Gilts)
27.06.16
in 3 Monaten
in 6 Monaten
in 9 Monaten
in 12 Monaten
0,00
-0,28
-0,65
-0,12
0,00
-0,25
-0,60
0,00
0,00
-0,25
-0,50
0,10
0,00
-0,25
-0,50
0,30
0,00
-0,25
-0,50
0,40
0,25-0,50
0,63
0,59
1,44
0,25-0,50
0,65
0,70
1,70
0,50-0,75
0,90
1,00
1,90
0,50-0,75
0,90
1,10
2,10
0,75-1,00
1,15
1,30
2,30
-91
-156
-90
-170
-115
-180
-115
-180
-140
-190
-0,10
-0,20
-0,10
-0,10
-0,10
-0,10
-0,10
0,00
-0,10
0,10
0,50
0,93
0,25
1,10
0,25
1,20
0,25
1,40
0,25
1,50
27.06.16
in 3 Monaten
in 6 Monaten
in 9 Monaten
in 12 Monaten
50
-6
103
508
35
-5
100
500
35
-5
90
480
30
-5
80
460
30
-5
80
450
27.06.16
in 3 Monaten
in 6 Monaten
in 9 Monaten
in 12 Monaten
1,1038
112,40
0,8354
1,0790
7,3444
1,10
110
0,85
1,10
7,40
1,05
105
0,85
1,10
7,40
1,05
105
0,85
1,10
7,35
1,00
100
0,85
1,10
7,00
27.06.16
in 3 Monaten
in 6 Monaten
in 9 Monaten
in 12 Monaten
46,04
1.325
40
1.350
45
1.350
50
1.300
50
1.250
Swap/Credit Spreads in Basispunkten
10-j. Swaps ./. Bunds
5-j. Pfandbriefe ./. Swaps
EWU Corporates A-Rated ./. Bunds
US Corporates B-BB-Rated ./. Treasuries
Wechselkurse
US-Dollar (EUR/USD)
Japanisc her Yen (EUR/JPY)
Britisc hes Pfund (EUR/GBP)
Schweizer Franken (EUR/CHF)
Chinesisc her Renminbi (EUR/CNY)
Commodities
Rohöl Brent Spot ($/Barrel)
Gold Spot ($/Feinunze)
Aktien
27.06.16
KGV
2016e
DAX
Euro Stoxx 50
Standard & Poor's 500 *
Topix
* KGV mit operativen Gewinnen gerechnet
9.269
2.697
2.001
1.226
Kursziel
in 3 Monaten
in 12 Monaten
2017e
11,7
12,4
17,1
11,4
10,6
9400-9600
11900-12100
11,0
2650-2850
3400-3600
15,0
2025-2125
2250-2350
10,6
1200-1300
1400-1500
Quelle: Bloomberg, Thomson Reuters Datastream, IBES
Konjunkturprognosen Juli 2016
BIP, real
in % ggü. Vq., sb.
Deutschland
Euroraum
USA
Japan
Q1
2016
Q2e Q3e
Q4e
Q1
2017e
Q2
Q3
Q4
0,7
0,6
0,2
0,4
0,2
0,3
0,5
-0,2
0,5
0,4
0,6
0,3
0,4
0,4
0,6
0,3
0,4
0,3
0,6
0,4
0,4
0,3
0,5
0,3
Postbank Research
0,5
0,4
0,6
0,3
0,4
0,3
0,5
0,4
2015
1,7
1,6
2,4
0,6
BIP, real
in % ggü. Vj.
2016e
2017e
1,8
1,5
1,7
0,3
1,5
1,4
2,4
1,0
Inflationsrate
in %
2015
2016e
2017e
0,3
0,0
0,1
0,8
0,5
0,2
1,4
0,0
1,5
1,3
2,3
1,0
Seite 15