SÜDWESTRUNDFUNK Anstalt des öffentlichen Rechts Radio Fernsehen Internet PRESSE Information Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an. Feleknas Uca, türkische Parlamentsabgeordnete (HDP), gab heute, 30.06.16, dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema: „Türkisch-europäisches Verhältnis.“ Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Marion Theis. Mit freundlichen Grüßen Zentrale Information Chefredaktion Hörfunk Zentrale Information SWR Tagesgespräch Postadresse 76522 Baden-Baden Hausadresse Hans-Bredow-Straße 76530 Baden-Baden Telefon Telefax 07221/929-23981 07221/929-22050 Internet www.swr2.de Datum: 30.06.2016 Kurdenpolitikerin Uca: EU muss mehr Druck auf Türkei ausüben Baden-Baden: Die kurdische Abgeordnete im türkischen Parlament Feleknas Uca, HDP, hat ihre Regierung aufgefordert, mehr auf die EU zuzugehen. Die Türkei wolle zwar Mitglied in der EU werden, erfülle aber immer noch nicht die rechtsstaatlichen Kriterien, bemängelte Uca im SWR (Südwestrundfunk). Europa müsse deshalb auf mehr Demokratie drängen. Es könne nicht angehen, dass die Türkei von der EU Solidarität fordere, sich aber nicht für ein besseres Zusammenleben mit Europa einsetze, kritisierte Uca. Zusammenarbeit und Kooperation zwischen Türkei und EU seien wichtig, doch die EU solle mehr Druck auf Erdogan ausüben, verlangte die Politikerin. Erdogan müsse auf den „richtigen Weg“ gebracht werden, nämlich in Richtung Europa, für eine demokratische Türkei, für den Friedensprozess und für die Lösung der kurdischen Frage, meinte Uca. Die HDP-Politikerin warnte davor, den türkischen Bürgern Visafreiheit zu gewähren, bevor ein neuer Friedensprozess mit den Kurden beginne. Ansonsten würden möglicherweise viele kurdische Flüchtlinge nach Europa kommen. Damit solle die EU sich auseinandersetzen, forderte Uca. Wortlaut des Live-Gesprächs: Theis: Sie sind gerade in Berlin und fliegen heute zurück in die Türkei. Nach einer Anschlagserie, wahrscheinlich des IS. Mit welchem Gefühl? Uca: Ein sehr mulmiges Gefühl, vor allem die Ungewissheit, was gerade wieder passiert. Das ist nicht der erste Anschlag. Ich möchte heute Morgen auch gedenken an alle Opfer des Terroranschlages vom Flughafen. Innerhalb eines Jahres sind durch verschiedene Anschläge 279 Menschen ums Leben gekommen, und das ist schon ein sehr mulmiges Gefühl. Theis: Der Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Sofuoglu, hat die EU zu mehr Solidarität mit der Türkei aufgefordert. Wünschen Sie sich das auch? Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Uca: Solidarität bedeutet meiner Meinung nach auch enge Zusammenarbeit, aber es kann nicht sein, dass die Türkei immer nur von Solidarität spricht und sich nicht für Kriterien oder besseres Zusammenleben einsetzt, und da denke ich ist diese Solidarität ein bisschen zu weit auf der Tagesordnung geschrieben. Theis: Was meinen Sie, die Türkei setzt sich nicht für ein besseres Zusammenleben ein? Sagen Sie ein einmal ein Beispiel, bitte? Uca: Ich zitiere ein Bespiel: Wenn man nur von Europa verlangt, dass man Solidarität zeigen sollte, aber selber der EU nicht nachkommt und sich nicht dafür einsetzt, dass die Kopenhagener Kriterien umgesetzt werden, dann kann man nicht nur von der EU etwas verlangen. Die Türkei muss auch selber etwas für sich tun. Die Türkei will ja in die EU, aber die Kopenhagener Kriterien sind bis heute noch nicht umgesetzt. Die Verhandlungen und die Gespräche finden statt, aber es ist noch nicht soweit, dass die Türkei sich dementsprechend in der Frage aufgebaut hat. Schauen wir uns mal die Flüchtlingspolitik an. Alle sagen immer nur: Die Türkei sagt ja, ich bin ein sicheres Herkunftsland, aber es gibt auch bei der Visa-Freiheit die Diskussion innerhalb der EU, wo gesagt wird, da müssten aber noch die 75 Forderungen umgesetzt werden, und bis jetzt sind nicht alle Forderungen umgesetzt. Theis: Die Türkei hat aber immerhin der EU einen großen Gefallen getan. Sie hat nämlich mit ihrer Politik, mit der Art und Weise, wie sie die Flüchtlinge behandelt, dazu beigetragen, dass nur noch wenige nach Europa kommen. Ist das nicht das, was im Moment am wichtigsten ist? Uca: Es ist wichtig, dass man engere Zusammenarbeit und Kooperation hat, aber schauen wir uns mal an: Sie sagen, es kommen weniger Flüchtlinge. Es kommen weniger Flüchtlinge, weil die ganzen Grenzen zu sind. Nicht, weil die Türkei alle Flüchtlinge stoppt und die Türkei alle Flüchtlinge betreut. Die Frage ist, es geht hier um Millionen von Flüchtlingen, aber wie viele Tausende von Flüchtlingen werden in den Camps denn noch betreut? Was ist mit den ganzen anderen Flüchtlingen in diesem Lande? Wie werden sie denn in den Flüchtlingscamps behandelt und aufgenommen, und wie sieht die Zukunft dort aus? Die Türkei gilt als ein sicheres Herkunftsland, aber in diesem Land geht die Türkei und vor allem das Militär massiv auch gegen die eigene kurdischen Bevölkerung vor, und für mich kann die Türkei da nicht als sicheres Herkunftsland gelten, A. B geht es jetzt auch darum, wenn man die Frage stellt, kommen weniger Flüchtlinge? Aber es sind immer mehr Flüchtlinge, die ertrinken auf dem Weg raus aus der Türkei und auch innerhalb des Landes. Und da ist natürlich eine Frage die man hier stellen muss: Wie sicher ist das Land noch? Theis: Immerhin trägt ja dieses Abkommen dazu bei, dass es wieder ein Gespräch gibt, dass man in Verhandlungen ist mit der EU. Sind diese Gespräche nicht eine gute Gelegenheit, um zumindest in Kontakt zu bleiben mit der EU, auch mit Deutschland? Uca: Nein, das auf jeden Fall. Das sollte man auch machen. Ich bin nicht dagegen, dass man jetzt komplett alle Kontakte abbrechen sollte. Ich bin dafür, dass man mehr Druck ausüben sollte. Dass die Gespräche weiter fortgeführt werden und mit dem Druck, dass Erdogan wieder auf den richtigen Weg gleitet wird und zwar Richtung Europa, für eine demokratische Türkei, für den Friedensprozess, für die Lösung der kurdischen Frage. Theis: Die EU nutzt ja diese angedachte Visa-Freiheit für türkische Bürger als Druckmittel. Ist das nicht eine gute Methode? Uca: Wir müssen uns die Frage stellen, wenn es um die Visa-Freiheit geht. Aber im Hintergrund sollten wir nicht vergessen, was passiert überhaupt, wenn die Visa-Freiheit gegeben ist und dieser Krieg in der Türkei weiterhin fortgeführt wird? Dann bedeutet das, dass immer mehr Menschen nach Europa kommen werden und auch viele Terroristen des IS sich einschleichen könnten, und das wäre vielleicht auch noch mal ein Problem, mit dem man sich genauer auseinandersetzen sollte. Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) - Ende Wortlaut - Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
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