Die Konstruktion von Geschlecht
Bärbel Gisela Ohrmundt
veröffentlicht unter den socialnet Materialien
Publikationsdatum: 20.06.2016
URL: http://www.socialnet.de/materialien/27598.php
Fachhochschule Kiel
Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit
Sokratesplatz 2
24149 Kiel
Die Konstruktion von Geschlecht
Abgabetermin 09.01.2012
Bachelor Soziale Arbeit
Modul 3 - Gender
Geschlechterfragen in der
Sozialen Arbeit
Wintersemester 2011/12
Prüferin Frau Professorin
Dr. Melanie Plößer
Bärbel Gisela Ohrmundt
ZZZZZZZZZZ
ZZZZZZZZZZ
Telefon: ZZZZZZZZ
Email: ZZZZZZZZZZ
Matrikelnr.: ZZZZZZ im 2. Semester/BASA
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung: Geschlecht.............................................................................................3
1.1 Kategorisierung des Geschlechts........................................................................3
1.2 Geschlecht und Gesellschaft.............................................................................3,4
2 Geschlechtskonstruktion.........................................................................................4
2.1 Geschlecht........................................................................................................... 4,5
2.2 Die Nicht-Natürlichkeit des Geschlechts.............................................................5
2.3 Biologische Ansätze der Unterschiede der Geschlechter...............................5,6
2.4 Sex und Gender.....................................................................................................6
3 Ansätze der geschlechtsspezifischen Sozialisationsforschung...........................7
3.1 Geschlechterdifferenz aus psychoanalytischer Sicht......................................7,8
3.2 Geschlechterdifferenz aus lerntheoretischer Sicht..........................................8,9
3.3 Geschlechterdifferenz aus soziologischer Sicht..........................................10,11
4 Analyse und Aussichten zur Geschlechtskonstruktion.......................................11
4.1 Doing gender...................................................................................................12,13
4.2 Geschlechtsidentität.......................................................................................13-15
4.3 Perspektiven auf Veränderung/Entwicklungen von Geschlecht.................15,16
4.4 Bedeutung der Konstruktion von Geschlecht..............................................16,17
5 Fazit/Resümee....................................................................................................17-19
6 Quellennachweis...............................................................................................,20,21
2
1 Einleitung: Geschlecht
1.1 Kategorisierung des Geschlechts
Im täglichen Leben werden die Menschen in die Kategorie weiblich und männlich
eingeteilt. Dies geschieht scheinbar automatisch und wird als selbstverständlich
angesehen - und zwar so selbstverständlich, dass über diese Einteilung von weiblich
und männlich so gut wie keine Kommunikation stattfindet. Die Menschen sehen diese
Kategorisierung überwiegend als natürlich an. Das bedeutet diese Einteilung wird nicht
in Frage gestellt, sie läuft größtenteils unbewusst ab und stellt sich als Geschlechterordnung unserer Gesellschaft dar.
In der Genderforschung wird diese Natürlichkeit der Geschlechter und des binären,
also zweigeteilten Geschlechtersystems in Frage gestellt. So wies schon Simone de
Beauvoir darauf hin, dass „…es in der menschlichen Gesellschaft nichts Natürliches
gibt…“(Steins 2008, S. 13 zit. n. de Beauvoir 1951, S. 675).
1.2 Geschlecht und Gesellschaft
Angefangen mit der geschlechtsspezifischen Sozialisationsforschung über die soziale
Konstruktion von Geschlecht stelle ich anerkannte Theorien vor, die deutlich machen,
dass Geschlecht keine natürliche sondern eine soziale Kategorie ist. Dabei definiere
ich grundlegende Begriffe, die für das Thema „Die Konstruktion von Geschlecht“ wichtig sind.
Durch die anschließende Erklärung was „doing gender“ bedeutet wird klar, wie stark
die Strukturen des binären Geschlechtersystems im Individuum, als ein funktionierendes Mitglied in unserem Gesellschaftssystem, manifestiert sind und die
Individuen aktiv an der Beibehaltung und Gestaltung dieses Systems mitwirken.
Darauffolgend wird erörtert inwieweit die Geschlechtsidentität die Grundlage zum
Funktionieren des Individuums in unserer Gesellschaft ist.
3
Danach wage ich einen Ausblick auf die Veränderungen und Entwicklungen zum
Thema Geschlechtskonstruktion. Im Schluss des Hauptteiles erläutere ich die Bedeutung der Konstruktion von Geschlecht für die Profession der Sozialen Arbeit.
Das Ziel der Hausarbeit ist es einerseits durch das in Fragestellen der Natürlichkeit von
Geschlecht ein neues Bewusstsein zu entwickeln, kritisch mit der Einteilung in
Geschlechtern umzugehen und so neue Wege für das gesellschaftliche Zusammensein zu finden und bereits gefundene, neue Lebensweisen zu respektieren.
Zum anderen geht es darum, dieses Wissen in der Profession der Sozialen Arbeit zu
Gunsten der Klientinnen und Klienten anzuwenden und ihnen eine bessere Hilfe zur
Selbsthilfe an die Hand zu geben.
2 Geschlechtskonstruktion
„Es muß (!) nochmals darauf hingewiesen werden, dass es in der menschlichen
Gesellschaft nichts Natürliches gibt…“(Steins 2008, S. 13 zit. n. de Beauvoir
1951, S. 675).
De Beauvoir geht in diesem Satz davon aus, der Mensch gestaltet die Gesellschaft.
Die Gesellschaft ist eingeteilt in Frauen und Männer. Eine Gesellschaftsordnung ist die
Ordnung der Geschlechter (vgl. Hof 2005, S. 3). Zimmermann zeigt die Bedeutung des
Geschlechts in der Gesellschaft mit seiner Aussage:
Kein anderes Merkmal hat so grundsätzliche Auswirkungen auf die Sozialisation wie die
Geschlechtszugehörigkeit. (...)Fundamental ist die Geschlechtszugehörigkeit auch deshalb,
weil sie ähnlich wie die Hautfarbe lebenslang festgelegt ist“ (Zimmermann 2003, S. 187).
Im Folgenden wird ‚Geschlecht’ definiert und wie die Einteilung in weiblich und
männlich erfolgte.
2.1 Geschlecht
Geschlecht ist die Kategorisierung von Frauen und Männern als „weiblich“ und
„männlich“. Der Ursprung des Wortes „Geschlecht“ ist
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aus dem Althochdeutschen
„gislahti“ und bedeutet „was in dieselbe Richtung schlägt“ (Meyers Enzyklopädisches
Lexikon 1974, S. 207). Diese Definition beinhaltet keine Differenz.
Unter der genannten Ursprungsbedeutung erscheint die Definition für Sexus. Hier wird
in der Aufgabe der Fortpflanzung unterschieden in weiblich und männlich (ebd.),
dadurch erfolgt die Herstellung einer Differenz ohne Wertung, d. h. die Differenz ist
weder positiv noch negativ.
Wie die Ungleichheit von Geschlecht entstand, weil die Geschlechter als nicht mehr
gleichwertig angesehen wurden, wird im nächsten Abschnitt erörtert.
2.2 Die Nicht-Natürlichkeit des Geschlechts
Innerhalb der Geschichte vollzog sich die Wertung der Geschlechter im Abendland mit
der Alphabetschrift. Der männliche Körper wurde das Symbol für Logik und abstraktes
Denken, für die „Vatersprache“ - alles Schriftliche, also alles mit Bestand. Der weibliche
Körper für Sexualität, Körperlichkeit und der damit verbundenen Sterblichkeit, für die
„Muttersprache“ - alles Mündliche, nicht Greifbare und Unberechenbare.
Es entwickelte sich eine Geschlechterordnung, die einteilte und damit wertete und über
Jahrhunderte die Rollen der Geschlechter bestimmte und deren Einteilung die
Markierung „natürlich und biologisch“ erhielt (vgl. von Braun 2006, S. 14). Diese
Einteilung von Männer und Frauen erzeugte eine Differenz mit Wertung, die auch
konträr hätte ausfallen können, das bedeutet, die Rolle des Weiblichen als Dominanz
unter der Prämisse des Gebärens.
Die Differenz, die Unterschiede (vgl. Duden 2011, S. 249), der Geschlechter werden
biologisch erklärt. Inwieweit
die biologische Erklärung für Geschlechterrollen
ausreichend ist oder ob diese Argumentation für die Einteilung in weiblich und
männlich unzureichend ist, wird in der Betrachtung der Geschlechterdifferenz aus
biologischer Sicht deutlich.
2.3 Im Rahmen biologischer Ansätze werden die Unterschiede der Geschlechter
über körperliche Merkmale zu erklären versucht (vgl. von Braun/ Stephan 2006, S. 19).
Allerdings weist Annette Treibel darauf hin, dass die biologischen Unterschiede nicht
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alles erklären können: „Die soziale Geschlechterdifferenz ergibt sich nicht ‚automatisch’
aus der biologischen“ (Treibel 2006, S. 102).
Leonhard, Evolutionsbiologe, unterstreicht diese Erkenntnisse durch seinen Hinweis,
es wäre naiv von der Möglichkeit einer unmittelbaren Verhaltenssteuerung durch Gene
auszugehen und damit Geschlechtsunterschiede erklären zu wollen (vgl. Zimmermann
2003, S. 196f.). Hinzu kommt die biologische Tatsache, dass das Gehirn von Kindern
sich entwickeln muss und nicht fertig, auch nicht genetisch fertig ist, wenn sie geboren
werden (ebd.). Geschlecht wird zunehmend auch binär definiert als
2.4 Sex und Gender
Zum ‚Geschlecht’ gibt es in der anglo-amerikanischen Sozialwissenschaft zwei
Begriffe. Sex für das biologische Geschlecht und Gender für das soziale Geschlecht
(vgl. Treibel 2006, S. 102). Die einfache Definition von ‚Geschlecht’ wird ergänzt und
erweitert durch die differenzierte Definition von Gender und zeigt wie der Begriff
‚Gender’ konstruiertes Geschlecht aufdeckt.
Warum Gender ein neues Umgehen mit Geschlecht bedeutet begründen Christina von
Braun und Inge Stephan:
Der Vorteil der Kategorie gender gegenüber dem Begriff ‚Geschlecht’ liegt auf der Hand.
Durch die Differenzierung zwischen sex und gender kann eine Unterscheidung zwischen
biologischem und sozialem Geschlecht getroffen werden, die im deutschen Sprachgebrauch
in dieser Weise nicht möglich ist. Die stillschweigende Festschreibung von Männlichkeit und
Weiblichkeit auf angeblich unhintergehbare biologische und/oder epistemologische kann
aufgesprengt werden. Durch die Einführung der sex-gender Relation entsteht ein kultureller
und historischer Rahmen, in dem die Frage nach der Konstruiertheit von Geschlecht, sei es
in Hinsicht auf die Kategorie gender oder sei es in Hinsicht auf sex, überhaupt erst möglich
wird“ (von Braun/Stephan 2006, S. 3f.).
Mit der Bezeichnung Gender, aus dem Lateinischen abgeleitet generare für erzeugen
(ebd.) ist ein gemeinsamer Begriff für beide Geschlechter außerhalb der biologischen
Markierung Sex entstanden. Der Begriff Gender ist ohne Wertung. Erstmalig und
umfassend wurde der Begriff Gender in die Brockhaus Enzyklopädie (2006, S. 417422) aufgenommen.
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Der Begriff „Gender“ ist nicht auf „Sex“ beschränkt, denn Eigenschaften und
Verhaltensweisen stehen allen Menschen offen. Die Unterscheidung von Sex und
Gender als biologisches und als soziales Geschlecht hatte eine wichtige politische
Funktion für die feministische Theoriebildung in den 1970er Jahren. Geschlecht wurde
als sozial konstruiert und damit als gesellschaftlich produzierbar und veränderbar
erkannt (vgl. Degele 2008, S. 67f.).
3 Ansätze der geschlechtsspezifischen Sozialisationsforschung
Es stellt sich also die Frage, wie Zweigeschlechtlichkeit zustande kommt, wenn diese
nicht letztgültig biologisch erklärbar ist. Nach Zimmermann wird diese Fragestellung im
Rahmen der „geschlechtsspezifische Sozialisationsforschung zu beantworten gesucht“.
Es gibt unterschiedliche Ansätze das Phänomen der „geschlechtsrollentypischen
Sozialisation“, d. h. das weibliche und das männliche Rollenverhalten innerhalb der
Gesellschaft, zu erklären (vgl. Zimmermann 2003, S. 188f.).
Im Folgenden sollen prominente Ansätze der geschlechtsspezifischen Sozialisationsforschung vorgestellt werden, die erklären wie Geschlecht sozial produziert wird.
3.1 Geschlechterdifferenz aus psychoanalytischer Sicht
Die Zuschreibungen der Geschlechter betreffen auch die Psyche von Frauen und
Männern, ob diese psychoanalytisch begründet sind wird aus der Sicht der
Psychoanalyse betrachtet.
Der erste Psychologe, der nach Antworten suchte wie „Weiblichkeit“ und „Männlichkeit“
entsteht, war Sigmund Freud. Aus seinen festgestellten Gemeinsamkeiten und den
Unterschieden der Geschlechter schlussfolgerte er psychische Differenzen zwischen
Frauen und Männern, die ein Leben lang andauern. Freud führte die Unterschiede
nicht auf Hormone oder Gene, also rein biologisch zurück, sondern auf den
unterschiedlichen Verlauf der ödipalen Phase. Freud beschränkte sich nicht auf die
Feststellung der Differenz der Geschlechter. Er wertete die Differenz als Defizite der
Frauen. Diese Sicht stand unangefochten bis in die 1970er Jahre und änderte sich erst
durch die neue Frauenbewegung (vgl. Tillmann 2010, S 87ff.).
Die Psychoanalytikerin und Soziologin Nancy Chodorow beschäftigt sich mit der
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psychoanalytischen Theorie der Weiblichkeit und schafft den Begriff des „Mutterns“,
der darauf hinweist, dass nach dem Ende der Stillzeit des Kindes keine biologische
und gesellschaftliche Notwendigkeit besteht, dass sich ausschließlich die Mutter um
die Kinder kümmert (a.a.O., S. 89,91). Chodorow stellt die Theorie auf, die psychische
Differenz der Geschlechter „…liegt in den geschlechtstypisch unterschiedlichen
Formen der frühen Mutterbeziehung (und den Chancen sich daraus zu lösen)“ (ebd.).
Die Annahme von Freud die Geschlechterpersönlichkeit bildet sich in der ödipalen
Phase wird empirisch widerlegt. Durch eine Beobachtungsstudie von Schmauch (1987)
wird bestätigt, bereits in der präödipalen Phase gibt es Geschlechtsunterschiede. Die
Abhängigkeit des Kindes von der Mutter ist für das Kind übermächtig. Das Kind will und
muss sich von dieser Allmacht der Mutter lösen.
Die Ablösung des Jungen geschieht, in dem er seine Differenz zur Mutter betont. Beim
Mädchen dagegen entsteht durch die Gleichheit zur Mutter eine Ambivalenz bei der
Ablösung von ihr. Durch die ständige Auseinandersetzung mit dieser Ambivalenz,
zwischen emotionaler Zuwendung und dem Kampf um Unabhängigkeit, werden die
Grundlagen zur Empathie und Beziehungskompetenz bei den Mädchen gelegt, die bei
den Jungen so nicht entsteht. Die Loslösung von der Mutter wird von ihnen eher als
Abtrennung und Verdrängung bearbeitet und sie lernen das Negieren von emotionaler
Verbundenheit.
Durch Chodorow werden Freuds Wertungen und seine Weiblichkeitstheorie komplett
entkräftet und als männliche Defizite enttarnt (a.a.O., S 91ff.).
Eine weitere Perspektive, die dazu beitragen kann, zu erkennen ob und wie
Geschlecht konstruiert ist und wird ist die
3.2 Geschlechterdifferenz aus lerntheoretischer Sicht
In der Lerntheorie geht es um das Lernen über das menschliche Verhalten. Sie dient
der Analyse von Sozialisation. Die Persönlichkeitsentwicklung wird als Lernerfahrung
gesehen.
Die
Lerntheorien
lassen sich in
zwei
Richtungen
einteilen,
dem
Behaviorismus und in die sozial-kognitive Lerntheorie.
Im Behaviorismus zählt nur messbares Verhalten, d. h. direkt beobachtetes Verhalten,
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subjektive Begriffe wie Denken, Gefühle und Empfindungen sind nicht wissenschaftlich
(vgl. Zimmermann 2003, S. 30f.). Im Behaviorismus geht es um das Verhalten eines
Menschen als Reaktion auf die Umwelt, der Mensch ist lediglich Impulsempfänger (vgl.
Hurrelmann 2002, S. 64). Auslöser sind jeweils Belohnungen und Bestrafungen, die als
Verstärkungen fungieren, richtiges Verhalten wird belohnt, falsches Verhalten bestraft
(vgl. Tillmann 2010, S. 99). Die Interaktion zwischen Kind und Eltern wird als Reiz und
Reaktion, als Verhalten und Verstärkung gesehen. Erwachsene reagieren auf das
Verhalten eines Kindes spontan und ungeplant, als Reaktion auf richtiges oder
falsches kindliches Verhalten. Aus einzelnen Verhaltensmustern entsteht durch die
Verkettung einzelner Verhaltenselemente ein komplexes Verhaltensmuster. Als
Beispiel das komplexe Verhaltensmuster der Höflichkeit durch Rituale des Grüßens,
des Hände gebens, die Wahl der Worte etc. Erwachsene verstärken erwünschtes
Verhalten der Kinder, sie reagieren positiv darauf und auf unerwünschtes Verhalten
wird negativ reagiert (a.a.O. S. 100 f.).
“Die Anwendung des Verstärkungskonzepts für die Erklärung geschlechtsspezifischer
Sozialisation liegt auf der Hand“ (a.a.O., S. 101). Belohnungen und Bestrafungen
werden unterschiedlich verteilt, weil bei Jungen und Mädchen nicht die gleichen
Verhaltensmuster erwünscht sind. In dem die Bezugspersonen belohnen bzw.
bestrafen geben sie ihre Einstellungen und Erfahrungen von Geschlecht an die Kinder
weiter (ebd.).
In der sozial-kognitiven Lerntheorie, die überwiegend von Bandura entwickelt wurde
geht man davon aus, dass in der Sozialisation Beobachtung und Nachahmung eine
große Rolle spielen, es geht um das Lernen am Modell, welches mehr ist als nur
Imitation. Nach Bandura ist das Lernen am Modell ein aktiver Aneignungsprozess.
Nach einer Bewertung und Selbstbewertung wird eingestuft welches Modell für eine
Nachahmung geeignet ist. Dies ist eine Art Selbstregulationsprozess.
Banduras Theorie ist wichtig für das Verständnis von Sozialisation, weil diese Theorie
aufzeigt, dass Menschen die Fähigkeit zur Selbstentwicklung, Entscheidungsfreiheit,
Selbstbestimmung und reflexives Bewusstsein haben. Der Mensch ist fähig eigenes
Verhalten zu bewerten, sich selbst zu kritisieren und zu belohnen. In Banduras Theorie
fehlt die Berücksichtigung der Lebenswelt und der gesamte emotionale Bereich, darum
sind Weiterentwicklungen wichtig (vgl. Zimmermann 2003, S. 33ff.).
Ein Merkmal unserer Gesellschaftsordnung ist die Kategorisierung von Geschlecht, die
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Einteilung in weiblich und männlich und den nach Geschlechtern eingeteilten
gesellschaftlichen Aufgaben. Wie sich Geschlecht innerhalb der Gesellschaft
entwickelt wird und was dies mit der Konstruktion von Geschlecht zu tun hat, wird
durch die
3.3 Geschlechterdifferenz aus soziologischer Sicht
im Folgenden untersucht. Die Soziologie ist eine Wissenschaft, die Lehre vom
Zusammenleben des Menschen in einer Gemeinschaft (vgl. Duden 2006, S. 779).
Der Soziologe Goffman stellt fest, das Geschlecht ist in modernen Industriegesellschaften die Grundlage eines zentralen Codes auf den soziale Interaktionen und
soziale Strukturen aufgebaut sind - ein Code der die grundlegende menschliche Natur
des Individuums entscheidend prägt. Geschlecht ist für Goffman ein erlerntes, diffuses
Rollenverhalten.
Aufgrund körperlicher Anzeichen werden Kleinkinder Geschlechtsklassen zugeordnet
und in einen andauernden Sortierungsvorgang eingeordnet. Weibliche und männliche
Personen werden in der Gesellschaft von Geburt an unterschiedlich behandelt und
unterschiedliche Erfahrungen und Erwartungen werden auf sie projiziert (vgl. Goffman
2001, S. 105 ff.).
Nach der Einteilung in Geschlechtsklassen, welche definiert sind, ergeben sich die
passenden Etikettierungen. (Beispiele für Etikettierungen sind die Zuschreibungen,
„Frauen scheuen das Risiko“ oder „Männer sind draufgängerisch“).
Mit dem Begriff ‚Genderismus’ erklärt Goffman „…geschlechtsgebundene individuelle
Verhaltensweisen“ (vgl. Goffman 2001, S. 113). Über die Interaktion zwischen den
Geschlechtern rechtfertigen die unterschiedlichen Verhaltensweisen das, worauf sie
sich stützen, das Geschlechterverhalten wird durch die Interaktion der Geschlechter
reproduziert. D. h. weibliche und männliche Verhaltensweisen und Rituale werden in
ihrer angeblichen Natürlichkeit dem jeweilig anderen Geschlecht vorgeführt. Durch
diese Handlungen bestätigen die Geschlechter gegenseitig ihre Position im binären
Geschlechtersystem.
Dies sind entweder Verhalten aus überlieferten Mustern, oder aber Verhaltensweisen
die neu eingeübt oder alte die verändert werden, mit dem Ziel diese in das Verhaltens-
10
schema der Geschlechter einzupassen. Wenn also zum Beispiel ‚eine Frau weint und
ein Mann sie tröstet’ – bestätigen sich die Geschlechter nach der Goffanschen Lesart
gegenseitig ihre Rolle, dadurch wird das Rollenverhalten stabilisiert.
Goffman hält die Geschlechtereinteilung für ein kulturelles Phänomen sozusagen für
ein Arrangement in sozialen Situationen, für eine Nicht-Natürlichkeit von Geschlecht
(vgl. Zimmermann 2003, S. 198f.) und fragt „ …sich wie die institutionellen
Mechanismen der Gesellschaft sicherstellen konnten, daß (!) uns diese Erklärungen
stichhaltig erscheinen“ (Goffman 2001, S. 107).
Nach Goffman ist Geschlecht eine gesellschaftliche Konstruktion. Das heißt, die
Differenz der Geschlechter ist - so Treibel - nicht aus den biologischen Unterschieden
abzuleiten sondern wird interaktiv erzeugt. Zusätzlich bezieht sich Treibel auf das
Individuum, welches das sozial konstruierte Geschlecht nachvollzieht und mitmacht
(vgl. Treibel 2006, S. 102).
Konstruktion kommt aus dem Lateinischen und besteht aus den Worten ‚con’ und
‚struere’ für ‚zusammen/ mit’ und ‚bauen’, ein Vorgang des Erschaffens (vgl.
Etymologisches Wörterbuch 1995, S. 710) zum Thema Konstruktion von Geschlecht
bedeutet dies, das Zusammenbauen von Geschlecht durch den Menschen.
Zu unterscheiden ist der radikale Konstruktivismus nach „von Glasersfeld“ für den es
keine Realität gibt, sondern diese durch die Wahrnehmung des jeweiligen Subjektes
konstruiert wird. Der sozialer Konstruktivismus geht davon aus das, Emotionen,
Ansichten und menschliches Verhalten sich nicht auf Realität und Wahrheit begründen,
sondern auf einem gemeinsamen Verhaltenscodex, der für alle Mitglieder der
Gesellschaft gilt und dies, ohne diesen mündlich oder schriftlich zu fixieren (vgl. Steins
2008, S. 56).
4 Analyse und Aussichten zur Geschlechtskonstruktion
Im ethnomethodologischen Konstruktivismus nach „Gildemeister“ geht es um die
interaktive Konstruktion von Zweigeschlechtlichkeit. Die Systeme des Konstruktivismusses stehen in der Kritik.
Ist Geschlecht konstruiert, dann ist auch die Geschlechterdifferenz konstruiert. Als Aus-
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druck für den sozialen Konstruktionsprozess von Geschlecht wird in der sozialkonstruktivistischen Geschlechterforschung der Begriff des „Doing gender“ benutzt.
4.1 Doing gender
bedeutet, die Herstellung des Geschlechts durch Handlung. Das Herstellen von
Geschlecht umfasst alle Handlungsebenen und die Wahrnehmung und ist eine soziale
Aktion. Geschlechtszugehörigkeit und Geschlechtsidentität werden mit jeder menschlichen Aktivität fortwährend hergestellt.
Sehen wir das Geschlecht als eine erworbene Leistung an, dann konzentriert sich die
Aufmerksamkeit statt auf den Menschen auf institutionelle Bereiche, obwohl das
Individuum das Geschlecht gestaltet. Die Gestaltung erfolgt im sozialen Raum, d. h. in
Gegenwart anderer von denen wir glauben, dass sie sich an unserem Handeln orientieren. Das Geschlecht ist keine Eigenschaft des Individuums sondern entsteht im
sozialen Handeln. Das Geschlecht ist das Ergebnis und die Rechtfertigung aus
sozialen Situationen und wird als Mittel benutzt unsere Gesellschaft zu teilen und dies
für natürlich zu halten (vgl. Gildemeister 2004, S.132).
Beim doing Gender ist das ‚Was’ und noch mehr das ‚Warum’ uninteressant, es geht
einzig um das ‚Wie’ – wie stellen Individuen Geschlecht dar? (vgl. Degele 2008, S. 17f).
Nach Engler finden die ständigen Verhaltensanpassungen von Menschen innerhalb des
gesellschaftlichen Lebens, in einem binären Rahmen von weiblich und männlich, in dem
durch Wertung bestehende Machtstrukturen produziert und reproduziert werden, im
Alltagshandeln statt. Diese Abläufe bleiben unbemerkt, weil sie automatisch von statten
gehen (vgl. Hof 2005, S. 315).
Bei der Einteilung in Kategorien treten die Geschlechtsorgane in den Hintergrund.
Verhaltensweisen, weibliche und männliche, dienen der Kategorisierung und werden zu
kulturellen Genitalien – Geschlecht wird getan – doing gender (vgl. Treibel 2006, S.
109). Nach welchen Kriterien teilen Individuen Frauen und Männer ein?
Die Geschlechtszuschreibung wird häufig gerade nicht an den primären oder sekundären
Geschlechtsmerkmalen festgemacht, sondern an anderen Informationen wie Gang,
Stimme, Gesichtsausdruck, Körperhaltung und Ausstrahlung (a.a.O., S. 111).
12
Mit der Darstellung des Geschlechts innerhalb der Gesellschaft muss ein Verhältnis zur
Körperlichkeit gegeben sein. Nach Michel Foucault und Pierre Bourdieu ist das Handeln
in der Gesellschaft inkorporiert (vgl. Hirschhauer 1996, S. 249), das bedeutet in die
Körper der Individuen eingeschrieben.
Verhaltensweisen haben sich durch hierarchische Verhältnisse unbewusst in den
Körper hineingeschrieben. Dieses System funktioniert auch in der umgekehrten
Reihenfolge, das Verhalten schafft mit dem Körper gesellschaftliche Realität (ebd.). Die
Geschlechterverhältnisse
wirken
sich
durch
Handlungsprozesse
weit
auf
das
individuelle Unbewusste aus (vgl. Raithel 2005, S. 90).
Das besagt, das Individuum hat keinen bewussten Zugang zu eigenen weiblichen und
männlichen Aspekten. Das Weibliche oder das Männliche laufen automatisch in den
Individuen ab, weil das binäre, also aus zwei Einheiten (vgl. Duden 2011, S. 155),
bestehende Geschlechtersystem nicht nur seit der Kindheit eingeübt wird sondern
darüber hinaus geschichtlich gewachsen ist und vom Individuum als Identität entwickelt
wurde. Inwieweit Identität auch gleich Geschlechtsidentität ist und ob dies für die
Konstruktion von Geschlecht ein entscheidender Faktor ist, wird als nächstes erläutert.
4.2 Geschlechtsidentität
Identität aus psychologischer Sicht bedeutet, „die als ‚Selbst’ erlebte innere Einheit der
Person“ (Duden 2011, S. 450). Bei der Entwicklung der Identität treffen biologische,
psychoanalytische und soziale Kriterien aufeinander. Identität ohne Geschlechtsidentität
kommt im sozialen Raum nicht vor. Um Geschlechtlichkeit zu produzieren muss eine
klare Geschlechtsidentität des Individuums vorhanden sein (vgl. Raithel 2005, S. 96).
Geschlechtsidentität gehört laut der Psychologie zu den Fundamenten des Ichs (vgl.
Hirschauer 1996, S. 242).
Die Einteilung in männlich und weiblich erfolgt bereits vor der Geburt oder spätestens
bei der Geburt (vgl. Zimmermann 2003, S. 190). Die verschiedenen Stufen der
Identitätsentwicklung eines Kindes (vgl. Hurrelmann 2002, S 112) sind immer an
Sozialisationsprozesse (vgl. Abels/König 2010, S. 242) gebunden.
Die mit der sozial konstruierten Geschlechtszugehörigkeit zusammenhängende Entwicklung
der Geschlechtsidentität wird für die Identitätsbildung als grundlegend angesehen, da die
geschlechtsspezifische Zugehörigkeit für jede Selbstverortung in der sozialen Interaktion
13
konstitutiv ist. Da unsere Gesellschaft auf einer Polarisierung der Geschlechterkonzepte
beruht und das System der Zweigeschlechtlichkeit Bestandteil unseres Alltags und unserer
Kultur
ist,
wird
deutlich,
dass
eine
Individualität
und
Identität
außerhalb
der
Geschlechtszugehörigkeit nicht denkbar ist (Raithel 2005, S. 96).
Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, jedes Kind muss sich an das binäre System
der Geschlechter anpassen, um in der Gesellschaft bestehen zu können. Eine Identität
wird innerhalb dieser Gesellschaft entwickelt + unterliegt somit ihrem Einfluss.
„Erst durch den Bezug auf andere vermag ich eine Vorstellung von mir selbst, ein
Selbstbewusstsein zu gewinnen. Identität und Kommunikation spielen also ständig
ineinander“ (Abels/König 2010, S. 88).
Die Persönlichkeit des Individuums entwickelt sich, anders als bei der biologischen und
psychologischen differenztheoretischen Sicht auf das Geschlecht, innerhalb der
Beziehung von Mensch zur Umwelt und ist damit ein interaktiver Prozess, bei dem die
vorgegebenen Bilder von ‚Mädchensein’ bzw. ‚Jungesein’ übernommen werden (vgl.
Zimmermann 2003, S. 189). Unter diesem Aspekt wird der Fokus auf die soziale
Interaktion und das was Menschen voneinander übernehmen gelegt.
Kinder sind in ihrem Leben notwendiger Weise für die eigene Entwicklung und
Sozialisation von dem abhängig was ihnen ihre Kultur vermittelt (a.a.O., S. 190). Das
bedeutet, Kinder lernen in der Interaktion was Gesellschaftskonform ist, wäre diese
Gesellschaft anders strukturiert würde die Reproduktion auch entsprechend ausfallen.
Kinder erkennen sehr früh das binäre Geschlechtersystem und ordnen sich in dieses
ein, dieses Einordnen setzt sich bis in das Erwachsenenalter fort (a.a.O., S. 185).
Die Geschlechtsidentität bei Jugendlichen entwickelt sich durch das Nachmachen von
Geschlecht im vorgegebenen Geschlechtersystem (ebd.).
Die soziale Umwelt beeinflusst sowohl die psychosexuelle Entwicklung des Kindes, als
auch seine kognitive Entwicklung. Forschungsergebnisse zeigen, dass ein höherer sozioökonomischer Status, der die Entwicklung sozialer Konzepte begünstigt, auch die
altersbedingte Entwicklung von Geschlechtsrollenattitüden stimuliert (a.a.O., S. 203).
Die Identität wird mit dem Körper ausgedrückt, der Körper ist Indiz und dient als Symbol
und damit als Ausdrucksinstrument. Er wird von Geburt an mit einem sozialen Code
ausgestattet, er ist Projektionsfläche (Raithel 2005, S. 99 f), d. h. auch der Körper
unterliegt einer Konstruktion.
14
Für Beauvoir gibt es in der menschlichen Gesellschaft nichts Natürliches (Steins 2008,
S. 13 zit. n. de Beauvoir 1951, S. 675), die Schlussfolgerung daraus, die Gesellschaft
konstruiert. Butler folgt dieser These, auch der Körper ist für sie sozial konstruiert so
wie jede Einteilung, nicht nur die Einteilung in weiblich und männlich auch die starre
Einteilung in Hetero- und Homosexualität (vgl. Treibel 2006, S. 120).
Die Gesellschaft besteht aus Menschen und sie unterliegt Veränderungen. Wie die
Veränderungen in Bezug auf die Konstruktion von Geschlecht ausfallen ist nicht
abzusehen – hier einige Tendenzen:
4.3 Perspektiven auf Veränderungen/Entwicklungen von Geschlecht
In der Debatte über die Entstehung von Identität kehrt Butler in den 1990er Jahren (vgl.
Treibel, S. 121) die Annahmen in der Geschlechterforschung um und stellt die These
auf „…Geschlechter sind Ergebnisse von Identitätsdiskursen“ (vgl. Degele 2008, S.
106).
Butler bringt die Geschlechterforschung auf neue Sichtweisen. Für sie haben Menschen
die Möglichkeit ihre geschlechtliche Identität selbst zu bestimmen, dies erweist sich als
schwierig, weil die Gesellschaft grausame Zwänge ausübt um Nischen zu verhindern
und jedem Individuum „eine kohärente Identität“ aufokdroyieren will (vgl. Treibel. S.
120).
Eine Veränderung der Geschlechterrollen, so Alfermann, in Industrienationen ist zu
erkennen. Alfermann stellt in Frage, ob dies im Geschlechtersystem etwas ändert und
kommt zu dem Schluss, nur Veränderungen von Machtinteressen und ökonomischen
Interessen können das Zweigeschlechtliche System verändern (vgl. Alfermann 1996, S.
168). Degele kehrt das Verhältnis um mit Ihrer Annahme, das Verhältnis der
Geschlechter wandelt sich, weil sich die Gesellschaft verändert (vgl. Degele 2008, S.
70).
Zum Teil folgt Raithel dieser These: Es existieren viele Variationen von weiblich und
männlich, dadurch wird das Orientieren an den Geschlechterrollen schwieriger. Die
Wahlmöglichkeiten im Leben verändern die traditionellen Rollen (vgl. Raithel 2005, S.
102).
15
Es geht um Veränderungen, einerseits um die Wahlmöglichkeiten des Subjekts,
andererseits um die daraus resultierenden Entwicklungen in der Gesellschaft, um Macht
und die Verteilung der ökonomischen Ressourcen.
Der Druck durch unterschiedliche Subkulturen habe, so Butler, die Gesellschaft bereits
verändert, so dass der Spielraum (nicht in jeder Gesellschaft jedoch in der Tendenz)
tatsächlich größer geworden sei (Treibel 2006, S.121).
Nach empirischen Belegen sieht es so aus, dass das alte binäre Geschlechtersystem
zumindest tendenziell seine Gültigkeit zu verlieren scheint, Grenzüberschreitungen und
Überlappungen sind nicht mehr nur individuell. Eine gegenseitige Angleichung in den
Biographien und das sowohl weiblich als auch männlich findet statt. Die Deutung der
Gleichheit und Differenz von Geschlecht scheint sich neu zu formieren (vgl. von Nickel
2006, S. 133).
Die Wandlungsprozesse sind längst nicht abgeschlossen, im Gegenteil, sie dynamisieren
sich in einem atemlosen Tempo. Eine Rückkehr zu einer einfachen Auflage des bekannten
Musters der Zweigeschlechtlichkeit der Industriegesellschaft wird es wohl kaum mehr geben
…(ebd.).
Veränderungen
im
binären
Geschlechtersystem
können
bedeuten,
dass
Unsicherheiten entstehen und Menschen Hilfestellung und Unterstützung benötigen.
Aus diesem Grund wird dazu die
4.4 Bedeutung der Konstruktion von Geschlecht für die Soziale Arbeit erörtert.
Für die Profession der Sozialen Arbeit ist das Wissen um Gleichheit und Differenz von
Geschlecht als kulturelles System der Zweigeschlechtlichkeit fundamental. Es dient als
Teil der Grundlage verschiedene Lebenswelten, unterschiedliche Bedürfnisse,
geschlechtsspezifische Erwartungen zu erkennen und Kompetenzen zu entwickeln und
als professionell Tätige eigene Sozialisationserfahrungen zu reflektieren (beispielsweise eigene Biografiearbeit zu bewältigen).
Entstehen
Veränderungen
in
der
Konstruktion
von
Geschlecht
und
damit
Unsicherheiten, Orientierungslosigkeit, Probleme mit der Identitätsfindung, bedeutet
dies für die Profession der Sozialen Arbeit tätig zu werden. Dies beginnt mit der
Anerkennung der Klientin und des Klienten in ihrer eigenen Lebenswelt und dem
Erstellen der Diagnose für die der Transfer von Wissen in die Praxis wichtig ist, wenn
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es darum geht geschlechtsspezifische Sozialisationsprozesse, geschlechtsspezifische
Lebenswelten, geschlechtsspezifische kritische Lebensereignisse (z. B. Geburt, Scheidung, Tod) zu erkennen und zu berücksichtigen.
Das Zwangssytem des binären Geschlechterverhältnisses bestimmt nicht nur die
Subjekte, sondern alle gesellschaftlichen Ordnungen, d. h. auch das Rechtssystem, alle
ökonomischen Verhältnisse und die Arbeitsteilung (vgl. Hark 2009, S. 309). Dies ist in
der Profession der Sozialen Arbeit zu bedenken und Recht und Gesetz als Instrumente
einzusetzen um die Gleichwertigkeit der Geschlechter herzustellen, dazu ist es notwendig um die grundlegenden Theorien über die Konstruktion der Geschlechter zu
wissen.
5 Fazit/Resümee
In der Verfolgung der Frage nach dem Konstruieren von Geschlecht wurde erkannt,
das binäre Geschlechtersystem und die Wertung der Geschlechter, hat eine lange
Geschichte und eine lange Tradition. Dies könnte erklären, warum die Kategorisierung
in weiblich und männlich und die damit vorgenommene Wertung, im Laufe der
Geschichte von der Gesellschaft für „natürlich“ gehalten wurde.
Nach den Begriffsbestimmungen von Geschlecht, dann differenziert nach Sex und
Gender und dem Erkennen, dass die biologischen Unterschiede letztgültig nicht das
unterschiedliche Rollenverhalten mit den Zuschreibungen, was weiblich und männlich
ist, erklären können, wurden prominente Ansätze der geschlechtsspezifischen
Sozialisationsforschung untersucht, wie Geschlecht sozial hergestellt wird.
Aus der psychoanalytischen Sicht der Geschlechterdifferenz wurde durch Chodorows
Untersuchungen erkannt, dass Freuds Weiblichkeitstheorie und die damit verbundenen
Wertungen letztlich männliche Defizite versteckte und der weiblichen Beziehungsarbeit
unter dem Druck der Ambivalenz keine Bedeutung gab.
Mit dem Blick der Lerntheorie auf die Geschlechterdifferenz zu schauen ist ein
eingeschränkter Blick auf das Lernen, weil dieses Lernen immer an die Person und
damit an deren Sicht gekoppelt ist, von der der Mensch lernt und dies sowohl im
Behaviorismus als auch in der sozial-kognitiven Lerntheorie. Wobei Bandura auch die
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Fähigkeit zur Selbstbestimmung des Menschen beim Lernen anspricht und dies u. a.
neue Entwicklungen und neue Wege der Geschlechter erklären könnte.
Durch das Leben des Menschen in einem Verbund mit anderen Menschen, ist die Sicht
der Geschlechterdifferenz rein soziologisch der umfangreichste Teil geworden.
Menschen beeinflussen sich gegenseitig ohne sich bewusst darüber zu werden und
lenken sich damit in eine der Gesellschaft genehmen Bahn, damit die Gesellschaft
nicht nur Bestand hat sondern sich auch reproduziert.
Auch das „Doing gender“ übernimmt diese Funktion. Geschlecht wird mit jeder
Handlung immer wieder so hergestellt dass es in den gesellschaftlichen Rahmen passt
und dass das binäre Geschlechtersystem bestätigt wird.
Die Herstellung der Identität und damit der Geschlechtsidentität erfolgt ebenso im
starren System der Zweigeschlechtlichkeit. Dies geht soweit, dass dies direkte
Auswirkungen auf den Körper hat.
Obwohl es kaum ein Entrinnen aus dem Zwangssystem der Geschlechterordnung in
unserer Gesellschaft gibt, schafft es der Mensch, neue Wege zu gehen und sich trotz
der Konstruktion von Geschlecht, mit ihrem oder seinem Geschlecht neu zu
orientieren, die traditionellen Geschlechterrollen in Frage zu stellen und/oder zu
durchbrechen. Dadurch gestaltet sich das Individuum neue Lebenswelten und schafft
sich damit neue Wahlmöglichkeiten. Dieses ergeben sich aus den Perspektiven zur
Entwicklung von Geschlecht.
Für die Profession der Sozialen Arbeit ist das Wissen und sind die Hintergründe über
die Konstruktion von Geschlecht maßgebend, um Probleme der Klienten erkennen und
verstehen zu können. Das Wissen über die Geschlechtskonstruktion ist ein Instrument
in der Sozialen Arbeit.
Die Themen Queer Studies und Undoing Gender habe ich bewusst in dieser Arbeit
ausgelassen. Ich sehe diese Themen als weitere Aufgabe für eine abgeschlossene
Hausarbeit und als Fortsetzung zur Frage über die Konstruktion von Geschlecht, d. h.
als Entwicklung und Veränderung.
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Den Blick auf die Konstruktion von Geschlecht zu richten, bedeutet auch immer als
Beobachterin involviert zu sein also ein Teil der Beobachtung zu sein, dies zu
bedenken und bewusst und kritisch damit umzugehen.
Für die Profession der Sozialen Arbeit bedeutet dies, sich Wissen und Kompetenzen
anzueignen, das eigene Bewusstsein zu entwickeln, die festen Strukturen der
gesellschaftlichen Geschlechterordnung in Frage zu stellen und offen zu sein für
Veränderungen und Entwicklungen. Dies alles mit dem Ziel, die Schwierigkeiten und
Probleme der Klientinnen und Klienten rechtzeitig zu erkennen, um professionelle
Hilfestellung geben zu können. Wobei die Prävention, nach „Thiersch“, in der Sozialen
Arbeit, d. h. so zu arbeiten das Schwierigkeiten und Probleme für die Klientinnen und
Klienten gar nicht erst entstehen, Vorrang haben sollte.
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21
Erklärung
Hiermit erkläre ich, die vorliegende Arbeit selbständig und nur mit
Hilfe der angegebenen Quellen und Hilfsmittel erstellt zu haben.
Wörtlich oder dem Sinn nach übernommene Textstellen sind als
solche gekennzeichnet.
Bärbel Gisela Ohrmundt
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