Abfindung - Drucken - TK-Lex

Abfindung – Bernhard Steuerer, Rainer Hartmann, Norbert Minn – TK Lexikon Steuern – 14. Juni 2016
Abfindung
HI519841
Zusammenfassung
LI1918497
Begriff
Eine Abfindung ist eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes und des damit verbundenen sozialen
Besitzstands. Das deutsche Arbeitsrecht kennt keinen generellen gesetzlichen Anspruch des Arbeitnehmers auf
Zahlung einer Abfindung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Abfindungen sind lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn und können gemäß der sogenannten Fünftelregelung unter
bestimmten Voraussetzungen ermäßigt besteuert werden.
Sozialversicherungsrechtlich sind Abfindungen unbegrenzt beitragsfrei, wenn sie wegen Beendigung des
Beschäftigungsverhältnisses als Entschädigung für den Wegfall künftiger Verdienstmöglichkeiten durch den Verlust des
Arbeitsplatzes gewährt werden.
Die Beurteilung von Zahlungen zum Ausgleich künftiger Versorgungsansprüche sowie von Kapitalabfindungen und
Kapitalleistungen erfolgt nicht in diesem Stichwort.
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung
Arbeitsrecht: Die wichtigsten Rechtsquellen sind: §§ 9, 10 KSchG; § 1a KSchG, §§ 145 ff. BGB; §§ 111 bis 113 BetrVG.
Lohnsteuer: Rechtsgrundlage für die ermäßigte Besteuerung von Abfindungszahlungen ist sowohl für das
Lohnsteuerabzugs- als auch das Einkommensteuerveranlagungsverfahren § 24 EStG i. V. m. § 34 EStG. Weitere
Einzelheiten zur ermäßigten Besteuerung von Abfindungen finden sich in R 34.1 - 34.5 EStR und H 34.1 - 34.5 EStH.
Ein umfassendes BMF-Schreiben v. 1.11.2013, IV C 4 - S 2223/07/0018 :005, BStBl 2013 I S. 1326 beantwortet
Zweifelsfragen im Zusammenhang mit der steuerlichen Behandlung von Entlassungsentschädigungen. Dieses wurde
wegen der geänderten BFH-Rechtsprechung zur Verteilungsmöglichkeit eines Kleinbetrags auf 2 Jahre aktualisiert mit
BMF-Schreiben vom 4.3.2016, IV C 4 – S 2290/07/10007 :031, BStBl 2016 I S. 277.
Sozialversicherung: § 14 SGB IV definiert das in der Sozialversicherung beitragspflichtige Arbeitsentgelt. Die
Rechtsprechung hat in mehreren Urteilen entschieden, unter welchen Bedingungen Abfindungen als Arbeitsentgelt
anzusehen sind. Aussagen zur Zuordnung zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt enthält ein Urteil des
Bundessozialgerichts vom 21.2.1990 (BSG, Urteil v. 21.2.1990, 12 RK 20/88).
Kurzübersicht
Entgelt
LSt
Abfindung nach Auflösung des Dienstverhältnisses pflichtig
SV
frei
Praxis-Beispiele
Berechnung mit sonstigem Bezug
Fünftelregelung
Zahlung im Folgejahr
Arbeitsrecht
HI726371
1 Abfindungen durch Auflösungsurteil im Kündigungsschutzprozess
HI657604
Nicht selten stellt das Arbeitsgericht in einem Kündigungsschutzprozess die Unwirksamkeit einer Arbeitgeberkündigung fest.
Immer wieder kommt es jedoch vor, dass dennoch eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
nicht mehr möglich ist. In solchen Fällen besteht die Möglichkeit, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Urteil gegen
Zahlung einer Abfindung zu erreichen. [ 1 ]
Die Höhe der Abfindung ist hier vom Arbeitsgericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen. [ 2 ] Sie soll dem
Arbeitnehmer einen pauschalen Aus gleich vor die Vermögens- und Nichtvermögensschäden aufgrund des
Arbeitsplatzverlustes gewähren. Es kann ein Betrag bis zu 12 Monatsverdiensten festgesetzt werden. [ 3 ] Hat der Arbeitnehmer
das 50. Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens 15 Jahre bestanden, ist ein Betrag bis zu 15
Monatsverdiensten festzusetzen. Hat der Arbeitnehmer das 55. Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens
20 Jahre bestanden, ist ein Betrag bis zu 18 Monatsverdiensten festzusetzen. Diese Möglichkeit der Gewährung einer erhöhten
Abfindung entfällt jedoch, wenn der Ar beitnehmer bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses die Regelaltersgrenze erreicht hat. [ 4
]
Dagegen entfällt die Möglichkeit einer Erhöhung nicht bei Arbeitnehmern zwischen dem 60. Lebensjahr und der
Regelaltersgrenze, die berechtigt sind, Altersruhegeld in der gesetzlichen Rentenversicherung zu beantragen. Diese
gesetzlichen Regelungen, die nach dem Lebensalter differenzieren, sind europarechtlich problematisch und können eine
Diskriminierung wegen des Lebensalters darstellen. Dann dürfte das Arbeitsgericht die Normen so nicht anwenden. Das Gericht
hat unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die Abfindung in angemessener Höhe festzusetzen. [ 5 ] Dazu
gehören u. a. die bisherige Dauer des Arbeitsverhältnisses, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb, der Grad der
Unwirksamkeit der Kündigung, das etwaige Verschulden des Arbeitnehmers, seine Chancen, einen anderen Arbeitsplatz zu
finden sowie die Angemessenheit eines neuen Arbeitsplatzes unter Berücksichtigung aller Umstände (z. B. bisheriges und
neues Einkommen, Stellung im Betrieb).
Die Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG ist kein Arbeitslohn, wohl aber Arbeitseinkommen im Sinne des § 850 ZPO. Sie ist
unbeschränkt pfändbar, unterliegt aber dem Pfändungsschutz nach § 850i ZPO. [ 6 ]
2 Abfindung nach Betriebsverfassungsgesetz
HI657606
Neben dem Kündigungsschutzgesetz sieht das Betriebsverfassungsgesetz Abfindungen durch Urteil bei Kündigungen wegen Abweichens von einem Interessenausgleich oder einer Betriebsänderung ohne vorherigen Versuch eines
Interessenausgleichs vor. [ 7 ] Voraussetzung ist
entweder, dass der Arbeitgeber ohne zwingenden Grund von einem mit dem Betriebsrat vereinbarten
Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung nach § 111 BetrVG abweicht und ein Arbeitnehmer infolge
dieser Abweichung entlassen wird und Klage erhebt mit dem Antrag, den Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung
zu verurteilen,
oder, dass der Arbeitgeber eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG durchführt, ohne über sie einen
Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und infolgedessen Arbeitnehmer entlassen werden oder
andere wirtschaftliche Nachteile erleiden und Klage mit dem Antrag erheben, den Arbeitgeber zur Zahlung von
Abfindungen zu verurteilen.
§ 10 KSchG gilt entsprechend.
3 Abfindungen bei betriebsbedingten Kündigungen
HI1086242
Bei einer betriebsbedingten Kündigung setzt der Anspruch auf Abfindung nach § 1a KSchG voraus, dass
der Arbeitgeber erkennbar eine betriebsbedingte Kündigung erklärt und
der Arbeitgeber in der Kündigungserklärung den Arbeitnehmer darauf hinweist, dass dieser einen Anspruch nach
§ 1a KSchG auf eine Abfindung in Höhe des § 1a Abs. 2 KSchG hat, wenn er die dreiwöchige Klagfrist nach § 4
Satz 1 KSchG ohne Klageerhebung verstreichen lässt und
der Arbeitnehmer tatsächlich innerhalb der dreiwöchigen Frist des § 4 Satz 1 KSchG keine Kündigungsschutzklage
erhebt.
Der Anspruch entsteht erst mit Ablauf der Kündigungsfrist. Verstirbt der Arbeitnehmer vor deren Ablauf, geht der Anspruch
daher nicht auf dessen Erben über. [ 8 ]
Ziel der Vorschrift ist es, eine außergerichtliche Streiterledigung zu fördern und gerichtliche Auseinandersetzungen über die
Rechtswirksamkeit einer Kündigung zu vermeiden. Hat der Arbeitnehmer gegen die Kündigung Klage erhoben, so kann er auch
dann keine Abfindung nach § 1a KSchG beanspruchen, wenn er diese später wieder zurücknimmt. Ansonsten würde der
Arbeitgeber doch mit einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses konfrontiert, die er
gerade mit dem Angebot einer Abfindungszahlung vermeiden will. [ 9 ]
Nichts anderes gilt, wenn der Arbeitnehmer zunächst die dreiwöchige Klagfrist des § 4 KSchG verstreichen lässt und dann
nachträgliche Klagzulassung nach § 5 KSchG beantragt.
Die Höhe der Abfindung beträgt nach § 1a Abs. 2 KSchG 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des
Arbeitsverhältnisses. Als Monatsverdienst gilt dabei, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen
Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet, an Geld und Sachbezügen zusteht. Bei der Ermittlung der Dauer
des Arbeitsverhältnisses ist ein Zeitraum von mehr als 6 Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden. [ 10 ]
Will der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine geringere Abfindung anbieten, muss er, wenn er vermeiden will, dass er zur
Zahlung einer Abfindungshöhe nach § 1a Abs. 2 KSchG verurteilt wird, in seinem Angebot unmissverständlich erklären, dass
dieses keine Abfindung nach § 1a KSchG sein soll. [ 11 ]
Der Anspruch auf Abfindung nach § 1a KSchG entsteht auch dann in der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe, wenn der
Arbeitgeber im Kündigungsschutzschreiben einen niedrigeren Abfindungsbetrag genannt hat. [ 12 ]
Erfolgt eine Änderungskündigung aus betriebsbedingten Gründen, kann der betroffene Arbeitnehmer eine Abfindung nach § 1a
KSchG beanspruchen, wenn dessen sonstige Voraussetzungen vorliegen. [ 13 ]
4 Abfindungen bei Sozialplan
HI657607
Siehe Sozialplan.
5 Abfindungen bei Aufhebungsvertrag
HI657608
HI657608
Viele Unternehmen, die sich von Arbeitnehmern ohne Kündigung trennen wollen, bieten ihren Arbeitnehmern einen
Aufhebungsvertrag mit Abfindung an. Ein solcher wird auch häufig in einem gerichtlichen Vergleich in einem
Kündigungsschutzprozess geschlossen. In der Praxis einigt man sich oft auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 0,5
Bruttomonatsvergütungen pro Beschäftigungsjahr.
Lohnsteuer
1 Abfindung ist steuerpflichtiger Arbeitslohn
HI726372
HI2306656
Abfindungen sind Entschädigungszahlungen, die der Arbeitnehmer als Ausgleich für die mit der Auflösung des
Dienstverhältnisses verbundenen Nachteile erhält, insbesondere bei Verlust des Arbeitsplatzes. Abfindungen sind
lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn und können gemäß der sogenannten Fünftelregelung ermäßigt besteuert werden.
Voraussetzung ist, dass die Abfindung in einem Kalenderjahr zufließt und zur Zusammenballung von Einkünften führt.
2 Steuerermäßigung nach der Fünftelregelung
HI2306657
Wird die Entlassungsabfindung als Einmalbetrag gezahlt, ist dieser als sonstiger Bezug zu versteuern. Führt der einmalige
Zufluss zu einer Zusammenballung von Einkünften, ist die Lohnsteuer nach der Fünftelregelung zu ermitteln. [ 14 ]
Voraussetzung für die Anwendung der Fünftelregelung auf Entlassungsabfindung ist, dass die Zahlungen
als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen erfolgen,
nicht auf eine Mitwirkung des Arbeitnehmers an der Schadensursache zurückzuführen sind und
außerordentliche Einkünfte darstellen.
2.1 Zusammenballung von Einkünften
HI2761993
Entlassungsentschädigungen rechnen nur dann zu den außerordentlichen Einkünften, wenn diese dem Arbeitnehmer
zusammengeballt zufließen. [ 15 ] Eine Zusammenballung von Einkünften liegt vor, wenn die Abfindung höher ist als der
Arbeitslohn, den der Arbeitnehmer bei Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ende des Kalenderjahres noch bezogen
hätte. Dabei reicht eine geringfügige Überschreitung des wegfallenden Arbeitslohnes um 1 EUR aus.
Ermäßigte Besteuerung bei Teilzahlung in mehreren Jahren
Die Steuerbegünstigung des § 34 EStG setzt weiter voraus, dass es sich um eine Zusammenballung von Einkünften in einem
Veranlagungszeitraum handelt. Der Zufluss mehrerer Teilbeträge in unterschiedlichen Veranlagungszeiträumen ist deshalb
grundsätzlich schädlich, soweit es sich dabei nicht um eine im Verhältnis zur Hauptleistung stehende geringe Zahlung handelt
(maximal 10 % der Hauptleistung), die in einem anderen Veranlagungszeitraum zufließt. Dasselbe gilt für eine zusätzliche
Zahlung, die niedriger als die tarifliche Steuervergünstigung ist. [ 16 ]
Ein umfangreiches Anwendungsschreiben [ 17 ] fasst die Voraussetzungen für die ermäßigte Besteuerung von
Entlassungsabfindungen zusammen und klärt insbesondere die Frage, wann eine Zusammenballung vorliegt. [ 18 ]
2.2 Fünftelregelung im Lohnsteuerabzugsverfahren berücksichtigen
HI2761994
Die Fragen nach der Zusammenballung und der Steuerermäßigung sind auch im Lohnsteuerabzugsverfahren zu prüfen. Hierfür
ist der Arbeitgeber zuständig. In diese Prüfung können auch Arbeitslöhne oder andere Einkünfte einbezogen werden, die der
Arbeitnehmer nach Beendigung des bestehenden Dienstverhältnisses voraussichtlich erzielen wird. Kann der Arbeitgeber die
erforderlichen Feststellungen nicht treffen, hat er den Lohnsteuerabzug ohne Anwendung der Fünftelregelung vorzunehmen. In
diesem Fall kann die evtl. in Betracht kommende Steuerermäßigung im Rahmen der Einkommensteuererklärung des
Arbeitnehmers berücksichtigt werden. [ 19 ]
Die nach der Fünftelregelung ermäßigt besteuerte Abfindung und die hiervon erhobene Lohnsteuer bleiben beim LohnsteuerJahresausgleich außer Ansatz, es sei denn, der Arbeitnehmer wünscht die Einbeziehung ausdrücklich. Hat der Arbeitgeber die
Lohnsteuer nach der Fünftelregelung ermittelt, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine Einkommensteuererklärung abzugeben. [
20 ]
3 Abfindungen aus öffentlichen Mitteln
HI657614
Für Kapitalabfindungen im öffentlichen Dienst sind weiterhin besondere Steuerbefreiungen zu beachten. So sind die
Kapitalabfindungen aufgrund der Beamten-(Pensions-)Gesetze in vollem Umfang steuerfrei. [ 21 ] Hierzu rechnen z. B.
Ausgleichszahlungen nach § 48 Abs. 1 BeamtVG oder Kapitalabfindungen nach §§ 28-35, die Ausgleichszahlung nach § 38
und der einmalige Betrag nach § 77 Soldatenversorgungsgesetz.
Außerdem sind Leistungen aus öffentlichen Mitteln an Arbeitnehmer des Steinkohle- und Erzbergbaus, des
Braunkohletiefbaus und der Eisen- und Stahlindustrie aus Anlass von Stilllegungs-, Einschränkungs-, Umstellungs- oder
Rationalisierungsmaßnahmen nach wie vor in voller Höhe steuerfrei. [ 22 ]
Sozialversicherung
HI726373
1 Abfindung bei Ende der Beschäftigung
HI657615
In der Sozialversicherung sind Abfindungen unbegrenzt beitragsfrei, wenn sie wegen Beendigung des
Beschäftigungsverhältnisses als Entschädigung für den Wegfall künftiger Verdienstmöglichkeiten durch den Verlust des
Arbeitsplatzes [ 23 ] gewährt werden. Da diese Abfindungen außerhalb des Beschäftigungsverhältnisses gezahlt werden,
unterliegen sie auch nicht der Beitragspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung.
1.1 Arbeitsgerichtliche Festlegung: Beschäftigungsende
HI4723896
Wird eine Beschäftigung z. B. während der Probezeit arbeitergeberseitig gekündigt und werden im Rahmen eines
arbeitsgerichtlichen Verfahrens eine Abfindung und ein rechtliches Ende der Beschäftigung festgelegt, sind die Grundsätze zur
Beurteilung von Abfindungen gem. §§ 9 und 10 KSchG nicht anwendbar. Denn diese Abfindung wird für den Zeitraum zwischen
tatsächlicher Beschäftigungsaufgabe und dem vom Arbeitsgericht durch Entscheidung oder Vergleich als rechtliches Ende der
Beschäftigung festgelegten Zeitpunkt gezahlt. Insoweit ist die Abfindung als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt für die Zeit bis zum
Ende der Beschäftigung anzusehen.
1.2 Rückständige Entgeltansprüche
HI4723897
Die Zahlung von rückständigem Arbeitsentgelt anlässlich einer einvernehmlichen Beendigung der Beschäftigung oder der
gerichtlichen Auflösung im Kündigungsschutzprozess ist Arbeitsentgelt im Sinne der Sozialversicherung und unterliegt als
laufendes (rückständiges) Arbeitsentgelt der Beitragspflicht. Dies gilt selbst dann, wenn die Zahlung von den Beteiligten als
"Abfindung" bezeichnet worden ist. [ 24 ]
Besonderheiten gelten, wenn eine fristlose Kündigung in eine fristgerechte Kündigung umgewandelt wird. [ 25 ]
Zahlungen an einen von der Arbeit (einseitig oder widerruflich) freigestellten Arbeitnehmer, die der Arbeitgeber aufgrund eines
arbeitsgerichtlichen Vergleichs bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses leistet, stellen keine Abfindung dar, auch wenn sie als
solche bezeichnet werden. In Fällen einer Freistellung ist deshalb zuerst die Grundsatzfrage zu klären, ob noch ein
sozialversicherungsrechtlich relevantes Beschäftigungsverhältnis vorliegt. [ 26 ]
2 Abfindungen in laufenden Beschäftigungsverhältnissen
HI657617
Als Abfindungen deklarierte Zahlungen, die bei fortbestehendem Beschäftigungsverhältnis geleistet werden, sind nicht
beitragsfrei, sondern stellen in vollem Umfang sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt dar.
3 Beitragsberechnung aus Abfindungen
HI2306658
Sofern eine Abfindung nach Maßgabe der von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze sozialversicherungsrechtlich
Arbeitsentgelt darstellt, müssen daraus Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung berechnet
werden.
Beitragsrechtliche Abfindungen gelten als Einmalzahlung. Sie sind zeitlich dem letzten Entgeltabrechnungszeitraum der
Beschäftigung zuzuordnen. Bei Zahlung einer Abfindung in der Zeit vom 1.1. bis 31.3. ist die Märzklausel anzuwenden.
4 Abfindungen von Sozialleistungsträgern
HI657618
Werden von den Sozialleistungsträgern Abfindungen von Leistungsansprüchen gewährt, sind diese beitragsrechtlich
unerheblich. Solche Abfindungen kommen insbesondere aus Anlass der Wiederheirat einer Witwe (eines Witwers), zur
Abgeltung von Ansprüchen auf Verletztenrenten und zum Erwerb von Grundbesitz eines Dauerwohnrechts usw. in Betracht. Die
Abfindungsvorschriften ergeben sich für die Rentenversicherung aus § 107 SGB VI, für die Unfallversicherung aus den §§ 75 ff.
SGB VII.
[ 1 ] § 9 KSchG.
[ 2 ] BAG, Urteil v. 12.6.2003, 8 AZR 341/02.
[ 3 ] § 10 Abs. 1 KSchG.
[ 4 ] § 10 Abs. 2 KSchG.
[ 5 ] § 9 Abs. 1 KSchG.
[ 6 ] BAG, Urteil v. 12.9.1979, 4 AZR 420/77.
[ 7 ] § 113 BetrVG.
[ 8 ] BAG, Urteil v. 10.5.2007, 2 AZR 45/06.
[ 9 ] BAG, Urteil v. 13.12.2007, 2 AZR 971/06.
[ 10 ] § 1a Abs. 2 KSchG.
[ 11 ] BAG, Urteil v. 13.12.2007, 2 AZR 807/06.
[ 12 ] BAG, Urteil v. 19.6.2007, 1 AZR 340/06.
[ 13 ] BAG, Urteil v. 13.12.2007, 2 AZR 663/06.
[ 14 ] § 39b Abs. 3 Satz 9 EStG.
[ 15 ] BFH, Urteil v. 21.3.1996, BStBl 1996 II S. 416; BFH, Urteil v. 4.3.1998, XI R 46/97, BStBl 1998 II S. 787.
[ 16 ] BFH, Urteil v. 13.10.2015, IX R 46/14, BStBl 2016 II S. 214; BMF, Schreiben v. 4.3.2016, IV C 4 – S
2290/13/10002 :031, BStBl 2016 I S. 277.
[ 17 ] BMF, Schreiben v. 1.11.2013, IV C 4 – S 2223/07/0018 :005, BStBl 2013 I S. 1326.
[ 18 ] S. Lohnsteuer und Beiträge von Abfindungen.
[ 19 ] § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG.
[ 20 ] § 46 Abs. 2 Nr. 5 EStG.
[ 21 ] § 3 Nr. 3 EStG.
[ 22 ] § 3 Nr. 60 EStG.
[ 23 ] Z. B. nach § 9 KSchG und § 10 KSchG.
[ 24 ] BSG, Urteil v. 21.2.1990, 12 RK 65/87.
[ 25 ] S. Lohnsteuer und Beiträge von Abfindungen.
[ 26 ] S. Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft bei Einstellung eines Arbeitsnehmers.