Sportpsychologie für Freizeitläufer

Sportpsychologie für Freizeitläufer
Zielstellung sportpsychologischer Trainingstechniken
Sportpsychologische Trainingsverfahren sind Techniken, die die Sportler durch regelmäßiges Training
in die Lage versetzen, sich selbst insbesondere in Wettkampfsituationen gedanklich so zu regulieren,
dass die optimale Leistung abgerufen werden kann. Gerade im Wettkampfsport ist es offensichtlich,
dass psychische Prozesse (z. B. Gedanken und Vorstellungen) die Leistung maßgeblich beeinflussen
können.
Die Herausforderung des sportpsychologischen Trainings besteht also darin, dass insbesondere unter
stressreichen Umständen das Leistungspotenzial in vollem Umfang abgerufen werden kann. Neben
der Technik Selbstgespräche situations- und anforderungsangemessen zu regulieren, kann man auch
adäquate Vorstellungen trainieren – man nennt diese Technik auch Mentales Training. Durch
Aktivationsregulation kann der Athlet sein ideales Aktiviationsniveau erreichen, was erforderlich ist,
um seine beste Leistung erbringen zu können.
Mentales Training
Unter Mentalem Training versteht man nach Eberspächer (2007) das planmäßig wiederholte und
bewusste Sich-Vorstellen einer Bewegung ohne deren gleichzeitige praktische Ausführung. Ziel ist es,
durch das intensive Vorstellen eines Bewegungs- oder Handlungsablaufs, die Bewegungsausführung
positiv zu beeinflussen.
Die Erkenntnisse der neurophysiologischen Forschung hierzu haben gezeigt, dass beim intensiven
Vorstellen von Bewegungsabläufen (also beim Mentalen Training) die gleichen motorischen Zentren
im Gehirn aktiviert sind, wie bei der tatsächlichen praktischen Bewegungsausführung. Das heißt, es
ist letztlich für unser Gehirn mehr oder weniger egal, ob wir uns eine Bewegung nur intensiv
vorstellen, oder ob wir diese tatsächlich praktisch durchführen – und darin steckt natürlich immenses
Potential zur Optimierung der Performance. Dabei sollte man aber daran denken, dass Mentales
Training eine praktische Einheit nicht ersetzen kann und nur die Kombination beider Trainingsformen
dem rein praktischen Training überlegen ist. Um eine adäquate Bewegungsvorstellung zu entwickeln
und diese dann mental zu trainieren sind nur vier Schritte notwendig.
In einem ersten Schritt sollte eine detaillierte Beschreibung der Bewegung angefertigt werden.
Wichtig bei der Beschreibung einer Bewegung ist es, das Erleben der Bewegung nachzuvollziehen.
Die Beschreibung sollte möglichst vollständig alle bewussten Bewegungsanteile enthalten und die
Inhalte sollten mit einem Trainer oder Experten besprochen und insbesondere auf Ausführungsfehler
untersucht werden. Die nächste Stufe beinhaltet die Hervorhebung der Knotenpunkte der
Bewegung. Knotenpunkte einer Bewegung sind die entscheidenden Stellen eines Bewegungsablaufs,
die unbedingt durchlaufen werden müssen. Wo die entscheidenden Stellen einer
Bewegungsausführung sind, kann nur der Ausführende selbst individuell für sich entscheiden.
Außerdem können sich Knotenpunkte mit dem Trainingsfortschritt auch verändern. Abschließend
werden die Knotenpunkte markiert und rhythmisiert, d. h. sie werden mit individuellen Kurzformeln
benannt. Die Vorstellung soll durch diese Verdichtung an die Dynamik und den zeitlichen Ablauf der
Realbewegung angenähert werden
Nach den Schritten 1-3 können die erarbeiteten Knotenpunkte mental trainiert werden. Das Mentale
Training soll möglichst viele Sinneseindrücke (Sehen, Hören, Spüren…) und später auch
Rahmenbedingungen (Zuschauer, Lärm, Wetter) mit einbeziehen. Die Vorstellung von
körperbezogenem Bewegungsgefühl ist beim Mentalen Training von elementarer Bedeutung für die
Effektivität des Trainings.
Aber nicht nur beim Erlernen und Optimieren von Bewegungsabläufen spielt das Mentale Training
eine große Rolle, sondern auch in der Wettkampfvor- und –nachbereitung und während des Laufes.
Mentales Training in der Wettkampfvorbereitung:
Insbesondere bei Wettkämpfen ist die Phase zwischen dem Aufwärmen und dem Beginn des Laufes
besonders sensibel für die mentale Verfassung. In dieser Phase ist es unzweckmäßig, sich mit
Zweifeln, dem möglichen Scheitern oder unangenehmen Konsequenzen zu befassen. Eine
systematische Wettkampfvorbereitung kann dabei helfen, auch mental optimal vorbereitet in einen
Lauf zu gehen. Und dabei spielt das Mentale Training eine entscheidende Rolle.
Das Mentale Training in der Wettkampfvorbereitung hat drei Effekte:
Durch das Mentale Training
a) werden die relevanten neuronalen Areale für die bevorstehenden Bewegungsabläufe
voraktiviert.
b) stellt sich häufig eine positive Erwartung an die eigene Kompetenz ein – man ist überzeugt
von seinen Fähig- und Fertigkeiten.
c) ist man konstruktiv abgelenkt – unpassende Gedanken können zeitgleich nicht ablaufen.
Zur Überbrückung des Zeitfensters zwischen Aufwärmen und Lauf wird empfohlen, sich vom
Wettkampfort zu entfernen und einen ruhigen Ort aufzusuchen. Nach einer kurzen
Entspannungsphase (z.B. durch das Hören ruhiger Musik) sollten dann in der Vorstellung (Mentales
Training) die wesentlichen Handlungsabläufe für den Lauf durchgespielt werden. Dabei gilt Qualität
vor Quantität (3-5 Minuten sind völlig ausreichend). Wichtig ist, dass die Bewegungen in der
Vorstellung positiv (also fehlerfrei) und möglichst intensiv (das Bewegungsgefühl muss auch in der
Vorstellung nachempfunden werden) abläuft. Im Anschluss soll man sich (evtl. mit aktivierender
Wettkampfmusik) wieder dem Wettkampfort nähern und dem Lauf zuversichtlich entgegentreten.
Mentales Training während des Laufes:
Aus psychologischer Sicht geht es während des Laufs darum, den Fokus im „hier und jetzt“ zu halten.
Ein gedankliches Hängenbleiben an Streckenabschnitten ist genauso unzweckmäßig, wie ein
gedankliches in die Zukunft schweifen (z.B. „was passiert wenn“-Gedanken). Idealerweise wird
während des Laufes von Schritt zu Schritt und von Streckenabschnitt zu Streckenabschnitt gedacht.
Gerade aber wenn es nicht gut läuft – oder aber auch häufig gerade dann, wenn es besonders gut
läuft – fällt es vielen Läufern schwer, den Fokus zu halten. Hier kann Mentales Training helfen die
Aufmerksamkeit zurück in den Fokus zu lenken und mögliche destruktive Selbstgespräche werden
unterbunden.
Mentales Training in der Wettkampfnachbereitung:
In der Wettkampfnachbereitung geht es darum,
a) bei positivem Verlauf des Laufs möglichst viele positive Dinge herauszustreichen und zu
stabilisieren, so dass die Wahrscheinlichkeit in vergleichbaren Situationen ähnlich zu
reagieren erhöht wird.
b) bei negativem Verlauf des Laufs möglichst aus den Fehlern zu lernen, letztlich alternative
Handlungsmuster für vergleichbare Situationen zu entwickeln und so die Wahrscheinlichkeit
von Wiederholungsfehlern zu minimieren.
Selbstgesprächsregulation
Das Selbstgespräch ist die von Leistungssportlern am häufigsten eingesetzte kognitive Strategie.
Unter Selbstgesprächen versteht man Gedanken, die Handlungen und Bewegungen begleiten,
sozusagen die „Stimme im Kopf“. Diese Selbstgespräche können die Handlung bzw. Bewegung
entweder unterstützen oder stören. Bei vielen Sportlern kann nun beobachtet werden, dass störende
Selbstgespräche insbesondere in kritischen Wettkampfsituationen dominieren. Mittels der
Selbstgesprächsregulation soll dies verhindert und ein kontinuierlich handlungsleitendes
Selbstgespräch erlernt werden.
Selbstgespräche kommen vor allem in sportlich schwierigen und besonders herausfordernden
Situationen vor und sind immer an die sprechende Person selbst gerichtet. Dadurch dienen sie der
Regulation und nicht - wie Gespräche zwischen zwei Personen - der Kommunikation.
Im Training der Selbstgesprächsregulation geht es darum, diesen inneren Monolog gezielt (situationsund anforderungsgerecht) einzusetzen. Selbstgespräche beeinflussen dabei wesentlich die
Aufmerksamkeitssteuerung und können damit als Trainingsverfahren der Konzentration eingesetzt
werden. Außerdem beeinflussen sie auch die Befindlichkeit und Motivation der Athleten.
Bei der Aufmerksamkeitssteuerung besteht die Herausforderung darin, dass insbesondere in
stressreichen Situationen, wie z. B. entscheidende Wettkampfsituationen, der Sportler häufig
Schwierigkeiten hat, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Viele Sportler haben in solchen
Situationen plötzlich Gedanken im Kopf die sich um Konsequenzen, Selbstzweifel oder mögliches
Scheitern drehen.
Wenn der Sportler eine Handlung optimal – auf seinem individuell höchsten Niveau – durchführen
soll, benötigt er 100 % seiner Aufmerksamkeit für diese Handlung - höchste Konzentration. Dies
gelingt vielen Sportlern leichter im Training und bei einfachen oder unbedeutenden Wettkämpfen.
Wenn es aber drauf ankommt werden die Sportler durch die geänderte Situation (Medien,
Erwartungen, Konsequenzen, Zuschauer) von der Konzentration auf die Aufgabe abgelenkt und
beschäftigen sich mit dieser Veränderung. D.h. in Wettkampfsituationen beschäftigen sich viele
Sportler nicht mit dem was jetzt gefordert ist, ihrer Aufgabe und den nächsten Handlungsschritten,
sondern mit den Rahmenbedingungen. Der Kopf beschäftigt sich mit Dingen, die jetzt in dieser
Situation überhaupt nicht hilfreich sind. Wenn es drauf ankommt, sollte der Kopf aber die Handlung
unterstützen und nicht stören (Eberspächer 2009).
Die Konzentration fördernde Selbstgespräche sind dabei sehr individuell. Allgemein hat es sich als
positiv erwiesen Selbstgespräche positiv und handlungsorientiert zu formulieren: sozusagen sich
selbst im Selbstgespräch handlungsunterstützende Kommandos zu geben.
Man sollte so mit sich zu sprechen, dass es einem hilft. Dafür geht es zunächst darum, typische
individuelle Selbstgespräche in potentiellen Stresssituationen zu sammeln, um so die negativen
Selbstgespräche zu identifizieren und in positive Selbstgespräche umzuformulieren. Die individuell
passenden Selbstgespräche für potentielle Stresssituationen müssen dann in ansteigenden
Stresssituationen praktisch angewandt, also trainiert werden.
Es ist also eine zu erlernende Fertigkeit, in diesen Situationen diese Denkprozesse aktiv und
konstruktiv zu gestalten.
Unter Befindlichkeit kann man die Bewertung des eigenen aktuellen Zustands verstehen. Die
Befindlichkeit wird dabei durch die eigene Einschätzung reguliert - im Alltag erleben wir dies oft
umgekehrt: das schlechte Wetter, der Platz, die Bälle, der Gegner, der Schiedsrichter, die Zuschauer
oder der Trainer ‚nervt‘ und stört so die eigene Befindlichkeit. Prinzipiell kann die Umwelt aber gar
nichts für die eigene Befindlichkeit. Die Umwelt wird lediglich wahrgenommen. Und diese
Wahrnehmung wird dann von der jeweiligen Person bewertet. Dabei hängt die Bewertung von den
Ressourcen der Person ab (Lazarus, 1984): fühle ich mich der wahrgenommenen Situation oder
Anforderung gewachsen oder nicht? Dementsprechend resultieren Gefühle der Herausforderung
oder der Bedrohung, die sich dann wiederum in einer entsprechenden Befindlichkeit niederschlagen.
Der Spieler muss erkennen, dass destruktive Gedanken/Selbstgespräche (die auftreten, wenn eine
Situation als Bedrohung eingeschätzt wird) die eigene Befindlichkeit erheblich stören und damit das
eigene Leistungsvermögen massiv beeinflussen können. Insofern muss der Spieler wissen, dass er
alleine seine Gedanken/Selbstgespräche steuern kann und er damit auch der einzige Verantwortliche
dafür ist, was sich in entscheidenden Situationen in seinem Kopf abspielt. Letztlich entscheidet über
Verlierer oder Gewinner oft, wer in unangenehmen Situationen seine Leistung weiterhin abrufen
kann. Eine Fertigkeit ist es, gerade diese Situationen als besonders herausfordernd einzuschätzen.
Damit der Läufer in der Lage ist, auch in den unangenehmen Situationen handlungsfähig zu sein und
diese erfolgreich zu bewältigen, müssen diese Situationen besprochen und trainiert werden. Der
Läufer sollte – entweder aus der eigenen erlebten Vergangenheit oder auch aus der freien
Vorstellung heraus – Situationen beschreiben, die ihn in seiner Befindlichkeit einschränken könnten.
Dann soll er für sich festlegen, was er in einer vergleichbaren Situation denkt und tut. Ziel ist es hier
individuell passende und konstruktive Selbstgespräche zu formulieren und diese auch gezielt in
vergleichbaren Situationen einzusetzen (ggf. bietet es sich auch an mögliche unangenehme
Situationen im Training zu simulieren – wichtig dabei ist es, dem Läufer zu verdeutlichen, dass diese
Trainingsformen keine Schikane darstellt, sondern das Verhalten in wichtigen Laufschnitten
trainieren soll).
Auch das Training befindlichkeitsfördernder Selbstgespräche wird nicht verhindern, dass der Sportler
auch weiterhin vor oder während des Laufs unzweckmäßige Selbstgespräche führt. Es sollte jedoch
dazu führen, dass er für seine Selbstgespräche sensibilisiert ist, diese rechtzeitig erkennt und mit
adäquaten Selbstgesprächen gegensteuern kann.
Es ist im Allgemeinen wichtiger den Sportler für seine Selbstgespräche zu sensibilisieren, als konkrete
Inhalte vorzugeben. Diese sind zum einen sehr individuell zu entwickeln und können sich auch je
nach Situation verändern.
Motivation ist die Frage nach dem Warum des Verhaltens (Rheinberg 2010). Die Motivation regelt
die Richtung, die Ausdauer und die Intensität des eigenen Verhaltens. Sie ist immer dann gefragt,
wenn sich der Sportler in einer Situation befindet, die unangenehm ist, in der es gilt durchzuhalten.
Manchmal spricht man auch von der individuellen Komfortzone, die man verlässt und außerhalb
derer es anscheinend besonders schwierig ist, bestimmte Verhaltensweisen aufrecht zu erhalten. Ob
eine Anforderung als unangenehm oder belastend wahrgenommen wird, hat prinzipiell nicht mit der
Anforderung an sich zu tun, sondern mit den jeweiligen Bewertungen dieser Situationen durch den
Sportler selbst (vgl. Befindlichkeit). In unangenehmen Situationen verändert sich das Selbstgespräch
bemerkenswert. Es wird ambivalent und springt zwischen den Handlungsalternativen weitermachen
oder aufhören hin und her. Es ist eine mentale Leistung, dieses Selbstgespräch positiv – im Sinne der
Handlungsfortführung – zu beeinflussen und die unzweckmäßigen Stimmen zu ignorieren oder zu
„bekämpfen“.
Dieses ambivalente Selbstgespräch findet aber nicht nur in sportlich anspruchsvollen Situationen
statt, in denen es ums durchhalten geht; in vielen Situationen, in denen Entscheidungen anstehen,
erleben wir ein ambivalentes Selbstgespräch in unserem Kopf.
Voraussetzung für das Training motivierender Selbstgespräche ist zunächst das Grundverständnis für
die Funktion der Selbstgespräche und deren Ambivalenz in Situationen die als Beanspruchung erlebt
werden. Es ist wichtiger den Sportler für seine ambivalenten Selbstgespräche zu sensibilisieren, als
konkrete Inhalte vorzugeben. Diese sind zum einen sehr individuell zu entwickeln und können sich
auch je nach Situation verändern.
Ist das Grundverständnis vermittelt worden, legt man individuell beanspruchende
Anforderungssituationen fest, in denen ein ambivalentes Selbstgespräch erwartet wird. Wichtig: der
Sportler sollte sich bereits in Vorfeld entsprechende Inhalte des Selbstgesprächs zurechtlegen, damit
er in der Anforderungssituation gleich adäquat reagieren kann.
Aktivationsregulation
Als Aktivationsregulierung bezeichnet man die Fertigkeit, Spannungs- und Entspannungszustände
anforderungsgerecht regulieren zu können. Oftmals wird die optimale Umsetzung der
Trainingsleistung im Wettkampf durch ein leistungsminderndes Aktivationsniveau verhindert. So
besagt das Yerkes-Dodson-Gesetz, dass zu jeder Leistungsanforderung ein optimales
Aktivierungsniveau passt und demnach auch für jede Leistungsanforderung ein Zuviel oder ein
Zuwenig an Aktivierung zu vermeiden ist.
Das bedeutet: Leistungsorientierte Sportler müssen in der Lage sein, das optimale Aktivationsniveau
durch systematische und zielgerichtete Entspannung oder Mobilisierung selbstständig herzustellen.
Dabei geht es nicht darum, immer möglichst entspannt zu sein. Ein gewisses Maß an Stress ist
leistungsförderlich. Dies verdeutlicht das Allgemeine Adaptationsmodell von Selye. Stress gehört zu
den Grundbedingungen menschlicher Existenz und ist ein uraltes Programm unserer Gene. In
Gefahrensituationen ist es dem Organismus möglich, sekundenschnell Energiereserven zu
mobilisieren. Innerhalb kürzester Zeit ist der Mensch kampf- oder fluchtbereit. Dieser Vorgang wird
als Alarmreaktion des Körpers bezeichnet und läuft automatisch, reflexartig und unbewusst ab. Die in
unserem Körper ablaufenden Stressreaktionen laufen nach einem festgelegten Muster ab. Bei Stress
wird immer ein physiologisch höchst komplexer dreistufiger Reaktionsmechanismus hervorgerufen,
bei dem verschiedene Körperfunktionen ähnlich wie bei einer Kampf- oder Fluchtreaktion ablaufen.
Das Modell geht von einem normalen Widerstandsniveau aus, dass bei der Wahrnehmung von
Stressoren (z.B. Gefahr) ansteigt: der Organismus wird mobilisiert und ist nun widerstandsfähig
gegenüber dem Stressor. Diese Phase der Mobilisation kann nur begrenzt lange (je nach individueller
Konstitution) aufrechterhalten werden. Danach kommt es zur Erschöpfung.
Was bedeutet dieses Modell für den leistungsorientierten Läufer:
 Wenn vor dem Wettkampf körperliche Stressreaktionen spürbar sind ist das gut so und
wünschenswert. Der Körper wird mobilisiert, man ist leistungsfähig und bereit für den Lauf.
Man sollte nur beachten, dass diese Mobilisierung auch unmittelbar vor dem Wettkampf
geschieht und nicht schon 2 Stunden vorher.
 Die erhöhte Mobilisierung ist nur begrenzt aufrecht zu halten. Man sollte – insbesondere bei
längeren Läufen – systematisch die Pausen (z.B. flache Streckenabschnitte) nutzen um kleine
Regnerationsphasen in den Wettkampf einbauen zu können. Außerdem ist zwischen den
Wettkämpfen mit entsprechenden Regnerationsmaßnahmen eine ausreichende mentale
Erholung sicher zu stellen. Akuter Stress ist leistungsförderlich, dauerhafter Stress
beeinträchtigt die Leistungsfähigkeit.
Es ist eine Fertigkeit, das persönlich optimale Aktivierungsniveau anforderungsgerecht und
selbstständig herstellen zu können. In den meisten Fällen ist das Aktivierungsniveau zu hoch, sodass
vor allem entspannende Methoden benötigt werden.
Entspannungstechniken werden in Verfahren eingeteilt, die eine
 sensorische Stimulation (körperbezogene Verfahren, z. B. Progressive Muskelentspannung,
Atementspannung) oder eine
 kognitive Stimulation (vorstellungsbezogene und ideologische Verfahren, z. B. Autogenes
Training) bewirken.
Im Sport werden Entspannungsverfahren primär mit folgenden Zielen eingesetzt:
 Unterstützung der Regeneration
 Einschlafhilfe am Vorabend eines Spiels/Turniers
 Kurzfristiges Abschalten in Wettkampfpausen oder bei Verzögerungen, z. B.
Regenunterbrechungen (ohne die Wettkampfspannung vollständig zu verlieren)



Erhöhung der Konzentrationsfähigkeit
Allgemeine Regulierung der Muskelspannung
Zudem soll sich hinsichtlich belastender Trainings- und Wettkampfsituationen langfristig eine
größere Gelassenheit einstellen.
Allgemein sind drei Ansatzpunkte zur Regulation des psychophysischen Aktivationsniveaus von
Bedeutung (Eberspächer 2007):
 Verhalten: Wenn man sich entspannen möchte, verhält man sich ruhig. Das heißt, man sollte
liegen, sich hinsetzen oder langsam gehen.
 Umwelt: Zur Entspannung sollte man ruhige Umgebungen aufsuchen, also sicherstellen, dass
man nicht gestört wird. Unkontrollierte Außeneinflüsse und Lärm oder Hektik sollten
zugunsten einer reizarmen Umgebung gemieden werden.
 Wahrnehmung: Am wichtigsten ist es, Kontrolle über die Wahrnehmung zu bekommen. Es ist
möglich, die Augen zu schließen oder ein vorab installiertes Ruhebild (zum Beispiel eine
schöne Fotografie aus dem letzten Urlaub) zu betrachten. Auch das Hören von Musik (über
Kopfhörer) ist eine sehr gute Entspannungsmethode. Die Musik sollte allerdings ruhig sein,
das heißt, weniger als 60 BPM (Beats per Minute) aufweisen. Der Organismus (Herzschlag)
passt sich tendenziell nach einiger Zeit diesen BPM an.
Jeder muss zunächst für sich herausfinden, wie er am besten entspannt, welche Technik für ihn
persönlich angenehm und wirkungsvoll ist. Die gängigsten Entspannungsverfahren, die Sportler
anwenden, sind (Mayer & Hermann 2014):
 Atementspannung
 Progressive Muskelentspannung
 Autogenes Training
 Yoga (entspannende Anteile)
 Musik
Mobilisationstechniken können in bestimmten Situationen hilfreich sein. Im Gegensatz zum Bereich
der Relaxation gibt es jedoch kaum nennenswerte standardisierte Mobilisationstechniken. Man kann
sich jedoch selbst eine Mobilisationstechnik erarbeiten, wenn man sein Verhalten, seine
Wahrnehmung und/oder seine Umwelt entsprechend gestaltet.
 Verhalten: Wenn man sich aktivieren möchte, sollte man sich schnell und schwunghaft
bewegen, Muskelspannung aufbauen (z. B. durch isometrische Übungen) und sich auf die
Einatmung konzentrieren.
 Umwelt: Zur Aktivierung sollte man reizreiche, anregende Umgebungen aufsuchen oder
herstellen (z. B. „fetzige“ Musik anhören).
 Wahrnehmung: Man sollte sich auf die Herausforderung einstellen und Druck, „Power“ per
Selbstgespräch erzeugen.
Eberspächer, H. (2007). Mentales Training. München: Copress.
Eberspächer, H. (2009). Ressource Ich. München: Hanser.
Lazarus, R.S. & Folkman, S. (1984). Stress, appraisal, and coping. Berlin; Heidelberg; New York:
Springer.
Mayer, J. & Hermann, H.-D. (2014). Sportpsychologie im Nachwuchsfußball. Mentale Fertigkeiten
entwickeln und trainieren. Münster: Philippka.
Rheinberg, F. (2010). Motivation. Stuttgart: Kohlhammer.