Lebenszeichen 19.06.2016

Nicht ich war gemeint
Das Leben von „Ersatzkindern“
Von Irene Dänzer-Vanotti
Lebenszeichen
19.06.2016
O-Ton Thomas Bockelmann:
Ich hatte drei Brüder, von denen nur noch einer lebt. Der erste hieß Mischa, 1939 geboren,
der zweite hieß André, 1941 geboren, und diese beiden haben, als der Krieg zu Ende war,
1946, einen Blindgänger gefunden.
Sprecherin:
Thomas Bockelmann
O-Ton Thomas Bockelmann:
Und dann hat einer gesagt, wenn man da Steine drauf schmeißt, dann kracht’s. Und das
haben sie so getan lange getan, bis es gekracht hat. Meinem einen Bruder, dem jüngeren,
haben so die Gedärme herausgehangen. Der ist über die Wiese gelaufen und hat gesagt,
was ist das? Was ist das? Den hat man aber retten können. Der lebt auch heute noch. Und
der andere hat einen Bombensplitter in die Leber gekriegt und hat sich still auf die Wiese
gelegt und ist innerlich verblutet. Und dann ist 1947 mein Bruder Martin geboren worden und
der war natürlich ein bisschen das Ersatzkind.
Sprecherin:
Der Sohn soll Freude über das Leid legen.
O-Ton Kristina Schellinski:
Es ist wieder Leben da! Es ist Hoffnung da, es soll auch ablenken, und vielleicht von der
Trauer ja eben wegführen, hinein ins Leben. Aber die unverarbeitete Trauer, die fließt ja mit
rein, die fließt vielleicht sogar mit der Muttermilch mit rein, wer weiß, sie fließt in die
Beziehung mit hinein. Und das ist das Gefährliche da dran, eigentlich.
Sprecherin:
Kristina Schellinski beschäftigt sich seit Jahren mit Menschen, die geboren sind, nachdem ein
anderes Kind in der Familie starb. In der Psychologie heißen sie, etwas unbarmherzig auf der Suche
nach einem knappen, treffenden Ausdruck, „Ersatzkinder“. Ihr Leben ist oft von einer schwierigen
Suche nach ihrem eigenen Weg geprägt, ihrem eigenen Wesenskern, ihrem wahren Ich. Denn bei
ihrer Geburt freuten sich die Mutter und Vater nicht nur über dieses Mädchen, über diesen Jungen,
sondern sie trauerten meist noch über das verstorbene Geschwisterchen.
© Westdeutscher Rundfunk Köln 2016
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Nicht ich war gemeint
Das Leben von „Ersatzkindern“
Lebenszeichen
Von Irene Dänzer-Vanotti
19.06.2016
Wo sich so unterschiedliche und existenzielle Gefühle bei Eltern und allen anderen
Familienmitgliedern mischen, kann sich für ein neugeborenes Kind eine verwirrende Konstellation
ergeben, die das Leben überschattet. Thomas Bockelmann von Beruf Theaterintendant in Kassel vermutet, dass das schwierige Leben seines Bruders Martin damit zu tun hat, dass er unmittelbar
nach dem Tod von Mischa entstand.
O-Ton Thomas Bockelmann:
Ich will nicht sagen, dass das bei meinem Bruder der einzige Grund ist, aber der hat sich, das
war sehr schmerzhaft, vor einigen Jahren in der Psychiatrie das Leben genommen. Und der
hat auch kein sehr glückliches Leben gehabt, trotz therapeutischem Beistand und all diesen
Dingen. Es könnte schon sein, dass das mit diesem Umstand zu tun hat.
Sprecherin:
Das Dilemma von Eltern ist verständlich. Es ist sogar so alt wie die Menschheit.
Sprecher:
Und es begab sich, da sie auf dem Felde waren, erhob sich Kain wider seinen Bruder Abel und
schlug ihn tot.
Sprecherin:
Die Bibel erzählt in ihren ersten Kapiteln, in der Genesis, von Kain und Abel, dem Brudermord. Abels
Tod lässt ihren Eltern, Adam und Eva, keine Ruhe.
Sprecher:
Adam erkannte abermals sein Weib und sie gebar einen Sohn, den hieß sie Seth; denn Gott hat mir,
sprach sie, einen anderen Samen gesetzt für Abel, den Kain erwürgt hat.
Und Adam war 130 Jahre alt und zeugte einen Sohn, der seinem Bilde ähnlich war, und hieß ihn
Seth.
Sprecherin:
Der hebräische Name „Seth“ wird als „der Gegebene“ übersetzt oder, schlicht, als „Ersatz“.
Das Thema „Ersatzkind“ klingt hier bereits an und derjenige, der Abel ersetzen soll, hat nie die
Bedeutung seiner verfeindeten Brüder erlangt. Seth wird in der Bibel als Urvater der Menschheit
dargestellt, als jemand, der viele Söhne gezeugt hat. Er gibt Leben weiter. Um seiner selbst willen
aber zählt er nicht. Vielleicht stellte er sich also auch die Fragen vieler so genannter Ersatzkinder.
Sprecher:
Wer bin ich selbst?
Sprecherin:
Bin ich gemeint im Leben?
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Das Leben von „Ersatzkindern“
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Von Irene Dänzer-Vanotti
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Sprecher:
Soll ich ganz anders sein?
Sprecherin:
Soll ich so sein, wie es das gestorbene Kind war?
Sprecher:
Lieben meine Eltern mich? Oder das andere Kind? Oder ihren eigenen Traum davon, Kinder zu
haben?
Sprecherin:
Gibt es in mir etwas, was ausschließlich „ich“ ist?
Sprecher:
Muss ich das werden, was meine Eltern für das gestorbene Kind erhofft haben?
Sprecherin:
Bin ich ihren Hoffnungen für einen anderen Menschen ausgesetzt?
Sprecher:
Wenn ich schon meinen Eltern nicht trauen kann, ob sie wirklich mich meinen und lieben, kann ich
dann einer anderen Instanz trauen? Dem Leben? Gott?
Sprecherin:
Vielleicht stimmt dieser Satz: Ich bin gemeint, weil ich lebe!
Sprecherin:
Das sind Fragen und Themen, mit denen sich jeder Mensch beschäftigt. Für diejenigen, die sich
selbst als Ersatzkinder wahrnehmen, aber sind sie besonders drängend, wie die Psychoanalytikerin
Kristina Schellinski – selbst Ersatzkind – sagt.
O-Ton Kristina Schellinski:
Und dann ist eben diese Arbeit, die vielleicht ein Leben lang dauern kann: „Wer bin ich denn
wirklich?“
Sprecherin:
Kristina Schellinski ist 59 Jahre alt. Sie ist in Süddeutschland geboren. Ihre Eltern hatten sich dort
nach der Flucht aus Litauen und Ostpreußen niedergelassen. Kristina ist ihr viertes und jüngstes
Kind. Während ihre Mutter mit ihr schwanger ist, stirbt ihr zweijähriger Bruder Wolfgang an einer
Blinddarmentzündung. Eine Katastrophe für die ganze Familie.
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O-Ton Kristina Schellinski:
Ein goldiges Büblein. Ja sicher, es war ein großer Verlust für meine Schwester und für
meinen Bruder und sie haben letztlich auch irgendwie die Mutter verloren, weil die Mutter war
in Trauer. Meine Mutter ist nie über diese Trauer hinweggekommen. Und eine trauernde
Mutter wird als depressive oder schlimmer noch als abwesende Mutter empfunden von dem
Kind. Meine Mutter hat, glaube ich, fünf Jahre lang nur schwarz getragen, es ist also die
schwarze Mutter.
Sprecherin:
Die Mutter, in der die Trauer stärker ist als die Freude an dem neugeborenen Kind.
O-Ton Kristina Schellinski:
Also, ich war schon unterwegs sozusagen, als das Kind gestorben war, aber als meine Mutter
diesen schrecklichen Verlust hinnehmen musste, war sie natürlich nicht sehr begeistert,
schwanger zu sein und ich habe sicher sehr, sehr viel der Trauer von ihr schon im Unterleib,
im Uterus, mitbekommen. Und dann war ich natürlich kein Junge und ich war gar nicht das
Kind, was sie vielleicht gehofft hätte, das da wiederkäme und diesen schrecklichen
unwiederbringbaren Verlust doch irgendwie wieder gutmacht oder ausgleicht.
Sprecherin:
Kristina beißt sich durch. Kindheit und Jugend erlebt sie neben der leidenden und später kranken
Mutter. Erfolge in Schule und Studium tragen sie aber weiter. Sie findet in ihren ersten Berufen als
Journalistin und Mitarbeiterin einer Menschenrechtsorganisation genügend Stabilität, um zu
funktionieren. Beziehungen und eine erste Ehe, in der sie zwei Söhne bekommt, geben ihr Halt. Aber
ihre Frage schwelt weiter.
O-Ton Kristina Schellinski:
„Wer bin ich denn wirklich?“
Sprecherin:
Sie begibt sich auf einen neuen Weg und wird Psychoanalytikerin. Ihre Praxis ist in Genf. In vielen
Stunden der Lehrananalyse wird ihre Problematik als Ersatzkind allerdings nur gestreift. Auch
deshalb setzt sich Kristina Schellinski inzwischen dafür ein, dass das Thema bekannter wird, damit
andere Menschen mit einer ähnlichen Lebensgeschichte leichter Verständnis und Begleitung finden.
Oder auch, dass Eltern nach dem Tod eines Kindes, nach den Schmerzen, frei werden, ein weiteres
Kind als eigenständiges Wesen wahrzunehmen.
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O-Ton Kristina Schellinski:
Das ist ja, was einer guten Bindung zugrunde liegt, dass das Kleinkind sich konstruieren kann
im Widerschein des Blickes der Mutter oder des Vaters. Dass sozusagen die Person, die sich
um das Kind kümmert, das Kind erkennt und dem Kind das auch widerspiegelt, was es in
dem Kind denn als Ureigenes erkennt. Und da kann man sich ja vorstellen, wenn da ein
Schatten drüber geht, wie eine schmutzige Scheibe sozusagen, von einer Erinnerung von
einem anderen Wesen, dass das dann diese Widerspiegelung erschwert oder unmöglich
macht.
Sprecherin:
In diese Erinnerungen mischen sich sogar noch schwierigere Gefühle.
O-Ton Kristina Schellinski:
Also ich glaube, ich hatte sicher, und man muss das eigentlich „unbewusste Schuldgefühle“
nennen, über lange Jahrzehnte meines Lebens litt ich da dran, bis ich das durchgearbeitet
hatte. Und dann gibt es ja nicht nur diese Art von Schuldgefühl, sondern es gibt ja auch noch
die Überlebensschuld. Ich lebe, ich kann mein Leben leben, aber der andere eben nicht –
warum eigentlich? Warum er oder sie nicht, aber ich?
Sprecherin:
Solche Gefühle kennen auch Überlebende von Katastrophen. Kristina Schellinski empfand es als
heilsam, sich diese – unschönen – Gefühle bewusst zu machen und so, nach und nach, ihr eigenes
Leben zu finden. Ihr gestorbener Bruder hat darin seinen Platz. Aber er bestimmt es nicht mehr.
O-Ton Kristina Schellinski:
Ich hatte nicht den Tod meines Bruders zu verantworten, ich war nicht mal geboren, meine
Mutter war schwanger mit mir drei Monate, aber ich hatte das Gefühl, ich hatte den Tod von
Wolfgang verursacht oder ich war dafür schuldig. Dieser Schuldkomplex beim Ersatzkind,
neben der Trauer ist ein ganz wesentliches Element, was man durcharbeiten muss in der
Psychoanalyse.
Sprecherin:
Dennoch verstummen die zweifelnden, inneren Stimmen nicht ganz.
Sprecher:
Bin ich im Leben gemeint?
Sprecherin:
Bin ich geliebt, als diejenige, die ich bin?
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Sprecher:
Was gehört mir?
Sprecherin:
Was erwarten meine Eltern von mir? Dahinter steht die viel größere Frage, die jeden Menschen
betrifft, unabhängig davon, in welche Konstellation er oder sie geboren ist: Hat jeder Mensch ein
eigenes Sein, einen Charakter, eine Art? Hat jeder Mensch ein Schicksal, das er oder sie im Leben
entwickeln und entfalten kann, sogar muss? Wenn das so ist, sind diejenigen, deren Lebensbeginn
vom Tod eines Geschwisterkindes überschattet ist, nur härter als andere gefordert, ihr eigenes Sein
freizulegen. Irgendwelchen Einflüssen aber ist natürlich jeder Mensch ausgesetzt, Widerstände
gegen die er sich im Lauf des Lebens durchsetzen muss. Die Psychoanalytikerin Kristina Schellinski,
geht davon aus.
O-Ton Kristina Schellinski:
dass ein jeder Mensch seinen eigenen Wesenskern hat, mit ins Leben bringt, und dass es
darum geht, zu entdecken, was ist denn dieser Kern. Natürlich sind wir alle irgendwelchen
Projektionen und Fantasien ausgesetzt und da liegt eigentlich ein ganz positives Element
beim Ersatzkind. Weil das Ersatzkind wird leiden und durch das Leiden auf einen Weg, auf
die Suche nach dem Selbst geführt. Und es gibt viele berühmte Schriftsteller und
Komponisten und Maler, also das gerade bei kreativen Menschen, die einen Weg wohl
gesucht haben, raus aus dem Destruktiven, das ja der Tod darstellt, die versucht haben sich
zu verwirklichen.
Sprecher:
Der Komponist Ludwig van Beethoven.
Sprecherin:
Der Maler Salvador Dali.
Sprecher:
Der Schriftsteller Hermann Hesse.
Sprecherin:
Der Maler Vincent van Gogh.
Sprecherin:
Alle sind Ersatzkinder. Van Goghs Schicksal scheint besonders schwer.
Sprecher:
Vincent Willem van Gogh wird am 30. März 1853 geboren, auf den Tag genau ein Jahr nach dem
Tod seines Bruders. Den hatten die Eltern auch Vincent Willem genannt. Der überlebende Vincent
muss als Kind oft das Grab besuchen, auf dem sein eigener Name steht.
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Nicht ich war gemeint
Das Leben von „Ersatzkindern“
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Als junger Mann sucht Van Gogh seinen Platz, jahrelang. Immer neue Berufe, immer neue Stationen.
In der Liebe wird er mehrmals von Frauen zurückgewiesen, bis er es aufgibt, eine Partnerin zu
suchen. Er ist schon Mitte 30, als er immerhin als Maler seinen Stil und seine Farben findet, in der
Sonne der südfranzösischen Stadt Arles auch seine Motive. Er hat durch alle Widerstände seinen
persönlichen Ausdruck gefunden. Dass er damit wegweisend wird für die Kunst des ganzen
folgenden Jahrhunderts, kann er nicht entfernt ahnen. Als er 37 ist, bekommt sein geliebter Bruder
Theo einen Sohn. Er heißt auch Vincent Willem. Theo hofft, dass dieser Vincent Willem einmal
berühmt wird. Nur wenige Wochen nach der Geburt seines Neffen erschießt sich der Maler Vincent
van Gogh. Lange bevor er selbst der weltberühmte Vincent wird.
Sprecherin:
Man kann spekulieren, dass ihm das zu viel wurde: Jetzt gab es noch einen dritten Menschen seines
Namens, der wichtiger war als er. Van Goghs Leben kann man als große Suche nach dem seinem
eigenen Sein verstehen. So schwer sie gewesen sein mag: in der Kunst ist sie ihm geglückt.
Sein Leben zeigt auch, wie sehr Identität mit dem Namen verbunden ist. In der Bibel heißt es.
Sprecher:
Ich habe Dich bei Deinem Namen gerufen und Du bist mein!
Sprecherin:
Nicht selten nennen Eltern – wie die von Van Gogh - Kinder nach einem zuvor gestorbenen Kind.
Das macht es diesen noch schwerer, sich selbst zu finden.
So ging es auch Charlotte Martha Maria Wilcke, geborene Meuser, der Mutter von Karin Wilcke aus
Düsseldorf.
O-Ton Karin Wilcke:
Nach dem Tod, als meine Oma schon 46 war, ist meine Mutter noch geboren worden. Und
sie hat genau den gleichen Namen bekommen: Charlotte Martha Maria. Sie wurde wie das
tote Kind Lotti gerufen und ja, sie war wirklich die Kopie, das neue Kind, was genau in die
Spuren des alten Kindes geleitet werden sollte.
Sprecherin:
Die Geschichte begann so.
O-Ton Karin Wilcke:
Ja, meine Großmutter ist in den Haushalt gekommen eines Witwers mit zwei Töchtern als
Kindermädchen. Und man lernte sich lieben und dann haben die Großeltern geheiratet und
bekamen ein kleines Mädchen. 1927. Und da waren die beide auch schon nicht mehr ganz
jung, da war die Oma auch schon 38 Jahre alt. Und dieses kleine Mädchen ist mit fünf Jahren
gestorben. Und dann war dieses kleine Mädchen auch noch außergewöhnlich begabt im
Klavierspiel. Die Kleine hat sich wohl schon mit Drei dafür interessiert und als sie mit fünf
Jahren starb, konnte sie schon Klavier spielen.
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Sprecherin:
Die Mutter ist jetzt schon Mitte vierzig, bekommt aber, Wunder über Wunder, nach Lottis Tod noch
einmal ein Kind, wieder eine Tochter im Jahr 1935.
O-Ton Karin Wilcke:
Meine Mutter hat ihrer verstorbenen Schwester so ähnlich gesehen, dass man auf vielen
Fotos nicht sagen kann, wer es jetzt ist. Zumal die Großeltern ihr auch dieselben Kleidchen
angezogen haben. Das finde ich schon sehr makaber.
Sprecherin:
Nicht nur in die Kleidchen, auch in die Begabung der Schwester wird die „zweite Lotti“, wie sei
genannt wird, gedrängt.
O-Ton Karin Wilcke:
Man hat sie mit drei Jahren ans Klavier gesetzt, sie hatte durch ihre ganze Schulzeit und
Teenagerzeit Klavierunterricht – sie muss sehr gut gespielt haben, ich kann es nicht
beurteilen, denn ich habe sie nie spielen hören.
Sprecherin:
Nicht nur das: Karin Wilcke hat ihre Mutter auch nie über ihre Rolle in der Familie als Ersatzkind
reden hören. Die Mutter schwieg. Sogar noch als sie als erwachsene Frau beim 80. Geburtstag ihrer
eigenen Mutter als deren zweites Kind nicht einmal erwähnt wurde.
O-Ton Karin Wilcke:
da wurde noch mal so das Leben der Großmutter nacherzählt und dann hieß es auch, „ja und
den Ehemann gefunden, wunderbar und dann kommt ein kleines Töchterchen“ und ich
dachte, dass von meiner Mutter ist die Rede und nein, vom toten Kind war die Rede. Und
meine Mutter wurde kaum, so im Nebensatz – „ja, es gab da noch mal ein Kind“ oder „sie
hatte da wieder ein neues“, so die kleine Lottie war ja ersetzt worden – und das ist mir total
nahegegangen, und dann habe ich gedacht, wie muss es für meine Mutter gewesen sein auf
diesem 80. Geburtstag anwesend zu sein. Ich wäre glaube ich, aufgesprungen und hätte
geschrien „Ich bin hier, ich bin die Tochter, ich bin die, die lebt“. Aber das hat sie nicht
gemacht. Das verstehe ich nicht.
Sprecherin:
Ihren Eltern gegenüber wird Karin Wilckes Mutter nicht aufbegehren. Eine frühe Ehe scheint ihr
immerhin den Freiraum zu geben, den tiefsten Schatten der toten, ersten Lotti zu bannen.
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O-Ton Karin Wilcke:
Meine Mutter ist von ihrer Hochzeitsreise zurückgekommen, mit 21 hat sie geheiratet, sie kam
von der Hochzeitsreise zurück und hat sofort das Klavier verkauft. Und als meine Schwester
und ich so in einem Alter waren, dass wir uns für Musikinstrumente interessierten – man fängt
ja so mit Blockflöte an und arbeitet sich langsam hoch -, da haben wir dann auch mal gesagt,
Klavier lernen wäre toll und da hat sie gesagt „Nein, nur über meine Leiche kommt ein Klavier
in dieses Haus“. Das haben wir auch nicht verstanden, das haben wir uns dann nachträglich
erschlossen, wo diese totale Ablehnung herkam.
Sprecherin:
Als Ehefrau und Mutter gönnt sich Charlotte Martha Maria Wilcke auch nur kleine Fluchten in ein
eigenes Leben. Für ihre Kinder sind sie befremdlich, weil sie weiterhin von Schweigen über die
Ursachen begleitet sind.
O-Ton Karin Wilcke:
Die hat es also tatsächlich fertiggebracht, einer Familie mit Großmutter und zwei Kindern aus
der Stadt ein Stück Kuchen mitzubringen und das nachmittags zu essen. Und wir saßen
dabei – bei uns gab‘s immer nachmittags Kaffee – und wir kriegten dann irgendwie ein
Marmeladenbrot oder sowas. Wir waren nicht unzufrieden, wir haben ihr auch dieses Stück
Kuchen nicht geneidet, aber wir fanden das schon merkwürdig, dass eine Mutter für sich was
holt und nicht für ihre Kinder. Und ich bin mir mit meiner Schwester heute einig, dass unsere
Mutter immer, immer, immer das Bedürfnis gehabt haben muss, irgendwas zu machen, dass
sie spürt „Ich bin hier“. „Ich bin ich, ich bin was wert, ich gönn mir jetzt dieses Stück Kuchen,
ich bin dieses Stück Kuchen wert“.
Sprecherin:
Ihre Familie muss deshalb dieser Mutter zeigen, dass sie gemeint ist, etwa wenn sie ihr etwas
schenken.
O-Ton Karin Wilcke:
Man konnte meiner Mutter zu Weihnachten, zum Geburtstag, zu allen möglichen Anlässen
immer nur eine Freude machen mit einem Geschenk, was ausschließlich von ihr zu benutzen
war. Also ich sag mal, ein Kleidungsstück, ein Schal, eine Handtasche, das war gut, eine
Bodylotion, aber etwas, was der Allgemeinheit zugutegekommen wäre, wie eine Tischdecke,
das hätte sie nicht gefreut. Sie musste immer ein Geschenk haben, was wirklich nur für sie
war. Und ich denke, das hängt alles sehr eng zusammen.
Sprecherin:
Charlotte Martha Maria Wilcke stirbt mit 60 Jahren. Erst nach ihrem Tod reimen sich ihre Töchter
zusammen, wovon ihr Leben bestimmt war. Karin Wilcke ist jetzt selbst 58 Jahre alt.
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19.06.2016
Sie hat nicht Gefühl, dass sie unter der psychischen Situation ihrer Mutter gelitten hat. Aber dennoch:
eine Mutter, die selbst nicht als eigenes Wesen wahrgenommen wurde, konnte auch ihre Töchter
nicht als Persönlichkeiten ansehen.
O-Ton Karin Wilcke:
Ja, die hat uns so gesehen, wie sie uns gern gehabt hätte. Das, was sie an uns nicht mochte,
konnte sie ganz gut ausblenden. Also sie hat uns gemocht für das, was aus ihrer Sicht an uns
positiv war, das andere wurde also ausgeblendet oder gnadenlos kritisiert. Da konnte sie
auch ganz schön hart sein.
O-Ton Kristina Schellinski
Also, ich bin überzeugt von der Arbeit in der Praxis, dass solche Inhalte weitergegeben
werden - bis in die dritte, vierte Generation hat man das sogar.
Sprecherin:
Kristina Schellinski begleitet als Psychoanalytikerin viele Menschen, die geboren wurden, nachdem
ein Kind in der Familie starb.
O-Ton Kristina Schellinski:
Man kann sich‘s ja ganz einfach vorstellen, warum das weitergegeben wird, ja, wenn eine
Mutter, wie jetzt die Mutter von Lottie, in dieser Situation gezeugt und geboren und
aufgezogen worden ist, ist ja eine Identitäts- und eine Bindungsstörung eigentlich zu
vermuten, man muss natürlich mit der Person noch arbeiten, um das wirklich zu bestätigen,
aber wenn es denn eine Bindungsstörung gab, wenn es denn eine Identitätsstörung gab,
natürlich wird sich das auswirken auf ihr eigenes Verhalten, auf ihre eigenen Gefühle, vis-avis ihrem Kind, wenn sie dann Mutter wird.
Sprecherin:
Weil es sie auch betrifft, ist sie selbstkritisch.
O-Ton Kristina Schellinski:
Das ist selbst mir passiert, in meiner eigenen Geschichte, habe ich einen der Fehler gemacht,
die ich wirklich jeden bitten würde zu versuchen zu vermeiden: ich hab mein Kind, mein
erstgeborenes Kind, zwar nicht genannt wie meinen verlorenen Bruder, aber der zweite
Vorname, der hatte doch noch einen Bezug dazu. Mein Bruder hieß Wolfgang und den
zweiten Vornamen, den ich meinem Erstgeborenen gegeben habe, war Amadeus. Man sieht
eindeutig, Wolfgang-Amadeus war die Assoziation und das war falsch und das bereue ich.
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Sprecherin:
Sie ist besorgt, dass sie einen Teil der Erwartungen, die auf Wolfgang lagen und aus deren Klammer
sie sich selbst schon befreien musste, nun auch auf ihren Sohn übertragen hat. Aber sie sprach mit
ihm darüber, nachdem sie es erkannt hatte, und hofft, so die Geister der Vergangenheit zu
vertreiben. Kristina Schellinski legt aber dennoch Wert darauf, dass nicht jeder Mensch, an dessen
Lebensbeginn der Tod eines anderen steht, leidet.
O-Ton Kristina Schellinski:
Man kann nicht sagen, jeder ist ein Ersatzkind, das stimmt nicht, nicht jeder, der nach einem
Tod geboren ist, ist ein Ersatzkind. Und es kann auch nicht der andere sagen „Ja, du bist
wahrscheinlich ein Ersatzkind“. Das muss man für sich selbst erkennen, ob denn das nun
zutrifft oder nicht.
Sprecherin:
Und selbst dann kann das Leben gut gelingen. Thomas Bockelmann.
O-Ton Thomas Bockelmann:
Es gibt, glaube ich, Ersatzkinder, die ein sehr schönes, glückliches Leben führen. Die
Voraussetzung dafür ist, dass die Eltern sich von dem Kind, was da gestorben ist, sich
wirklich innerlich verabschieden. Und das ist sehr schwer, denn je jünger das Kind ist, desto
mehr stirbt da eben auch ganz viel Zukunft, umso mehr stirbt da auch so eine Imagination:
was hätte aus dem Kind werden können? Die ja sich auch ins unermessliche vergrößern
kann, weil die sich nie an der Realität messen muss.
Sprecherin:
Er selbst musste sehen, wie schwer es sein Bruder Martin mit diesem Schicksal hatte. Er kommt aus
einer großen Familie, einem ganzen Clan, dessen Geschichte in Buch und Film „Der Mann mit dem
Fagott“ von Udo Jürgens erzählt wird. Mischa ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Thomas Bockelmann
ist auch selbst nach dessen Tod geboren und hat früh davon erfahren.
O-Ton Thomas Bockelmann:
Es gab so einen ganz schönen kleinen Holzstuhl, so einen Kinderstuhl und der war für Mischa
gemacht worden und in dem durfte ich dann auch sitzen. Und dann tat mir das natürlich
unendlich leid.
Sprecherin:
Dennoch kann er sich freier entwickeln.
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O-Ton Thomas Bockelmann:
Ich hab das Glück, ich bin so ein unverhoffter Nachkömmling – das war neun Jahre nach diesem
Vorgang und dieser andere Bruder war acht Jahre älter. Für mich war das nicht mehr so ein
Problem. Ich war für meine Eltern wirklich so ein unverhoffter Nachzügler, ich war nicht so verzweckt.
Als Person. Aber trotzdem gibt’s diesen toten Mischa, dem ich nie begegnet bin, den gibt’s trotzdem
im Familienroman. Der ist für mich präsent und ich denke manchmal an ihn.
Sprecherin:
Die Fragen, die mit dem Thema, dass ein Mensch als Ersatz für einen anderen gedacht ist, bleiben.
Sprecher:
Wer bin ich selbst?
Sprecherin:
Bin ich gemeint im Leben?
Sprecher:
Sollte ich ganz anders sein?
Sprecherin:
Sollte ich so sein, wie das gestorbene Kind war?
Sprecher:
Lieben meine Eltern mich?
Sprecherin:
Eine Antwort darauf kann ganz einfach sein:
Sprecher:
Ich bin gemeint, weil ich lebe!
Sprecherin:
Kristina Schellinski beobachtet in ihrer Praxis, dass sich Menschen nach einer gelungenen
Auseinandersetzung mit dem Thema einen neuen Namen geben oder, wie sie selbst, einen neuen
Beruf ergreifen, eine neue Leidenschaft entwickeln. Sie haben dann Erfahrungen von Trauer und
Wut hinter sich.
O-Ton Kristina Schellinski:
Und es geht darum, Trauerarbeit zu leisten und ich denke mir, man muss wirklich für dieses
Problem sensibilisieren, denn wenn eine Mutter oder ein Vater ein Kind verlieren und sie
können die Trauer nicht ertragen - wie kann man erwarten, dass ein neugeborenes Baby
diese Trauer für sie trägt? Das überfordert jegliches Neugeborenes oder auch ein
überlebendes Kind.
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Manchmal ist es ein Kind, was schon vorher geboren war, und plötzlich dieses wettmachen
soll oder die Trauer überträgt – das geht nicht. Aber wenn man‘s dann später im Leben
erkennt und diese Trauerarbeit auch leistet – und das heißt auch beweinen, das heißt auch
Abschied nehmen, das heißt eventuell auch Wut äußern und das heißt eventuell auch sich
trennen – also es gibt auch sehr schwierige Fälle, wo gewisse Forscher fast gesagt haben,
man muss den Toten, ja, noch mal wegschaffen. Denn sonst geistert die oder der Tote noch
herum.
Sprecherin:
Eltern, die ein Kind planen nach dem Tod eines anderen, sollten auch durch einen solchen
Trauerprozess gehen. Kristina Schellinski selbst hat – meistens jedenfalls - einen friedlichen Umgang
ihrem Bruder gefunden, den sie für ihre Eltern ersetzen sollte.
O-Ton Kristina Schellinski:
Wir sind verbunden und ich bin irgendwie tief davon überzeugt, dass wenn ich mal sterbe, ich
ihn irgendwo wieder treffe oder dass er mir sozusagen eine Hand reicht, um über diesen
Fluss hinüberzugehen.
Sprecherin:
Und Thomas Bockelmann kann sehen, dass sein Bruder, bei allem Leid, das er erfuhr, doch ihm,
dem jüngeren, Steine aus dem Weg ins Leben geräumt hat.
O-Ton Thomas Bockelmann:
Bei dem habe ich schon erlebt, dass er davon belastet war und es sogar vielleicht
ungerechterweise sogar mein Glück ist, dass zwischen dem toten Kind und meiner Geburt
der andere dazwischen lag. Der hat mich da auch vor Einigem beschützt und behütet, wenn
man so will.
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