PDF - Katholische Kirche beim hr

Andrea Emmel, Frankfurt
hr2-kultur Zuspruch am Morgen / Samstag, 18.06.16
Management nach dem Heiligen Benedikt
„Wir hassen dich!“ Das sind harte Worte. Ich müsste schon schwer schlucken, wenn
das jemand zu mir sagen würde. Hotelmanager Bodo Janssen weiß, wie sich das
anfühlt. In einer Mitarbeiterbefragung haben ihm seine Angestellten sogar schriftlich
erklärt: Wir hassen dich! Weil er nach dem Tod seines Vaters als junger dynamischer
Manager die Firma von oben herab geführt hat. Ohne sich um seine Mitarbeiter zu
kümmern. Und dann? Was passierte nach dieser katastrophalen Befragung? Bodo
Janssen hätte natürlich rumbrüllen können. Seine Mitarbeitern feuern, andre Leute
suchen. Aber er hat, auf den ersten Blick gesehen, sonderbar reagiert: Der Manager
ist ins Kloster gegangen. In ein Benediktinerkloster, zum Team Benedikt. Das ist ein
Zusammenschluss von Benediktinermönchen und Führungspersönlichkeiten. Das
Team Benedikt berät Manager und Wirtschaftsleute. Um einen neuen Führungsstil
zu etablieren. Aber eigentlich ist das nicht neu, sondern ganz alt, denn das Team
Benedikt orientiert sich an den uralten Regeln des Heiligen Benedikt. Der Heilige
Benedikt von Nursia hat vor fast 1500 Jahren in Montecassino in Italien ein Kloster
gegründet. In seiner Benediktsregel hat er festgelegt, wie die Mönche ihr
Zusammenleben gestalten sollen und wie der Abt die Mönche leiten soll. Damit das
Zusammenleben gut funktioniert. Ein Abt soll vor allem gut zuhören und die
einzelnen Mitglieder und ihre Bedürfnisse wahrnehmen. Und das Kloster braucht
klare Regeln. Diese scheinbar alten Regeln setzt der Hotelmanager Janssen jetzt in
seiner Firma um. Die Mitarbeiter bekommen klare Visionen statt Willkür von oben.
Und die Leitung sieht ihre Mitarbeiter nicht bloß als Ware, sondern sie respektiert
und fordert die Belegschaft. Und der Betrieb hat sich tatsächlich verändert. Laut
anonymer Befragung arbeiten die Mitarbeiter gern, und der Umsatz hat sich sogar
verdoppelt. Denn das Team Benedikt hat mit dem Manager zusammen auf den Sinn
der Arbeit geschaut. Und auf die Menschen: Das sind wertvolle Personen mit Ideen
und Talenten und nicht bloß billige Arbeitskräfte in seinem System. Jetzt gibt’s sogar
einen Beauftragten für Zufriedenheit in der Firma, und alle gehen ziemlich pünktlich
nach Hause – denn der Chef persönlich macht´s vor! Der Mensch steht im
Mittelpunkt und nicht der Profit oder das Renomee einer Firma. Klingt das zu schön,
um wahr zu sein? Nach einer Utopie? Ich habe zwar die Mitarbeiter von Bodo
Janssen nicht persönlich befragt, aber ich kenne das Benediktinerinnenkloster
Engelthal in der Wetterau. Die Schwestern dort leben nach der Regel des Heiligen
Benedikt. Und ihr Kloster ist wie eine kleine Firma. Sie leiten ein Tagungshaus,
organisieren Seminare und betreiben eine Restaurierungswerkstatt. Sicher ist auch
dort nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen. Denn in Engelthal leben 17
Schwestern aus verschiedenen Generationen, mit unterschiedlichen
Persönlichkeiten. Aber ich habe selten so viel Ausgeglichenheit und innere Ruhe
gespürt. Vom Kloster Engelthal geht eine ganz positive Energie und Spiritualität aus.
Weil jeder seinen Platz hat und die Schwestern sich gegenseitig annehmen. Sich
Raum lassen. Und, so empfinde ich das, sie sind frei von Druck, sich ständig
beweisen zu müssen. Weil sie spüren: Gott liebt sie so, wie sie sind. Aus dieser Kraft
heraus leben die Benediktiner und Bendiktinerinnen. „Ora et labora. Bete und
Arbeite,“ heißt ihre wichtigste Regel.“ Ruhe dich aus, nimm dir Zeit zum Reden,
Lesen und zu gutem Essen, das musste der Heilige Benedikt nicht unbedingt
aufschreiben. Das machen die Benediktiner sowieso.