Einführung in die Klimatologie (6) Vom Mittelalterlichen Klimaoptimum zur „Kleinen Eiszeit“ Am Ende des 14. Jahrhunderts begannen die mittleren Jahrestemperaturen zu sinken, um zwischen 1570 und 1630 sowie zwischen 1675 und 1715 besonders tiefe Werte anzunehmen Dieser durch zeitgenössische Aufzeichnungen sehr gut dokumentierte Zeitraum besonders kalter Winter wird in der Klimageschichte als „Kleine Eiszeit“ bezeichnet. Der Begriff „Kleine Eiszeit“ wurde Francois Matthes geprägt. Die mittlere Jahrestemperaturen waren ca. 1 bis 2° geringer als im Mittel des 20. Jhd. Zwei größere Gletschervorstöße in den Alpen Meist langandauernde und sehr kalte Winter, welche die Flüsse in Mitteleuropa oft zufrieren ließen Kühle und sehr niederschlagsreiche Sommer, deren Ernteausfällen oft zu „Hungerwinter“ (insb. Frankreich) führten Chronik einiger geschichtliche Ereignisse während der „Kleinen Eiszeit“ Vorgeschichte: Das mittelalterliche Optimum (ca. 800-1300) zeichnete sich in Europa durch stabile und milde Wetterlagen aus, deren Temperaturen denen der Gegenwart ähnelten bzw. sogar übertrafen. Verlässliche Ernten, ruhige und eisfreie Meere und die Ausweitung von landwirtschaftlichen Anbauzonen führten in Europa zu einem erhebliches Bevölkerungsund Städtewachstum. Außerdem ermöglichte es die Kolonisation Islands, Grönlands und der kanadischen Ostküste durch die Wikinger. Durch Transgression in Verbindung mit Sturmfluten entstand an der Unterweser der Jadebusen Gegen Ende des 14. Jhd. kam es zu einer merklichen Abkühlung hin zu feuchten und mäßig waren Sommern und kalten, schneereichen Wintern. Allgemeine Auswirkungen Die Einwohnerzahl erreichte während des mittelalterlichen Klimaoptimums ungefähr die Zahl von 60.000.000 Mit dem Klimaumschwung brach die Landwirtschaft zusammen, wobei die Lebensmittelproduktion durch Ausfall der Kabeljauschwärme und der frühen Küstenvereisung im Jahr nicht durch Fischfang ausgeglichen werden konnte. Die Menschen verließen in großer Zahl die Insel (gilt auch für Grönland (ab 1410 letzte Siedler) und für die Ostküste Kanadas). In Mitteleuropa zog sich die Malaria nach Süden zurück. Dafür begannen aber „neue“ Krankheiten die durch die verschlechterte Nahrungsmittelversorgung geschwächte Menschen in z.T. sehr großer Zahl zu dezimieren: 1312-1321 „Großer Hunger“ – 13461352 „Schwarzer Tod“ (Pest, ca. 30% der Bevölkerung Europas starben an dieser durch Flöhe übertragenen Krankheit) Missernten wurden als göttliche Strafen gedeutet, für die „Sündenböcke“ gesucht wurden: 14. Jahrhundert Judenpogrome; 16. – 17. Jhd. Hexenverfolgungen Verschärfung zu Beginn des 19. Jahrhunderts: Ausbruch der Laki-Spalte auf Island (178384); Ausbruch des Tambora -> 1815 „Tambora Freeze“ – „1816 Das Jahr ohne Sommer“ Ab 1560 gibt es zum ersten Mal Gemälde mit Winterimpressionen (z. B. Pieter Bruegel der Ältere, Hendrick Avercamp) Extrem kalte Winter Sehr kalte Winter lassen sich z. B. daran erkennen, daß Flüsse, Seen, Lagunen oder gar die ganze Ostsee für längere Zeit vollständig von Eis bedeckt waren. Wenn ein großer See vollständig zufriert, nennt man das „Seegfrörne“. Beispiel Bodensee Damit der Bodensee vollständig zufriert, müssen die Temperaturen über einen längeren Zeitraum auf ~ - 20 °C fallen. • • • • • • • • • • • • 875, 895 … 1074, 1076 1108 1217, 1227, 1277 1323, 1325, 1378, 1379, 1383 1409, 1431, 1435, 1460, 1465, 1470, 1479 1512, 1553, 1560, 1564, 1565, 1571, 1573 1684, 1695 1788 1830, 1880 1963 Der Konstanzer Hafen bei der Seegfrörne 1830 Auswirkungen auf die Landwirtschaft Die Auswirkung des Klimas auf die Landwirtschaft und damit auf die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln läßt sich besonders gut am Getreide- und Weinanbau fest machen. • Missernten Hungersnöten (gehen oft in Chroniken ein) • Nordgrenze des Weinanbaus geogr. Verschiebungen der „Wein-“ und „Bier-“ Regionen • Nordgrenze der Anbaugebiete verschiedener Getreidesorten (unterschiedliche Anfälligkeit von Weizen, Roggen, Dinkel und Hafer gegenüber Feuchtigkeit und Winterkälte) • Verschiebung der Fanggebiete von Kabeljau nach Süden mit Auswirkungen auf die Versorgungslage der Menschen in Island und Norwegen Hochmittelalter: Weinbau in Südnorwegen und England danach verschob sich die Nordgrenze der Anbaugebiete in zwei Schüben (im 14. und im 16. Jhd.) nach Süden (selbst der Rhein- und Moselwein wurde zeitweise im 16. Jhd. ungeniesbar) 16. und 17. Jahrhundert: die Lebensbedingungen von Flöhen und Läusen verbesserte sich aufgrund der wärmeren Kleidung und der Verschlechterung der hygienischen Bedingungen insbesondere in den Städten… Auswirkungen der „Kleinen Eiszeit“ auf die Landwirtschaft Mortalitätskrisen während der „Kleinen Eiszeit“ Durch die klima- und kriegsbedingte Verschlechterung der Ernährungslage der Bevölkerung und ihrer zunehmenden Konzentration in den Städten kam es zu einer Vielzahl von Epidemien, denen ein hoher Prozentsatz der Menschen zum Opfer fielen: Pest, Blattern, Fleckfieber, „Rote Ruhr“, Masen, Scharlach…. Im 16. und 17. Jhd. fielen oft Hungerkrisen mit Pestepidemien zusammen, z. B. 1519-1521, 1533, 1543, 1562, 1572, 1586, 1592, 1602, 1613, 1628, 1632-1634 Eiweißmangel (Fleisch, Milch, Eier) führten vermehrt zum Kleinwuchs und zu einer im Vergleich zum Hochmittelalter stark zurückgehenden allgemeinen Lebenserwartung Hungersnöte, Pestepidemien und Kriegswirren führten im Dreißigjährigen Krieg 1618-1648 in den deutschen Landen zur größten demografischen Katastrophe in deren Geschichte bis heute… (ca. 2/3 der Bevölkerung kam während dieser Zeit um) Wie die Pest nach Europa gelangte… • Klimaveränderungen in Asien (Überschwemmungen) dezimierten das ursprüngliche Wirtstier des Rattenflohs – die Große Rennmaus • Die Flöhe suchten sich einen neuen Wirt, die Wanderratte, über die sie dann auch in Kontakt mit dem Menschen kamen • Entlang von Handelswegen gelangten die Pesterreger mit den Rattenflöhen an die Küsten Europas, wo sie sich mit der Schifffahrt weiter ausbreiteten • Hier fanden die Ratten mit ihren Flöhen wiederum ideale Lebensbedingungen in den Städten Pest in Marseille 1720
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