SAMSTAG, 11. JUNI 2016 KUNDENSERVICE 0 8 0 0 / 9 3 5 8 5 3 7 Zippert zappt ** D 2,60 E URO DER ANFANG EINES UNGLAUBLICHEN TURNIERS THEMEN REISE Zutritt nur für Männer: Besuch bei den Mönchen von Athos Beilage LITERARISCHE WELT Karl Ove Knausgård verrät, wie James Joyce ihn geprägt hat Europa auf Abwegen LIGHTROCKET VIA GETTY IMAGES; REUTERS/LEE SMITH; PA/NORDPHOTO; GETTY IMAGES/MJW DOROTHEA SIEMS I Was haben die EM und WAYNE ROONEY mit dem Referendum der Briten über einen EU-Austritt zu tun? Eine Menge, sagen Experten. Das Abschneiden der englischen Mannschaft hatte schon einmal politische Konsequenzen. Seite 6 Beilage BORDEAUX Cité du Vin: Die neueste Attraktion in der Weinmetropole Bordeaux E ine wachsende Zahl von Europäern findet dauerhaft keine Arbeit. Mehr als zehn Millionen Menschen, rund vier Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung, sind schon mehr als ein Jahr ohne Job. Tatsächlich aber ist der Anteil der Langzeitarbeitslosen noch viel höher als offiziell ausgewiesen. Das zeigt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, für die Daten der Europäischen Arbeitskräfteerhebung (AKE) ausgewertet wurden. Das gilt auch für Deutschland. In Südeuropa ist Langzeitarbeitslosigkeit im Zuge der Wirtschaftskrise längst zum Massenphänomen geworden. Trauriger Spitzenreiter ist Griechenland, wo fast jeder fünfte Erwerbsfähige dauerhaft keine Stelle findet. In Spanien und Kroatien zählt jeder Zehnte zu den Langzeitarbeitslosen. Deutschland steht zwar mit einer Quote von knapp zwei Prozent vergleichsweise gut da. Doch auch hierzulande sucht fast jeder zweite Arbeitslose schon seit mindestens zwölf Monaten vergeblich nach einem Job, knapp ein Drittel ist sogar mehr als zwei Jahre auf Stellensuche. Und trotz des anhaltenden Beschäftigungsbooms ver- harrt die Zahl der Langzeitarbeitslosen seit 2012 nahezu unverändert bei rund einer Million. Wie die Studie zeigt, sind in Wirklichkeit jedoch noch weit mehr Menschen dauerhaft vom Arbeitsleben ausgeschlossen. Denn in den meisten EU-Ländern dienen groß angelegte Programme zur Frühverrentung und teilweise großzügige Regeln für Invalidenrenten dazu, Arbeitslosigkeit zu kaschieren. Überdies haben viele Betroffene längst resigniert und melden sich gar nicht mehr beim Arbeitsamt. Die Experten klassifizieren sie als „Langzeitnichterwerbspersonen mit Arbeitsmarktorientierung“, auch stille Reserve genannt: Menschen, die gern arbeiten würden, aber keine Stellenangebote bekommen. Addiert man die verdeckte Langzeitarbeitslosigkeit zur offiziell ausgewiesenen Quote hinzu, wird deutlich, wie viel sozialer Sprengstoff sich hier zusammenbraut. Denn EU-weit sind 17 Prozent der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zwischen 25 und 64 Jahren langfristig ohne Job. In Griechenland, Kroatien und Polen sind es 25 Prozent, in Italien und Spanien mehr als 20 Prozent. Auch in Deutschland ist die Gesamtquote mit fast zwölf Prozent recht hoch. Am besten von allen 28 EU-Staaten steht Schweden da, wo rund acht Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung dauerhaft keine Arbeit finden. Vor allem der Vorruhestand dient vielen EU-Staaten als Arbeitsmarktkosmetik. Neben Griechenland setzen vor allem ehemalige Ostblockstaaten die Frührente in großem Umfang ein, um den Arbeitsmarkt zu entlasten. Tschechien, Kroatien und Slowenien schicken rund elf Prozent ihrer erwerbsfähigen Bevölkerung frühzeitig in Rente. Auch in Ös- OECD klagt über Ungleichheit in Europa Die Industrieländerorganisation OECD hat einen Bericht zur Wirtschaft im Euro-Raum präsentiert, der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nicht erfreuen dürfte. So beklagt die Organisation eine zu große Ungleichheit in Europa und fordert mehr Flexibilität in der Sparpolitik, höhere Investitionen und Schritte in Richtung einer europäischen Bankeneinlagensicherung. Siehe Kommentar und Seite 9 BLICK AUS BRÜSSEL DAX Mehr Liebe! Sogar für die Briten Im Minus Dax Schluss Euro EZB-Kurs Punkte US-$ 9834,62 –2,52% ↘ Dow Jones 17.40 Uhr 1,1304 17.896,36 –0,34% ↘ –0,40% ↘ Punkte Wir twittern Diskutieren live aus dem Sie mit uns Newsroom: auf Facebook: twitter.com/welt facebook.com/welt terreich ist der Vorruhestand verbreitet (7,5 Prozent). Deutschland liegt mit vier Prozent im Mittelfeld, zumal die Profiteure der großen Vorruhestandsprogramme der 90er-Jahre in dieser Quote nicht mehr erfasst sind, da sie längst das reguläre Rentenalter erreicht haben. Musterschüler in der EU ist Belgien, das ganz auf die sozialpolitisch umstrittene Praxis der Frühverrentung verzichtet. Langfristige Arbeitslosigkeit verursache hohe Kosten für den Einzelnen und die Gesellschaft, heißt es in der Studie. „Durch die andauernde Beschäftigungslosigkeit kommt es zur Entwertung von Humankapital und Bildungsinvestitionen, sinkende Beschäftigungsquoten verringern die Arbeitsmarkteffizienz und das Wachstumspotenzial einer Wirtschaft.“ Für den Einzelnen drohten Armut und soziale Ausgrenzung, und viele litten an psychischen und gesundheitlichen Problemen. Im Süden Europas habe die Langzeitarbeitslosigkeit „historische Ausmaße erreicht“, stellen die Autoren fest. Ohne weitreichende Reformen werde sie zum dauerhaften Strukturproblem. In Deutschland dagegen gehe es darum, den „harten Kern“ von schwer vermittelbaren Gruppen wie Älteren, Geringqualifizierten oder gesundheitlich eingeschränkten Personen gezielt zu fördern. n Europa wächst die Kluft zwischen dem wirtschaftlich stabilen Norden und dem abgehängten Süden immer weiter. Die Jugend in Griechenland, Italien oder Spanien schafft den Einstieg ins Berufsleben nicht. Arbeiter schickt man in die Frührente oder erklärt sie zu Invaliden mit Anspruch auf entsprechende Sozialtransfers. In Deutschland, den Niederlanden oder Skandinavien herrscht offiziell dagegen nahezu Vollbeschäftigung. Und während hierzulande Renten und Löhne so stark steigen wie seit zwei Jahrzehnten nicht, gibt es in den Schuldenländern nichts zu verteilen. Je länger die Beschäftigungsmisere im Süden anhält, desto dauerhafter werden die Folgen die Wirtschaft dieser Länder niederdrücken. Doch anstatt die Strukturreformen jetzt endlich beherzt umzusetzen, um die Wettbewerbsfähigkeit der angeschlagenen Länder zu stärken und so neue Jobs zu schaffen, suchen die Europäer immer neue Wege, die Anpassung an die ökonomische Realität weiter hinauszuzögern. Erst hat man gigantische Rettungsschirme über den Not leidenden Euro-Ländern aufgespannt. Dann begann die Europäische Zentralbank mit ihrer hoch riskanten Politik des ultrabilligen Geldes. Den notorischen Defizitsündern erlässt Brüssel derweil die vertraglich vorgeschriebenen Sanktionen. Und jetzt empfiehlt die OECD, die Denkfabrik der Industrieländer, solventen Staaten wie Deutschland auch noch, es den Franzosen und Italienern gleichzutun und ebenfalls wieder neue Schulden aufzutürmen. Statt auf Haushaltskonsolidierung setzt man auf eine schrittweise Annäherung an eine europäische Transferunion. Für den Bankensektor ist bereits eine gemeinsame Einlagensicherung in Vorbereitung, und als nächstes EU-Umverteilungsprojekt wird schon über eine europäische Arbeitslosenversicherung diskutiert. Die Bürger aber werden nicht gefragt. Stets geht es darum, den Schuldenländern mehr Zeit für die Umsetzung von Reformen zu verschaffen. Doch die Südländer nutzen die ihnen auf Kosten der anderen Länder gewährten Chancen nicht, um ihren Standorten wieder zur alten Stärke zu verhelfen. Die politischen Streiks und Demonstrationen in Frankreich oder Griechenland zeigen, wie wenig die Bürger dort bereit sind, es den Deutschen, den Balten oder Iren gleichzutun, die in Krisenzeiten ihre Arbeitsmärkte und Sozialsysteme entschlossen modernisierten und Lohnzurückhaltung übten. Auch für Südeuropa liegt die Lösung in einer stärkeren Marktausrichtung und nicht in der trügerischen Hoffnung auf den rettenden Staat. Eine Europäische Union, in der die Nordländer die Beitragszahler sind und die Südländer die Hartz-IV-Empfänger, ist für beide Seiten gleichermaßen unerträglich. [email protected] ANZEIGE Sonderausgabe Seite 19 Ein Spieler mit vier Nieren, ein Deutscher, der für Putin spielt, ein Trainer ohne Bezahlung – der EM fehlt es nicht an Kuriositäten. Dazu gehört auch GÁBOR KIRÁLY, der an übernatürliche Kräfte einer Jogginghose glaubt. Seiten 26 und 27 Zehn Millionen EU-Bürger suchen offiziell seit mehr als einem Jahr einen Job. In Wirklichkeit sind es viermal so viele. Eine Studie zeigt: Das ist teuer für die Gesellschaft – und birgt sozialen Sprengstoff VON DOROTHEA SIEMS Warum so wenige Hausbesitzer Geld vom Staat nehmen „Vive la Mannschaft“ lautet der Werbeslogan für die DFB-ELF. Aber Mannschaft kann jeder, Jogi Löw will seine Spieler zu einem eingeschworenen Team machen. Dabei helfen ihm ein Rennfahrer, ein Segler und ein Golfprofi. Seite 25 Europas Regierungen kaschieren die dauerhafte Arbeitslosigkeit Beilage IMMOBILIEN Nr. 135 KOMMENTAR D ie Deutsche Fußball Liga (DFL) hat die Übertragungsrechte für Bundesligaspiele für drei Billionen Euro verkauft. Damit erreichte das Unternehmen sein oberstes Ziel, einen möglichst großen Reibach zu machen. In Ländern wie England sind Fußballspiele noch teurer, deshalb war es wichtig, dass die DFL den Anschluss nicht verpasst hat. Um möglichst unfassbar viel Geld zu verdienen, wurden die Übertragungsrechte gesplittet. Die Freitags-, Sonntags- und Montagsspiele überträgt neuerdings Eurosport, die Samstagsspiele gibt es, wie gewohnt, bei Sky, das ZDF sendet das Eröffnungsspiel der Bundesligasaison, und die ARD bringt im Gegenzug alle ausgefallenen oder abgesagten Spiele in voller Länge. Arte zeigt die Sonntagsspiele der 1. Bundesliga mit finnischen oder französischen Untertiteln, 3sat strahlt die Begegnungen eine Woche später in einfacher Sprache für Hörgeschädigte aus, und bei Phoenix diskutieren Politiker jeden Samstag 90 Minuten lang, ob der Bürger nicht das Recht auf freien Bundesligazugang haben sollte. Auf Kika werden alle Bundesligabegegnungen leicht zeitversetzt mit Handpuppen nachgespielt. B D FLORIAN EDER as Verhältnis zwischen Brüssel und den Briten ist Sie steigen ein in den unseligen Wettbewerb der Worte, wer komplexbeladen. Das Undenkbare sollen Kommissawen mehr braucht. Es scheint so schwer zu sagen: Wir wollen re und ihrer Mitarbeiter gar nicht erst in den Mund euch dabeihaben, liebe Briten. Bleibt bei uns, wir wünschen nehmen: Allein vom Brexit zu reden könnte die Gefahr eines es uns. Es wäre eine emotionale Botschaft, die – unter dem EU-Austritts der Briten verstärken. Besser sei es, von „der Hashtag #EuropeLovesUK – Bürger verbreiten, keine Politibritischen Situation“ zu sprechen, heißt es in einem internen ker. Vielleicht ist es eine Frage des Stolzes. Keine Beziehung Memo. Das Argument: Brüssel sei so unbeliebt auf der Insel, lässt sich kitten, wenn nicht einer zuerst über seinen Schatdass Wortmeldungen nur Schaden anrichten könnten. Wenn Vertreter ten springt. Höchste Zeit für eine Liebeserklärung. der Kommission in dieser Sache etwas sagen, lassen sie durchblicken, dass die Scheidungsverhandlungen schwierig würden. Sie nutzen kühle T Jeden Samstag: Florian Eder von „Politico“ aus Brüssel zur Lage Argumente – Binnenmarkt, Bankenstandort, ökonomische Unsicherheit. Europas Stil ist keine Frage des Terrains. Bentayga. Der außergewöhnliche SUV ist da. Besuchen Sie uns auf BentleyMotors.com „Die Welt“ digital Lesen Sie „Die Welt“ digital auf allen Kanälen – mit der „Welt“-App auf dem Smartphone oder Tablet. Attraktive Angebote finden Sie auf welt.de/digital oder auch mit den neuesten Tablets auf welt.de/bundle DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410 Täglich weltweit in über 130 Ländern verbreitet. Pflichtblatt an allen deutschen Wertpapierbörsen. Tel. 030/25910, Fax 030/259171606, E-Mail: [email protected]; Anzeigen: 030/585890, Fax 030/585891, E-Mail [email protected], Kundenservice: DIE WELT, Brieffach 2440, 10867 Berlin, Tel. 0800/9 35 85 37, Fax 0800/9 35 87 37, E-Mail [email protected] ISSN 0173-8437 ZKZ 7109 Bentayga Verbrauchsangaben – EU-Fahrzyklus (l/100 km): Innerorts: 19,0; außerorts: 9,6; kombiniert: 13,1. CO₂-Emissionen: 296 g/km. Effizienzklasse: F. Der Name „Bentley“ und das geflügelte „B“ sind eingetragene Markenzeichen. © 2016 Bentley Motors Limited. Gezeigtes Modell: Bentayga A 3,60 & / B 3,50 & / CH 5,20 CHF / CZ 105 CZK / CY 3,80 & / DK 28,00 DKR / E/P 3,60 & (Cont.) / I.C. 3,60 & / F 3,60 & / GB 3,30 GBP / GR 3,60 & / I 3,60 & / L 3,60 & / MLT 3,60 & / NL 3,60 & / PL 16,00 PLN + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung 135-23 DW-2016-06-11-zgb-ekz- 21c9cf0c48add529a09dab06a7f11a40
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