Der Pfaffenhofener Ausgabe 6 / KW 24 FREITAG, 17. JUNI 2016 Preis: gratis! Kunst schafft Gemeinschaft Sommer im Turm Serio Digitalino malt mit Kindern an der Joseph-Maria-Lutz-Schule Der Lutz-Stipendiat Johann Reißer schreibt an einem Roman über den Wandel auf dem Land Seite 4 Seite 5 BIER UND BRAUEN Die Geschichte der Brauereien in der Stadt Seite 3 IM GRAS Jagdhunde retten Rehkitze vor dem Tod unter der Landmaschine Seite 6 HOPFA SPIKES CUP Der Mobile e. V. sucht tollkühne Kinder, Frauen und Männer für das Seifenkistenrennen am Kuglhof Seite 7 UNENDLICHKEIT Sabine Ackstaller und Moritz Schweikl im Mittelpunkt ihrer Kunstwerke Seite 8 Grätschen für die europäische Fußballkrone von Lorenz Trapp Der Mond ist aufgegangen, / die goldnen Sternlein prangen / am Himmel hell und klar; / der Wald steht schwarz und schweiget, / und aus den Wiesen steiget / der weiße Nebel wunderbar. Wir beginnen heute mit dem Abendlied von Matthias Claudius, weil es mir, seit mich Herbert Grönemeyer vor Kurzem mit eben diesem als letzten Song seines Konzertes in die Nacht des Münchener Königsplatzes entlassen hat, nicht mehr aus dem Kopf geht. Dazu kommt, dass man die legendäre Zeile der weiße Nebel wunderbar, speziell wenn sie Grönemeyer nuschelnd singt, tatsächlich als der weiße Neger Wumbaba versteht. Da hätte der Schriftsteller und Journalist Axel Hacke mit seinem gleichnamigen Verhörfehlerbuch gar nicht so wichtige Vorarbeit leisten müssen. Viel wichtiger ist: Das Lied birgt unzählbare metaphorische Bezüge. Zwar nicht der Mond – an sich nichts Besonderes, er geht ja jeden Tag auf sicht- oder unsichtbare Weise über unseren Köpfen auf –, aber doch der Fußball ist aufgegangen in diesen Tagen. Die Europameisterschaft der Fußball spielenden Herren läuft. Wie ein hohläugig glotzender Vollmond nimmt sie dem Rest der Welt die Sonne, klatscht auf die Titelseiten der Zeitungen und reißt regelmäßig den ersten Platz in den Nachrichtensendungen des Fernsehens an sich. Als gäbe es nichts Wichtigeres. Es gibt. Die Nebensachen eben. Der weiße Neger Wumbaba, dieser lapsus auris, dieser akustische Bruder des lapsus linguae, käme uns gerade recht. Weiß ist ja per se in Ordnung, und ein weißer Neger ist nicht mehr farbig. Der deutsche Abwehrchef der deutschen Nationalmannschaft, die sich momentan im befreundeten Bruderstaat Frankreich aufhält, um nach den prangenden Sternlein zu greifen und für die europäische Fußballkrone zu grätschen, Jérôme Boateng also, hat einen Vater, der aus Ghana stammt, ein Land in Westafrika, dessen Menschen naturgemäß eine etwas dunklere Hautfarbe haben als wir mitteleuropäischen Bleichgesichter – was natürlich auch unserem Abwehrchef zu Gute kommt. Nun durfte schon im Vorfeld der EM der Vize-Chef einer unsäglich rechtspopulistischen Partei die Behauptung herausquallen, wir Deutsche schätzen Jérôme Boateng zwar als Abwehrchef, hätten ihn jedoch nicht so gerne als Nachbarn. Kalt war der Abendhauch in der Presse, und groß war die Freude, als – quasi eine Gegenbewegung – in Fußballstadien Transparente entrollt wurden mit dem Text: „Jérôme, wir wollen dein Nachbar sein!“ Davon allerdings träumen noch viele Menschen in diesem Land, die über Migrationshintergrund und hellere Hautfarbe als Jérôme Boateng verfügen. Selbst in diesem Landkreis konnten Migranten nicht in Privathäusern untergebracht werden, weil es Nachbarn gab, die nicht Nachbarn sein wollten. So weit Wumbaba. Alles wunderbar. Nebensache. Neben dem Spielfeld und vor den Stadien treffen sich immer häufiger Rabauken aus ganz Europa, die sich und anderen die Köpfe einschlagen. Möglicherweise halten sie diesen Körperteil für denjenigen, der auch in beschädigtem Zustand die Lebensqualität nicht gravierend herunterschraubt. Die Uefa, ein Koloss, der behauptet, etwas von Fußball zu verstehen, und für die Fernsehbilder verantwortlich zeichnet, die vom Fußballspektakel in die Welt gehen, achtete bei den ersten Übertragungen der Gruppenspiele sehr darauf, dass Bilder von pöbelnden und schlägernden Fans, egal welcher Couleur oder nationaler Provenienz, nicht in den weltweiten Live- sendungen auftauchten. Dafür war sie nicht in der Lage zu verhindern, dass irgendein kurzfristig denkender Schwachkopf Bilder der sogenannten Trainer-Cam, die während des Spiels permanent die Trainer der Mannschaften im Auge hat, ins Internet stellte. Es wird zwar noch eine Weile dauern, bis in den Stadien für jeden einzelnen Zuschauer eine eigene Kamera installiert wird, wir können aber schon mal anfangen, uns über den Hersteller des künftigen Deos unseres Vertrauens Gedanken zu machen. Jogi Löw, deutscher Nationalmannschafts- und Weltmeistertrainer, hat’s verpasst: Im Netz, in sogenannten Sozialen Netzwerken, die sich immer mehr als Spinnen-Netzwerke gerieren, geistern Bilder, die ihn in der Coachingzone mit Schweißflecken unter der Achselzone zeigen. Heimatland! Und dann greift der Mann sich auch noch in den Schritt! – doch keine Panik: Er rückt nur zurecht, was zu Recht gerückt gehört. Lukas Podolski, der alte (wirklich zu alte?) Haudegen, polnischer Migrationshintergrund und kluges Mundwerk, rechtfertigte seine Anwesenheit im deutschen Nationalkader schon allein mit der Pfiffigkeit, die in einer Pressekonferenz den anwe- senden Pressemenschen das TrainerSchritt-Thema erklärt: „80 Prozent von euch und ich kraulen sich auch mal an den Eiern – von daher ist alles gut!“ Was wir daraus schließen: Der Anteil der Frauen an der anwesenden Pressemeute liegt wohl ziemlich genau bei 20 Prozent. Aber Nebensache. Hauptsache, es wird gespielt. Manch Kleine zeigen den Großen, wo der Barthel den Most holt, das ungarische Königreich schlägt zurück, der ehemalige Kaiser aus dem kakanischen Imperium wankt, selbst wenn David Alaba seine Haare mit karottenroten Sprenkeln ziert, und die tapferen Isländer trotzen den filigranen Technikern aus Portugal ein Unentschieden ab. Nur wir, wir Deutsche zeigen den anderen klar, wo’s lang geht, und der Ukraine, wer der Herr im europäischen Hause ist. 2:0 und Basti. Bei Redaktionsschluss war Polen noch nicht verloren, und so schließen wir, wie wir angefangen haben, beschaulich metaphorisch mit Matthias Claudius: „So legt euch denn, ihr Brüder, / in Gottes Namen nieder; / kalt ist der Abendhauch. / Verschon uns, Gott!, mit Strafen, / und lass uns ruhig schlafen / und unsern kranken Nachbarn auch!“ STADTKULTUR Seite 2 | Der Pfaffenhofener Kultur und Natur Liebe Pfaffenhofenerinnen und Pfaffenhofener, Schon einmal war die Energieerzeugung Thema eines Bürgerentscheids: Ein Bürgerbegehren wollte 1998 das Biomasseheizkraftwerk im Ilmtal verhindern. Die Mehrheit der Pfaffenhofener hat sich letztlich für den Bau ausgesprochen. Damit war der Grundstein gelegt für die oben angesprochene Vorreiterrolle beim Klimaschutz. So wurden wir damals die erste deutsche Kommune, die das Klimaschutzziel aus dem Kyoto-Protokoll übertroffen hat. Nach wie vor tragen die aus Holzhackschnitzeln erzeugten Wärme, Kälte und Strom dazu bei, dass wir uns ein Stück weit direkt vor Ort mit Energie versorgen können. Nun ist es Zeit für die nächste Stufe: Wir wollen komplett unabhängig werden. Zumindest beim Strom ist dies eine realistische Perspektive. Schon heute werden 70 Prozent des Stroms im Pfaffenhofener Netz direkt vor Ort produziert – vom Biomassekraftwerk, dem Windrad im Lustholz und von allen, die auf ihren Dächern Sonnenstrom erzeugen. Dies bedeutet nicht nur Unabhängigkeit, sondern auch Wertschöpfung, die in der Stadt bleibt. Die Lücke lässt sich laut Klimaschutzstudie vor Ort schließen – mit mehr Photovoltaik, einem Ausbau der Windkraft, mit Effizienzsteigerung und Speichertechnologien. Strom aus und für Pfaffenhofen zu 100 Prozent lokal und erneuerbar ist machbar. Eine wichtige Voraussetzung dafür war, dass das Stromnetz wieder in Bürgerhand ist. Die Stadtwerke haben vor kurzem zusammen mit der Bayernwerk AG den Konzessionsvertrag unterzeichnet. Im Gemeinschaftsunternehmen Stromversorgung Pfaffenhofen GmbH & Co. KG haben die Stadtwerke die Mehrheit. Dies bringt für die nächsten 20 Jahre mehr Einfluss der Bürger auf die lokale Netzinfrastruktur. So kann man den Ausbau der Erneuerbaren gezielt steuern, wenn man die Energieflüsse im Stadtnetz kennt. Einen weiteren Schritt können wir nun alle miteinander gehen. Lassen Sie uns eine faire Diskussion zu den geplanten drei Windrädern führen! Das Projekt könnte den entscheidenden Beitrag leisten, dass Pfaffenhofen als eines der ersten Mittelzentren beim Strom unabhängig wird. Wie bei allen Infrastrukturprojekten gibt es aber auch Auswirkungen auf Natur und Anwohner. Daher haben wir vor, Sie bei der Aufstellung des Bebauungsplans wesentlich stärker zu beteiligen als bei herkömmlichen Verfahren – womöglich inklusive Bürgerentscheid. Zum Auftakt der Bürgerbeteiligung darf ich Sie herzlich einladen zu einer PAF und DU-Infoveranstaltung am 4. Juli um 19 Uhr im Rathaussaal. Packen wir die Energiewende in Pfaffenhofen an! Herzlich Ihr Thomas Herker, Bürgermeister Gartenschau und Kultursommer von Claudia Erdenreich Ein knappes Jahr vor der Gartenschau beeindruckt das ganze Gelände weniger durch Natur als durch Bauarbeiten. Kein Blümchen, kein Strauch weit und breit, es fällt schwer, sich blühende Wiesen, Besucher und einen Biergarten an plätschernder Ilm vorzustellen. Eher macht das ganze Gebiet den Eindruck einer Motocross-Übungsstrecke. Auch einen ICE könnte man sich in naher Zukunft vorstellen, die Baustellen sahen ähnlich aus. Der Zug würde dann nicht ganz so milde rauschen wie die Ilm, aber Pfaffenhofen noch mehr ins Zentrum rücken, zumindest wenn er auch anhält. Sonst müssen die Besucher der Gartenschau im nächsten Jahr und auch alle anderen mit dem bestehenden Bahnhof vorlieb nehmen, mit zumindest gefühlt stets zu wenigen Parkplätzen und dafür einer strahlenden Stadt mit Park mitten drin. Der straffe Zeitplan für die Gartenschau steht und wird eingehalten. Bei Führungen durch den zukünftigen Park braucht es zwar noch Fantasie, aber es gedeiht ganz offensichtlich. Pfaffenhofen wird auf jeden Fall davon profitieren, nicht nur während der drei Sommermonate mit zehntausenden Besuchern. Auch danach bleibt ein Park als grüne Oase mitten in der Stadt. Erholungsfläche, Freizeitanlage, Kinderspielplatz und Biergarten in einem. Denn auch ein Biergarten soll kommen und bleiben – etwas, das der Stadt schon sehr, sehr lange fehlt. Herbert Klee, Anhörung II Bis dahin können sich die Pfaffenhofener und auch alle Gäste, die jetzt schon kommen im Kultursommer vergnügen. Das wird den Sommer, der bisher keiner war, auf jeden Fall bereichern. Dutzende Veranstaltungen machen die Auswahl nicht leicht. Konzerte, Lesungen, Vernissagen stehen auf dem Programm. Das Open Air Konzert zur Eröffnung fällt hoffentlich nicht ins Wasser, danach geben Hallertauer Künstler Struktur und dann jagt Jazz ein Puppentheater, Ballett wechselt sich mit Lesungen ab. Als Höhepunkt gibt es wieder eine lange Nacht der Kunst und Musik, bei der die ganze Innenstadt bespielt wird und sich in eine Kunst- und Konzertmeile wandelt. Innenhöfe werden zu Konzertforen, das Programm für Kinder würde das ganze Wochenende füllen. Man kann sich an Cocktails wie an Musik berauschen, essen, einkaufen und mittanzen. Ein Programm, bei dem sich jeder Gast wünscht, es würde mindestens das ganze Wochenende andauern, am besten den halben Sommer. Wenn es dann, ab nächstes Jahr, noch einen Biergarten dazu gibt, kann man sich nach all der Kunst wieder erden und so bajuwarisch abhängen, wie es sich für eine oberbayerische Kleinstadt nun einmal auch gehört. Himmlisch geradezu. te, und man hat den Eindruck, der schaut einen an. Nach einer Stunde: Jetzt hat er sich wieder gewendet, und es steigen kleine Blasen auf. Und so kam langsam wieder Leben in das Tier, das schließlich munter in der Schüssel herumschwamm. Die Tragweite der Fragen, die von dieser Geschichte aufgeworfen werden, mögen Leserin und Leser selbst ermessen. von Roland Scheerer Es werden ja viel zu wenig Produkte mit der Europameisterschaft beworben. Finde ich. Zum Beispiel Saatgut für Heimgärtner. Das wird ja viel zu selten mit Sprüchen beworben wie: Jetzt pünktlich zur EM noch ein paar Gelberüben pflanzen! Oder DVD-Boxen mit gesammelten Werken von Alfred Hitchcock. Wie könnten da die Verkaufszahlen in die Höhe schnellen, wenn man einen Sticker draufmachen würde: Rechtzeitig zur EM Krimipaket sichern! Oder Texte von Franz Kafka: jetzt mit schwarzrotgoldenem Lesebändchen. Dazu ein Plakat, auf dem sich junge, bärtige Männer im Poloshirt und mit über die Schulter geworfenem Pulli begeistert Erzählungen, Tagebucheinträge und „Briefe an Milena“ vorlesen, und im Hintergrund kommt eine Frau herein und bringt ein Tablett mit Kartoffelchips. Jetzt, pünktlich zur EM, Deutschland entdeckt die Werke der Klassischen Moderne neu. Oder wann hat man davon schon gehört: Die offizielle Inkontinenzwindel zur EM 2016! Das offizielle Kiefernholznachtkästchen mit den aufgedruckten Unterschriften der deutschen Elf. Die offiziellen Hundeflocken zur EM. Deutschland-Katzenstreu, Deutschland-Lichtschalterrahmen und Deutschland-Briefmarkenlupe. Die offiziellen Terrarium-Dekopflanzen zur EM 2016. Schnell zur EM noch neue TreppenstufenAntirutschmatten befestigen – die einzigen Antirutschmatten, die vom Deutschen Fußballbund empfohlen werden. Pünktlich zur EM unterm neuen Heimkinosystem einen Laminatboden verlegen, einen Wäschetrockner aufstellen, einen Kachelofen einbauen. Das offizielle Balkongeländer zur Fußball-Europameisterschaft. Pünktlich zum Anpfiff eine Grönlandreise buchen. Der Staubsaugerbeutel der Europameister. Hochwertige Kunstdrucke von Robert Rauschenberg und Vincent van Gogh – jetzt in der EM-Sonderedition. Pünktlich zum Anpfiff, die original WC-Frischesteine, wie sie auch die deutsche Mannschaft im Trainingslager verwendet. Passend zum großen Sportereignis gibt’s jetzt auch in den Deutschlandfarben: Wandschimmelentferner, Injektionsnadeln, Ukulelesaiten, Glasmurmeln, Astronomieatlanten, Bügelbrettbezüge, Gummiauflagen für Schwingschleifer, Hefewürfel, Repliken von Barlach-Plastiken, Virenscanner, Plastikmodell-Kollektion japanischer Schlachtschiffe des Zweiten Weltkriegs, Altimmobilie, eine Goldfischrasse, eine neue Therapie gegen zwanghaftes Räuspern, eine Hagelversicherung, ein höhenverstellbares Rednerpult, Schusswaffen, Gehirn-OP, mathematischphysikalische Formelsammlung, Ritterhelm, Abschlusszeugnisformulare, Grünen-Mitgliedschaft, Satz Winterreifen, Ostseekreuzfahrt, gebrauchte Zinnbecher. Apropos Goldfisch: Gehen doch Bekannte letztens spazieren auf einem Feldweg, auf so einer leichten Anhöhe, auf der einen Seite Hopfengärten, auf der anderen der Waldrand. Liegt da ein Goldfisch im Gras. Denken sich die, das arme Tier, und nehmen es mit. Kein Teich in der Nähe, nichts. Relativ frisch sieht er aus, riecht nicht verdorben, Regung zeigt er keine. Zu Hause dann in eine Wasserschüssel gelegt, vielleicht geht ja was, wenn er aufquillt. Geht unter, liegt am Schüsselboden herum. Später dann mal nachgesehen: Jetzt liegt er plötzlich auf der anderen Sei- Foto: Stadt Pfaffenhofen unsere Stadt gilt als Vorreiter bei Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Eine wichtige Rolle spielen dabei saubere Energien. Derzeit werden wesentliche Weichen gestellt für Pfaffenhofens Energiezukunft: Zum einen kommt das Stromnetz unter der Regie der Stadtwerke wieder in Bürgerhand. Zum anderen sollen Sie, die Bürgerinnen und Bürger, über die geplante Errichtung von Windrädern im Förnbacher Forst entscheiden. Freitag, 17. Juni 2016 DIE SEITE 3 Freitag, 17. Juni 2016 Der Pfaffenhofener | Seite 3 Von Bier und Brauen Geschichte der Brauereien in Pfaffenhofen von Claudia Erdenreich Brauen konnten schon die Sumerer vor 8000 Jahren. Sie haben die Technik, aus vergorenem Getreide ein Getränk zu schaffen auf ihren Keilschriften überliefert. Auch Hopfen ist seit der Antike als Heilpflanze bekannt. Doch Bier war über viele Jahrhunderte ein recht wildes Mischgetränk, man braute, was man hatte und was möglichst berauschte. Dazu gehörten gelegentlich auch Bilsenkraut oder Tollkirsche. Erst das Reinheitsgebot für 500 Jahren, das nun überall gefeiert wird, schuf Klarheit. Erlassen von Herzog Wilhelm IV. im April 1516 in Ingolstadt legte es die wenigen Bestandteile fest, aus denen Bier gebraut werden soll und auf die Bayern noch heute stolz ist. Dabei war Bayern lange Zeit kein Bierland, es wurde Wein getrunken. Erst die Klimaveränderung mit der kleinen Eiszeit im ausgehenden Mittelalter verhalf dem robusteren Hopfen zum Aufstieg. Davor war Bierbrauen vor allem Frauensache und eine private Angelegenheit, die im kleinen Rahmen zu Hause erfolgte. Auch die Hopfengärten waren nur kleine Gärten hinter dem Haus, nicht zu vergleichen mit den riesigen heutigen Anbauflächen mit ihren sieben Meter aufragenden Stangen. Die Konzentration auf größere Brauereien brachte auch gravierende Gefahren mit sich. Immer wieder gingen große Stadtbrände von den Brauereien aus, bedingt unter anderem durch die große Hitze beim Darren. Nicht umsonst ist der Patron der Brauer, der heilige Florian, auch der Patron der heutigen Feuerwehrleute. Für Pfaffenhofen sind ab 1600 Brauereien belegt, sie waren alle rund um den Hauptplatz und in den wenigen angrenzenden Straßen angesiedelt. Von den meisten kennt man noch die Namen, von vielen sind die Häuser noch als Gaststätten präsent. Die Bierbrauer hatten eine eigene Zunft in der Hallertau, ein genauer Blick in die Archive zeigt auch, dass Brauerfamilien ihren Besitz zu wahren wussten. Es wurde gezielt und ausgewählt gekauft, übernommen und untereinander geheiratet. Brau- erfamilien finden sich über viele Generationen und immer wieder waren sie in der ganzen Region vertreten. Pfaffenhofen hatte in seiner Blütezeit 13 Brauereien – bei nicht einmal 2.000 Einwohnern. Um 1800 waren es immerhin noch 11. Rund um den Hauptplatz sind die meisten noch bekannt: Müllerbräu, Amberger, Sigl, Wohlherrn, Jungbräu, Bortenschlager und Pfafflbräu. Dazu kamen Franzbräu und Stegerbräu, deren Gebäude erst vor wenigen Jahren abgerissen wurden, sowie Kramerbräu und Salverbräu. An der Frauenstra- ße fand sich zudem eine Bräustatt, die Franziskaner betrieben in der heutigen Quellengasse einen Märzenkeller und haben ebenfalls selbst gebraut. Der ebenfalls erst vor wenigen Jahren abgerissene Bortenschlager geht auf Joseph Portenschlager zurück, der das Gebäude 1717 erwarb. Davor ist ein Bierbräu Gerhauser belegt, vermutlich aus jener Brauerfamilie aus Aichach, deren Niedergang unter Napoleon in der letztjährigen Landesausstellung dargestellt wurde. Auch die anderen Brauereien wie der Pfaffelbräu sind schon seit 1600 nachweisbar. Für den Kramerbräu ist der Hausname ab 1676 in den Archiven zu finden, Namensgeber war der Bräu Andre Crammer. Bier möglichst lange zu lagern, erforderte Kenntnis und Geschick. Kühlung war elementar und in Zeiten vor den Kühlschränken eine Herausforderung. Die Brauereien hatten eigene Eisweiher und Eisgerüste, von denen ab Februar die Eisernte erfolgte, um das Bier in den Eiskellern tief unter der Erde bis in den Sommer hinein kühl zu halten. Vor der Erfindung des Kühlschranks durch Carl von Linde im 19. Jahrhundert die einzige Kühlmöglichkeit. Doch auch danach wurde die Einlagerung in Eiskeller noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg beibehalten. Heute ist von der Tradition nur noch wenig übrig, es gibt in der Stadt keinen einzigen Hopfenbauern mehr, die ehemaligen Eiskeller sind verfüllt und überbaut. Die Größe und Macht der Brauereien ist nur noch an den wenigen erhaltenen riesigen BrauGebäuden erkennbar. KULTUR Seite 4 | Der Pfaffenhofener Panorama künstlerischer Arbeit D arf ich dich ein bisschen rot anmalen!“ – „Aber nur einen Tupfer auf die Hand. Dann bin ich dran!“ – „Serio, welche Farbe nehmen wir jetzt?“ – „Blau, das helle Blau! Bis zu den aufgezeichneten Linien! Dann Grün!“ – „Gelb finde ich aber viel schöner!“ Inmitten einer zwanzigköpfigen Schar von Schülerinnen und Schülern, die wie in einem Bienenstock emsig hin- und herschwirren, Staunen bei Betrachtung des Werks mit großem Erfolg durchgeführt hat und das von der Landeshauptstadt gefördert wird. „Kunst schafft Gemeinschaft“ steht als Intention und Lernziel dahinter. Davon ist der in Pfaffenhofen durch eine Reihe von Ausstellungen bekannte Künstler fest überzeugt. Gerade bei jungen Menschen, die unter behutsamer Anleitung vereint etwas gestalten, wächst das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit. Und das ist gerade bei der heute nicht selten „Kunst schafft Gemeinschaft“ Serio Digitalino malt mit Kindern an der Joseph-Maria-Lutz-Schule von Hellmuth Inderwies Farbkübel und Wasser herbeiholen, auf dem Boden kniend mit überdimensionalen Pinseln großflächige weiße Leinwände bunt bestreichen, zugleich ihre schöpferische Arbeit gestenreich begutachten und unendlich viele Fragen stellen – inmitten dieser Schar künstlerisch motivierter Mädchen und Buben der „maestro d’arte“, Serio Digitalino, der Meister der Kunst! Und Ramona Fuchs, ihre Lehrerin, darf dieses bunte Treiben ihrer mit Kitteln und weißen Schürzen bekleideten Zöglinge heute einmal nur als Aufsicht führender Zaungast vom Rande der Szene aus betrachten und mit der Kamera aufzeichnen, wie sie alle einmal so richtig nach Herzens Lust mit leuchtenden Acrylfarben zugleich spielen und arbeiten. Mit Erst-, Zweit- und Viertklässlern im Alter von sechs bis elf Jahren ging an der Joseph-Maria-Lutz-Schule in einem eigens dafür vorbereiteten Werkraum das Projekt „Malen mit Kindern“ über die Bühne, das Serio Digitalino bereits in München Freitag, 17. Juni 2016 auftretenden Vielzahl von Kindern verschiedener Nationalität in einem Klassenverband ein dringliches Anliegen bei der schulischen Erziehung. Sich gegenseitig helfen, miteinander reden, sich beraten, Fragen stellen, Mut machen und Kritik an sich und anderen üben zu können, ist vorweg in frühen Jahren Voraussetzung für ein besseres Kennenlernen, Tolerieren und Zusammenleben und damit eine präventive Maßnahme gegen die Bildung von Vorurteilen bereits im Kindesalter. Die Förderung sozialer Kompetenzen steigert die Fähigkeit zur Integration. Nur auf solchem Weg können junge Menschen mit den Jahren lernen, allmählich in eine Gesellschaft hineinzuwachsen und sich in ihr zurechtzufinden. Und das geschieht bei diesem Projekt in einem Rahmen, in dem Kinder in ihrem Lebensraum „Schule“ einmal ganz unbeschwert, ja spielerisch etwas gestalten dürfen, ohne dass die sonst durchaus wichtige Zensur von Lehrern, der sie ja täglich – allzu oft auch noch im Elternhaus – ausgesetzt sind, wie ein Menetekel über ihrer Arbeit steht. Die Kunst bzw. das künstlerische Gestalten leistet aber gerade im Grundschulalter darüber hinaus einen außerordentlich wichtigen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung der Kinder. Zeichnen und Malen gehören gerade bei ihnen noch zu den originären sprachlichen und emotionalen Ausdrucksformen, wenn sie oft während des anstrengenden Pflichtunterrichts irgendwelche Männchen oder Fabelwesen auf ein Blatt Papier oder in ihre Hefte kritzeln. Kinder denken und fühlen in Bildern. Deshalb trägt das Projekt auch ganz wesentlich zu ihrem Spracherwerb und zur Spracherziehung bei. Nicht ohne Grund gehört das Erzählen nach Bildern oder Bilderfolgen zu den wichtigsten sprachlichen Übungen des Deutschunterrichts. Bereits in der 1./2. Jahrgangsstufe der Grundschule weist in Bayern der Lehrplan „Deutsch“ im Rahmen der Sprachgestaltung auf die Nutzung „bekannter Textvorbilder (z. B. Bilder- und Kinderbücher)“ hin (Lernbereich 3.2. Texte planen und schreiben). In der 3. und 4. Jahrgangsstufe werden beim mündlichen Spracherwerb und vor allem auch beim schriftlichen Sprachgebrauch in den Fächern „Deutsch“ und „Englisch“ sehr häufig Bildergeschichten eingesetzt, um den Wortschatz zu aktivieren oder zu erweitern und Kreativität, Ideenreichtum und Einfühlungsvermögen der Kinder zu steigern. Das großflächige Zeichnen und Malen als bildhaftes Gestalten sind zudem bei diesem Projekt Mittel, um an Techniken und Ausdrucksformen der bildenden Kunst heranzuführen. Es werden Erfahrungen gesammelt im Umgang mit Materialien und Werkzeugen und dabei auch die Motorik geübt, was im digitalen Zeitalter der iPhones und iPads in immer höherem Maße eine Notwendigkeit darstellt. Der Blick für Raum und Perspektive wird geschärft, das ästhetische Empfinden bei der Komposition mit Farben geschult, die Lust zum Experimentieren angeregt, die Fachsprache der Kunst erlernt, das Differen- zierungsvermögen zwischen Realität und Utopie geschärft und bei der Betrachtung und Diskussion über das geschaffene Werk die Perspektive erweitert und das Urteilsvermögen gestärkt. Sergio Digitalino sieht noch eine andere, für ihn sehr wichtige Komponente seines Projekts „Malen mit Kindern“: Bei einer gezielt gewählten Thematik ist es leicht, auf diesem Weg auch „kulturelles Erbe zu vermitteln“. „Mein Zuhause – Pfaffenhofen a. d. Ilm“ hatte er in der Joseph-Maria-Lutz-Schule als Aufgabe gestellt. Rathaus und Spitalkirche schmückten die Stirnseite des Werkraums. Sie hatten die Schüler bereits am Tag zuvor auf großflächige Leinwände gebannt. Eine Beschreibung und Erklärung dieser neben der Vermittlung instrumenteller und kognitiver Lernziele als ein wichtiges Medium zur Integration derer, die hier ein Zuhause gefunden haben, das ihnen noch sehr fremd ist und das ihnen auf diese Weise vertraut gemacht wird. Sie werden ihrer Umwelt mit anderen Augen begegnen, wenn sie deren kulturelle Besonderheit verinnerlicht haben. Diese Überzeugung mag beim Künstler davon herrühren, dass er selbst 1977 in Bayern eine neue Heimat gesucht hat und in München eine handwerkliche wie künstlerische Ausbildung erhielt, nachdem er seine Geburtsstadt Matera, in der süditalienischen Region Basilicata gelegen, in jungen Jahren verlassen hatte. Sie wurde zur „Kulturhauptstadt Europas 2019“ gewählt. Ihre prä- Künstlerhände historischen Denkmäler der Stadt lässt sich leicht in den Arbeitsprozess integrieren. Gegenwart und Vergangenheit werden transparent. Eine fächerübergreifende Dimension wird damit erreicht. Die Kinder setzen sich mit der Funktion dieser Gebäude auseinander, schärfen ihren Blick für das Charakteristische an ihnen, erfahren Wichtiges über Entstehung und Baustil und lernen so ein Stück ihrer angestammten oder für andere auch neuen Heimat kennen. Digitalino betrachtet sein Projekt Gemeinschaftsarbeit unter der Regie des „Maestro“ historischen Höhlensiedlungen, die Sassi, gehören bereits zum Unesco Welterbe. Auch das mag ein Grund dafür sein, dass Serio Digitalino die Vertrautheit mit der regionalen Kulturtradition für eine unabdingbare Notwendigkeit hält, dass Menschen zur Integration fähig sind. Ab 1. Juli werden die künstlerischen Gemeinschaftsarbeiten der Mädchen und Buben, nachdem das Projekt auch noch in der GS in Niederscheyern durchgeführt worden ist, in der Rathausgalerie ausgestellt. STADTKULTUR Freitag, 17. Juni 2016 Der Pfaffenhofener | Seite 5 Ein Sommer im Turm Lutz-Literaturstipendiat Johann Reißer schreibt Roman von Claudia Erdenreich „Es fühlt sich gut an“, beschreibt Johann Reißer seinen Aufenthalt im Flaschlturm. Seit Anfang Mai bewohnt er für insgesamt drei Monate als Lutz-Stipendiat den alten Turm, einen von nur drei Relikten der mittelalterlichen Stadtmauer. Geboren 1979 in Regensburg wuchs er auf in einem winzigen Dorf Richtung Cham. Zunächst absolvierte er eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten, bevor er nach dem Abitur auf der BOS das Studium der Germanistik, Philosophie und Geschichte in Regensburg begann. Noch während des Studiums zog es ihn nach Berlin, einer Stadt voller Kultur, Theater und Literatur. Er schloss direkt die Promotion an, schreiben war ihm immer wichtig, quer durch die Bereiche Lyrik, Theater und Prosa. Das Leben als freier Schriftsteller war letztlich die logische Konsequenz, trotz der Unsicherheiten. „Frei sein bietet sehr viel“, findet Johann Reißer, dem eine Uni-Karriere in der Literaturwissenschaft allzu theoretisch war, zu weit weg vom realen Leben. „Man schreibt über das Schreiben“, fasst er zusammen. Seine literarischen Vorbilder sind breit gefächert und reichen unter anderem von Rilke bis Peter Esterhazy. Er wollte lieber selber schreiben und mit Menschen zu tun haben, macht viel politisches Theater, stellt sich aktuellen Diskussionen. Auch für Pfaffenhofen hat er sich bereits Projekte ausgedacht, die ihm aus dem kleinen Elfenbeinturm der Literatur führen: Eine Bunkerperformance und Musik. Auch wenn der junge Autor Pfaffenhofen bislang nicht kannte, ist Der neue Lutz-Stipendiat Johann Reißer an seinem Arbeitstisch im Flaschlturm ihm Bayern natürlich nicht fremd. Die Kleinstadt findet er in doppelter Hinsicht ideal. Er will nicht nur seinen Roman hier fertigstellen, der in Bayern spielt, so ein kleiner Ort bietet auch weniger Ablenkung als das pulsierende Berlin. Sein Roman spielt in der Gegenwart Ostbayerns, zeigt den Wandel auf dem Land und die Veränderung der darin verwobenen Menschen. Trotz der rein fiktionalen Handlung fließen eigene Erfahrungen ein, seine Großeltern waren noch Bauern. Er kennt die Veränderungen von oft jahrhun- Arbeitszimmer und Bücherregal von Joseph Maria Lutz dertelang gewachsenen Strukturen und Gebäuden hin zu gesichtslosen Dörfern. Im Flaschlturm hat er sich häuslich eingerichtet, mit seinen Gitarren und einer kleinen Auswahl an Büchern. Die hellen Räume, der kleine Garten und die zentrale Lage gefallen ihm besonders, das kulturelle Angebot der Stadt ebenso. Freunde haben sich schon zu Besuch angekündigt und der sportliche Autor geht hier laufen und besichtigt die Umgebung. Der Literat interessiert sich nicht nur für Kunst, Literatur und Theater, er spielt auch Fußball, mag Geschichte, auch Militärgeschichte. Gerne arbeitet Johann Reißer zudem in Bibliotheken, die Kreisbibliothek hat er schon zum Arbeitsplatz gemacht. Den Zwischenfall von Joseph Maria Lutz liest er gerade und selbstver- Lutz-Portrait im Flaschlturm Foto von Joseph Maria Lutz ständlich wird es zum Abschluss des dreimonatigen Stipendiums auch wieder eine Lesung geben. „Es wird ein erzählerischer Text“, so viel verrät Johann Reißer schon vorab. Nach dem Sommer in Pfaffenhofen wird Johann Reißer nach Berlin zurückgehen, mit einem möglichst fast fertiggestellten Roman. Er hat Pläne, seinen ebenfalls nahezug fertigen Gedichtband zu beenden, ein Erzählband und zwei weitere Romane sind in Planung. Natürlich hatte er einmal, wie jeder Schrifsteller, eine Schreibkrise, die jedoch längst überwunden ist. Er kann inzwischen von der Literatur und dem Theater leben, von Lesungen, VHS-Gedichtkursen, der Arbeit für eine Literaturwerkstatt. Ein Stipendium ist für Johann Reißer trotzdem nicht nur spannend, sondern auch eine große Erleichterung. Die Freiheit, einen Sommer lang nur zu schreiben. Auf seiner Homepage findet man auch eine fröhliche Geschichte darüber, wie Johann Reißer beinahe schon früher einmal nach Pfaffenhofen gekommen wäre. www.johannreisser.com Der Ernstfall – eine kleine Bunkerrevue Freitag, 8. Juli 2016, 19 und 21 Uhr Fernmeldebunker Pfaffenhofen, Heimgartenweg Eintritt 5 Euro VVK, 8 Euro AK Museum ja – Museum nein von Claudia Erdenreich Das ehemalige Museum im Mesnerhaus ist seit Monaten geschlossen und bleibt es auch. Damit hat Pfaffenhofen kein Museum mehr und plant laut Stadtratsbeschluss auch keines. Das schmucke Mesnerhaus aus dem 18. Jahrhundert weist keine ausreichenden Fluchtwege auf, auch die Statik ist nicht auf modernem Stand. Investitionen von rund einer halben Million wären hier notwendig. Ein Umzug der Sammlung in die Nebenräume der Spitalkirche mit Anbau wurde vom Stadtrat abgelehnt. Die Sammlung im bisherigen Museum und im umfangreichen Depot droht zu verfallen, nach anfänglichem Interesse anderer Gemeinden an den Objekten kam es auch hier zu keiner Lösung. Praktisch alle Städte und Märkte in der Umgebung, auch viel kleinere als Pfaffenhofen, haben ein Museum. Museen sind dort nicht nur verstaubte Räume, sondern durchaus kulturelle Zentren, die neben der Dauerausstellung immer wieder mit Sonderausstellungen, Lesungen und Festen Besucher anlocken. Workshops für Schulklassen gehören ebenso zu moderner Museumsarbeit wie Führungen und Vernissagen. Der Heimat- und Kulturkreis (HKK) startete nun auf dem Wochenmarkt mit eigenem Stand eine Umfrage unter den Pfaffenhofenern. Zahlreiche Besucher informierten sich am Stand und sprachen sich dabei vehement für die Ziele des Vereins aus. Der Wunsch nach einem Museum wurde dabei sehr deutlich. Fotos: Heimat- und Kulturkreis, Ursula Beyer Umfrage des Heimat- und Kulturkreises auf dem Wochenmarkt Die Vorsitzende des HKK Ursula Beyer auf dem Marktstand Die meisten Besucher plädierten sogar für eine „große“ Lösung mit einem umfassenden Museum zur Stadtgeschichte. Dabei sollte nicht nur wie bislang die sakrale Kunst berücksichtigt werden. Ein weiteres Anliegen des HKK besteht in der Erhaltung des Denkmalschutzes für Fassaden. Oft wird der Denkmalschutz aufgehoben, wenn erst einmal das Gebäude hinter der Fassade abgerissen ist. Dies ist in mehreren Fällen bereits so geschehen, die Gefahr ist groß, dass gera- de der Hauptplatz damit immer mehr sein gewachsenes Gesicht verliert. Eine Abstimmung ist auch online möglich auf der Homepage des Heimat- und Kulturkreises: Heimat- und Kulturkreis Pfaffenhofen Ursula Beyer www.hkk-paf.de STADTKULTUR Seite 6 | Der Pfaffenhofener Kulturtermine Kultursommer Der Kultursommer wird am 17.6. um 18 Uhr vor dem Rathaus mit einem Open-Air-Konzert von Charly Augschöll eröffnet. Kunst Hallertauer Künstler stellen unter dem gemeinsamen Titel „Struktur“ von 19. Juni bis 2. Juli in der Städtischen Galerie im Haus der Begegnung ihre Werke aus – Vernissage am 18. Juni um 14 Uhr mit Begrüßung durch den Kulturreferenten Steffen Kopetzky. Garten Eine Baustellenführung über das Gelände der zukünftigen Gartenschau findet am 20.6. um 10 Uhr statt. Konzert Finnischen Latino-Jazz bietet die Gruppe „Tjango!“ am 22.6. um 19.30 Uhr im Rathaussaal. Foto Die bewährte „Fotogehgrafie“ der Stadtjugendpflege startet mit zwölf verschiedenen Themen am 25.6. ab 11 Uhr. Musik Das Hugo Wolf Quartett aus Wien spielt am 25.6. um 20 Uhr im Festsaal des Rathauses Schubert und Gawlick. Führung Zum 90. Geburtstag der Kreuzkirche führen Roland Gronau und Manfred Eibisch am 29.6. um 19 Uhr durch die Kirche. Nacht Am 1.7. ab 17 Uhr steigt in der Innenstadt zum zweiten Mal die lange Nacht der Kunst und Musik mit zahlreichen Bands. Ausstellung Gemälde, Zeichnungen und Holzschnitte von Herbert Klee sind ab 1.7. um 19.30 Uhr (Vernissage) in der Kulturhalle zu sehen. Freitag, 17. Juni 2016 V on weitem sieht man zwei schwarze Schatten, die durchs hohe Gras huschen. Immer wieder verschwinden die Tiere im schier endlosen Grün, das sich wellenförmig im Wind wiegt. Immer wieder tauchen die dunklen Leiber auf und wieder ab. Sie laufen in großen Bögen durch das hohe Gras – und sie laufen sehr schnell. Genau deshalb schickt Hans Scharl seine Hunde ja über die Wiese. „Wenn ich selbst die ganze Wiese ablaufen müsste, wäre ich schnell ziemlich kaputt“, lacht der Hundefachwirt. Hans Scharl ist auch Jäger – und deshalb genau der richtig Mann, um Leben zu retten: Das Leben von frisch geborenen Rehkitzen. Diese jungen Tiere werden von ihren Müttern im hohen Gras „abgelegt“, wie es im Fachjargon heißt. Das frische Grün soll die Kitze vor Fressfeinden verstecken. „Tatsächlich sind sie hier kaum zu entdecken. Selbst ein Fuchs kann im Abstand von nur einem Meter vorbei streifen, ohne sie zu bemerken“, erklärt Hubertus Grabmair. Der stellvertretende Vorsitzende der Jägervereinigung im Landkreis Pfaffenhofen weiß auch, warum es Füchsen und anderen Räubern so schwer fällt, die jungen Rehkitze als Beute zu entdecken: „In diesem Alter haben die Jungtiere so gut wie keinen Eigengeruch.“ Mutter Natur hat dies so eingerichtet, um den Tieren das Überleben zu ermöglichen. Dazu soll auch ihr Instinkt dienen. Denn der hält die jungen Rehkitze davon ab, vor dem Fuchs davon zu laufen. „Kein Jungtier, das erst wenige Wochen alt ist, wäre schließlich schnell genug, um dem Fuchs zu entkommen; bei Gefahr drücken sich die Tiere möglichst tief ins Gras und rühren sich nicht“, weiß Hans Scharl. Deshalb ist es auch für seine Jagdhunde sehr schwer, die Rehkitze zu entdecken und ihrem Herrn anzuzeigen. Denn selbst die feinen Nasen seiner ausgebildeten Tiere können den sehr schwachen Eigengeruch der Rehkitze kaum wittern. Der Instinkt, bei Gefahr an Ort und Stelle zu verharren und sich nicht zu rühren, kann aber den Jungtieren das Leben kosten. Nämlich dann, wenn der Bauer mit schwerem Gerät anrückt und seine Wiese mähen will. Selbst der Lärm schwerer Landmaschinen vertreibt die Jungtiere in Rehe vom Traktor aus zu sehen. Entdeckt werden sie oft erst dann, wenn es zu spät ist und die Maschine nicht mehr rund läuft. Viel zu viele Rehkitze verlieren so ihr Leben oder Teile ihrer Beine. Deshalb appellieren die Jagdpächter an die Bauern, sie drei bis vier Tage vor der geplanten Mahd zu informieren. Das Jagdgesetz verpflichtet die Landwirte sogar dazu, solche „Kollateralschäden“ zu verhindern. Seit Jahrzehnten gibt es tragbare Infrarotgeräte, die Rehkitze im tiefen Gras aufspüren können. 2 400 Rehkitze wurden damit allein im Jahr 2006 in Österreich gerettet, schreibt der Bayerische Jagdverband. Allerdings müssen mit den sechs Meter breiten Stangen Menschen die komplette Wiese abgehen – und zwar in den frühen Morgenstunden oder am Abend. Jagdhunde retten Rehkitze vor dem Landmaschinentod von Heinz Hollenberger den ersten beiden Lebenswochen offenbar nicht aus ihrer Lagerstätte. Genau wie beim Angriff eines Raubvogels drücken sie sich ganz tief ins Gras, in der Hoffnung, nicht entdeckt zu werden. Deshalb ist es auch für die Bauern unmöglich, die kleinen Moderne Technik kann auch direkt am Traktor angebracht werden: akustische Geräte, die Warnsignale in Fahrtrichtung ausstrahlen. Doch wenn die Kitze noch keine zwei Wochen alt sind, werden sie auch davor nicht davon rennen, sondern sich einfach nur tief ins Gras drücken. Der Jagdverband empfiehlt noch elektronische Scheuchen, die am Feld mit akustischen und optischen Signalen die Rehe davon abhalten sollen, ihre Kitze hier überhaupt zur Welt zu bringen. Diese Scheuchen ahmen sogar mit Bildschirmen die Gesichter von Menschen oder Raubtieren nach und liefern entsprechende Geräusche. Lärm sollen auch die einfachen Holzpfähle verursachen, an denen gelbe Flatterbänder hängen. Die stellen manche Jagdpächter am Rand der Wiesen auf. Sie wirken freilich nur dann auf die Muttertiere abschreckend, wenn auch wirklich genug Wind weht und das Flattern überhaupt entsteht. Bunker Eine Performance des Lutz-Stipendiaten Johann Reißer findet am 8.7. um 19 und 21 Uhr im Bunker statt. IMPRESSUM Verlag/Herausgeber/Herstellung: KASTNER AG – das medienhaus, Schloßhof 2–6, 85283 Wolnzach, Telefon 08442/9253-0 V.i.S.d.P.: Kilian Well E-Mail: [email protected] Redaktion: Claudia Erdenreich, Kilian Well, Hellmuth Inderwies, Lorenz Trapp Layout: Monika Lang Anzeigen: Claudia Scheid Telefon: 0 84 42 / 92 53-7 04 Der Pfaffenhofener erhalten Sie in der Buchhandlung Osiander, der Buchhandlung Kilgus, bei Schreibwaren Daubmeier, Schreibwaren Prechter, Tabak Bergmeister, Tabak Breitner etc. Nächste Ausgabe voraussichtlich Freitag, 22. 07. 2016 Foto: Bayerischer Jagdverband Erscheinungsweise: monatlich Freitag, 17. Juni 2016 STADTKULTUR Der Pfaffenhofener | Seite 7 Auf zum Hopfa Spikes Cup 2016! Der Mobile e. V. sucht wieder tollkühne Kinder, Frauen und Männer in rollenden Kisten, N ach der fulminanten Wiederbelebung der traditionellen Seifenkistenrennen im vergangenen Jahr (siehe Fotos) lädt der Verein auch 2016 wieder alle BobbycarSchieber, Kettcar-Lenker ohne Kette und alle sonstigen Hobby-Rennfahrerinnen und -Rennfahrer ein, mit Spaß an der Freud und einem tollen Gefährt beim „Hopfa Spikes Cup“ mitzumachen. Am Samstag, dem 24. September 2016, ist es soweit und das vierte Seifenkistenrennen seit 1949 findet statt. Seit 1949? Genau! Der rührige Verein Mobile e. V., der in seiner Satzung als Zweck die Förderung der Jugend-, Natur- und Kulturarbeit fokussiert und auch für das legendäre Humulus Lupulus Doldensound Open Air bei Scheyern verantwortlich zeichnet, belebt die Tradition der Seifenkistenrennen wieder, die vor 66 Jahren am Heißmanninger Berg begonnen hat – damals auf Initiative der Amerikanischen Militärregierung. Soap-Box-Derby nannten die Amerikaner das, und teilnehmen durften Jungen im Alter von zehn bis 16 Jahren. Manch einer wird sich die sich in selbstgebauten Gefährten am 24. September 2016 die Ledererstraße am Kuglhof hinunterstürzen von Lorenz Trapp noch an diesen Tag im fernen Juli der Kinderzeit mit Begeisterung erinnern. Im Garten der Militärregierung kontrollierte eine Prüfungskommission die Seifenkisten, die nach einem gemeinsamen Mittagessen über die Ingolstädter Straße bis nach Heißmanning geschoben wurden – zum Heißmanninger Berg, der als Rennstrecke ausgewiesen war und von der Landpolizei gesichert wurde, die immer wieder begeisterte Zuschauer an den Rand der Strecke drängen musste, damit die Rennfahrer nicht behindert wurden. Damals schon hatten Firmen aus der Stadt „Patenschaften“ für einige Wagen übernommen, die dafür mit ihrem Namen und Logo „geschmückt“ wurden. Allerdings, so bemerkte ein Berichterstatter von damals, seien nicht unbedingt die schönsten Seifenkistl auch die schnellsten gewesen. Als Siegerprämie wurden übrigens eine Armbanduhr oder zehn Urlaubstage in Berchtesgaden ausgelobt. Wegen des großen Erfolges wurde im Folgejahr, am Sonntag, 18. Juni 1950, erneut ein Seifenkistenrennen am Heißmanninger Berg veranstaltet – und dann kam mit dem Wirtschaftswunder die lange Pause. 66 Jahre später ist der Preis noch immer der gleiche: eine Armbanduhr! Tradition verpflichtet eben! Und nach dem großen Erfolg (und dem großen Spaß) vom letzten Jahr, als die Tradition wiederbelebt wurde, sehen die „Mobilisten“ der Neuauflage im September 2016 schon mit Freude entgegen: Damit TüftlerTeams und Garagen-Ingenieure genügend Zeit haben, effiziente, witzige oder kreative Rennwägen an den Start zu bringen, ruft der Mobile e. V. bereits jetzt alle Rennbegeisterten auf, Seifenkisten für den Hopfa Spikes Cup 2016 zu konstruieren. Eingeladen sind alle, die Lust haben – von Privatpersonen bis zu Vereinen oder Unternehmen. Die wesentlichen Teilnahmebedingungen: Das Gefährt muss mindestens drei Räder haben, es muss lenkbar sein, es darf keinen eigenen Antrieb haben – und es muss über funktionierende Bremsen verfügen. Um diese zu testen, wird vor dem eigentlichen Rennen ein Testlauf durchgeführt, bei dem die Bremskraft überprüft wird. Die Ausmaße der „Boliden“ dürfen übrigens 2,5 m Länge und 1,15 m Breite nicht überschreiten. Für kleine Kinder wird es auch diesmal eine Bobby-Car-Klasse geben. Wer also Lust hat, selbst mit einem Seifenkistl an den Start zu gehen oder für seine Kinder ein originales Gefährt zu basteln: nichts wie ran an den Hammer und rein in die Werkstatt! Wer noch Fragen zum Reglement hat, bekommt weitere Informationen unter der Email-Adresse [email protected] Aktuelle Meldungen gibt es ab sofort bei www.mobileev.com ANSICHTEN Seite 8 | Der Pfaffenhofener Freitag, 17. Juni 2016 Der Mittelpunkt der Unendlichkeit Zwei junge Künstler und ihre gemeinsamen Arbeiten von Claudia Erdenreich I n der Reihe „Pfaffenhofen präsentiert“ stellten die beiden jungen Künstler Sabine Ackstaller und Moritz Schweikl in der Städtischen Galerie aus. Hierfür lädt die Stadt Pfaffenhofen ausgewählte Künstler ein. Schon im letzten Jahr waren beide mit zwei Bildern in der Ausstellung der „Hallertauer Künstler“ zu sehen und beeindruckten durch ihre klaren, reduzierten Kunstwerke. Sabine Ackstaller und Moritz Schweikl lernten zunächst Holzbildhauerei an der Berufsfachschule für Holzbildhauerei und Schreinerei in Berchtesgaden. Während der Ausbildung, die beide 2011 mit dem Gesellenbrief abschlossen, lernten sie sich auch kennen. Sabine Ackstaller studierte dann zunächst an der Burg Giebichenstein in Halle an der Saale Bildhauerei und wechselte anschließend an die Akademie der Bildenden Künste in München. Moritz Schweikl studierte von Anfang an in München Bildhauerei. Schon im Studium, das sie in diesem Jahr erfolgreich mit dem Diplom abschlossen, stellten beide fest, dass sie am liebsten zusammen arbeiten. Seither entstehen ausschließlich gemeinsame Arbeiten. Sabine Ackstaller, in Hüll geboren, richtete sich zusammen mit Moritz Schweickl neben dem Elternhaus die alte Scheune als Kunstraum und Werkstatt her. Ihre Arbeit umfasst vor allem Grafik und Skulpturen, teils in kräftigen Farben. Die Werke tragen Titel wie „Traum“, „Wiese“, „Erde IV“ oder eben Mittelpunkt. Ihre Kunst lebt von klaren Formen und Farben, erzeugt aber auch Spannung durch die Einflüsse beider Künstler. Kulturreferent Steffen Kopetzky betonte auf der Vernissage: „Jeder Ort ist gleich weit weg von der Unendlichkeit“. Wenn man im Mittelpunkt steht, gilt es grundsätzliche Entscheidungen zu treffen, so Kopetzky. Die grundlegende Entscheidung, die Kunst zum Beruf zu machen und als freie Künstler zu leben, haben beide bereits getroffen, und sie arbeiten mit Energie und Kreativität an der Umsetzung. Derzeit bewerben sie sich für verschiedene Ausstellungen, auch außerhalb Bayerns, nehmen aber auch gerne Auftragsarbeiten für kleine Drucke, Karten oder Schnitzereien an. Die Ausstellung in der Städtischen Galerie faszinierte vor allem durch ihr reduziertes, fast strenges Konzept. Die Farben rot und schwarz-weiß beherrschten den Raum, es waren nur wenige Grafiken zu sehen und zwei Figuren. Dominiert wurde der Raum von zwei lebensgroßen, knallroten Figuren. Eine davon, aus lackiertem Aluguss, trägt den Titel „Mutter“ und war die ge- meinsame Abschlussarbeit der beiden Künstler. „Jeder hat eine Mutter“, beschreiben sie die Idee zum Kunstwerk, das Thema Mutter betrifft jeden Menschen. Auch die Homepage der beiden jungen Künstler ist so klar gestaltet wie ihre Arbeiten und bietet einen schönen Überblick über ihre Kunst: www.ackstaller-schweikl.de
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