Der Sommer ist vorbei – Pokémon ist auf der Flucht

Der Pfaffenhofener
Ausgabe 7 / KW 29
FREITAG, 22. JULI 2016
Preis: gratis!
Planen und bauen
Bunkerbazi
Robert Schmidt-Ruiu stellt Kindern und Eltern
sein Konzept für den Spielplatz in Förnbach vor
Der Literaturstipendiat Johann Reißer
präsentiert eine Performance im Fernmeldebunker
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JUBILÄUM
Das Museum in Manching
feiert sein 10-jähriges
Bestehen zwischen Kult,
Kelten und Römern
Seite 3
LOBBYISMUS
Hellmuth Inderwies über
politische Einflussnahme
in der Europäischen
Union – zwischen
Verantwortung und
Eigeninteresse
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KUNST I
Die Teilnehmer des
Fotowettbewerbs zeigen
ihre Werke
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KUNST II
Struktur: Hallertauer
Künstler im Haus der
Begegnung
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Der Sommer ist vorbei – Pokémon ist auf der Flucht
von Lorenz Trapp
Das war’s dann also. Der Sommer
ist vorbei. Noch nicht ganz! Nur
der Kultursommer. Und auch er ist
noch nicht ganz vorbei: Wenn Sie
sich beeilen, schaffen Sie‘s am Sonntag, 24. Juli, ab 18 Uhr noch auf den
Hauptplatz vor das Rathaus. Der
Höhepunkt zum Abschluss des Pfaffenhofener Kultursommers ist traditionell ein großes Open Air – bei
freiem Eintritt. Dieses Jahr ist es
dem Kulturmanagement der Stadt
gelungen, „Dota“ aus Berlin für die
Bühne vor dem Rathaus zu verpflichten. Die Band rund um die charismatische Frontfrau Dota Kehr wird von
„Dobré“, einer jungen Popband aus
München, unterstützt. Beide Bands,
so heißt es in der Ankündigung, widmen sich der schönen Pop-Melodie,
und so erwartet das Publikum an
diesem Abend die hohe Kunst des
Songwritings, in Deutsch und in
Englisch, unterschiedlich ausgelegt
und wunderschön interpretiert. Zu
schön, um wahr zu sein.
„Alles, was ein Mann schöner ist
als ein Aff‘, ist ein Luxus“, lässt der
Schriftsteller Friedrich Torberg seine
„Tante Jolesch“, die titelgebende Figur im „Untergang des Abendlandes
in Anekdoten“, konstatieren. Wir
wollen hier nicht dem Untergang des
Abendlandes nachtrauern; vielmehr
stellen wir fest, dass obiger Ausspruch nicht nur für Männer gilt: Wir
leben allgemein im Luxus und merken es gar nicht mehr. Falls es noch
Männer gibt, die sich für einen Affen
halten: Ein Blick in den Spiegel sollte
sie dann doch davon überzeugen, ein
Luxusprodukt zu sein, eine Luxation, eine Verrenkung, wie der immigrierte Lateiner nach Abschluss des
obligatorischen Deutschunterrichts
für Ausländer sagen würde, eine Abweichung vom Normalen.
Aber was ist schon normal? Das
Niveau eines Affen als Referenzwert mag uns nicht mehr genügen,
nicht mal als Metapher. Oder haben
Sie schon je einen Affen – außer im
Zirkus – am Steuer eines SUVs gesehen? Seien Sie nicht enttäuscht,
kann demnächst kommen! Mit einem
Konzeptauto nämlich erinnert der
Autobauer Jeep zum 75-jährigen
Bestehen an seine Markenikone, den
Militär-Geländewagen Willys MB,
den Großvater aller Geländemodelle
und SUVs. Angetrieben wird der Enkel von einem 286 PS starken 3,6-Liter-V6-Benziner. Man gönnt sich ja
sonst nichts.
Der Sommer im Kulturluxus ist vorbei. Die armen Schulkinder müssen
sich auf die großen, langweiligen
Ferien vorbereiten, jeden Tag ins
Schwimmbad, wenn der Sommer
nicht doch schon vorbei ist, vielleicht
gar mit Mami und Papi in Urlaub
fahren – eher nicht in die Türkei.
Apropos Türkei: Wer hat eigentlich
in der Türkei einen Putschversuch
unternommen? Und wer verhaftet
dort – bei gefühlt mehr Verhafteten
als Verhaftern – jetzt wen? Unsere
Politiker zeigen sich besorgt über
die Entwicklung in der Türkei, und
in den gewaltigen Sorgenfalten verschwindet der Flüchtlingsdeal mit
der Türkei im Abgrund. Wo halten sich in aller Bescheidenheit die
Flüchtlinge auf, die nicht mehr in der
EU ankommen? Fragen über Fragen,
und die Türkei diskutiert über die
Wiedereinführung der Todesstrafe.
Das, so äußern sich unsere Politiker
unisono, wäre das Aus für die EUBeitrittsgespräche mit der Türkei.
Da können sich die Amerikaner freuen, seit Langem in Europa beide Füße
im Wohnzimmer zu haben, egal, dass
in den meisten Staaten ihrer Union
die Todesstrafe immer noch auf der
Tages- oder Jahresordung steht.
Der Tod ist gegenwärtig genug. In
Nizza fährt ein Mann Dutzende von
Menschen auf der Strandpromenade
tot; der IS, der inzwischen jede Barbarei auf dem Planeten als auf seine
Anweisung durchgeführt deklariert,
wird als Hintergrund eruiert. Und:
Der Attentäter habe sich erst 14 Tage
vor der Tat radikalisiert. Gleiches
verlautet von dem jugendlichen Migranten, der in einem Zug bei Würzburg mehrere Passagiere mit Axt und
Messer schwer verletzt. Wie muss
man sich das vorstellen? Wie radikalisiert man sich in 14 Tagen? Wie
instrumentalisiert man sich in 14
Tagen? Wie alkoholisiert man sich
in 14 Tagen? Wie fundamentalisiert
man sich in 14 Tagen? Haben Sie ein
Fundament, oder glauben Sie unbedarft daran, eine starke Basis sei ein
tragfähiger Unterbau für ein gesun-
des Fundament? Da gehen wir doch
lieber auf die Jagd.
Das Pokémon-Fieber ist ausgebrochen! Die Kids auf der Straße stecken die Nase in die Smartphones
und folgen geheimen Anweisungen:
Das Programm „Pokémon Go“ zaubert auf das Display, das wie ein
Kamera-Sucher die Realität vor ihren Füßen abbildet, diese virtuellen
Pocket-Monster, welch selbige mittels Pokéball gefangen werden dürfen. Einer der kleinen Kerle heißt
übrigens Rattikarl, was etymologisch
definitiv nicht auf das lateinische radicalis zurückzuführen ist.
Falls Sie dem Pokémon-Fieber noch
nicht verfallen sind und in den Ferien ein bisschen Zeit haben, dann
besuchen Sie das Stadtbauamt. Bis
zum 22. August 2016 können Bürger
und öffentliche Stellen zum vorgestellten Planentwurf „Sondergebiet
Bürgerwindpark“ Stellung nehmen.
Die Bauleitplanung soll von einer
umfassenden Bürgerbeteiligung begleitet werden – voraussichtlich samt
Bürgerentscheid im Herbst.
Das war’s dann also doch nicht. Der
Sommer geht einfach nicht vorbei.
STADTKULTUR
Seite 2 | Der Pfaffenhofener
Hunde und Kultur
Liebe Pfaffenhofenerinnen
und Pfaffenhofener,
Der Mietspiegel stellt eine Übersicht der gezahlten Mieten in Pfaffenhofen für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung,
Beschaffenheit und Lage dar. Er
bildet somit eine repräsentative
und
rechtssichere
Grundlage
für die Mietpreisgestaltung und
schafft Transparenz für alle, die
eine Wohnung suchen oder vermieten. So kann der Mietspiegel
auch zu einem einvernehmlichen
Miteinander zwischen Mietern
und Vermietern bezüglich der
Miethöhe beitragen.
Der Pfaffenhofener Mietspiegel
wurde auf Grundlage der zurückgesandten Fragebögen erstellt, die
wir zum Jahresbeginn an mehrere
Tausend Mieter in Pfaffenhofen
verschickt haben. Ich danke allen
ganz herzlich, die hier mitgewirkt
und sich die Zeit zum Ausfüllen
der Fragebögen genommen haben.
Darüber hinaus gilt mein Dankeschön dem Institut für Empirische
Marktanalysen EMA, das die Daten ausgewertet hat.
Der Mietspiegel ist gewiss kein
Allheilmittel gegen den extremen
Druck auf dem Wohnungsmarkt
in Pfaffenhofen, aber er ist ein
Instrument, das zusammen mit
einigen weiteren Maßnahmen Wirkung zeigen sollte. Flankiert wird
der Mietspiegel von der Aufnahme
der Stadt in den Geltungsbereich
der Verordnungen zur Mietpreisbremse und zur Kappungsgrenze,
welche die Möglichkeit von Mieterhöhungen zusätzlich begrenzen.
Darüber hinaus haben wir unser
Einheimischenmodell
deutlich
ausgeweitet und wir werden in
den nächsten Jahren insgesamt
30 Millionen Euro in den sozialen
Wohnungsbau investieren. Und
nicht zuletzt erweitern wir gerade
unser Obdachlosenheim, wodurch
auf Dauer einige städtische Sozialwohnungen wieder für den freien Wohnungsmarkt zur Verfügung
stehen.
Ich hoffe, dass unsere Maßnahmen
Erfolg haben, damit Wohnen in
Pfaffenhofen auch langfristig bezahlbar bleibt.
Herzlich Ihr
Thomas Herker,
Bürgermeister
Große Ferien und Sommerpause über der Stadt
von Claudia Erdenreich
Zumindest nach unserer Zeitrechnung beginnen am 23. Juli die
Hundstage, die heißesten Tage des
Jahres. Dann, wenn die Tage schon
wieder ein klein wenig kürzer werden und die Sonne dafür umso heißer
brennt. Verlassen kann man sich darauf nicht mehr, die Hundstage können auch so kalt und regnerisch werden, dass man selbst seinen besten
Freund, das Haustier, nicht mehr vor
die Tür schickt. Dem Sommer kann
man ja nicht mehr trauen in Zeiten
von Klimawandel, Windrädern und
Brexit. Und wer schuld daran ist,
weiß man bei einer bunten Koalition auch nicht mehr, vermutlich aber
nicht die SPD.
In früherer Zeit war sowieso alles
besser, nicht nur das Wetter. Da begab man sich, wenn man konnte,
spätestens ab Juni in die Sommerfrische. Die Kurorte und Seebäder
waren dann gefragt, die Städte dagegen ausgestorben. Kultur hatte
sowieso Pause und vor Saisonbeginn
im September kehrte niemand heim.
Und alle anderen, die nicht konnten,
mussten sowieso aufs Feld.
Davon übrig geblieben in heutiger
Zeit sind die großen Ferien, ein kurzer, hektischer Sommerurlaub und
statt Seebad das Freibad. Aber das
ist ja auch schon etwas, wenn das
Wetter mitspielt.
Eine Poolparty ersetzt das Kurkonzert und zumindest ab nächstem
Jahr ist wieder Lustwandeln im Park
angesagt. Dann sogar mit Biergarten.
Kultur aller Art geht auf jeden Fall
in die verdiente Ruhepause. Nach
einem mehr als üppigen Angebot
zum Kultursommer fährt fast alles
auf Null, keine Vernissage mehr, kein
Konzert, keine Performance, nicht
mal eine klitzekleine Lesung irgendwo. Wusste man wochenlang nicht,
wohin man zuerst gehen sollte, wird
es nun fast ein wenig langweilig. Es
bleiben ein paar Seniorenausflüge, stricken könnte man lernen und
schon mal in Kirchenkonzerte gehen.
Oder auch einfach den Sommer genießen, laue Lüftchen fern von Windrädern, Steckerleis im Freibad statt
innereuropäische Sorgen. Die Nächte sind immer noch kurz genug, um
draußen zu sitzen, zwar noch ohne
Biergarten, aber immerhin in Cafes
oder Eisdielen. Das ist auch schon
fast Kultur. Das mit den Hundstagen stimmt sowieso nicht, schon gar
nicht zeitlich. Eigentlich haben sich
das die alten Ägypter ausgedacht,
mit dem Sternbild des Sirius. Oder
die Griechen, auf jeden Fall kamen
von Roland Scheerer
Ich will auf kein Rockkonzert mehr
gehen. Ich schaffe es nicht mehr.
Mit zweiundvierzig bin ich zu alt.
Man schaut sich die Leute an, die
mit einem vor der Bühne stehen.
Im Großen und Ganzen denkt man:
vernünftige und gebildete Menschen. Wer die gleiche Band mag
wie ich, der kann ja nicht ganz
verkehrt sein. Aber weit gefehlt.
Sie haben alle schon die zuckende
Hand in der Tasche.
Auf der Leinwand erscheint eine
Einspielung mit der freundlichen
Bitte, man möge auf SmartphoneAufnahmen verzichten. Eine Bedingung, der man schließlich mit
dem Ticketkauf zugestimmt hat.
Indes wird in den Minuten bis zum
Konzertbeginn schon mal fleißig
die leere Bühne abfotografiert und
abgefilmt. Warum, wozu? Völlig
wurscht. Weil sie es können. Und
so habe ich schließlich das halbe
Marillion-Konzert auf den Smartphone-Bildschirmen der Leute vor
mir verfolgen dürfen. Da kann ich’s
mir auch gleich auf Youtube ansehen. Wo diese Aufnahmen ja wahrscheinlich auch landen. Und von
Leuten angeklickt werden, die zwar
auf dem Konzert waren, aber dort
nichts sehen konnten. Weil ihnen
der Wald aus gezückten Handys die
Sicht versperrte. Oder die es sich
nachträglich ansehen, weil sie vor
lauter Filmen keine Zeit hatten, auf
die Musik zu achten. Ich will von
euch mein Eintrittsgeld zurück.
Danke auch, Hobbyfilmer.
Ich will aber auch auf kein Jazzkonzert mehr gehen. Gestern, am
16. Juli, spielte Keith Jarrett solo
in München. Und sie schaffen ist
nicht. Es steht groß auf den Tickets,
der Künstler bittet um Verständnis, die Veranstalter drohen mit
Abbruch, lassen Infozettel verteilen mit diesem Anliegen, das Keith
Jarrett hat: Er bittet darum, dass
im Konzertsaal die Mobiltelefone
aus bleiben. Und jeder, der Keith
Jarrett kennt, weiß, dass der Mann
sich beim Spielen nicht konzentrieren kann, wenn Leute im Pu-
blikum mit den Handys rummachen.
Es bringt ihn zum Wahnsinn. Es killt
seine Inspiration, auch rückwirkend.
Es steht in völligem Widerspruch zur
Einzigartigkeit seiner Musik, wie er
sie nun mal versteht. Und deswegen hat er eben diese Bitte. Und wer
Jarretts Auffassung von Livemusik
nicht teilt, dem steht es ja frei, zu
Hause zu bleiben.
Aber sie wollen ihm den Gefallen
ums Verrecken nicht tun. Er soll leiden. Am Ende weiß der verzweifelte
Mann sich nicht anders zu helfen,
als die Knipser von der Bühne herab
vulgär zu beschimpfen. Was dann
manche im Saal wieder total abgefahren finden; es wird gelacht. Und
mit diesem würdelosen Echo bleibt
einem nun das Konzert für den Rest
des Lebens in Erinnerung. Dabei
kann der Mann doch nicht anders,
als Konzerte zu spielen. Es ist nun
mal sein Leben. Es muss für ihn eine
furchtbare Qual sein. Er ist komplett
gestraft. Seine Feinde machen sich
nicht einmal die Mühe, die Klickgeräusche oder den auf die Distanz völlig sinnlosen Blitz zu deaktivieren,
geschweige denn, die Bildschirmhelligkeit runterzuregeln, um wenigstens unbemerkt zu bleiben. Nicht
einmal dafür reicht es bei ihnen.
Das gefühlte Recht, alles und jeden
hirn- und hemmungslos abzulichten
und abzuspeichern, es gehört zu den
mindestens zwei Kalenderreformen
dazwischen, die das Datum reichlich
verschoben.
Denn eigentlich ist zumindest in
unseren Breitengraden der große
Hund erst wieder Ende August zu
sehen. Also das Sternbild des großen
Hundes, Nachbars Lumpi ist vermutlich schon viel früher zu sehen, faul
in der Sonne dösend oder sich strikt
weigernd, bei Regen rauszugehen.
Und der große Hund gilt dann als
erster Vorbote des Herbstes. Eine
Zeit, die wir noch weit von uns weisen, die wir momentan noch so geflissentlich ignorieren wie Regentage,
Parkplatzfragen am Hauptplatz oder
Windräder am Waldrand.
Bis dahin gilt es den Sommer zu genießen, und irgendwann, ganz weit
nach dem Volksfest, können wir wieder in die Kultur eintauchen.
großen Übeln unserer Zeit. Es steht
so ungefähr auf derselben Stufe mit
der Auffassung BMW fahrender Autobahndrängler, jede Geschwindigkeitsbegrenzung sei eine Menschenrechtsverletzung.
Und nun, ihr Anfänger, passt auf.
Jetzt erzähle ich euch, wie verbotenes Aufnehmen geht. Als ich siebzehn war, hörte ich am liebsten
inoffizielle Livemitschnitte, so genannte Bootlegs. Diese Aufnahmen
waren eine Qual anderer Art. Sie
waren unerträglich dumpf und verrauscht – aber hochauthentisch, im
Gegensatz zu den studiomäßig nachbearbeiteten offiziellen Livealben.
Und deswegen hörte ich dieses Material. Was nur wenige meiner Freunde
nachvollziehen konnten. Nur logisch,
dass ich irgendwann beschloss, selbst
ein Bootleg aufzunehmen. Und zwar
auf einem Guns N’ Roses-Open Air.
Und jetzt, ihr von euren I-Phones
verweichlichten Püppis und Mamasöhnchen, gebt beim Lesen ganz
genau Obacht: Für einen beträchtlichen Teil meines Taschengeldes holte ich mir im Kaufhaus Urban einen
Tischcassettenrecorder mit Batteriebetrieb. Den zerlegte ich auf meinem
Schreibtisch in seine Bestandteile:
Das Gehäuse und den Lautsprecher
warf ich weg. Das Knopfmikrofon
nähte ich hinter mein Jeansjackenrevers. Je eine der dicken Batterien
klebte ich in meine Cowboystiefel;
sie hatten unter meinen Fersen gerade genug Platz; ich würde stundenlang auf Zehenspitzen stehen,
aber bei Frauen mit Stöckelschuhen
funktioniert das ja auch. Anstelle des
Lautsprechers lötete ich einen linken
Walkman-Ohrstöpsel an. Die Laufwerksmechanik samt Platine klebte
ich mir mit Paketband vor den
Bauch. Mit einer Lage Schaumstoff
davor, in der Hoffnung, dass man
mich am Einlass nur flüchtig abtasten und den Vorbau für einen beginnenden Bierbauch halten würde.
All diese Komponenten verband ich
mittels Leitungen aus einem ausgeweideten Verlängerungskabel, die
ich mir durch die Hosenbeine fädelte und ansonsten mit Hansaplast
am Körper fixierte. Ich legte eine
120-Minuten-Chromdioxidcassette
ein.
Derart verkabelt, stellte ich meine
Stereoanlage mit der „Appetite for
Destruction“ auf maximale Lautstärke und mich selbst in die Mitte meines Zimmers. Ich fingerte an
meinem Bauch herum und betätigte
die Tasten „Record“ und „Play“.
Wenn es ernst wurde, musste das ja
auch alles blind funktionieren.
Irgendwie passierte nichts. Das
Laufwerk setzte sich nicht in Bewegung. Auf dem Ohrstöpsel kam
ein krächziges Knacksen, das nach
wenigen Sekunden abrupt abbrach.
Ein Wackelkontakt? Hatte ich wieder schlampig gelötet? Ich tastete
an den Kabeln herum. Und dann
riss es mich. Ich zuckte brutal zusammen und fetzte mir in Panik die
ganze Verdrahtung vom Leib.
Was war geschehen? Ich hatte vergessen, eine Lötstelle zu isolieren.
Sie verband zwei Leitungsstücke,
die zu den Batterien in meinen Stiefeln führten. Die besagte Lötstelle
befand sich in meiner Unterhose.
An einem empfindlichen Körperteil, das auf Stromschläge mit heftigem Schmerz reagiert.
Um es kurz zu machen: Ich habe die
Apparatur nie in Gang bekommen.
In Elektrotechnik bin ich nur mittelmäßig begabt.
Aber eins sage ich euch, ihr „HEY
ELLEN ICH BIN GRAD BEI MARILLION!!!!“- und „MAN ICH
GLAUBS NICHT VOR MIR STEHT
KEITH JARRETT!!!!!“-Poster, ihr
kleinen
Facebook-Oliver-Stones
und selbsternannten SamsungGalaxy-Rockchronisten:
Dieser
eine Stromschlag in die Eier vor
der voll aufgedrehten Stereoanlage in meinem Zimmer im Sommer
1991, den spüre ich bis heute, und
er ist hundertmal mehr Rock’n’Roll,
als es eure Festplatten voller billig
erschlichener, schlechter Konzertvideos je sein werden. Je hochauflösender, desto schlechter.
Foto: Stadt Pfaffenhofen
der Einwohnerzuwachs der letzten Jahre spricht für die Attraktivität unserer Stadt, hat aber
auch zu einem extremen Druck
auf den Wohnungsmarkt geführt.
Freie Wohnungen gibt es kaum
noch, und 60 oder 80 Bewerber
für eine einigermaßen erschwingliche Mietwohnung sind keine
Seltenheit. Damit Wohnen in
Pfaffenhofen weiterhin bezahlbar
bleibt, haben wir verschiedene
Maßnahmen und Projekte angestoßen. Ein wichtiges Instrument
– eines von mehreren – ist dabei
die Erstellung eines Mietpreisspiegels. Ich freue mich sehr, dass
der erste qualifizierte Mietspiegel
für Pfaffenhofen jetzt vorliegt. In
gedruckter Form liegt er im Rathaus und bei der Stadtverwaltung
kostenlos zum Mitnehmen aus.
Sehr empfehlenswert ist aber auch
der online-Rechner auf der städtischen Homepage unter www.
pfaffenhofen.de/mietspiegel,
da
man hier für „sein“ Objekt die örtliche Vergleichsmiete direkt ermitteln kann.
Freitag, 22. Juli 2016
DIE SEITE 3
Freitag, 22. Juli 2016
A
ngeblich hatten die
Kelten nur Angst davor,
dass ihnen der Himmel
auf den Kopf fällt. Den
Rest konnten sie bewältigen und besiegen Jedenfalls teilten
sie das Alexanders Truppen mit. Sie
haben uns nichts Schriftliches hinterlassen, aber eine Fülle von Funden im Boden erlaubt Rückschlüsse
auf ihr Leben.
Manching zaubert Archäologen, Vorund Frühgeschichtlern und Keltenforschern ein Leuchten in die Augen.
Die keltische Großstadt in vorchristlicher Zeit birgt bis heute Geheimnisse und vor allem ständig neue
Erkenntnisse. Manching, das ist keltische Kultstadt, eine Keltenstadt der
Superlative, Großstadt vor Christi
Geburt mit internationalen Handelsbeziehungen. Mehr als 10.000 Menschen lebten damals in der Stadt,
deren Namen wir nicht kennen. Die
Metropole lag an der Kreuzung von
antiken Handelswegen, die Kelten
trieben Fernhandel über die Donau,
aber auch an die Ostsee und in den
Mittelmeerraum.
Die Menschen praktizierten Arbeitsteilung, hatten Handwerker,
verfügten über Tempel und Monumentalbauten, gepflasterte Plätze,
erstellten Schmuck und Waffen. Krüge voller Münzen und wunderschönes farbiges Glas haben sie uns im
Boden hinterlassen, sie verarbeiteten
Eisen in industriellen Dimensionen.
Eine sieben Kilometer lange Mauer,
ein Wall, umgab ihre Stadt, der östlichste Murus Gallicus, den es gibt,
sein Aufbau ist komplex. Allein das
Osttor der Keltenstadt war zehn
Meter breit und zweispurig befahrbar – eine Dimension, die auch Tore
mittelalterlicher Großstädte nicht
erreichten.
Trotz 60 Jahren intensiver Ausgrabungen und Forschungen wissen wir
viel, aber lange nicht genug über jenes ferne Volk, das irgendwann vor
oder mit dem Auftauchen der Römer
langsam unterging. Ihr Anfang liegt
trotz interdisziplinärer Forschung
auch heute noch genauso im Dunkeln wie ihr Ende. Wer sich mit ihnen beschäftigt, muss eine mentale
Kelten,
Kulte,
Jubiläum
kelten- und römermuseum
Manching feierte
zehnjähriges Bestehen
von Claudia Erdenreich
kelten- und römermuseum
Im Erlet 2
85077 Manching
www.museum-manching.de
und eine Ausstellungseröffnung zum
Thema „Licht! Lampen und Leuchten der Antike“. Zahlreiche Gäste,
darunter viele internationale Wissenschaftler, hatten sich im Museumsfoyer versammelt.
Bürgermeister Herbert Nerb begrüßte die Gäste und kündigte die
Referenten an. Der Direktor der
Archäologischen
Staatssammlung
München, Prof. Dr. Rupert Gebhard,
gab vor allem einen Überblick über
das wissenschaftliche Werk von Prof.
Dr. Susanne Sievers. Sie gilt als eine
der führenden Keltenforscherinnen.
In ihrem Gastvortrag blickte sie auf
Prof. Dr. Susanne Sievers hielt den Festvortrag
Zeitreise antreten, den auch der lange Gitterweg zum Museumseingang
symbolisiert.
Vor zehn Jahren eröffnete das kelten- und römermuseum in Manching
und dieses Museum kann auf eine
Erfolgsgeschichte zurückblicken, so
etwa auf über 200.000 Besucher. Zum
Festakt gab es hochkarätige Vorträge
Der Pfaffenhofener | Seite 3
lich aus den Kelten wurde, wird
wohl nie umfassend geklärt werden
und weitgehend im Dunkeln bleiben.
Vermutlich war beim Auftauchen der
Römer im Donauraum nur noch eine
Restbevölkerung vorhanden.
Keltenstadt in Mitteleuropa ist.
Museumsleiter Dr. Wolfgang David
konnte in seinem Bildvortrag zu recht
mit Stolz auf zehn Jahre Erfolgsgeschichte im Museum zurückblicken.
Neben zahlreichen Ausstellungen
lungsraum eröffnet. Die spannende
Ausstellung zeigt einen Überblick
über Lampenformen und Arten von
der Antike bis ins Mittelalter, durch
ganz Europa bis in den asiatischen
Raum. Die Ausstellung „beleuchtet“
Dr. Wolfgang David, Museumsleiter, blickte auf 10 Jahre Museum
sechzig Jahre Manching-Forschung
zurück. Sie stellte Publikationen vor,
Probleme und Erfolge der Ausgrabungen und offene Fragen der Forschung. Immerhin war Manching als
Keltenstadt rund 300 Jahre bewohnt,
ein Zeitraum, den Forscher in mehrere Abschnitte und Unterabschnitte
einteilen. Die Frage, was denn letzt-
Dr. Susanne Sievers stellte einige
Höhepunkte der Forschung und Ausgrabungen vor und ging auf die vielfältigen Techniken und Forschungsmöglichkeiten ein. Vor allem aber
betonte sie: Die Forschung zu den
Kelten, zu Manching ist noch lange nicht abgeschlossen, auch wenn
Manching die am besten erforschte
fanden auch viele wissenschaftliche
Tagungen im Museum statt, ebenso
Museumsfeste und unzählige Führungen. Er zeigte Aufnahmen aus
zehn Jahren, lustige, wehmütige, intensive und vielfältige Momente.
Zum Jubiläum wurde im Anschluss
die Ausstellung zu Licht und Lampen der Antike im Sonderausstel-
den vielfältigen Einsatz von Licht,
von der simplen Möglichkeit mit Beleuchtung länger zu arbeiten bis hin
zum Geleit für Verstorbene in die
Unterwelt.
Der gelungene Festakt klang aus
bei Getränken, Austausch und Gesprächen, die Ausstellung ist bis
2017 zu sehen.
KULTUR
Seite 4 | Der Pfaffenhofener
(Anm. d. Redaktion: Der Artikel
umreißt lediglich Grundgedanken
eines
90-minütigen
Vortrags,
den unser Redaktionsmitglied
Hellmuth Inderwies vor kurzem im
Rahmen eines Europaseminars in
Eisenstadt / Österreich zu diesem
Thema gehalten hat.)
Der Lobbyismus in der Europäis
Politische Einflussnahme zwischen Verantwortung und Eigenin
W
enn es sich nicht
gerade um ein umwälzendes Ereignis
wie den Brexit des
Vereinigten Königreichs Großbritannien handelt, gerät Brüssel bei vielen Bürgern der
Europäischen Union als eine weit
entfernte Hauptstadt mitunter allzu sehr aus dem Blickfeld. Dass hier
Gesetze gemacht werden, die allenthalben Gültigkeit besitzen, weil sie
in nationales Recht eingehen, nimmt
man oft nur oberflächlich wahr, und
noch weniger, wer deren Ausformung entscheidend beeinflusst. Da
ist zwar zuweilen vom „Lobbyismus“ die Rede, seit die Politologen
Thomas Leif und Rudolf Speth ihn
nach den drei klassischen Säulen
der Demokratie und den modernen
Medien als „fünfte Gewalt“ definiert
haben, aber welche Bedeutung er für
diese Staatsform wirklich besitzt,
bleibt eher im Dunkeln, ebenso wie
seine Methoden. Der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück
hielt es für notwendig, ein robustes
Immunsystem gegenüber den Lobbyisten zu entwickeln oder sie am
besten gleich „in die Produktion zu
schicken“. Und der bayerische Europaabgeordnete Klaus Buchner nannte sie vor wenigen Wochen im Rahmen eines Vortrags in Pfaffenhofen
einen „übermächtigen Faktor“ bei
politischen Entscheidungen. In der
Tat hat in der Gegenwart der Begriff
„Lobbyismus“ auf Grund gewisser
Praktiken allenthalben eine anrüchige und ominöse Bedeutung angenommen.
Lobbyismus und die Frage
nach Ursprung und Wesen
Wer freilich seinen wirklichen Stellenwert in einem demokratischen
Staatswesen ermitteln will, muss der
Frage nach seinem Ursprung und
seinem Wesen auf den Grund gehen.
Mit dem aus dem Mittellateinischen
„lobia“ (Laube, Vorbau, Vorhalle)
hervorgegangenen Begriff „Lobby“
werden auch Kommunikationsräume
des englischen Unterhauses bezeichnet, der Geburtsstätte des modernen
Parlamentarismus. Hier war und ist
es möglich, ja sogar erwünscht, mit
Mandatsträgern Gespräche zu führen
und Informationen auszutauschen,
sie zu beraten, den eigenen Standpunkt zu vermitteln und ihnen Argumentationshilfen für bevorstehende Entscheidungen zu geben, zumal
mit der Übernahme eines politischen
Amts nicht automatisch auch das
notwendige Fachwissen mitgeliefert
wird. Eine in der Gegenwart oft bittere Erfahrung, die der Bürger nach
Freitag, 22. Juli 2016
von Hellmuth Inderwies
London: Houses of Parliament
jeder Wahl und auf jeder politischen
Ebene machen kann! Dieser sogenannte „innere“ oder „direkte Lobbyismus“ gewinnt heutzutage durch
den „äußeren“ oder „indirekten“ mit
dem Einsatz von Medien über Presseerklärungen, Anzeigen, Kommentare, Interneteinträge usw. erheblich
an Bedeutung und Wirkung.
Dass Lobbyisten als Fachleute und
damit auch als Interessenvertreter
wesentlichen Einfluss bei Gesetzgebungsverfahren ausüben, liegt auf
der Hand. Sie gelten als Experten
auf ihrem Gebiet. Zumeist rührt ihr
Wissen von ihrer früheren beruflichen oder politischen Tätigkeit her.
Ein allseits bekanntes Beispiel ist
der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder, der heute als
Rechtsanwalt und Vorsitzender des
Aufsichtsrats für die Nord Stream
A. G. (Ostsee-Pipeline), das Schweizer Medienunternehmen Ringier und
die Ruhrkohle A. G. tätig ist, sein
ehemaliger Außenminister Joschka
Fischer steht bei Siemens und BMW
unter Vertrag. Andererseits werden
an europäischen Hochschulen Studiengänge angeboten, die eine Grundqualifikation vermitteln und es gibt
auch bereits Lobbyistenschulen, wie
z. B. das „European Institute for Public Affairs and Lobbying“ (EIPAL)
im EU-Viertel in Brüssel, in denen
man lernt, wo die maßgeblichen
Politiker und Generaldirektoren zu
finden sind und wie man ihnen begegnen muss. Ein darauf folgendes
Praktikum bei einer EU-Institution oder eine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter eines EUAbgeordneten vermitteln Einblicke
in Arbeitsweisen. Der Trend geht
auf Grund der Komplexität fachbezogener Sachverhalte hin zur Professionalisierung. Das ist in einem
demokratischen Staatswesen durchaus erwünscht, ja sogar notwendig, um verschiedenste öffentliche
Meinungen und Denkweisen in den
politischen
Entscheidungsprozess
zu transferieren. Ein Grundsatz des
Pluralismus besteht darin, dass aus
der Konkurrenz von Einzelinteressen
das Gemeinwohl erwächst. Im Lehrbuch über die „Verbände in der Bundesrepublik Deutschland“ von Martin Sebaldt und Alexander Straßner
heißt es: „Wo die Regierenden regelmäßig auf die Ratschläge verschiedenster Interessengruppen achten,
ist auch Politik von hoher Qualität.“
Gesetzliche Grundlagen hierfür und
damit auch für den Lobbyismus sind
im Art. 11 (4) des Vertrags über die
EU (EUV) verankert, eine „Technologieplattform“ und ein “Europäischer Runder Tisch der Industriellen“ (ERT) wurden eingerichtet, den
europäischen Dachverbänden durch
den Vertrag von Lissabon beim Pro-
zess der Politikplanung Privilegien
eingeräumt und einer „Europäischen
Sozialpartnerschaft“ zugestanden,
eigenständig gemeinsame beschäftigungspolitische
Vereinbarungen
zu treffen, die dann als Richtlinien
über den Ministerrat verbindliches
europäisches Recht werden. Ein konstruktiver Lobbyismus überzeugt
bei der legitimen Vertretung eigener
Interessen durch Sachlichkeit und
stichhaltige Argumente und verliert
stets auch das Allgemeinwohl nicht
aus den Augen.
US-Unternehmen beeinflussen
die EU-Gesetzgebung
Seit etwa zwei Jahrzehnten befindet
sich die Europäische Union nun aber
in einem Dilemma bei der Abwägung,
ob das ständig wachsende Eigeninteresse noch in einem angemessenen
Verhältnis zur Verantwortung für
die Allgemeinheit steht. Probleme
bereitet da zunächst der Gleichheitsgrundsatz, wobei das Geld die zentrale Rolle spielt. Kleine Verbände
oder Interessengruppen haben auf
Grund ihrer geringen Ressourcen
kaum die Möglichkeit, ein wirksames Lobbying aufzubauen oder
eine Professionalisierung durchzuführen. Das Kapital gelangt so im
Extremfall zur Alleinherrschaft. Um
den Schumann-Platz in Brüssel haben zahlreiche Großkonzerne Lobby-Büros eingerichtet, die zusammen
mit den Wirtschaftsverbänden über
weit mehr finanzielle Mittel verfügen
als die öffentlichen Interessenverbände. Für sie arbeiten nach einer
Erhebung von Lobbycontrol, Initiative für Transparenz und Demokratie, einem 2005 in Köln gegründeten
gemeinnützigen Verein, 70 % der
geschätzten 20 000 Lobbyisten, die
hier tätig sind. Allein die Association for Financial Markets in Europe
(AFME) mit Hauptsitz in London
soll für Lobbyarbeit in den Bereichen
„Bildung, Kommunikation, Politik,
Devisen, Besteuerung usw.“ jährlich
10 Mio. Euro ausgeben. Ihr gehören
als Mitglieder globale und regionale
Banken, Finanzinstitute und Kanzleien an. Unter den Einzelfirmen
steht nach einer Statistik dieses Vereins die Philip Morris International
Inc., der Tabakriese, mit 5 Mio. Euro
an der Spitze, gefolgt von Exxon Mobil, dem Mineralölkonzern, mit 4,75
Mio. und Microsoft mit 4,5 Mio. Im
Vergleich dazu investieren die deutsche Siemens A.G. 4,3 Mio. und VW
3,3 Mio., im Rahmen der Unternehmensberatung Roland Berger über 13
Mio.
Es überrascht auf den ersten Blick,
wie stark US-Unternehmen und damit US-amerikanische Wirtschaftsinteressen auf diese Weise die Gesetzgebung in der EU beeinflussen.
Naturgemäß nimmt mit der immer
stärkeren Verflechtung der Weltwirtschaft auch der Trend zur Internationalisierung des Lobbyismus zu.
Laut Transparency International,
einer in Berlin angesiedelten Nichtregierungsorganisation, die sich
der Bekämpfung von Korruption
verschrieben hat, gehören amerikanische Konzerne und Verbände zu
den aktivsten Lobbyisten in Brüssel.
Dies sei vor allem seit Beginn der
Verhandlungen über das geplante
Freihandelsabkommen (TTIP) oder
dem Abkommen zum Handel mit
Dienstleistungen (TiSA) im Bereich
Finanzen und öffentlicher Daseinsvorsorge der Fall. 250 US-Organisationen sind derzeit im Europäischen
Transparenzregister
eingetragen.
Dieses wurde 2011 von Parlament
STADTKULTUR
Freitag, 22. Juli 2016
Der Pfaffenhofener | Seite 5
schen Union
nteresse
stimmte neue Tätigkeitsfelder einzuhalten ist, um die Auswirkungen von
Interessenkonflikten zu beschränken.
Wenn eine inhaltliche Verbindung
mit dem früheren Geschäftsbereich
des Kommissars vorhanden ist, soll
das Ethik-Komitee der EU-Kommission eine Entscheidung herbeiführen.
Es besteht aus lediglich drei Mitgliedern und pflegte in der Vergangenheit enge Verbindung zur Privatwirtschaft.
So wechselte der französische Anwalt Michel Petite, lange Zeit Hauptberater des Kommissionspräsidenten
und Generaldirektor des Juristischen
Dienstes der Europäischen Kommission, das Lager, wurde Lobbyist
von Philip Morris, um 2009 in jenes
Ethik-Komitee berufen zu werden.
Er übernahm hier sogar den Vorsitz
und trat erst im Dezember 2013, unter Druck geraten, von diesem Amt
zurück. Sind in einem solchen Fall
Unabhängigkeit und Neutralität
wirklich gewährleistet, zumal der
Tabak-Konzern, der 2012 nachweislich 160 Lobbyisten in Brüssel eingesetzt hatte, mit allen Mitteln gegen
die 2013 von der EU verschärften
Richtlinien vorging?
Thomas Leif und Rudolf Speth kommen zu dem Ergebnis: „Lobbyismus
changiert also zwischen dem Anspruch legitimer Interessenvertretung und illegaler Einflussnahme,
die bis zur Patronage und Korruption reichen kann.“ Offenlegung sei
das oberste Gebot, um Missständen
zu begegnen. Aus diesem Grund
wurde vom 01.03. bis zum 01.06.2016
auf die Initiative des gegenwärtigen
Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, eine
öffentliche Konsultation zur Reform
des Transparenzregisters durchgeführt. An ihr konnte jeder Bürger der
EU über einen Online-Fragebogen
teilnehmen. In einer Verlautbarung
dazu heißt es, dass Lobbyarbeit Bestandteil einer gesunden Demokratie
sei, weil sie die Möglichkeit zur Verbesserung der Entscheidungsfindung
berge, durch neue Kanäle Fachwissen in die Arbeit der Gesetzgeber
und Entscheidungsträger einfließen
zu lassen. Die Konsultation solle
zu verwirklichen, wenn Lobbyisten
wie auch politische Mandatsträger
nicht durch eine persönliche ethischmoralische Grundhaltung, durch ihre
Integrität, daran gehindert werden.
Europa ist heute trotz „Europäischer
Union“ für viele Menschen nur ein
geographisches oder manchmal sogar nur ein wirtschaftgeographisches
Gebilde geblieben, bei dem oft der
alte nationale Egoismus in Erscheinung tritt. Geld ist vielfach der einzige Maßstab des Handelns, zugleich
Maßstab von Einfluss und Macht und
vielfach der einzige Sinn des Daseins. Allzu viele sind der Meinung,
der Aufbau politischer Institutionen,
einer Rechtsordnung und eines einheitlichen Wirtschaftssystems reiche
aus, um auch eine ethische Gemeinschaft zu schaffen. Gleichgültig, ob
einer der Väter der Integration Europas, der Franzose Jean Monnet, wirklich gesagt haben soll, dass er, wenn
er es noch einmal zu tun hätte, bei
der Kultur beginnen würde, so hat
nützliche Beiträge für ein verbindliches Transparenzregister liefern,
das dann für Parlament, Rat und
Kommission Gültigkeit hat. Ein Bericht über das Ergebnis dieser Befragung im Internet wird bis spätestens
01.09.2016 veröffentlicht.
dieser Gedanke im Laufe der Jahre
immer mehr an Gewicht gewonnen.
Der Artikel 1, Abs. 2 des Verfassungsentwurfs für die Europäische
Union, der den Titel „Verfassung für
Europa“ trägt und von 25 Staatsund Regierungschefs unterzeichnet,
aber bislang nicht ratifiziert wurde,
erweist sich allmählich wie ein Fanal
für die Mitgliedsstaaten: „Die Union steht allen europäischen Staaten
offen, die ihre Werte achten und sich
verpflichten, ihnen gemeinsam Geltung zu verschaffen.“ Und dieser
Grundsatz kann, soll Europa wirklich ein Zukunftsprojekt sein, nicht
nur auf materieller Ebene verwirklicht werden. Es müssen vor allem
die geschichtlichen ethischen Werte,
die der alte Kontinent neben seinen
dunklen Seiten auch hervorbrachte,
als dauerhaftes Fundament wieder
in Erinnerung gebracht und gelebt
werden: „Athen – Rom – Christentum“ sind die Metaphern. In der Gegenwart scheinen sie aber nicht nur
in Brüssel ein wenig in Vergessenheit
geraten zu sein.
Lobbyismus zwischen
Anspruch und Einflussnahme
und Kommission der EU geschaffen,
um lobbyistische Aktivitäten zu erfassen und sie für die Öffentlichkeit
durchschaubarer zu machen. Ein
Fortschritt gegenüber den früheren
Kontrollmaßnahmen wurde dadurch
erreicht, dass eine Registrierung
Voraussetzung für die Ausstellung
dauerhafter Pässe ist, mit denen
man allein Zugang zum EU-Parlament erhält. Vieles bleibt trotzdem
im Dunkeln, weil die Eintragung in
dieses Register bisher auf freiwilliger Basis geschieht. Wer eine LobbyAgentur verpflichtet, bleibt Kunde
dieser Agentur, wodurch die Anonymität des eigentlichen Auftraggebers
gewahrt wird.
Probleme schafft auch der sog. Seitenwechsel, in Fachkreisen „revolving door“ („Drehtüre“) genannt,
wobei Politiker oder ihre kompetenten Mitarbeiter in der Wirtschaft
Lobbyistenaufgaben
übernehmen.
Meist sind sie in Bereichen tätig, in
denen sie vorher gearbeitet haben.
Sie bringen nicht nur profundes
Insiderwissen mit, sondern auch
ihre Kontakte zu den Parlamenten
und Ministerien. Bekanntestes Beispiel hierfür ist Ex-Kommissionspräsident José Manuel Barroso mit
gleich 22 „neuen“ Tätigkeiten und
Positionen. Einer der bekanntesten
Seitenwechsler der EU war auch
Günter Verheugen, Vizepräsident der
EU-Kommission unter Barroso und
Kommissar für Unternehmen und
Industrie. Er trat als Berater in die
Dienste der Royal Bank of Scotland
und der Volks- und Raiffeisenbanken
und gründete eine eigene Lobbyagentur, die „European Experience
Company“, bereits zwei Monate nach
seinem Abschied aus Brüssel. Auf
Grund der zunehmenden Zahl von
Seitenwechslern wurde 2011 ein neu
gefasster „Verhaltenkodex für Kommissionsmitglieder“ eingeführt. Er
sieht eine Karenzzeit von 18 Monaten
vor, die nach dem Ausscheiden aus
einem Amt bis zum Wechsel in be-
Ab 2016 müssen in allen Mitgliedstaaten der EU Zweidrittel der
Verpackung von Zigaretten mit
Warnhinweisen
bildlicher
und
schriftlicher Natur versehen sein.
Aromastoffe, wie Menthol, sind verboten. Es darf zudem nicht mehr
damit geworben werden, dass der
Tabak aus ökologischem Anbau
stammt. Der deutsche EU-Abgeordnete Karl-Heinz Florenz schilderte
die fast militärischen Methoden des
Unternehmens beim Kampf gegen
solche Regelungen wie folgt: „Philip
Morris hat den kompletten Gesetzgebungsprozess stets vorher analysiert
und jeden Schritt vorbereitet. Wann
immer ein Ausschuss gegen ihre Interessen entschieden hat, war der
nächste Torpedo schon geladen.“ So
wurden von diesem Unternehmen
in einem 160-seitigen Schriftsatz
die Namen aller EU-Abgeordneten
rot gekennzeichnet, die sich der Tabakindustrie gegenüber besonders
kritisch verhielten. In der Vorweihnachtszeit 2012 versandte man an
die maßgeblichen EU-Abgeordneten
Adventskalender mit dem Slogan
„Zuviel Schokolade macht dick!“,
setzte dies hernach durch Schokoladenweihnachtsmänner ins Bild um
und veranschaulichte es mit überdimensionalen maskulinen Bäuchen
und Raucherbeinen, wie sie auf den
Zigarettenschachteln
abgedruckt
werden müssen. Zusätzlich gab es
als Geschenk eine Flasche Rotwein,
auf deren Etikett ein Krebsgewebe
aufgedruckt war, zum Geburtstag
eine Karte mit unappetitlichem Altmännerbauch und der Warnung „Zu
viel Kuchen macht dick!“ und dem
Wunsch, dass man in Zukunft ohne
Bevormundung selbst bestimmen
könne, was man genieße und was
nicht! Hier wird der Versuch bloßer
Einflussnahme bei weitem überschritten. Da der erhoffte Erfolg in
Brüssel ausblieb, klagte man vor dem
Europäischen Gerichtshof, der darüber entscheiden sollte, ob die EU bei
der Tabakgesetzgebung überhaupt
zuständig sei oder zumindest ihre
Kompetenzen überschritten habe.
Dieser verwarf die Klage und bestätigte die getroffenen Regelungen.
Welche Interessen?
Welche Finanzmittel?
Auch wenn die Medien als vierte Gewalt im Staat heute sehr ausführlich
über politische Vorgänge informieren, sie kommentieren, Missstände
aufdecken und der Politik und ihren Interessenvertretern ein Podium
bieten, ihre Argumente und Zielsetzungen vor Augen zu führen, so
werden trotz ausgeklügeltem Transparenzregister und Verhaltenskodex mit Strafmaßnahmen jene drei
Kernfragen zum Lobbyismus wohl
kaum gänzlich beantwortet werden:
Welche Interessen werden verfolgt?
Wer verfolgt diese Interessen? Welche
Finanzmittel stehen zur Verfügung?
Es werden stets Lücken gefunden
werden, um auf illegale Weise Ziele
STADTKULTUR
Seite 6 | Der Pfaffenhofener
Freitag, 22. Juli 2016
Kinder und Eltern planen und bauen mit
am Spielplatz Förnbach
Kulturtermine
Lesung
Lutz-Stipendiat Johann Reißer liest zum Abschluss seines
dreimonatigen Aufenthalts am
22.7. um 20 Uhr im Festsaal des
Rathauses.
von Heinz Hollenberger
Pool
Eine Poolparty mit Spielen und
Musik vor allem für Kinder
steigt am 23.7. von 13 bis 18 Uhr
im Pfaffenhofener Freibad.
Ende
Zum Abschluss des Kultursommers spielt am 24.7. ab 18 Uhr
Dota und Dobré auf dem unteren Hauptplatz.
Memo
Als Kultursommer Nachklang
startet der 12. Memo-Zyklus am
31.7. mit einem Festgottesdienst
um 12.15 Uhr in der Stadtpfarrkirche.
Kunst
Ausleihe von Kunstwerken aus
der Artothek ist wieder möglich
am 4.8. von 15 bis 18 Uhr im Anbau der Spitalkirche.
Kinder
Die während des Sommerkurses
entstandenen Werke präsentieren die teilnehmenden Kinder
am 6.8. ab 12 Uhr in der Kulturhalle.
Memo II
Im Rahmen von Memo werden
am 7.8. ab 11.45 Klassiker der
konzertanten Kirchenmusik in
der Stadtpfarrkirche gespielt.
Markt
Für Spätaufsteher steigt am
14.8. von 16 bis 23 Uhr wieder
der Nachtflohmarkt am Hauptplatz und in der Innenstadt.
Skate
Schon Tradition ist die Hallertauer Inline-Tour, die am 15.8.
zum zwölften Mal stattfindet.
Start um 8 Uhr in Uttenhofen.
Bier
Eine Woche vor dem Volksfest
findet am 24.8. ab 17 Uhr die
öffentliche Bierprobe vor dem
Rathaus statt.
fotogen
Unter dem Titel „fotogen“ kann
die Kunstausstellung im Finanzamt Pfaffenhofen, Schirmbeckstr. 5, noch bis 30. September
2016 zu den üblichen Öffnungszeiten des Servicezentrums besichtigt werden.
S
chon eine halbe Stunde vor
dem Ortstermin diskutieren
einige Anwohner lebhaft im
saftigen Grün. Sie stehen
auf dem wohl bekanntesten Hügel
in ganz Förnbach. Nicht zum ersten
Mal. Aber wohl zum letzten Mal,
bevor es losgeht. Denn die Entscheidung ist bereits gefallen. Jetzt geht
es um die konkrete Umsetzung des
Beschlusses, den der Stadtrat Pfaffenhofen gefasst hat. Danach wird
der Spielplatz von Förnbach künftig
kleiner, aber wesentlich moderner.
Dafür soll Robert Schmidt-Ruiu sorgen. Der Spielplatzplaner trifft sich
mit den Anwohnern und deren Kindern. Seine Planungsunterlagen legt
er ins Gras und setzt sich auch selbst
dorthin – und zwar in die Hocke.
Geduldig verharrt Schmidt-Ruiu
in dieser anstrengenden Haltung.
Nicht nur körperlich, sondern auch
menschlich beweist der Spielplatzplaner viel Ausdauer. Den Kindern
und deren Eltern aus der Nachbarschaft erklärt er geduldig, was die
Symbole auf seinen Planungsunterlagen bedeuten. Schon Anfang des
Jahres hatte sich Schmidt-Ruiu mit
Anwohnern aus Förnbach getroffen.
Manche ihrer Ideen von damals sind
direkt in seine Planungen mit eingeflossen. Kernstück seines Entwurfs
ist ein sechs Meter hohes Holzkonstrukt. Das dient gleichzeitig als Rutsche und als Klettergerät – optisch
als Mittelpunkt, um den alle anderen
Spielgeräte platziert sind. „Mir geht
es darum, spannende Plätze zu schaffen. Möglichst wie in der Natur. Da
gehen die Kinder auch dorthin, wo es
steil ist.“
Gestaltung der Spielgeräte
und Beteiligung der Anwohner
Robert Schmidt-Ruiu hat schon viele
Spielplätze designt. Auch nach der
Planungsphase bindet der Experte
die künftigen Nutzer noch mit ein.
Wenn die schweren Maschinen den
Untergrund befestigt haben und keine Unfallgefahr mehr besteht, dürfen
Eltern und Kinder tatsächlich selbst
Hand anlegen und aktiv beim Bau
ihres Spielplatzes mitarbeiten. Jeder hilft dort, wo er sich am besten
einbringen kann. Auch bei der fantasievollen Gestaltung der Spielgeräte
mit Farbe ist die Beteiligung der Anwohner und vor allem ihrer Kinder
willkommen. Robert Schmidt-Ruiu
will seine Anlagen möglichst natürlich gestalten. Holz ist sein Lieblingsmaterial, nicht zuletzt, weil es
lebt. Obwohl neue Spielgeräte auf
dem Hügel von Förnbach installiert
werden – die Fläche des Areals wird
kleiner. Etwa 2000 Quadratmeter
groß ist der Spielplatz – angelegt in
den 70er Jahren.
Vergeblich versuchten Anwohner damals vor Gericht, diese Fläche zu reduzieren, aus finanziellen Gründen.
Denn die Stadt hat sie damals an
den Erschließungskosten beteiligt.
Je größer das eigene angrenzende
Grundstück, umso höher ihr finanzieller Beitrag. Damals vor 40 Jahren
hat man auch entschieden, auf dem
grünen Hügel von Förnbach kein
weiteres Haus bauen zu lassen. Doch
dieser Beschluss ist nicht für die
Ewigkeit getroffen worden. Das hat
kleinert wird. Obwohl daneben noch
zusätzliche Vorrichtungen für Senioren geplant sind. Hier sollen sich
die Generationen künftig im Grünen
begegnen können. Bei der Gestaltung
der Seniorenanlage ist ebenfalls Bürgerbeteiligung vorgesehen. Doch die
meisten älteren Anwohner sind gekommen, um mit dem Bürgermeister
noch einmal grundsätzlich zu diskutieren. Schließlich hatten sie sogar
Unterschriften gesammelt, um die
Pläne der Stadt für dieses Grundstück zu verhindern. Doch der Stadtrat hat es mehrheitlich abgesegnet.
Neben der Stadt selbst werden noch
zwei private Bauträger hier Wohnhäuser errichten.
sich jetzt bei der juristischen Überprüfung herausgestellt. Gegen den
Widerstand mancher Anwohner hat
der Stadtrat entschieden, dass die
Stadt hier Doppelhaushälften bauen wird. Dafür muss die Fläche des
bestehenden Spielplatzes verkleinert
werden.
Robert Schmidt-Ruiu hat eigens ein
rot-weißes Baustellenband im Gras
ausgelegt, damit jeder sehen kann,
wo die Spielplatzfläche künftig enden wird. Anders als vor 40 Jahren
wollen etliche Anwohner jetzt verhindern, dass der Spielplatz ver-
Wohnraum ist knapp in Pfaffenhofen.
Deshalb verteidigt Bürgermeister
Thomas Herker die Absichten der
Stadt gegenüber den kritischen Anwohnern. Er weist allerdings auch
darauf hin, dass die Stadt nicht sofort mit dem Bau ihres Doppelhauses
beginnen wird. Zuerst soll der neue
Spielplatz fertig werden. Im Herbst
ist Baubeginn. Erst wenn die privaten Bauträger ihre neuen Wohnhäuser auf dem Hügel errichten, wird
wohl auch die Stadt von ihrem Baurecht dort Gebrauch machen.
Verlag/Herausgeber/Herstellung:
KASTNER AG – das medienhaus,
Schloßhof 2–6, 85283 Wolnzach,
Telefon 08442/9253-0
V.i.S.d.P.: Kilian Well
E-Mail: [email protected]
Foto: Robert Schmidt-Ruiu
IMPRESSUM
Redaktion: Claudia Erdenreich,
Kilian Well, Hellmuth Inderwies,
Lorenz Trapp
Layout: Monika Lang
Anzeigen: Claudia Scheid
Telefon: 0 84 42 / 92 53-7 04
Erscheinungsweise: monatlich
Der Pfaffenhofener erhalten Sie in der
Buchhandlung Osiander, der Buchhandlung Kilgus, bei Schreibwaren Daubmeier, Schreibwaren Prechter, Tabak
Bergmeister, Tabak Breitner etc.
Nächste Ausgabe voraussichtlich
Freitag, 19. 08. 2016
STADTKULTUR
Freitag, 22. Juli 2016
Der Pfaffenhofener | Seite 7
Jeder wird zum Künstler
Sieger und Teilnehmer des Fotowettbewerbs stellen aus
von Claudia Erdenreich
Es ist sicher die am besten besuchte
Vernissage: Wenn die Siegerbilder
der Fotogehgrafie gekürt, aber auch
sämtliche Teilnehmer-Bilder ausgestellt werden, herrscht Gedränge in
der Städtischen Galerie. Junge und
erwachsene Fotografen, Freunde und
Verwandte lassen sich den Abend
nicht entgehen.
Die Fotogehgrafie, veranstaltet von
der Stadtjugendpflege im Rahmen
des Kultursommers, hat schon Tradition. Die Teilnehmergruppen setzen dabei an einem Tag verschiedene
Themen in kreative Fotos um. Dabei
gibt es zum Start drei Themen, an
weiteren Stationen dann die Folgethemen. Unterschieden wird nur in
„unter 18“ und „über 18“, gern gesehen ist Teamarbeit. Insgesamt nahmen rund 60 Personen in 33 Gruppen
teil, der jüngste Fotograf war gerade
erst zehn Jahre alt.
Die vorgegebenen Themen orientierten sich an dem diesjährigen
Motto „Pfaffenhofen ist bunt“, waren aber so gewählt, dass daraus jeder frei und vielfältig fotografieren
konnte. Lichtblick und Gegensatz,
Willkommen oder grau und trist
S
truktur kann sich finden in
Mustern und Regelmäßigkeit,
in Materialien und Skulpturen, Struktur ist so vielfältig interpretierbar wie kaum ein anderes
Thema.
Insgesamt 21 Hallertauer Künstler
stellten in der Städtischen Galerie im
Haus der Begegnung jeweils ein Werk
aus. Die Beschränkung war Heraus-
Zahlreiche Gäste besuchten die Ausstellungseröffnung
lauteten etwa Themenvorgaben.
Fotografiert wurde in vielfältiger
Technik und Ausstattung, interpretiert wurden die Themen frei
und breit. Christoph Höchtl von
der Stadtjugendpflege lobte besonders den Einsatz, die Fotogehgrafie fand an einem heißen Sommertag statt, der in Gewitter und
Regen endete, was die Fotografen
nicht daran hinderte, bis zu zehn
Stunden auf Motivsuche zu sein. Die Siegerbilder waren zu Beginn
Zustande kamen ganz unternoch umgedreht und wurden
schiedliche Bilder, witzige
dann fröhlich-feierlich entwie bunte, überraschende
hüllt. Dazu stellte Christoph
wie seltsame, die ganze
Höchtl nicht nur die Bilder,
Bandbreite der Möglichsondern auch die Siegerkeiten war ausgeschöpft
Teams kurz vor und verlieh
worden.
die gestifteten Preise.
Hier wird jeder ein Künstler,
Sieben Jurymitglieder wähldenn es werden einfach
ten die Gewinner nach
alle Bilder ausgestellt. Christoph Höchtl eingehender Beratung und
Struktur
in allen
Unterschieden
Ausstellung der Hallertauer Künstler
mit Themenrahmen
von Claudia Erdenreich
Kulturreferent Peter Feßl
forderung und Gewinn zugleich. Die
Themenvorgabe „Struktur“ wurde
dabei von jedem Künstler ganz individuell interpretiert. Neben Malerei,
Grafik und Fotografien waren auch
Skulpturen und Experimentielles zu
sehen, sowie ganz verschiedene und
ungewöhnliche Materialien. Strohhalme gab es, verarbeitet, und Plastik ebenso wie ganz traditionelle Gemälde.
Martin Rohrmann und Bürgermeister Thomas Herker waren unter den Gästen
Kulturreferent Peter Feßl betonte in
seiner Eröffnungsrede auf der Vernissage dann auch die Unterschiede der
Künstler, die gerade die Spannung in
der Ausstellung bewirken. „Die beste, die wir je hatten“, bezeichnete
er diese traditionelle, jährlich wiederkehrende Ausstellung der Hallertauer Künstler. Auch und gerade
weil dieses Format von den Sommerferien in den Kultursommer verlegt
wurde, wodurch weniger Platz zur
Verfügung stand. Jetzt mussten sich
Künstler wie Organisatoren auf den
einen Raum der Städtischen Galerie
beschränken und konnten nicht noch
in den Nebenraum ausweichen.
Die Reduktion bewirkte auch eine
Professionalisierung. Wo früher
auch einmal Raum für „allerlei“ und
Hobbykünstler war, legte die Jury
nun großen Wert auf Qualität.
Steuern als Kunst
Peter Feßl griff einige Künstler heraus und stellte ihr Kunstwerk exemplarisch vor. So beeindruckte
Eva Nemetz mit „Phantasma II“
durch eine Strohhalminstallation,
Hans Dollinger zeigte Traktorspuren
in einem „Heimatkasten“, Helene
Tschacher hatte gar ein Handbuch
der Steuerveranlagung aus den 90er
Jahren zerlegt und ganz neu zusammengesetzt.
Prüfung aus. Und nicht nur die jungen wie älteren Künstler waren sichtlich stolz. In der Ausstellung drängten
sich zur Vernissage neben Bürgermeister Thomas Herker und den Organisatoren über hundert Besucher.
Die Ausstellung ist noch bis 31.7. in
der Städtischen Galerie zu sehen:
Montag bis Freitag 9 bis 12 und 13.30
bis 16.30 Uhr, Samstag und Sonntag
10 bis 18 Uhr
Nicht nur die Materialien variieren
vom klassischen Öl-auf-Leinwand
Werk bis hin zum Bronzeguss, von
„Assenblagen“ bis Rost, auch die
Strukturen waren klein wie Partikel oder groß und grob wie Holz und
Kunststoff. Ein perfekter Einblick in
die Vielfalt der Künstler, unter denen
viele Bekannte, aber auch neue Entdeckungen waren.
ANSICHTEN
Seite 8 | Der Pfaffenhofener
B
itte bewahren Sie Ruhe“,
dröhnt es in Endlosschleife aus
den Lautsprechern, dazu flimmern Bilder von Atompilzen an
der Wand. Die Beleuchtung ist
schummrig, im Bunker ist es kalt. Die Besucher schauen sich erschrocken um, doch
gerade als es zu unheimlich wird, verändern sich Licht, Musik und Stimmung.
Der diesjährige Literaturstipendiat Johann Reißer lud zum „Ernstfall“, einer
kleinen Bunkerrevue in den ehemaligen
Fernmeldebunker am Heimgartenweg. Bei
der perfekt vorbereiteten und inszenierten
Performance präsentierte er zusammen mit
kers. Der sorgt mit bis zu 3,50 m dicken
Stahlbetonwänden und imposanter Größe
immer noch für Respekt, Erstaunen und
Gruseln. Die Bedrohung des Kalten Krieges
wird dort direkt spürbar und erlebbar.
Über 40 Räume verteilen sich auf rund
1.500 Quadratmetern. Das Gelände, das
oben so harmlos und friedlich aussieht und
heute mit einem Interkulturgarten blüht,
sollte einst Erstschlagsziel sein, in jenem
gar nicht so fernen kalten Krieg.
Johann Reißer holte die gespannten Gäste ab am Bunkereingang, der oben immer
noch als schäbiges Gartenhäuschen getarnt
ist. Von dort geht es in den Untergrund, mit
Freitag, 22. Juli 2016
ner kurzen Bunker-Einführung landen sie
in einem bestuhlten Raum. Der Tisch provisorisch aufgebaut, die Kabel der Multimediashow wirren sich frei durch den Raum.
Lan-Party, Lesung oder Konzert, modernes
Hinterhoftheater oder Bunkershow, so ganz
klar ist es nicht. Von allem etwas und dazu
historische Bilder von Pfaffenhofen an der
Wand.
Mit zeitgenössischen Zitaten von Böll über
Adenauer bis Strauß wurde eine Zeitreise
angetreten, untermalt von Bildern atomarer Explosionen. Johann Reißer las aus
einem ernstgemeinten Buch aus den 50er
Jahren, „Unser Freund das Atom“, führte
modernen Mitmach-Stücken mitten in der
Inszenierung, dort spielte der Gefreite zwischen realer Bedrohung „Panzer-Quartett“
mit seinen Vorgesetzten. Spätestens hier
blieb auch den Besuchern das Lachen im
Hals stecken, wurde die Bedrohung und der
Wahnsinn des Wettrüstens greifbar.
Literaturstipendiat Johann Reisser schaffte
es, bei den Teilnehmern neben Begeisterung
und Faszination vor allem einen tiefen Eindruck zu hinterlassen, irgendwo zwischen
Theaterstück, Songs, Lesung und Bildern.
Und er erbrachte den Beweis, dass eine gelegentliche kulturelle Nutzung des Bunkers
möglich wäre.
Bunkerbazi und
Panzerquartett
Performance von Johann Reißer im Fernmeldebunker
von Claudia Erdenreich
Literaturstipendiat Dr. Johann Reißer
Christoph Marko eine Mischung aus Texten, Szenen, Musik und Bildern rund um
Atomzeitalter, Rüstung und Bedrohung.
Der promovierte Literaturwissenschaftler
ist seit gut zwei Monaten in Pfaffenhofen
und nutzt seinen Aufenthalt im Flaschlturm, um an seinem Roman zu schreiben.
Gleichzeitig taucht er aber tief in Geschichte und Kultur Pfaffenhofens ein. Mit
einem besonderen Interesse für Militärgeschichte zog es ihn sofort zum Bunker. Und
nach einer ersten Besichtigung stand für
ihn fest: Hier soll eine ganz eigene Inszenierung stattfinden.
Johann Reißer schreibt nicht nur, er spielt
auch leidenschaftlich Gitarre und bestreitet einen Teil seines Lebensunterhalts mit
Theaterprojekten. Diese professionelle
Erfahrung merkt man, die Bunkerperformance war eine grandiose Mischung aus
Texten, Witz, Sound und Mahnung.
Achtzehn Teilnehmer sind maximal zugelassen für den Besuch des Fernmeldebun-
Taschenlampen und CO2-Melder, zur Sicherheit. Vorschrift, nicht Inszenierung ist
das. Manche Teilnehmer haben sich Decken
und Jacken mitgebracht, spätestens jetzt
frösteln sie auch in der Sommerhitze ein
wenig.
Doch der erfahrene Theatermacher will
keine Gruselshow und auch nicht mit
Schock und erhobenem Zeigefinger mahnen, ausgestattet mit Uniformmütze geleitet er die Gäste in den Untergrund, nach ei-
Der Bunkerbazi
erschreckend vor Augen, wie lächerlich wenig ernst man atomare Strahlung und Bedrohung nahm.
Er amüsierte mit dem „Bunker-Bazi“-Song,
der Bunker Bazi, der gemütlich bleibt, aber
weiß, was er zu tun hat, im Ernstfall: Die
Lederhosn ausziehn und abwaschen, das
reicht. Dazwischen führte Johann Reißer
die Gäste auch in das Herzstück des Bunkers, die ehemalige Fernmeldezentrale.
Dort fanden sich die Teilnehmer im Stil von