Der Pfaffenhofener Ausgabe 7 / KW 29 FREITAG, 22. JULI 2016 Preis: gratis! Planen und bauen Bunkerbazi Robert Schmidt-Ruiu stellt Kindern und Eltern sein Konzept für den Spielplatz in Förnbach vor Der Literaturstipendiat Johann Reißer präsentiert eine Performance im Fernmeldebunker Seite 6 Seite 8 JUBILÄUM Das Museum in Manching feiert sein 10-jähriges Bestehen zwischen Kult, Kelten und Römern Seite 3 LOBBYISMUS Hellmuth Inderwies über politische Einflussnahme in der Europäischen Union – zwischen Verantwortung und Eigeninteresse Seite 4 KUNST I Die Teilnehmer des Fotowettbewerbs zeigen ihre Werke Seite 7 KUNST II Struktur: Hallertauer Künstler im Haus der Begegnung Seite 7 Der Sommer ist vorbei – Pokémon ist auf der Flucht von Lorenz Trapp Das war’s dann also. Der Sommer ist vorbei. Noch nicht ganz! Nur der Kultursommer. Und auch er ist noch nicht ganz vorbei: Wenn Sie sich beeilen, schaffen Sie‘s am Sonntag, 24. Juli, ab 18 Uhr noch auf den Hauptplatz vor das Rathaus. Der Höhepunkt zum Abschluss des Pfaffenhofener Kultursommers ist traditionell ein großes Open Air – bei freiem Eintritt. Dieses Jahr ist es dem Kulturmanagement der Stadt gelungen, „Dota“ aus Berlin für die Bühne vor dem Rathaus zu verpflichten. Die Band rund um die charismatische Frontfrau Dota Kehr wird von „Dobré“, einer jungen Popband aus München, unterstützt. Beide Bands, so heißt es in der Ankündigung, widmen sich der schönen Pop-Melodie, und so erwartet das Publikum an diesem Abend die hohe Kunst des Songwritings, in Deutsch und in Englisch, unterschiedlich ausgelegt und wunderschön interpretiert. Zu schön, um wahr zu sein. „Alles, was ein Mann schöner ist als ein Aff‘, ist ein Luxus“, lässt der Schriftsteller Friedrich Torberg seine „Tante Jolesch“, die titelgebende Figur im „Untergang des Abendlandes in Anekdoten“, konstatieren. Wir wollen hier nicht dem Untergang des Abendlandes nachtrauern; vielmehr stellen wir fest, dass obiger Ausspruch nicht nur für Männer gilt: Wir leben allgemein im Luxus und merken es gar nicht mehr. Falls es noch Männer gibt, die sich für einen Affen halten: Ein Blick in den Spiegel sollte sie dann doch davon überzeugen, ein Luxusprodukt zu sein, eine Luxation, eine Verrenkung, wie der immigrierte Lateiner nach Abschluss des obligatorischen Deutschunterrichts für Ausländer sagen würde, eine Abweichung vom Normalen. Aber was ist schon normal? Das Niveau eines Affen als Referenzwert mag uns nicht mehr genügen, nicht mal als Metapher. Oder haben Sie schon je einen Affen – außer im Zirkus – am Steuer eines SUVs gesehen? Seien Sie nicht enttäuscht, kann demnächst kommen! Mit einem Konzeptauto nämlich erinnert der Autobauer Jeep zum 75-jährigen Bestehen an seine Markenikone, den Militär-Geländewagen Willys MB, den Großvater aller Geländemodelle und SUVs. Angetrieben wird der Enkel von einem 286 PS starken 3,6-Liter-V6-Benziner. Man gönnt sich ja sonst nichts. Der Sommer im Kulturluxus ist vorbei. Die armen Schulkinder müssen sich auf die großen, langweiligen Ferien vorbereiten, jeden Tag ins Schwimmbad, wenn der Sommer nicht doch schon vorbei ist, vielleicht gar mit Mami und Papi in Urlaub fahren – eher nicht in die Türkei. Apropos Türkei: Wer hat eigentlich in der Türkei einen Putschversuch unternommen? Und wer verhaftet dort – bei gefühlt mehr Verhafteten als Verhaftern – jetzt wen? Unsere Politiker zeigen sich besorgt über die Entwicklung in der Türkei, und in den gewaltigen Sorgenfalten verschwindet der Flüchtlingsdeal mit der Türkei im Abgrund. Wo halten sich in aller Bescheidenheit die Flüchtlinge auf, die nicht mehr in der EU ankommen? Fragen über Fragen, und die Türkei diskutiert über die Wiedereinführung der Todesstrafe. Das, so äußern sich unsere Politiker unisono, wäre das Aus für die EUBeitrittsgespräche mit der Türkei. Da können sich die Amerikaner freuen, seit Langem in Europa beide Füße im Wohnzimmer zu haben, egal, dass in den meisten Staaten ihrer Union die Todesstrafe immer noch auf der Tages- oder Jahresordung steht. Der Tod ist gegenwärtig genug. In Nizza fährt ein Mann Dutzende von Menschen auf der Strandpromenade tot; der IS, der inzwischen jede Barbarei auf dem Planeten als auf seine Anweisung durchgeführt deklariert, wird als Hintergrund eruiert. Und: Der Attentäter habe sich erst 14 Tage vor der Tat radikalisiert. Gleiches verlautet von dem jugendlichen Migranten, der in einem Zug bei Würzburg mehrere Passagiere mit Axt und Messer schwer verletzt. Wie muss man sich das vorstellen? Wie radikalisiert man sich in 14 Tagen? Wie instrumentalisiert man sich in 14 Tagen? Wie alkoholisiert man sich in 14 Tagen? Wie fundamentalisiert man sich in 14 Tagen? Haben Sie ein Fundament, oder glauben Sie unbedarft daran, eine starke Basis sei ein tragfähiger Unterbau für ein gesun- des Fundament? Da gehen wir doch lieber auf die Jagd. Das Pokémon-Fieber ist ausgebrochen! Die Kids auf der Straße stecken die Nase in die Smartphones und folgen geheimen Anweisungen: Das Programm „Pokémon Go“ zaubert auf das Display, das wie ein Kamera-Sucher die Realität vor ihren Füßen abbildet, diese virtuellen Pocket-Monster, welch selbige mittels Pokéball gefangen werden dürfen. Einer der kleinen Kerle heißt übrigens Rattikarl, was etymologisch definitiv nicht auf das lateinische radicalis zurückzuführen ist. Falls Sie dem Pokémon-Fieber noch nicht verfallen sind und in den Ferien ein bisschen Zeit haben, dann besuchen Sie das Stadtbauamt. Bis zum 22. August 2016 können Bürger und öffentliche Stellen zum vorgestellten Planentwurf „Sondergebiet Bürgerwindpark“ Stellung nehmen. Die Bauleitplanung soll von einer umfassenden Bürgerbeteiligung begleitet werden – voraussichtlich samt Bürgerentscheid im Herbst. Das war’s dann also doch nicht. Der Sommer geht einfach nicht vorbei. STADTKULTUR Seite 2 | Der Pfaffenhofener Hunde und Kultur Liebe Pfaffenhofenerinnen und Pfaffenhofener, Der Mietspiegel stellt eine Übersicht der gezahlten Mieten in Pfaffenhofen für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage dar. Er bildet somit eine repräsentative und rechtssichere Grundlage für die Mietpreisgestaltung und schafft Transparenz für alle, die eine Wohnung suchen oder vermieten. So kann der Mietspiegel auch zu einem einvernehmlichen Miteinander zwischen Mietern und Vermietern bezüglich der Miethöhe beitragen. Der Pfaffenhofener Mietspiegel wurde auf Grundlage der zurückgesandten Fragebögen erstellt, die wir zum Jahresbeginn an mehrere Tausend Mieter in Pfaffenhofen verschickt haben. Ich danke allen ganz herzlich, die hier mitgewirkt und sich die Zeit zum Ausfüllen der Fragebögen genommen haben. Darüber hinaus gilt mein Dankeschön dem Institut für Empirische Marktanalysen EMA, das die Daten ausgewertet hat. Der Mietspiegel ist gewiss kein Allheilmittel gegen den extremen Druck auf dem Wohnungsmarkt in Pfaffenhofen, aber er ist ein Instrument, das zusammen mit einigen weiteren Maßnahmen Wirkung zeigen sollte. Flankiert wird der Mietspiegel von der Aufnahme der Stadt in den Geltungsbereich der Verordnungen zur Mietpreisbremse und zur Kappungsgrenze, welche die Möglichkeit von Mieterhöhungen zusätzlich begrenzen. Darüber hinaus haben wir unser Einheimischenmodell deutlich ausgeweitet und wir werden in den nächsten Jahren insgesamt 30 Millionen Euro in den sozialen Wohnungsbau investieren. Und nicht zuletzt erweitern wir gerade unser Obdachlosenheim, wodurch auf Dauer einige städtische Sozialwohnungen wieder für den freien Wohnungsmarkt zur Verfügung stehen. Ich hoffe, dass unsere Maßnahmen Erfolg haben, damit Wohnen in Pfaffenhofen auch langfristig bezahlbar bleibt. Herzlich Ihr Thomas Herker, Bürgermeister Große Ferien und Sommerpause über der Stadt von Claudia Erdenreich Zumindest nach unserer Zeitrechnung beginnen am 23. Juli die Hundstage, die heißesten Tage des Jahres. Dann, wenn die Tage schon wieder ein klein wenig kürzer werden und die Sonne dafür umso heißer brennt. Verlassen kann man sich darauf nicht mehr, die Hundstage können auch so kalt und regnerisch werden, dass man selbst seinen besten Freund, das Haustier, nicht mehr vor die Tür schickt. Dem Sommer kann man ja nicht mehr trauen in Zeiten von Klimawandel, Windrädern und Brexit. Und wer schuld daran ist, weiß man bei einer bunten Koalition auch nicht mehr, vermutlich aber nicht die SPD. In früherer Zeit war sowieso alles besser, nicht nur das Wetter. Da begab man sich, wenn man konnte, spätestens ab Juni in die Sommerfrische. Die Kurorte und Seebäder waren dann gefragt, die Städte dagegen ausgestorben. Kultur hatte sowieso Pause und vor Saisonbeginn im September kehrte niemand heim. Und alle anderen, die nicht konnten, mussten sowieso aufs Feld. Davon übrig geblieben in heutiger Zeit sind die großen Ferien, ein kurzer, hektischer Sommerurlaub und statt Seebad das Freibad. Aber das ist ja auch schon etwas, wenn das Wetter mitspielt. Eine Poolparty ersetzt das Kurkonzert und zumindest ab nächstem Jahr ist wieder Lustwandeln im Park angesagt. Dann sogar mit Biergarten. Kultur aller Art geht auf jeden Fall in die verdiente Ruhepause. Nach einem mehr als üppigen Angebot zum Kultursommer fährt fast alles auf Null, keine Vernissage mehr, kein Konzert, keine Performance, nicht mal eine klitzekleine Lesung irgendwo. Wusste man wochenlang nicht, wohin man zuerst gehen sollte, wird es nun fast ein wenig langweilig. Es bleiben ein paar Seniorenausflüge, stricken könnte man lernen und schon mal in Kirchenkonzerte gehen. Oder auch einfach den Sommer genießen, laue Lüftchen fern von Windrädern, Steckerleis im Freibad statt innereuropäische Sorgen. Die Nächte sind immer noch kurz genug, um draußen zu sitzen, zwar noch ohne Biergarten, aber immerhin in Cafes oder Eisdielen. Das ist auch schon fast Kultur. Das mit den Hundstagen stimmt sowieso nicht, schon gar nicht zeitlich. Eigentlich haben sich das die alten Ägypter ausgedacht, mit dem Sternbild des Sirius. Oder die Griechen, auf jeden Fall kamen von Roland Scheerer Ich will auf kein Rockkonzert mehr gehen. Ich schaffe es nicht mehr. Mit zweiundvierzig bin ich zu alt. Man schaut sich die Leute an, die mit einem vor der Bühne stehen. Im Großen und Ganzen denkt man: vernünftige und gebildete Menschen. Wer die gleiche Band mag wie ich, der kann ja nicht ganz verkehrt sein. Aber weit gefehlt. Sie haben alle schon die zuckende Hand in der Tasche. Auf der Leinwand erscheint eine Einspielung mit der freundlichen Bitte, man möge auf SmartphoneAufnahmen verzichten. Eine Bedingung, der man schließlich mit dem Ticketkauf zugestimmt hat. Indes wird in den Minuten bis zum Konzertbeginn schon mal fleißig die leere Bühne abfotografiert und abgefilmt. Warum, wozu? Völlig wurscht. Weil sie es können. Und so habe ich schließlich das halbe Marillion-Konzert auf den Smartphone-Bildschirmen der Leute vor mir verfolgen dürfen. Da kann ich’s mir auch gleich auf Youtube ansehen. Wo diese Aufnahmen ja wahrscheinlich auch landen. Und von Leuten angeklickt werden, die zwar auf dem Konzert waren, aber dort nichts sehen konnten. Weil ihnen der Wald aus gezückten Handys die Sicht versperrte. Oder die es sich nachträglich ansehen, weil sie vor lauter Filmen keine Zeit hatten, auf die Musik zu achten. Ich will von euch mein Eintrittsgeld zurück. Danke auch, Hobbyfilmer. Ich will aber auch auf kein Jazzkonzert mehr gehen. Gestern, am 16. Juli, spielte Keith Jarrett solo in München. Und sie schaffen ist nicht. Es steht groß auf den Tickets, der Künstler bittet um Verständnis, die Veranstalter drohen mit Abbruch, lassen Infozettel verteilen mit diesem Anliegen, das Keith Jarrett hat: Er bittet darum, dass im Konzertsaal die Mobiltelefone aus bleiben. Und jeder, der Keith Jarrett kennt, weiß, dass der Mann sich beim Spielen nicht konzentrieren kann, wenn Leute im Pu- blikum mit den Handys rummachen. Es bringt ihn zum Wahnsinn. Es killt seine Inspiration, auch rückwirkend. Es steht in völligem Widerspruch zur Einzigartigkeit seiner Musik, wie er sie nun mal versteht. Und deswegen hat er eben diese Bitte. Und wer Jarretts Auffassung von Livemusik nicht teilt, dem steht es ja frei, zu Hause zu bleiben. Aber sie wollen ihm den Gefallen ums Verrecken nicht tun. Er soll leiden. Am Ende weiß der verzweifelte Mann sich nicht anders zu helfen, als die Knipser von der Bühne herab vulgär zu beschimpfen. Was dann manche im Saal wieder total abgefahren finden; es wird gelacht. Und mit diesem würdelosen Echo bleibt einem nun das Konzert für den Rest des Lebens in Erinnerung. Dabei kann der Mann doch nicht anders, als Konzerte zu spielen. Es ist nun mal sein Leben. Es muss für ihn eine furchtbare Qual sein. Er ist komplett gestraft. Seine Feinde machen sich nicht einmal die Mühe, die Klickgeräusche oder den auf die Distanz völlig sinnlosen Blitz zu deaktivieren, geschweige denn, die Bildschirmhelligkeit runterzuregeln, um wenigstens unbemerkt zu bleiben. Nicht einmal dafür reicht es bei ihnen. Das gefühlte Recht, alles und jeden hirn- und hemmungslos abzulichten und abzuspeichern, es gehört zu den mindestens zwei Kalenderreformen dazwischen, die das Datum reichlich verschoben. Denn eigentlich ist zumindest in unseren Breitengraden der große Hund erst wieder Ende August zu sehen. Also das Sternbild des großen Hundes, Nachbars Lumpi ist vermutlich schon viel früher zu sehen, faul in der Sonne dösend oder sich strikt weigernd, bei Regen rauszugehen. Und der große Hund gilt dann als erster Vorbote des Herbstes. Eine Zeit, die wir noch weit von uns weisen, die wir momentan noch so geflissentlich ignorieren wie Regentage, Parkplatzfragen am Hauptplatz oder Windräder am Waldrand. Bis dahin gilt es den Sommer zu genießen, und irgendwann, ganz weit nach dem Volksfest, können wir wieder in die Kultur eintauchen. großen Übeln unserer Zeit. Es steht so ungefähr auf derselben Stufe mit der Auffassung BMW fahrender Autobahndrängler, jede Geschwindigkeitsbegrenzung sei eine Menschenrechtsverletzung. Und nun, ihr Anfänger, passt auf. Jetzt erzähle ich euch, wie verbotenes Aufnehmen geht. Als ich siebzehn war, hörte ich am liebsten inoffizielle Livemitschnitte, so genannte Bootlegs. Diese Aufnahmen waren eine Qual anderer Art. Sie waren unerträglich dumpf und verrauscht – aber hochauthentisch, im Gegensatz zu den studiomäßig nachbearbeiteten offiziellen Livealben. Und deswegen hörte ich dieses Material. Was nur wenige meiner Freunde nachvollziehen konnten. Nur logisch, dass ich irgendwann beschloss, selbst ein Bootleg aufzunehmen. Und zwar auf einem Guns N’ Roses-Open Air. Und jetzt, ihr von euren I-Phones verweichlichten Püppis und Mamasöhnchen, gebt beim Lesen ganz genau Obacht: Für einen beträchtlichen Teil meines Taschengeldes holte ich mir im Kaufhaus Urban einen Tischcassettenrecorder mit Batteriebetrieb. Den zerlegte ich auf meinem Schreibtisch in seine Bestandteile: Das Gehäuse und den Lautsprecher warf ich weg. Das Knopfmikrofon nähte ich hinter mein Jeansjackenrevers. Je eine der dicken Batterien klebte ich in meine Cowboystiefel; sie hatten unter meinen Fersen gerade genug Platz; ich würde stundenlang auf Zehenspitzen stehen, aber bei Frauen mit Stöckelschuhen funktioniert das ja auch. Anstelle des Lautsprechers lötete ich einen linken Walkman-Ohrstöpsel an. Die Laufwerksmechanik samt Platine klebte ich mir mit Paketband vor den Bauch. Mit einer Lage Schaumstoff davor, in der Hoffnung, dass man mich am Einlass nur flüchtig abtasten und den Vorbau für einen beginnenden Bierbauch halten würde. All diese Komponenten verband ich mittels Leitungen aus einem ausgeweideten Verlängerungskabel, die ich mir durch die Hosenbeine fädelte und ansonsten mit Hansaplast am Körper fixierte. Ich legte eine 120-Minuten-Chromdioxidcassette ein. Derart verkabelt, stellte ich meine Stereoanlage mit der „Appetite for Destruction“ auf maximale Lautstärke und mich selbst in die Mitte meines Zimmers. Ich fingerte an meinem Bauch herum und betätigte die Tasten „Record“ und „Play“. Wenn es ernst wurde, musste das ja auch alles blind funktionieren. Irgendwie passierte nichts. Das Laufwerk setzte sich nicht in Bewegung. Auf dem Ohrstöpsel kam ein krächziges Knacksen, das nach wenigen Sekunden abrupt abbrach. Ein Wackelkontakt? Hatte ich wieder schlampig gelötet? Ich tastete an den Kabeln herum. Und dann riss es mich. Ich zuckte brutal zusammen und fetzte mir in Panik die ganze Verdrahtung vom Leib. Was war geschehen? Ich hatte vergessen, eine Lötstelle zu isolieren. Sie verband zwei Leitungsstücke, die zu den Batterien in meinen Stiefeln führten. Die besagte Lötstelle befand sich in meiner Unterhose. An einem empfindlichen Körperteil, das auf Stromschläge mit heftigem Schmerz reagiert. Um es kurz zu machen: Ich habe die Apparatur nie in Gang bekommen. In Elektrotechnik bin ich nur mittelmäßig begabt. Aber eins sage ich euch, ihr „HEY ELLEN ICH BIN GRAD BEI MARILLION!!!!“- und „MAN ICH GLAUBS NICHT VOR MIR STEHT KEITH JARRETT!!!!!“-Poster, ihr kleinen Facebook-Oliver-Stones und selbsternannten SamsungGalaxy-Rockchronisten: Dieser eine Stromschlag in die Eier vor der voll aufgedrehten Stereoanlage in meinem Zimmer im Sommer 1991, den spüre ich bis heute, und er ist hundertmal mehr Rock’n’Roll, als es eure Festplatten voller billig erschlichener, schlechter Konzertvideos je sein werden. Je hochauflösender, desto schlechter. Foto: Stadt Pfaffenhofen der Einwohnerzuwachs der letzten Jahre spricht für die Attraktivität unserer Stadt, hat aber auch zu einem extremen Druck auf den Wohnungsmarkt geführt. Freie Wohnungen gibt es kaum noch, und 60 oder 80 Bewerber für eine einigermaßen erschwingliche Mietwohnung sind keine Seltenheit. Damit Wohnen in Pfaffenhofen weiterhin bezahlbar bleibt, haben wir verschiedene Maßnahmen und Projekte angestoßen. Ein wichtiges Instrument – eines von mehreren – ist dabei die Erstellung eines Mietpreisspiegels. Ich freue mich sehr, dass der erste qualifizierte Mietspiegel für Pfaffenhofen jetzt vorliegt. In gedruckter Form liegt er im Rathaus und bei der Stadtverwaltung kostenlos zum Mitnehmen aus. Sehr empfehlenswert ist aber auch der online-Rechner auf der städtischen Homepage unter www. pfaffenhofen.de/mietspiegel, da man hier für „sein“ Objekt die örtliche Vergleichsmiete direkt ermitteln kann. Freitag, 22. Juli 2016 DIE SEITE 3 Freitag, 22. Juli 2016 A ngeblich hatten die Kelten nur Angst davor, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fällt. Den Rest konnten sie bewältigen und besiegen Jedenfalls teilten sie das Alexanders Truppen mit. Sie haben uns nichts Schriftliches hinterlassen, aber eine Fülle von Funden im Boden erlaubt Rückschlüsse auf ihr Leben. Manching zaubert Archäologen, Vorund Frühgeschichtlern und Keltenforschern ein Leuchten in die Augen. Die keltische Großstadt in vorchristlicher Zeit birgt bis heute Geheimnisse und vor allem ständig neue Erkenntnisse. Manching, das ist keltische Kultstadt, eine Keltenstadt der Superlative, Großstadt vor Christi Geburt mit internationalen Handelsbeziehungen. Mehr als 10.000 Menschen lebten damals in der Stadt, deren Namen wir nicht kennen. Die Metropole lag an der Kreuzung von antiken Handelswegen, die Kelten trieben Fernhandel über die Donau, aber auch an die Ostsee und in den Mittelmeerraum. Die Menschen praktizierten Arbeitsteilung, hatten Handwerker, verfügten über Tempel und Monumentalbauten, gepflasterte Plätze, erstellten Schmuck und Waffen. Krüge voller Münzen und wunderschönes farbiges Glas haben sie uns im Boden hinterlassen, sie verarbeiteten Eisen in industriellen Dimensionen. Eine sieben Kilometer lange Mauer, ein Wall, umgab ihre Stadt, der östlichste Murus Gallicus, den es gibt, sein Aufbau ist komplex. Allein das Osttor der Keltenstadt war zehn Meter breit und zweispurig befahrbar – eine Dimension, die auch Tore mittelalterlicher Großstädte nicht erreichten. Trotz 60 Jahren intensiver Ausgrabungen und Forschungen wissen wir viel, aber lange nicht genug über jenes ferne Volk, das irgendwann vor oder mit dem Auftauchen der Römer langsam unterging. Ihr Anfang liegt trotz interdisziplinärer Forschung auch heute noch genauso im Dunkeln wie ihr Ende. Wer sich mit ihnen beschäftigt, muss eine mentale Kelten, Kulte, Jubiläum kelten- und römermuseum Manching feierte zehnjähriges Bestehen von Claudia Erdenreich kelten- und römermuseum Im Erlet 2 85077 Manching www.museum-manching.de und eine Ausstellungseröffnung zum Thema „Licht! Lampen und Leuchten der Antike“. Zahlreiche Gäste, darunter viele internationale Wissenschaftler, hatten sich im Museumsfoyer versammelt. Bürgermeister Herbert Nerb begrüßte die Gäste und kündigte die Referenten an. Der Direktor der Archäologischen Staatssammlung München, Prof. Dr. Rupert Gebhard, gab vor allem einen Überblick über das wissenschaftliche Werk von Prof. Dr. Susanne Sievers. Sie gilt als eine der führenden Keltenforscherinnen. In ihrem Gastvortrag blickte sie auf Prof. Dr. Susanne Sievers hielt den Festvortrag Zeitreise antreten, den auch der lange Gitterweg zum Museumseingang symbolisiert. Vor zehn Jahren eröffnete das kelten- und römermuseum in Manching und dieses Museum kann auf eine Erfolgsgeschichte zurückblicken, so etwa auf über 200.000 Besucher. Zum Festakt gab es hochkarätige Vorträge Der Pfaffenhofener | Seite 3 lich aus den Kelten wurde, wird wohl nie umfassend geklärt werden und weitgehend im Dunkeln bleiben. Vermutlich war beim Auftauchen der Römer im Donauraum nur noch eine Restbevölkerung vorhanden. Keltenstadt in Mitteleuropa ist. Museumsleiter Dr. Wolfgang David konnte in seinem Bildvortrag zu recht mit Stolz auf zehn Jahre Erfolgsgeschichte im Museum zurückblicken. Neben zahlreichen Ausstellungen lungsraum eröffnet. Die spannende Ausstellung zeigt einen Überblick über Lampenformen und Arten von der Antike bis ins Mittelalter, durch ganz Europa bis in den asiatischen Raum. Die Ausstellung „beleuchtet“ Dr. Wolfgang David, Museumsleiter, blickte auf 10 Jahre Museum sechzig Jahre Manching-Forschung zurück. Sie stellte Publikationen vor, Probleme und Erfolge der Ausgrabungen und offene Fragen der Forschung. Immerhin war Manching als Keltenstadt rund 300 Jahre bewohnt, ein Zeitraum, den Forscher in mehrere Abschnitte und Unterabschnitte einteilen. Die Frage, was denn letzt- Dr. Susanne Sievers stellte einige Höhepunkte der Forschung und Ausgrabungen vor und ging auf die vielfältigen Techniken und Forschungsmöglichkeiten ein. Vor allem aber betonte sie: Die Forschung zu den Kelten, zu Manching ist noch lange nicht abgeschlossen, auch wenn Manching die am besten erforschte fanden auch viele wissenschaftliche Tagungen im Museum statt, ebenso Museumsfeste und unzählige Führungen. Er zeigte Aufnahmen aus zehn Jahren, lustige, wehmütige, intensive und vielfältige Momente. Zum Jubiläum wurde im Anschluss die Ausstellung zu Licht und Lampen der Antike im Sonderausstel- den vielfältigen Einsatz von Licht, von der simplen Möglichkeit mit Beleuchtung länger zu arbeiten bis hin zum Geleit für Verstorbene in die Unterwelt. Der gelungene Festakt klang aus bei Getränken, Austausch und Gesprächen, die Ausstellung ist bis 2017 zu sehen. KULTUR Seite 4 | Der Pfaffenhofener (Anm. d. Redaktion: Der Artikel umreißt lediglich Grundgedanken eines 90-minütigen Vortrags, den unser Redaktionsmitglied Hellmuth Inderwies vor kurzem im Rahmen eines Europaseminars in Eisenstadt / Österreich zu diesem Thema gehalten hat.) Der Lobbyismus in der Europäis Politische Einflussnahme zwischen Verantwortung und Eigenin W enn es sich nicht gerade um ein umwälzendes Ereignis wie den Brexit des Vereinigten Königreichs Großbritannien handelt, gerät Brüssel bei vielen Bürgern der Europäischen Union als eine weit entfernte Hauptstadt mitunter allzu sehr aus dem Blickfeld. Dass hier Gesetze gemacht werden, die allenthalben Gültigkeit besitzen, weil sie in nationales Recht eingehen, nimmt man oft nur oberflächlich wahr, und noch weniger, wer deren Ausformung entscheidend beeinflusst. Da ist zwar zuweilen vom „Lobbyismus“ die Rede, seit die Politologen Thomas Leif und Rudolf Speth ihn nach den drei klassischen Säulen der Demokratie und den modernen Medien als „fünfte Gewalt“ definiert haben, aber welche Bedeutung er für diese Staatsform wirklich besitzt, bleibt eher im Dunkeln, ebenso wie seine Methoden. Der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hielt es für notwendig, ein robustes Immunsystem gegenüber den Lobbyisten zu entwickeln oder sie am besten gleich „in die Produktion zu schicken“. Und der bayerische Europaabgeordnete Klaus Buchner nannte sie vor wenigen Wochen im Rahmen eines Vortrags in Pfaffenhofen einen „übermächtigen Faktor“ bei politischen Entscheidungen. In der Tat hat in der Gegenwart der Begriff „Lobbyismus“ auf Grund gewisser Praktiken allenthalben eine anrüchige und ominöse Bedeutung angenommen. Lobbyismus und die Frage nach Ursprung und Wesen Wer freilich seinen wirklichen Stellenwert in einem demokratischen Staatswesen ermitteln will, muss der Frage nach seinem Ursprung und seinem Wesen auf den Grund gehen. Mit dem aus dem Mittellateinischen „lobia“ (Laube, Vorbau, Vorhalle) hervorgegangenen Begriff „Lobby“ werden auch Kommunikationsräume des englischen Unterhauses bezeichnet, der Geburtsstätte des modernen Parlamentarismus. Hier war und ist es möglich, ja sogar erwünscht, mit Mandatsträgern Gespräche zu führen und Informationen auszutauschen, sie zu beraten, den eigenen Standpunkt zu vermitteln und ihnen Argumentationshilfen für bevorstehende Entscheidungen zu geben, zumal mit der Übernahme eines politischen Amts nicht automatisch auch das notwendige Fachwissen mitgeliefert wird. Eine in der Gegenwart oft bittere Erfahrung, die der Bürger nach Freitag, 22. Juli 2016 von Hellmuth Inderwies London: Houses of Parliament jeder Wahl und auf jeder politischen Ebene machen kann! Dieser sogenannte „innere“ oder „direkte Lobbyismus“ gewinnt heutzutage durch den „äußeren“ oder „indirekten“ mit dem Einsatz von Medien über Presseerklärungen, Anzeigen, Kommentare, Interneteinträge usw. erheblich an Bedeutung und Wirkung. Dass Lobbyisten als Fachleute und damit auch als Interessenvertreter wesentlichen Einfluss bei Gesetzgebungsverfahren ausüben, liegt auf der Hand. Sie gelten als Experten auf ihrem Gebiet. Zumeist rührt ihr Wissen von ihrer früheren beruflichen oder politischen Tätigkeit her. Ein allseits bekanntes Beispiel ist der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder, der heute als Rechtsanwalt und Vorsitzender des Aufsichtsrats für die Nord Stream A. G. (Ostsee-Pipeline), das Schweizer Medienunternehmen Ringier und die Ruhrkohle A. G. tätig ist, sein ehemaliger Außenminister Joschka Fischer steht bei Siemens und BMW unter Vertrag. Andererseits werden an europäischen Hochschulen Studiengänge angeboten, die eine Grundqualifikation vermitteln und es gibt auch bereits Lobbyistenschulen, wie z. B. das „European Institute for Public Affairs and Lobbying“ (EIPAL) im EU-Viertel in Brüssel, in denen man lernt, wo die maßgeblichen Politiker und Generaldirektoren zu finden sind und wie man ihnen begegnen muss. Ein darauf folgendes Praktikum bei einer EU-Institution oder eine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter eines EUAbgeordneten vermitteln Einblicke in Arbeitsweisen. Der Trend geht auf Grund der Komplexität fachbezogener Sachverhalte hin zur Professionalisierung. Das ist in einem demokratischen Staatswesen durchaus erwünscht, ja sogar notwendig, um verschiedenste öffentliche Meinungen und Denkweisen in den politischen Entscheidungsprozess zu transferieren. Ein Grundsatz des Pluralismus besteht darin, dass aus der Konkurrenz von Einzelinteressen das Gemeinwohl erwächst. Im Lehrbuch über die „Verbände in der Bundesrepublik Deutschland“ von Martin Sebaldt und Alexander Straßner heißt es: „Wo die Regierenden regelmäßig auf die Ratschläge verschiedenster Interessengruppen achten, ist auch Politik von hoher Qualität.“ Gesetzliche Grundlagen hierfür und damit auch für den Lobbyismus sind im Art. 11 (4) des Vertrags über die EU (EUV) verankert, eine „Technologieplattform“ und ein “Europäischer Runder Tisch der Industriellen“ (ERT) wurden eingerichtet, den europäischen Dachverbänden durch den Vertrag von Lissabon beim Pro- zess der Politikplanung Privilegien eingeräumt und einer „Europäischen Sozialpartnerschaft“ zugestanden, eigenständig gemeinsame beschäftigungspolitische Vereinbarungen zu treffen, die dann als Richtlinien über den Ministerrat verbindliches europäisches Recht werden. Ein konstruktiver Lobbyismus überzeugt bei der legitimen Vertretung eigener Interessen durch Sachlichkeit und stichhaltige Argumente und verliert stets auch das Allgemeinwohl nicht aus den Augen. US-Unternehmen beeinflussen die EU-Gesetzgebung Seit etwa zwei Jahrzehnten befindet sich die Europäische Union nun aber in einem Dilemma bei der Abwägung, ob das ständig wachsende Eigeninteresse noch in einem angemessenen Verhältnis zur Verantwortung für die Allgemeinheit steht. Probleme bereitet da zunächst der Gleichheitsgrundsatz, wobei das Geld die zentrale Rolle spielt. Kleine Verbände oder Interessengruppen haben auf Grund ihrer geringen Ressourcen kaum die Möglichkeit, ein wirksames Lobbying aufzubauen oder eine Professionalisierung durchzuführen. Das Kapital gelangt so im Extremfall zur Alleinherrschaft. Um den Schumann-Platz in Brüssel haben zahlreiche Großkonzerne Lobby-Büros eingerichtet, die zusammen mit den Wirtschaftsverbänden über weit mehr finanzielle Mittel verfügen als die öffentlichen Interessenverbände. Für sie arbeiten nach einer Erhebung von Lobbycontrol, Initiative für Transparenz und Demokratie, einem 2005 in Köln gegründeten gemeinnützigen Verein, 70 % der geschätzten 20 000 Lobbyisten, die hier tätig sind. Allein die Association for Financial Markets in Europe (AFME) mit Hauptsitz in London soll für Lobbyarbeit in den Bereichen „Bildung, Kommunikation, Politik, Devisen, Besteuerung usw.“ jährlich 10 Mio. Euro ausgeben. Ihr gehören als Mitglieder globale und regionale Banken, Finanzinstitute und Kanzleien an. Unter den Einzelfirmen steht nach einer Statistik dieses Vereins die Philip Morris International Inc., der Tabakriese, mit 5 Mio. Euro an der Spitze, gefolgt von Exxon Mobil, dem Mineralölkonzern, mit 4,75 Mio. und Microsoft mit 4,5 Mio. Im Vergleich dazu investieren die deutsche Siemens A.G. 4,3 Mio. und VW 3,3 Mio., im Rahmen der Unternehmensberatung Roland Berger über 13 Mio. Es überrascht auf den ersten Blick, wie stark US-Unternehmen und damit US-amerikanische Wirtschaftsinteressen auf diese Weise die Gesetzgebung in der EU beeinflussen. Naturgemäß nimmt mit der immer stärkeren Verflechtung der Weltwirtschaft auch der Trend zur Internationalisierung des Lobbyismus zu. Laut Transparency International, einer in Berlin angesiedelten Nichtregierungsorganisation, die sich der Bekämpfung von Korruption verschrieben hat, gehören amerikanische Konzerne und Verbände zu den aktivsten Lobbyisten in Brüssel. Dies sei vor allem seit Beginn der Verhandlungen über das geplante Freihandelsabkommen (TTIP) oder dem Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen (TiSA) im Bereich Finanzen und öffentlicher Daseinsvorsorge der Fall. 250 US-Organisationen sind derzeit im Europäischen Transparenzregister eingetragen. Dieses wurde 2011 von Parlament STADTKULTUR Freitag, 22. Juli 2016 Der Pfaffenhofener | Seite 5 schen Union nteresse stimmte neue Tätigkeitsfelder einzuhalten ist, um die Auswirkungen von Interessenkonflikten zu beschränken. Wenn eine inhaltliche Verbindung mit dem früheren Geschäftsbereich des Kommissars vorhanden ist, soll das Ethik-Komitee der EU-Kommission eine Entscheidung herbeiführen. Es besteht aus lediglich drei Mitgliedern und pflegte in der Vergangenheit enge Verbindung zur Privatwirtschaft. So wechselte der französische Anwalt Michel Petite, lange Zeit Hauptberater des Kommissionspräsidenten und Generaldirektor des Juristischen Dienstes der Europäischen Kommission, das Lager, wurde Lobbyist von Philip Morris, um 2009 in jenes Ethik-Komitee berufen zu werden. Er übernahm hier sogar den Vorsitz und trat erst im Dezember 2013, unter Druck geraten, von diesem Amt zurück. Sind in einem solchen Fall Unabhängigkeit und Neutralität wirklich gewährleistet, zumal der Tabak-Konzern, der 2012 nachweislich 160 Lobbyisten in Brüssel eingesetzt hatte, mit allen Mitteln gegen die 2013 von der EU verschärften Richtlinien vorging? Thomas Leif und Rudolf Speth kommen zu dem Ergebnis: „Lobbyismus changiert also zwischen dem Anspruch legitimer Interessenvertretung und illegaler Einflussnahme, die bis zur Patronage und Korruption reichen kann.“ Offenlegung sei das oberste Gebot, um Missständen zu begegnen. Aus diesem Grund wurde vom 01.03. bis zum 01.06.2016 auf die Initiative des gegenwärtigen Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, eine öffentliche Konsultation zur Reform des Transparenzregisters durchgeführt. An ihr konnte jeder Bürger der EU über einen Online-Fragebogen teilnehmen. In einer Verlautbarung dazu heißt es, dass Lobbyarbeit Bestandteil einer gesunden Demokratie sei, weil sie die Möglichkeit zur Verbesserung der Entscheidungsfindung berge, durch neue Kanäle Fachwissen in die Arbeit der Gesetzgeber und Entscheidungsträger einfließen zu lassen. Die Konsultation solle zu verwirklichen, wenn Lobbyisten wie auch politische Mandatsträger nicht durch eine persönliche ethischmoralische Grundhaltung, durch ihre Integrität, daran gehindert werden. Europa ist heute trotz „Europäischer Union“ für viele Menschen nur ein geographisches oder manchmal sogar nur ein wirtschaftgeographisches Gebilde geblieben, bei dem oft der alte nationale Egoismus in Erscheinung tritt. Geld ist vielfach der einzige Maßstab des Handelns, zugleich Maßstab von Einfluss und Macht und vielfach der einzige Sinn des Daseins. Allzu viele sind der Meinung, der Aufbau politischer Institutionen, einer Rechtsordnung und eines einheitlichen Wirtschaftssystems reiche aus, um auch eine ethische Gemeinschaft zu schaffen. Gleichgültig, ob einer der Väter der Integration Europas, der Franzose Jean Monnet, wirklich gesagt haben soll, dass er, wenn er es noch einmal zu tun hätte, bei der Kultur beginnen würde, so hat nützliche Beiträge für ein verbindliches Transparenzregister liefern, das dann für Parlament, Rat und Kommission Gültigkeit hat. Ein Bericht über das Ergebnis dieser Befragung im Internet wird bis spätestens 01.09.2016 veröffentlicht. dieser Gedanke im Laufe der Jahre immer mehr an Gewicht gewonnen. Der Artikel 1, Abs. 2 des Verfassungsentwurfs für die Europäische Union, der den Titel „Verfassung für Europa“ trägt und von 25 Staatsund Regierungschefs unterzeichnet, aber bislang nicht ratifiziert wurde, erweist sich allmählich wie ein Fanal für die Mitgliedsstaaten: „Die Union steht allen europäischen Staaten offen, die ihre Werte achten und sich verpflichten, ihnen gemeinsam Geltung zu verschaffen.“ Und dieser Grundsatz kann, soll Europa wirklich ein Zukunftsprojekt sein, nicht nur auf materieller Ebene verwirklicht werden. Es müssen vor allem die geschichtlichen ethischen Werte, die der alte Kontinent neben seinen dunklen Seiten auch hervorbrachte, als dauerhaftes Fundament wieder in Erinnerung gebracht und gelebt werden: „Athen – Rom – Christentum“ sind die Metaphern. In der Gegenwart scheinen sie aber nicht nur in Brüssel ein wenig in Vergessenheit geraten zu sein. Lobbyismus zwischen Anspruch und Einflussnahme und Kommission der EU geschaffen, um lobbyistische Aktivitäten zu erfassen und sie für die Öffentlichkeit durchschaubarer zu machen. Ein Fortschritt gegenüber den früheren Kontrollmaßnahmen wurde dadurch erreicht, dass eine Registrierung Voraussetzung für die Ausstellung dauerhafter Pässe ist, mit denen man allein Zugang zum EU-Parlament erhält. Vieles bleibt trotzdem im Dunkeln, weil die Eintragung in dieses Register bisher auf freiwilliger Basis geschieht. Wer eine LobbyAgentur verpflichtet, bleibt Kunde dieser Agentur, wodurch die Anonymität des eigentlichen Auftraggebers gewahrt wird. Probleme schafft auch der sog. Seitenwechsel, in Fachkreisen „revolving door“ („Drehtüre“) genannt, wobei Politiker oder ihre kompetenten Mitarbeiter in der Wirtschaft Lobbyistenaufgaben übernehmen. Meist sind sie in Bereichen tätig, in denen sie vorher gearbeitet haben. Sie bringen nicht nur profundes Insiderwissen mit, sondern auch ihre Kontakte zu den Parlamenten und Ministerien. Bekanntestes Beispiel hierfür ist Ex-Kommissionspräsident José Manuel Barroso mit gleich 22 „neuen“ Tätigkeiten und Positionen. Einer der bekanntesten Seitenwechsler der EU war auch Günter Verheugen, Vizepräsident der EU-Kommission unter Barroso und Kommissar für Unternehmen und Industrie. Er trat als Berater in die Dienste der Royal Bank of Scotland und der Volks- und Raiffeisenbanken und gründete eine eigene Lobbyagentur, die „European Experience Company“, bereits zwei Monate nach seinem Abschied aus Brüssel. Auf Grund der zunehmenden Zahl von Seitenwechslern wurde 2011 ein neu gefasster „Verhaltenkodex für Kommissionsmitglieder“ eingeführt. Er sieht eine Karenzzeit von 18 Monaten vor, die nach dem Ausscheiden aus einem Amt bis zum Wechsel in be- Ab 2016 müssen in allen Mitgliedstaaten der EU Zweidrittel der Verpackung von Zigaretten mit Warnhinweisen bildlicher und schriftlicher Natur versehen sein. Aromastoffe, wie Menthol, sind verboten. Es darf zudem nicht mehr damit geworben werden, dass der Tabak aus ökologischem Anbau stammt. Der deutsche EU-Abgeordnete Karl-Heinz Florenz schilderte die fast militärischen Methoden des Unternehmens beim Kampf gegen solche Regelungen wie folgt: „Philip Morris hat den kompletten Gesetzgebungsprozess stets vorher analysiert und jeden Schritt vorbereitet. Wann immer ein Ausschuss gegen ihre Interessen entschieden hat, war der nächste Torpedo schon geladen.“ So wurden von diesem Unternehmen in einem 160-seitigen Schriftsatz die Namen aller EU-Abgeordneten rot gekennzeichnet, die sich der Tabakindustrie gegenüber besonders kritisch verhielten. In der Vorweihnachtszeit 2012 versandte man an die maßgeblichen EU-Abgeordneten Adventskalender mit dem Slogan „Zuviel Schokolade macht dick!“, setzte dies hernach durch Schokoladenweihnachtsmänner ins Bild um und veranschaulichte es mit überdimensionalen maskulinen Bäuchen und Raucherbeinen, wie sie auf den Zigarettenschachteln abgedruckt werden müssen. Zusätzlich gab es als Geschenk eine Flasche Rotwein, auf deren Etikett ein Krebsgewebe aufgedruckt war, zum Geburtstag eine Karte mit unappetitlichem Altmännerbauch und der Warnung „Zu viel Kuchen macht dick!“ und dem Wunsch, dass man in Zukunft ohne Bevormundung selbst bestimmen könne, was man genieße und was nicht! Hier wird der Versuch bloßer Einflussnahme bei weitem überschritten. Da der erhoffte Erfolg in Brüssel ausblieb, klagte man vor dem Europäischen Gerichtshof, der darüber entscheiden sollte, ob die EU bei der Tabakgesetzgebung überhaupt zuständig sei oder zumindest ihre Kompetenzen überschritten habe. Dieser verwarf die Klage und bestätigte die getroffenen Regelungen. Welche Interessen? Welche Finanzmittel? Auch wenn die Medien als vierte Gewalt im Staat heute sehr ausführlich über politische Vorgänge informieren, sie kommentieren, Missstände aufdecken und der Politik und ihren Interessenvertretern ein Podium bieten, ihre Argumente und Zielsetzungen vor Augen zu führen, so werden trotz ausgeklügeltem Transparenzregister und Verhaltenskodex mit Strafmaßnahmen jene drei Kernfragen zum Lobbyismus wohl kaum gänzlich beantwortet werden: Welche Interessen werden verfolgt? Wer verfolgt diese Interessen? Welche Finanzmittel stehen zur Verfügung? Es werden stets Lücken gefunden werden, um auf illegale Weise Ziele STADTKULTUR Seite 6 | Der Pfaffenhofener Freitag, 22. Juli 2016 Kinder und Eltern planen und bauen mit am Spielplatz Förnbach Kulturtermine Lesung Lutz-Stipendiat Johann Reißer liest zum Abschluss seines dreimonatigen Aufenthalts am 22.7. um 20 Uhr im Festsaal des Rathauses. von Heinz Hollenberger Pool Eine Poolparty mit Spielen und Musik vor allem für Kinder steigt am 23.7. von 13 bis 18 Uhr im Pfaffenhofener Freibad. Ende Zum Abschluss des Kultursommers spielt am 24.7. ab 18 Uhr Dota und Dobré auf dem unteren Hauptplatz. Memo Als Kultursommer Nachklang startet der 12. Memo-Zyklus am 31.7. mit einem Festgottesdienst um 12.15 Uhr in der Stadtpfarrkirche. Kunst Ausleihe von Kunstwerken aus der Artothek ist wieder möglich am 4.8. von 15 bis 18 Uhr im Anbau der Spitalkirche. Kinder Die während des Sommerkurses entstandenen Werke präsentieren die teilnehmenden Kinder am 6.8. ab 12 Uhr in der Kulturhalle. Memo II Im Rahmen von Memo werden am 7.8. ab 11.45 Klassiker der konzertanten Kirchenmusik in der Stadtpfarrkirche gespielt. Markt Für Spätaufsteher steigt am 14.8. von 16 bis 23 Uhr wieder der Nachtflohmarkt am Hauptplatz und in der Innenstadt. Skate Schon Tradition ist die Hallertauer Inline-Tour, die am 15.8. zum zwölften Mal stattfindet. Start um 8 Uhr in Uttenhofen. Bier Eine Woche vor dem Volksfest findet am 24.8. ab 17 Uhr die öffentliche Bierprobe vor dem Rathaus statt. fotogen Unter dem Titel „fotogen“ kann die Kunstausstellung im Finanzamt Pfaffenhofen, Schirmbeckstr. 5, noch bis 30. September 2016 zu den üblichen Öffnungszeiten des Servicezentrums besichtigt werden. S chon eine halbe Stunde vor dem Ortstermin diskutieren einige Anwohner lebhaft im saftigen Grün. Sie stehen auf dem wohl bekanntesten Hügel in ganz Förnbach. Nicht zum ersten Mal. Aber wohl zum letzten Mal, bevor es losgeht. Denn die Entscheidung ist bereits gefallen. Jetzt geht es um die konkrete Umsetzung des Beschlusses, den der Stadtrat Pfaffenhofen gefasst hat. Danach wird der Spielplatz von Förnbach künftig kleiner, aber wesentlich moderner. Dafür soll Robert Schmidt-Ruiu sorgen. Der Spielplatzplaner trifft sich mit den Anwohnern und deren Kindern. Seine Planungsunterlagen legt er ins Gras und setzt sich auch selbst dorthin – und zwar in die Hocke. Geduldig verharrt Schmidt-Ruiu in dieser anstrengenden Haltung. Nicht nur körperlich, sondern auch menschlich beweist der Spielplatzplaner viel Ausdauer. Den Kindern und deren Eltern aus der Nachbarschaft erklärt er geduldig, was die Symbole auf seinen Planungsunterlagen bedeuten. Schon Anfang des Jahres hatte sich Schmidt-Ruiu mit Anwohnern aus Förnbach getroffen. Manche ihrer Ideen von damals sind direkt in seine Planungen mit eingeflossen. Kernstück seines Entwurfs ist ein sechs Meter hohes Holzkonstrukt. Das dient gleichzeitig als Rutsche und als Klettergerät – optisch als Mittelpunkt, um den alle anderen Spielgeräte platziert sind. „Mir geht es darum, spannende Plätze zu schaffen. Möglichst wie in der Natur. Da gehen die Kinder auch dorthin, wo es steil ist.“ Gestaltung der Spielgeräte und Beteiligung der Anwohner Robert Schmidt-Ruiu hat schon viele Spielplätze designt. Auch nach der Planungsphase bindet der Experte die künftigen Nutzer noch mit ein. Wenn die schweren Maschinen den Untergrund befestigt haben und keine Unfallgefahr mehr besteht, dürfen Eltern und Kinder tatsächlich selbst Hand anlegen und aktiv beim Bau ihres Spielplatzes mitarbeiten. Jeder hilft dort, wo er sich am besten einbringen kann. Auch bei der fantasievollen Gestaltung der Spielgeräte mit Farbe ist die Beteiligung der Anwohner und vor allem ihrer Kinder willkommen. Robert Schmidt-Ruiu will seine Anlagen möglichst natürlich gestalten. Holz ist sein Lieblingsmaterial, nicht zuletzt, weil es lebt. Obwohl neue Spielgeräte auf dem Hügel von Förnbach installiert werden – die Fläche des Areals wird kleiner. Etwa 2000 Quadratmeter groß ist der Spielplatz – angelegt in den 70er Jahren. Vergeblich versuchten Anwohner damals vor Gericht, diese Fläche zu reduzieren, aus finanziellen Gründen. Denn die Stadt hat sie damals an den Erschließungskosten beteiligt. Je größer das eigene angrenzende Grundstück, umso höher ihr finanzieller Beitrag. Damals vor 40 Jahren hat man auch entschieden, auf dem grünen Hügel von Förnbach kein weiteres Haus bauen zu lassen. Doch dieser Beschluss ist nicht für die Ewigkeit getroffen worden. Das hat kleinert wird. Obwohl daneben noch zusätzliche Vorrichtungen für Senioren geplant sind. Hier sollen sich die Generationen künftig im Grünen begegnen können. Bei der Gestaltung der Seniorenanlage ist ebenfalls Bürgerbeteiligung vorgesehen. Doch die meisten älteren Anwohner sind gekommen, um mit dem Bürgermeister noch einmal grundsätzlich zu diskutieren. Schließlich hatten sie sogar Unterschriften gesammelt, um die Pläne der Stadt für dieses Grundstück zu verhindern. Doch der Stadtrat hat es mehrheitlich abgesegnet. Neben der Stadt selbst werden noch zwei private Bauträger hier Wohnhäuser errichten. sich jetzt bei der juristischen Überprüfung herausgestellt. Gegen den Widerstand mancher Anwohner hat der Stadtrat entschieden, dass die Stadt hier Doppelhaushälften bauen wird. Dafür muss die Fläche des bestehenden Spielplatzes verkleinert werden. Robert Schmidt-Ruiu hat eigens ein rot-weißes Baustellenband im Gras ausgelegt, damit jeder sehen kann, wo die Spielplatzfläche künftig enden wird. Anders als vor 40 Jahren wollen etliche Anwohner jetzt verhindern, dass der Spielplatz ver- Wohnraum ist knapp in Pfaffenhofen. Deshalb verteidigt Bürgermeister Thomas Herker die Absichten der Stadt gegenüber den kritischen Anwohnern. Er weist allerdings auch darauf hin, dass die Stadt nicht sofort mit dem Bau ihres Doppelhauses beginnen wird. Zuerst soll der neue Spielplatz fertig werden. Im Herbst ist Baubeginn. Erst wenn die privaten Bauträger ihre neuen Wohnhäuser auf dem Hügel errichten, wird wohl auch die Stadt von ihrem Baurecht dort Gebrauch machen. Verlag/Herausgeber/Herstellung: KASTNER AG – das medienhaus, Schloßhof 2–6, 85283 Wolnzach, Telefon 08442/9253-0 V.i.S.d.P.: Kilian Well E-Mail: [email protected] Foto: Robert Schmidt-Ruiu IMPRESSUM Redaktion: Claudia Erdenreich, Kilian Well, Hellmuth Inderwies, Lorenz Trapp Layout: Monika Lang Anzeigen: Claudia Scheid Telefon: 0 84 42 / 92 53-7 04 Erscheinungsweise: monatlich Der Pfaffenhofener erhalten Sie in der Buchhandlung Osiander, der Buchhandlung Kilgus, bei Schreibwaren Daubmeier, Schreibwaren Prechter, Tabak Bergmeister, Tabak Breitner etc. Nächste Ausgabe voraussichtlich Freitag, 19. 08. 2016 STADTKULTUR Freitag, 22. Juli 2016 Der Pfaffenhofener | Seite 7 Jeder wird zum Künstler Sieger und Teilnehmer des Fotowettbewerbs stellen aus von Claudia Erdenreich Es ist sicher die am besten besuchte Vernissage: Wenn die Siegerbilder der Fotogehgrafie gekürt, aber auch sämtliche Teilnehmer-Bilder ausgestellt werden, herrscht Gedränge in der Städtischen Galerie. Junge und erwachsene Fotografen, Freunde und Verwandte lassen sich den Abend nicht entgehen. Die Fotogehgrafie, veranstaltet von der Stadtjugendpflege im Rahmen des Kultursommers, hat schon Tradition. Die Teilnehmergruppen setzen dabei an einem Tag verschiedene Themen in kreative Fotos um. Dabei gibt es zum Start drei Themen, an weiteren Stationen dann die Folgethemen. Unterschieden wird nur in „unter 18“ und „über 18“, gern gesehen ist Teamarbeit. Insgesamt nahmen rund 60 Personen in 33 Gruppen teil, der jüngste Fotograf war gerade erst zehn Jahre alt. Die vorgegebenen Themen orientierten sich an dem diesjährigen Motto „Pfaffenhofen ist bunt“, waren aber so gewählt, dass daraus jeder frei und vielfältig fotografieren konnte. Lichtblick und Gegensatz, Willkommen oder grau und trist S truktur kann sich finden in Mustern und Regelmäßigkeit, in Materialien und Skulpturen, Struktur ist so vielfältig interpretierbar wie kaum ein anderes Thema. Insgesamt 21 Hallertauer Künstler stellten in der Städtischen Galerie im Haus der Begegnung jeweils ein Werk aus. Die Beschränkung war Heraus- Zahlreiche Gäste besuchten die Ausstellungseröffnung lauteten etwa Themenvorgaben. Fotografiert wurde in vielfältiger Technik und Ausstattung, interpretiert wurden die Themen frei und breit. Christoph Höchtl von der Stadtjugendpflege lobte besonders den Einsatz, die Fotogehgrafie fand an einem heißen Sommertag statt, der in Gewitter und Regen endete, was die Fotografen nicht daran hinderte, bis zu zehn Stunden auf Motivsuche zu sein. Die Siegerbilder waren zu Beginn Zustande kamen ganz unternoch umgedreht und wurden schiedliche Bilder, witzige dann fröhlich-feierlich entwie bunte, überraschende hüllt. Dazu stellte Christoph wie seltsame, die ganze Höchtl nicht nur die Bilder, Bandbreite der Möglichsondern auch die Siegerkeiten war ausgeschöpft Teams kurz vor und verlieh worden. die gestifteten Preise. Hier wird jeder ein Künstler, Sieben Jurymitglieder wähldenn es werden einfach ten die Gewinner nach alle Bilder ausgestellt. Christoph Höchtl eingehender Beratung und Struktur in allen Unterschieden Ausstellung der Hallertauer Künstler mit Themenrahmen von Claudia Erdenreich Kulturreferent Peter Feßl forderung und Gewinn zugleich. Die Themenvorgabe „Struktur“ wurde dabei von jedem Künstler ganz individuell interpretiert. Neben Malerei, Grafik und Fotografien waren auch Skulpturen und Experimentielles zu sehen, sowie ganz verschiedene und ungewöhnliche Materialien. Strohhalme gab es, verarbeitet, und Plastik ebenso wie ganz traditionelle Gemälde. Martin Rohrmann und Bürgermeister Thomas Herker waren unter den Gästen Kulturreferent Peter Feßl betonte in seiner Eröffnungsrede auf der Vernissage dann auch die Unterschiede der Künstler, die gerade die Spannung in der Ausstellung bewirken. „Die beste, die wir je hatten“, bezeichnete er diese traditionelle, jährlich wiederkehrende Ausstellung der Hallertauer Künstler. Auch und gerade weil dieses Format von den Sommerferien in den Kultursommer verlegt wurde, wodurch weniger Platz zur Verfügung stand. Jetzt mussten sich Künstler wie Organisatoren auf den einen Raum der Städtischen Galerie beschränken und konnten nicht noch in den Nebenraum ausweichen. Die Reduktion bewirkte auch eine Professionalisierung. Wo früher auch einmal Raum für „allerlei“ und Hobbykünstler war, legte die Jury nun großen Wert auf Qualität. Steuern als Kunst Peter Feßl griff einige Künstler heraus und stellte ihr Kunstwerk exemplarisch vor. So beeindruckte Eva Nemetz mit „Phantasma II“ durch eine Strohhalminstallation, Hans Dollinger zeigte Traktorspuren in einem „Heimatkasten“, Helene Tschacher hatte gar ein Handbuch der Steuerveranlagung aus den 90er Jahren zerlegt und ganz neu zusammengesetzt. Prüfung aus. Und nicht nur die jungen wie älteren Künstler waren sichtlich stolz. In der Ausstellung drängten sich zur Vernissage neben Bürgermeister Thomas Herker und den Organisatoren über hundert Besucher. Die Ausstellung ist noch bis 31.7. in der Städtischen Galerie zu sehen: Montag bis Freitag 9 bis 12 und 13.30 bis 16.30 Uhr, Samstag und Sonntag 10 bis 18 Uhr Nicht nur die Materialien variieren vom klassischen Öl-auf-Leinwand Werk bis hin zum Bronzeguss, von „Assenblagen“ bis Rost, auch die Strukturen waren klein wie Partikel oder groß und grob wie Holz und Kunststoff. Ein perfekter Einblick in die Vielfalt der Künstler, unter denen viele Bekannte, aber auch neue Entdeckungen waren. ANSICHTEN Seite 8 | Der Pfaffenhofener B itte bewahren Sie Ruhe“, dröhnt es in Endlosschleife aus den Lautsprechern, dazu flimmern Bilder von Atompilzen an der Wand. Die Beleuchtung ist schummrig, im Bunker ist es kalt. Die Besucher schauen sich erschrocken um, doch gerade als es zu unheimlich wird, verändern sich Licht, Musik und Stimmung. Der diesjährige Literaturstipendiat Johann Reißer lud zum „Ernstfall“, einer kleinen Bunkerrevue in den ehemaligen Fernmeldebunker am Heimgartenweg. Bei der perfekt vorbereiteten und inszenierten Performance präsentierte er zusammen mit kers. Der sorgt mit bis zu 3,50 m dicken Stahlbetonwänden und imposanter Größe immer noch für Respekt, Erstaunen und Gruseln. Die Bedrohung des Kalten Krieges wird dort direkt spürbar und erlebbar. Über 40 Räume verteilen sich auf rund 1.500 Quadratmetern. Das Gelände, das oben so harmlos und friedlich aussieht und heute mit einem Interkulturgarten blüht, sollte einst Erstschlagsziel sein, in jenem gar nicht so fernen kalten Krieg. Johann Reißer holte die gespannten Gäste ab am Bunkereingang, der oben immer noch als schäbiges Gartenhäuschen getarnt ist. Von dort geht es in den Untergrund, mit Freitag, 22. Juli 2016 ner kurzen Bunker-Einführung landen sie in einem bestuhlten Raum. Der Tisch provisorisch aufgebaut, die Kabel der Multimediashow wirren sich frei durch den Raum. Lan-Party, Lesung oder Konzert, modernes Hinterhoftheater oder Bunkershow, so ganz klar ist es nicht. Von allem etwas und dazu historische Bilder von Pfaffenhofen an der Wand. Mit zeitgenössischen Zitaten von Böll über Adenauer bis Strauß wurde eine Zeitreise angetreten, untermalt von Bildern atomarer Explosionen. Johann Reißer las aus einem ernstgemeinten Buch aus den 50er Jahren, „Unser Freund das Atom“, führte modernen Mitmach-Stücken mitten in der Inszenierung, dort spielte der Gefreite zwischen realer Bedrohung „Panzer-Quartett“ mit seinen Vorgesetzten. Spätestens hier blieb auch den Besuchern das Lachen im Hals stecken, wurde die Bedrohung und der Wahnsinn des Wettrüstens greifbar. Literaturstipendiat Johann Reisser schaffte es, bei den Teilnehmern neben Begeisterung und Faszination vor allem einen tiefen Eindruck zu hinterlassen, irgendwo zwischen Theaterstück, Songs, Lesung und Bildern. Und er erbrachte den Beweis, dass eine gelegentliche kulturelle Nutzung des Bunkers möglich wäre. Bunkerbazi und Panzerquartett Performance von Johann Reißer im Fernmeldebunker von Claudia Erdenreich Literaturstipendiat Dr. Johann Reißer Christoph Marko eine Mischung aus Texten, Szenen, Musik und Bildern rund um Atomzeitalter, Rüstung und Bedrohung. Der promovierte Literaturwissenschaftler ist seit gut zwei Monaten in Pfaffenhofen und nutzt seinen Aufenthalt im Flaschlturm, um an seinem Roman zu schreiben. Gleichzeitig taucht er aber tief in Geschichte und Kultur Pfaffenhofens ein. Mit einem besonderen Interesse für Militärgeschichte zog es ihn sofort zum Bunker. Und nach einer ersten Besichtigung stand für ihn fest: Hier soll eine ganz eigene Inszenierung stattfinden. Johann Reißer schreibt nicht nur, er spielt auch leidenschaftlich Gitarre und bestreitet einen Teil seines Lebensunterhalts mit Theaterprojekten. Diese professionelle Erfahrung merkt man, die Bunkerperformance war eine grandiose Mischung aus Texten, Witz, Sound und Mahnung. Achtzehn Teilnehmer sind maximal zugelassen für den Besuch des Fernmeldebun- Taschenlampen und CO2-Melder, zur Sicherheit. Vorschrift, nicht Inszenierung ist das. Manche Teilnehmer haben sich Decken und Jacken mitgebracht, spätestens jetzt frösteln sie auch in der Sommerhitze ein wenig. Doch der erfahrene Theatermacher will keine Gruselshow und auch nicht mit Schock und erhobenem Zeigefinger mahnen, ausgestattet mit Uniformmütze geleitet er die Gäste in den Untergrund, nach ei- Der Bunkerbazi erschreckend vor Augen, wie lächerlich wenig ernst man atomare Strahlung und Bedrohung nahm. Er amüsierte mit dem „Bunker-Bazi“-Song, der Bunker Bazi, der gemütlich bleibt, aber weiß, was er zu tun hat, im Ernstfall: Die Lederhosn ausziehn und abwaschen, das reicht. Dazwischen führte Johann Reißer die Gäste auch in das Herzstück des Bunkers, die ehemalige Fernmeldezentrale. Dort fanden sich die Teilnehmer im Stil von
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