Inhalt 3 Editorial 24 Wie Staff Finder den Personalverleih revolutioniert Experten-Interview 6 «Arbeitssicherheit ist Chefsache» André Meier von der Suva über die Unfallprävention «Eine völlig neue Herangehensweise» Personalarbeit in der Praxis 26 Benchmarks für das BGM Das Qualitätslabel Friendly Work Space bietet Standards für das Gesundheitsmanagement Arbeitsrecht 10 Zweifelhafte Zeugnisse Was beim Nachweis der Arbeitsunfähigkeit in rechtlicher Hinsicht entscheidend ist 28 Risiken frühzeitig erkennen Ein neues Tool von Helsana unterstützt das BGM 30 Freizeitunfälle verhindern Praktische Unterstützung für die Unfallprävention 12 Arbeitsunfähig oder nicht? Praxisfragen zu Arbeitszeugnis und Vertrauensarzt 33 Die Erfolgsgeheimnisse von Google’s HR Lohn 14 Richtig und gerecht rechnen Lohnfortzahlung bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit Sozialversicherungen 16 «Platzhalter» Werte & Kompetenzen 34 Sicherheit und Verbundenheit Wie das limbische System das Verhalten bestimmt 36 Orientierung geben und Sinn stiften Weshalb Sinnstiftung in der Führung zentral ist Eine Versicherungslücke vermeiden Krankentaggeldversicherung nach VVG und KVG HR-Strategie 18 Prioritäten für die nahe Zukunft Wo für HR-Manager in den nächsten Jahren die grössten Herausforderungen liegen 38 Betriebsinternes Potenzial fördern Wie die Gastro-Branche Weiterbildung unterstützt Work+ 40 Work-Life-Balance geht über Karriere Freizeit hat für viele Schweizer oberste Priorität 20 Vom Verwalter zum Gestalter Weshalb das HR die Kollaboration fördern muss 42 Vorschau / Impressum personalSCHWEIZ Juni 2016 5 Experten-Interview Unfallprävention «Arbeitssicherheit ist Chefsache» Durch konsequente Präventionsarbeit konnte die Suva zusammen mit den Betrieben die Zahl der Arbeitsunfälle in den letzten Jahren kontinuierlich reduzieren. André Meier, Leiter der Abteilung Arbeitssicherheit, über die Gefahren im Berufsleben und wirksame Präventionsinstrumente. Interview geführt von Wolf-Dietrich Zumach personalSCHWEIZ: Herr Meier, die Suva ist für viele einfach ein Versicherungsunternehmen. Können Sie uns einmal skizzieren, was die Suva darüber hinaus noch alles macht? André Meier: Die Suva sagt von sich selber: «Wir sind mehr als eine Versicherung.» Denn wir vereinen Prävention, Versicherung und eine ganzheitliche Rehabilitation. Mit den verschiedenen Massnahmen unserer Präventionsarbeit versuchen wir, Arbeits-, aber auch Freizeitunfälle sowie Berufskrankheiten zu verhindern. In der Versicherung sind wir mit gesetzlich definierten Kunden eher klassisch unterwegs. Und bei der Rehabilitation ist unsere Spezialdisziplin die arbeitsorientierte Integration. Welche Branchen sind in der Schweiz besonders von Arbeitsunfällen betroffen? Oder anders gefragt: Was sind die gefährlichsten Berufe in der Schweiz? In der Unfallstatistik UVG fällt im SuvaVersichertenbereich das Bauhaupt- und Baunebengewerbe mit relativ hohen Fallrisiken und langen Ausfallzeiten auf. Danach folgt die Branche Transport und Logistik. Spitzenreiter bezogen auf das Fallrisiko ist aber die Forstwirtschaft. Falls man die Fallzahlen von allen Unfallversicherern zusammen betrachtet, weist – ziemlich überraschend – die Branche der Organisatoren von Sport- und Freizeitveranstaltungen das höchste Berufsunfallrisiko auf. Damit gemeint sind insUnfallstatistik UVG Die jährliche Unfallstatistik UVG ist die umfassende Statistik aller Unfallversicherer in der Schweiz und zeigt die Entwicklung der Unfallzahlen und Unfallursachen, der Berufskrankheiten und deren Kosten. www.unfallstatistik.ch 6 personalSCHWEIZ Juni 2016 André Meier möchte bis 2020 die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle auf 50 pro Jahr senken. besondere Unternehmen, die Festivals, Kulturanlässe oder Theateraufführungen organisieren. Denken Sie zum Beispiel an den Beruf des Bühnenbauers. Welches sind die häufigsten Unfallursachen? Die von der Anzahl her häufigste Unfallursache mit rund einem Drittel aller Unfälle ist das Stürzen und das Stolpern auf ebener Fläche, also beispielsweise durch ein Ausrutschen beim Gehen. Betrachtet man die Schwere der Folgen eines Unfalls, so ist das Abstürzen aus der Höhe die gefährlichste Unfallursache. Wie haben sich die Zahlen bei den Berufsunfällen in den letzten Jahren entwickelt? Bezogen auf die Zahl der Vollbeschäftigten sinkt die Anzahl der Berufsunfälle glücklicherweise seit Jahren kontinuier- lich, in den letzten Jahren durchschnittlich um mehr als ein Prozent pro Jahr. Das sind für uns schöne Erfolge und sicher zu einem grossen Teil unserer Präventionsarbeit zuzuschreiben. Dennoch registrieren wir derzeit in Suva-versicherten Betrieben immer noch knapp 180 000 Berufsunfälle pro Jahr. Dies entspricht einem durchschnittlichen Fallrisiko von rund 88 Fällen pro 1000 Vollbeschäftigte. 2015 verloren gegen 60 Arbeitnehmende ihr Leben bei Berufsunfällen. Mit Ihrer Kampagne «Vision 250 Leben» wollen Sie bis zum Jahr 2020 250 tödliche Berufsunfälle verhindern. Ist das nicht ein wenig ambitioniert? Die Kampagne wurde 2010 gestartet und läuft bis 2020, das Ziel ist in der Tat ambitioniert. Sollten wir dieses Ziel aber erreichen, und davon sind wir überzeugt, bedeutet das eine Halbierung der tödli- Arbeitsrecht Arztzeugnis Zweifelhafte Zeugnisse Arztzeugnisse bieten in der Praxis immer wieder Anlass zu Zweifeln. Welche gesetzlichen Rahmenbedingungen beim Nachweis einer Arbeitsunfähigkeit zu beachten sind. Von Marco Habrik M acht der Arbeitnehmende bei Arbeitsunfähigkeit einen Lohnfortzahlungsanspruch geltend, hat er seine unfall- oder krankheitsbedingte Verhinderung nach der allgemeinen Beweisregel von Artikel 8 ZGB zu beweisen. Dasselbe gilt bei einer Berufung auf die Nichtigkeit einer Kündigung, die vom Arbeitgeber während einer Arbeitsunfähigkeit oder eines anderen Sperrfristtatbestandes nach Artikel 336c OR ausgesprochen wurde, sowie im Zusammenhang mit Leistungen der Arbeitslosenversicherung und bei sonstigen Ansprüchen, die auf einer Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmenden gründen. Eingeschränkte Beweiskraft Beim Arztzeugnis handelt es sich um eine Urkunde, mit welcher der Arbeitnehmende den Beweis für seine Arbeitsunfähigkeit erbringen kann. Dies heisst jedoch nicht, dass der Beweis durch Vorlage eines Arztzeugnisses im Streitfall auch tatsächlich als erbracht gilt. Die Gerichte stellen wohl regelmässig zunächst auf ein vorliegendes Arztzeugnis im Sinne eines «Anscheinsbeweises» ab. Bei erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit eines Zeugnisses kann der damit vermeintlich erbrachte Nachweis der Arbeitsunfähigkeit jedoch erschüttert werden. Es steht dem Arbeitgeber frei, durch Zeugen, andere Urkunden oder Gutachten nachzuweisen, dass das beigebrachte Arztzeugnis unrichtig ist und der Arbeitnehmende in der fraglichen Zeit arbeitsfähig war. Einem Arztzeugnis kommt folglich kein absoluter Beweiswert zu. Es stellt den Arbeitgeber nicht per se vor vollendete Tatsachen, sondern unterliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung: Wenn aus den konkreten Umständen des Ein- 10 personalSCHWEIZ Juni 2016 Ernsthaft krank oder kerngesund? Arztzeugnisse sind häufig nicht über alle Zweifel erhaben. zelfalles darauf geschlossen werden kann, dass effektiv keine unfall- oder krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit bestanden hat, kann sich der Richter über den ärztlichen Befund im Arztzeugnis hinwegsetzen. Solche Fälle waren in den letzten Jahren vermehrt anzutreffen.1 So hatte das Arbeitsgericht Zürich beispielsweise einen Fall zu beurteilen, in dem der Arzt, welcher das bestrittene Arztzeugnis ausgestellt hatte, den Arbeitnehmenden während dessen Arbeitsunfähigkeit nie persönlich untersuchte und vor Gericht als Zeuge widersprüchliche Aussagen machte. Das Arbeitsgericht Zürich erachtete den Beweis der Arbeitsunfähigkeit als nicht erbracht.2 Form und Inhalt des Zeugnisses Zum Arztzeugnis finden sich (mit Ausnahme von Artikel 28 Absatz 5 AVIG) keine gesetzlichen Vorschriften. Auch an seine Form werden keine gesetzlichen Anforderungen gestellt. Die Arbeitsunfähigkeit kann somit grundsätzlich auch mündlich attestiert werden, soweit der Arbeitsvertrag oder ein einschlägiger Gesamtarbeitsvertrag keine abweichenden Regelungen enthält. Zudem steht es dem Arbeitnehmenden offen, seine Arbeitsunfähigkeit mit anderen Beweismitteln zu belegen, solange er damit den Arbeitgeber und im Streitfall das Gericht von seiner Arbeitsunfähigkeit überzeugen kann. Lohn Lohnfortzahlung Richtig und gerecht rechnen Die Lohnfortzahlung sorgt in der Praxis immer wieder für Unsicherheiten. Insbesondere bei einer teilweisen Arbeitsunfähigkeit ist häufig nicht klar, wie diese genau anzurechnen ist. Folgende Berechnungsbeispiele zeigen, wie richtig gerechnet wird. Von Thomas Wachter G emäss OR Art. 324a hat der Arbeitgeber bei der Lohnfortzahlung den Lohn für eine beschränkte Zeit zu entrichten – und nicht während einer beschränkten Zeit. Daraus folgt, dass bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit ohne Gegenleistung der Lohn für die gesamte «beschränkte Zeit» geschuldet ist, auch wenn sich die teilweisen Absenzen über eine längere Zeitdauer erstrecken. In der Praxis wird die Lohnfortzahlung bei einer teilweisen Arbeitsunfähigkeit häufig falsch gerechnet, nämlich so, als wäre die Lohnfortzahlung während einer beschränkten Zeit zu entrichten. Das folgende Beispiel veranschaulicht dies: Praxisbeispiel Ein Arbeitnehmer ist im ersten Dienstjahr zu 50 Prozent krankgeschrieben. Der Arbeitgeber bezahlt ihm den vollen Lohn während drei Wochen und anschliessend nur noch den Lohn für die erbrachte Arbeitsleistung von 50 Prozent. Die Anwendung der Lohnfortzahlung in diesem Beispiel ist nicht korrekt. Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Lohnfortzahlung für drei volle Wochen. Die Lohnfortzahlung dauert im vorliegenden Fall deshalb nicht drei Wochen, sondern vielmehr sechs, da sie für eine beschränkte Zeit zu entrichten ist. Eine Frage der Gerechtigkeit Zum gleichen Resultat kam das Obergericht des Kantons Solothurn, das sich mit der Frage auseinandergesetzt hat, wie die Lohnfortzahlung bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit zu handhaben ist. Die Überlegung des Gerichts war folgende: Es kann nicht sein, dass ein Arbeitnehmer 14 personalSCHWEIZ Juni 2016 Häufig unklar: Wie ist die Lohnfortzahlung bei einer teilweisen Arbeitsunfähigkeit umzusetzen? beispielsweise wegen einer Arbeitsunfähigkeit von 20 Prozent schon nach kurzer Zeit den Anspruch auf die Lohnfortzahlung verwirkt hat. Dies würde zu Ungerechtigkeiten und Zufälligkeiten führen, indem je nach Reihenfolge von verschiedenen Absenzen die Lohnfortzahlung völlig unterschiedlich ausfallen würde. Analog zum Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn geht die heute vorherrschende Lehre davon aus, dass bei der Lohnfortzahlung nach OR 324a das Geldminimum gilt. Bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit ist also der Lohnfortzahlungsanspruch auf einen längeren Zeitraum umzurechnen, wie folgende Beispiele zeigen: Schauen wir uns das erste Beispiel aus der Tabelle unten einmal im Detail an. Bei einer Lohnfortzahlung von 15 Wochen gemäss Skala beträgt die aufgerechnete Lohnfortzahlung bei einer Arbeitsunfähigkeit von 50 Prozent 30 Wochen: Beginn Arbeitsunfähigkeit 15.4.2016 Grad Arbeitsunfähigkeit 50% Lohn CHF 6000.– Lohnfortzahlung nach Skala 15 Wochen Lohnfortzahlung bei 50% 30 Wochen Ende Lohnfortzahlung 10.11.2016 Die Lohnfortzahlung ist wie in der Tabelle auf S. 15 dargestellt umzusetzen. Lohnfortzahlung nach Skala Arbeitsunfähigkeit aufgerechnete Lohnfortzahlung 15 Wochen 50 % 30 Wochen 12 Wochen 60 % 20 Wochen 3 Wochen 80 % 3,8 Wochen Sozialversicherungen Krankentaggeldversicherung Eine Versicherungslücke vermeiden Unternehmen können eine Krankentaggeldversicherung als Kollektivversicherung entweder nach VVG oder nach KVG abschliessen. Welche Unterschiede bestehen zwischen den beiden Varianten? Von Simona Wantz und Sara Licci Z wischen dem Ende der Lohnfortzahlungspflicht der Arbeitgebenden (Art. 324a OR) und dem Beginn der Invaliditätsleistungen nach IVG oder BVG trifft Arbeitnehmende regelmässig eine Versicherungslücke. Arbeitgeber können diese Lücke vermeiden, indem sie für ihre Mitarbeitenden eine Krankentaggeldversicherung abschliessen. Der Abschluss einer Krankentaggeldversicherung, welche den Ausfall des Erwerbseinkommens während einer Krankheit deckt, ist nicht vorgeschrieben. Das Gesetz lässt diese Möglichkeit jedoch offen (Art. 324a Abs. 4 OR), weshalb in vielen Arbeitsverhältnissen Taggeldlösungen gestützt auf eine gesamtarbeits-, normalarbeits- oder einzelarbeitsvertragliche Pflicht zur Anwendung kommen. Arbeitgebende können die Krankentaggeldversicherung als Kollektivversicherung nach VVG (Versicherungsvertragsgesetz) oder KVG (Krankenversicherungsgesetz) abschliessen. In der Praxis hat die Versicherungslösung nach KVG eine geringe Bedeutung, da sich die Versicherungslösung nach VVG viel besser an die Bedürfnisse der Unternehmen anpassen lässt und aufgrund weniger gesetzlicher Vorschriften zudem tiefere Prämien vorsieht. Nachstehend werden die Unterschiede im Detail aufgezeigt. KVG oder VVG? Die Krankentaggeldversicherung nach VVG bietet Arbeitgebern mehr Flexibilität. Kontrahierungszwang/Vorbehalt Im Rahmen des KVG sind die Versicherer durch den sogenannten Kontrahierungszwang dazu verpflichtet, mit jedem zum Beitritt berechtigten Bewerber eine Taggeldversicherung abzuschliessen (Art. 68 KVG). Im Weiteren dürfen sie Vorbehalte zu Krankheiten anbringen, die bei der Aufnahme bestehen oder zu Rückfällen führen können. Diese sind auf maximal 16 personalSCHWEIZ Juni 2016 Versicherung nach KVG Versicherung nach VVG In der freiwilligen Taggeldversicherung nach KVG (Art. 67–77 und Art. 107 ff. KVV) regelt das Gesetz lediglich die Eckpfeiler, während die weiteren Bestimmungen vertraglich vereinbart werden. Neben dem KVG ist auch das ATSG massgebend und die KVG-Taggeldversicherer sind als Träger hoheitlicher Befugnisse an die Grundsätze des staatlichen Handelns gebunden. Die Taggeldversicherung nach VVG basiert grundsätzlich auf dem Versicherungsvertrag, dessen Inhalte häufig durch Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) und Besondere Bedingungen (BB) vordefiniert ist. Zum Schutz der Versicherten finden sich nur gerade drei Bestimmungen (Art. 87, Art. 100 Abs. 2, Art. 3 Abs. 3) im VVG. Personalarbeit in der Praxis Betriebliches Gesundheitsmanagement Benchmarks für das BGM Was zeichnet ein gutes betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) aus? Das Label Friendly Work Space bietet einheitliche Standards, an denen sich Unternehmen bei der Einführung oder Optimierung ihres BGM messen können. Von Ralph Hofbauer M assnahmen im Bereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) beruhen in der Schweiz – im Gegensatz zu manchen Nachbarländern – auf Freiwilligkeit. Dennoch geraten Schweizer Unternehmen zunehmend unter Druck, ein professionelles BGM umzusetzen. Zum einen steigen die Erwartungen von Mitarbeitenden bezüglich Gesundheitsförderung und Work-LifeBalance. Zum anderen spüren die Unternehmen, dass die zunehmenden Belastungen in der heutigen Arbeitswelt für die Belegschaft nicht ohne Folgen bleiben. Ganzheitliche Betrachtung: Das Label Friendly Work Space berücksichtigt sechs Themenbereiche. So ergreifen immer mehr Unternehmen gesundheitsfördernde Massnahmen, wobei nicht alle gleichermassen zielführend sind. Doch was zeichnet denn eigentlich ein gutes BGM aus? Friendly Work Space, das einzige anerkannte Schweizer Qualitätssiegel für erfolgreiches BGM, bietet einheitliche Standards, an denen sich Unternehmen orientieren und messen können. Entwickelt wurde das Qualitätslabel gemeinsam von Gesundheitsförderung Schweiz und Unternehmen wie Migros, Post, SBB und Swica. Einheitliche Qualitätsstandards Die Kriterien von Friendly Work Space lassen sich in Anlehnung an die Qualitätskriterien des European Network for Workplace Health Promotion in sechs Bereiche einteilen, die zusammengenommen ein umfassendes Bild von der Qualität des BGM ergeben (siehe Abbildung). Das Modell basiert auf dem Total-QualityAnsatz der European Foundation for Quality Management (EFQM), wodurch sich die Anforderungen leicht in bestehende Qualitätsprozesse integrieren lassen und von Betrieben unterschiedlicher Branchen und Grössen angewendet werden 26 personalSCHWEIZ Juni 2016 können. Gesundheitsförderung Schweiz, eine Stiftung mit dem gesetzlich verankerten Auftrag zur Prävention, garantiert für eine neutrale Vergabestellung und gut ausgebildete Assessoren. Neben anerkannten und thematisch umfassenden Kriterien bietet das Gütesiegel Friendly Work Space praktische Umsetzungshilfen. Gesundheitsförderung Schweiz begleitet die interessierten Firmen und zeigt die Etappen auf ihrem Weg zum Label auf: «Die Firmen überprüfen in einem Self-Assessment zuerst selbst, wo sie stehen. Gewisse Firmen sind bereits reif für das Label, andere entscheiden sich, noch weiter in ihr BGM zu investieren, bevor sie sich später dem Auszeichnungsprozess stellen», sagt Andreas Wieser von Gesundheitsförderung Schweiz. Erfolgsfaktor Gesundheitsförderung Seit der Einführung von Friendly Work Space im April 2009 wurden bisher rund 60 Betriebe mit insgesamt 190 000 Mitarbeitenden ausgezeichnet. Kambly gehörte 2010 zu den ersten Unternehmen, welche die Auszeichnung erhalten ha- ben. Jürg Aemmer, Leiter Human Resources, zieht aus dem Zertifizierungsprozess ein positives Fazit: «Das Assessment bot uns die Chance, unser BGM zu bündeln und von einer kompetenten, externen Stelle im Sinne des Prozess-Regelkreises beurteilen zu lassen als Basis für weitere Verbesserungen.» Kambly misst der Gesundheitsförderung schon seit längerem grosse Bedeutung zu. Beim renommierten Feingebäckhersteller hat sich das BGM schrittweise aus dem Themenbereich Arbeitssicherheit entwickelt. «Ohne betriebliche Gesundheitsförderung kein langfristiger Unternehmenserfolg», ist Aemmer überzeugt. Seit der Zertifizierung hat das Unternehmen die Massnahmen im Bereich BGM kontinuierlich verbessert und hat mittlerweile die Re-Zertifizierung erhalten. «Wir möchten das hohe Niveau halten und dabei ständig sehr gezielt weitere Verbesserungen umsetzen», so Aemmer. Roadmap zum systematischen BGM Doch was, wenn ein Unternehmen in der Gesundheitsförderung noch ganz am Personalarbeit in der Praxis HR-Manager in der Praxis «Täglich tausende Bewerbungen» Google hat keine Probleme, den stetig wachsenden Personalbedarf in der Zürcher Niederlassung zu decken. HR-Managerin Elodie Lhuillier verrät einige Erfolgsgeheimnisse des IT-Unternehmens. Interview geführt von Ralph Hofbauer personalSCHWEIZ: Google wurde von Great Place to Work kürzlich zum vierten Mal als bester Arbeitgeber der Schweiz ausgezeichnet. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis? Elodie Lhuillier: Wir konzentrieren uns darauf, die Arbeitserfahrung für unsere Mitarbeitenden so positiv wie möglich zu gestalten und ihr eine echte Bedeutung zu geben. Konkret versuchen wir, dies durch drei Elemente unserer Kultur zu erreichen: Mission, Transparenz und Stimme. Diese drei Elemente verleihen dem Tun und Schaffen unserer Mitarbeitenden Bedeutung und motivieren sie, sinnvollen und bedeutungsvollen Tätigkeiten nachzugehen. Was ist das Besondere an der Arbeitskultur von Google? Viele Aspekte, die bei Google in puncto Arbeitskultur gut funktionieren, beschreiben wir auf unserer neuen Plattform Re:Work. Ein wichtiger Grundsatz ist beispielsweise, dass wir dem einzelnen Mitarbeitenden viele Freiheiten übergeben, was immer auch mit Verantwortung einhergeht. Wir wollen, dass die Mitarbeitenden eigenverantwortlich handeln – nach dem Grundsatz «act like an owner». Welche Rolle spielen dabei Hierarchien? 2002 haben wir in einem Eigenversuch geschaut, ob und wozu wir Führungskräfte brauchen und haben sie kurzerhand für einen grossen Teil der Mitarbeitenden abgeschafft. Schnell wurde aber klar, dass die Hierarchielosigkeit sowohl Best-Practice-Plattform Auf der neuen Plattform Re:Work gibt Google Best-Practice-Erfahrungen zu Recruiting, Management und Arbeitskultur weiter: rework.withgoogle.com die eigene Arbeit als auch die Zusammenarbeit erschwert: Mitarbeitende fanden kein Gehör mehr, vermissten die Führungskraft als Trainer, Coach, Mentor und Ressourcenbeschaffer. Daher kehrten wir nach wenigen Monaten wieder zu einer Führungsstruktur zurück und achten seit dem noch mehr auf die Führungskräfteauswahl und -entwicklung. In den letzten fünf Jahren hat sich die Belegschaft in der Zürcher Niederlassung mehr als verdoppelt. Können Sie den grossen Bedarf an Fachkräften problemlos decken? Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir täglich tausende Bewerbungen für die Stellen erhalten, die auf unserer Karrierewebsite google.com/jobs ausgeschriebenen sind. Unser Standort in Zürich entwickelt sich in der Tat sehr gut, mittlerweile ist dies unser grösstes Entwicklungszentrum ausserhalb der USA mit über 1800 Mitarbeitenden aus 75 Nationen. Neben den gut ausgebildeten Informatikabgängern bietet die Schweiz einem Unternehmen wie Google zahlreiche Vorzüge – dazu gehören die zentrale Lage in Europa, die vorzügliche Verkehrsanbindung und Infrastruktur oder auch die exzellente Lebensqualität. Welche Philosophie vertritt Google im Recruiting? Recruiting ist für uns der wichtigste Personalprozess. Deshalb führen wir strukturierte Interviews durch, die auf einem vorgegebenen Fragenmuster und Bewertungssystem beruhen, welche die Erfolgsaussichten eines Recruitingsprozesses deutlich erhöhen. Mit diesem Ansatz verfolgen wir einen Prozess, der einem mehrstufigen, konsensbasierten Ablauf folgt, und der sicherstellt, dass niemand allein entscheidet. Zudem hat sich unser Empfehlungssystem, bei dem unsere Mitarbeitenden Kandidaten für Erfolgsfaktoren bei Interviews Der Ansatz von Google bei strukturierten Interviews basiert auf vier Aspekten: • Qualitativ hochwertige Fragen, die für den Job relevant sind (keine Rätsel!). • Umfassendes Feedback zu den Antworten niederschreiben, sodass weitere Bewerter im Prozess die Antworten einfach nachvollziehen können. • Bewertung mit standardisierten Rubriken, sodass alle Bewerter im Prozess das gleiche Verständnis davon haben, wie gute, mittelmässige, bescheidene Antworten aussehen. • Interviewer sollten Recruiting-Training und Kalibrierung erhalten, sodass diese selbstbewusst und konsistent in ihren Bewertungen agieren. offene Stellen empfehlen, bewährt. So finden wir oft Leute mit Lernbereitschaft und Wissbegierde. Aber natürlich sind wir auch aktiv in der Öffentlichkeit, nicht zuletzt durch zahlreiche Vorträge, aber auch ganz spezifisch bei der Förderung der Informatikbegeisterung von Jugendlichen. Wir sehen Recruiting also als einen sehr holistischen Prozess, der weit über den Interviewprozess hinausgeht. Zur Person Elodie Lhuillier ist seit 2011 bei Google Schweiz und seit 2013 Human Resources Lead. personalSCHWEIZ Juni 2016 33 Werte & Kompetenzen Sinnorientierte Führung Orientierung geben und Sinn stiften Wer einen Sinn in seiner Arbeit sieht, arbeitet motivierter. Deshalb ist es von grosser Bedeutung, dass die Führung Sinn stiftet. Dies bedingt vor allem auch, dass Führungskräfte ihren Mitarbeitenden klare Orientierung geben. Von Matthias Hettl D ie aktuellen Herausforderungen der Mitarbeiterführung lassen sich mit den Begriffen Komplexität, Dynamik, Wissensexplosion und Informationsvielfalt beschreiben. Sie und Ihre Mitarbeitenden erleben als einzige Konstante in dieser Entwicklung die Veränderung. Dabei nimmt die subjektiv empfundene Geschwindigkeit der Veränderung zu. In einem derart dynamischen Führungsumfeld ist es nicht einfach, den Mitarbeitenden klare Orientierung zu vermitteln, denn dies setzt voraus, selber Orientierung zu haben – und dies ist die Grundvoraussetzung, um als Führungskraft Sinn stiften zu können. Friedrich Nietzsche hat einmal gesagt, dass ein Mensch alles aushält, wenn er nur den Sinn dahinter erkennen kann. Ihre Mitarbeitenden wollen von Ihnen wissen, wofür ihr Unternehmen steht und welchen Sinn ihre Arbeit hat. Sie werden Sie fragen, warum ihre Arbeit für das Unternehmen wichtig ist. Sie wollen von Ihnen wissen, wie ihr persönlicher Beitrag zum Erfolg aussieht, wohin sich die Abteilung entwickelt und ganz grundsätzlich auch, wofür die Abteilung steht. Sie müssen Ihren Mitarbeitenden das Warum ihrer Aufgabe vermitteln und ihnen damit eine für sie sinnvolle Antwort geben. Die Frage nach dem Sinn zu beantworten, ist wichtig für die Orientierung und die Identifikation, die Ihre Mitarbeitenden in ihrem Arbeitsleben suchen. Sinn gibt Motivation zum Handeln Sinn ist das, was in Ihrem Arbeitsleben und dem Ihrer Mitarbeitenden als gehaltvoll, wesentlich und wichtig erscheint. Mit der Beantwortung der Sinnfrage geben Sie sich selbst und Ihren Mitarbeitenden Handlungsanleitungen für das tägliche 36 personalSCHWEIZ Juni 2016 Ein klares Ziel vor Augen: Führungskräfte müssen Orientierung geben und Sinn stiften. Tun. Vor allem ist Sinn die Umsetzung gemeinsamer Werte als Orientierungsmassstab für Handlungen. Sie sind Leitlinien, die sich im Unternehmensleitbild und den Führungsgrundsätzen finden. Als Leader müssen Sie nicht nur wissen, wohin Ihr Unternehmen bzw. Ihr Team will, sondern auch, auf welchem Weg und nach welchen Spielregeln Sie dorthin gelangen wollen. Nur dann können Sie Ihren Mitarbeitenden die nötige Orientierung vermitteln. alles?» zu geben. Sinn kann dabei nicht verordnet werden. Sinn kann nur vom Einzelnen und in der Situation, der Aufgabe, gefunden, entdeckt und empfunden werden. Die Beantwortung der Sinnfrage ist für jeden Mitarbeitenden unterschiedlich und kann sich im Laufe der Zeit auch ändern. Der authentische und verständlich kommunizierte Sinn stiftet nicht nur Identität, sondern motiviert auch Ihre Mitarbeitenden zum zielführenden Handeln. Die Kenntnis, dass dieses wirksame Handeln zur Entstehung dessen, was man erreichen möchte, beiträgt, bietet eine stabile und vor allem dauerhafte Motivationsbasis. Deshalb ist es Ihre Aufgabe als Leader, Ihren Mitarbeitenden jeweils ihren Beitrag zum Ganzen klarzumachen. Sie müssen dafür sorgen, dass möglichst alle den «Sinn» sehen und Klarheit über ihren Auftrag haben. Sinn erfahren Sie und Ihre Mitarbeitenden auf der emotionalen Ebene durch die Wertigkeit und die Bedeutung Ihres eigenen Tuns und der Sichtbarkeit Ihres eigenen Beitrags zum Ganzen. Sie sollten Ihren Mitarbeitenden diesen Beitrag zum Ganzen verdeutlichen und selbst Ihren Beitrag dazu leisten. Die Mitarbeitenden müssen sehen, wozu sie beitragen und was ihr persönlicher Anteil daran ist. Sinn und Zweck sind nicht dasselbe Die Aufgabe eines Leaders ist es, mit dem Sinn die Antwort auf die Frage «Wozu das Während der betriebswirtschaftliche «Zweck» des Unternehmens die Gewinn-
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