leserbriefe LEITARTIKEL Ein-Spruch: „Angst, Unwissenheit und Vorurteile sind schlechte Ratgeber, sie sind der effizienteste Nährboden für Fanatismus und Radikalisierung.“ Walter Pöder, Naturns In der Zange der Populisten Nach dem Wahlsieg von Alexander Van der Bellen darf man nicht so tun, als ob nichts passiert wäre. Man muss sich damit beschäftigen, warum Rechtspopulisten so im Aufwind sind. von Alexandra Aschbacher Populisten agieren selten im luftleeren Raum. Sie proftieren von Unzufriedenheit, von der Angst vor Flüchtlingen, der Welt da draußen. W alter Blaas ist ein freundlicher Mann, „Spießbürger“, so nennt er sich gerne selbst. Populistische Sprüche gegen Ausländer zu klopfen, interessierte ihn nie so recht, er beackerte lieber konkrete Sachthemen. Inzwischen schlägt der Freiheitlichen-Obmann aber auch gerne andere Töne an. „In Südtirol ist kein Platz für islamistische Terroristen, Möchtegerngotteskrieger und Unruhestifter, die sich in den Sozialnetzen einnisten“, polterte er jüngst in einer Pressemitteilung. Oder, ein anderes Mal wettert er darüber, dass Südtirols Städte „mit der Bronx“ verglichen werden könnten und die „SVPD-Mehrheit“ die Sorgen der Bürger „in den Wind stoßen“ würden. Ähnlich Pius Leitner. Der FreiheitlichenFraktionssprecher schimpft nach der geschlagenen Bundespräsidentenwahl in Österreich über die „linke Jagdgesellschaft“, die zum „medialen und parteilichen Halali auf Hofer geblasen“ habe. Und Ulli Mair kritisiert die „roten Socken“ Achammer und Kompatscher und deren „Gutmenschenrhetorik“, sie sagt: „Die Bevölkerung wird von dieser Landesregierung demokratiepolitisch übergangen und volkstumspolitisch überfremdet.“ Die Südtiroler Freiheitlichen behaupten, so wie ihre blauen Kollegen in Österreich, im Namen des wahren Volkes zu sprechen. Die Bürger, die sie nicht unterstützen, gehören automatisch nicht zum wahren Volk. Dank Norbert Hofer und der Tatsache, dass fast 50 Prozent der österreichischen Wähler für den Rechtspopulisten gestimmt haben, erleben nicht nur die Südtiroler Freiheitlichen Auftrieb. Quer durch Europa sind Populisten auf dem Vormarsch – Marine Le Pen mit dem Front National in Frankreich, die AFD in Deutschland, Geert Wilders in den Niederlanden. Selbst in den USA hat es ein Demagoge wie Donald Trump zum Präsidentschaftskandidaten der Re- publikaner geschafft. Europas Rechte wittert eine Zeitenwende. Viele werden sich das österreichische Ergebnis ausleihen, um ihren ausländerfeindlichen und nationalen Kurs quasi zu legitimieren. Auch deshalb darf man nun, nach dem „arschknappen“ Wahlsieg von Alexander Van der Bellen nicht so tun, als ob nichts gewesen wäre. Man muss sich damit beschäftigen, warum Europa einen dermaßen großen Populismusschub erlebt. Populisten polarisieren und radikalisieren. Sie geben auf vielschichtige Probleme einfache Antworten. Nicht mehr der Konsens ist das politische Ziel, sondern der Konflikt. Populisten agieren selten im luftleeren Raum. Sie profitieren von allgemeiner Unzufriedenheit, von der Angst vor Flüchtlingen, Terroristen, der Welt da draußen. Ihr neuer Schwung hat auch mit der Bequemlichkeit des Status quo und der Lethargie der etablierten Politik zu tun, die nach wie vor gerne auf Wahrheit und Klarheit verzichtet. Die Demokratie muss, wenn man so will, wieder an sich selber erinnern. Leidenschaftlich, klar und vor allem überzeugt von sich. Sie muss wieder lernen, für sich zu werben. Manche Bürger sind inzwischen schon blind geworden für die rechten und populistischen Gefahren. Sie sehen nicht, dass unter der Oberfläche der markigen Parolen und verheißungsvollen Versprechen nicht viel Substanzielles zu entdecken ist. Die Lage ist aufgeladen, in Europa, in Österreich, auch in Südtirol. Wenn der Großteil der Gesellschaft sowie die etablierte Politik nicht bald aufwacht, gerät das demokratische System nicht nur ins Wanken, es fällt in sich zusammen. Es ist so ähnlich, wie der irische Dichter W. B. Yeats es 1919 beschrieb: „Die Welt zerfällt; die Mitte hält nicht Stand … Die Besten ohne jeden Glauben, die Schlechtesten voll Kraft und Q Leidenschaft.“ No. 22 / 2016 ® © Alle Rechte vorbehalten/Riproduzione riservata – FF-Media GmbH/Srl 7 In der Zange der Populisten Warum sind Rechtspopulisten so im Aufwind? Leitartikel von Alexandra Aschbacher in ff 22/16 Diesem sehr guten Beitrag kann (muss) voll zugestimmt werden, ich würde ihn ergänzen mit der bedauernswerten Feststellung, dass in Europa – wie auch in Südtirol – der braun-schwarze Sumpf wieder zu blubbern beginnt. Der Mensch, das angeblich intelligenteste Lebewesen auf Erden, lernt nicht aus der Geschichte, und deren Grausamkeiten beeindrucken nicht mehr. Und es werden dieselben Fehler gemacht, man verharmlost, redet schön und hat Verständnis für die Ängste in der Bevölkerung. Angst, Unwissenheit und Vorurteile sind die schlechtesten Ratgeber, sie sind bekanntlich der effizienteste Nährboden für Fanatismus und Radikalisierung. Mittagsmagazin Walter Pöder, Naturns Das Radio-Magazin mit aktuellen Tagesthemen aus Politik, Chronik, Gesellschaft und Kultur. Von Montag bis Samstag täglich ab 12.10 Uhr auf Südtirol 1, Radio Tirol, Radio Holiday, Teleradio Vinschgau, Radio Grüne Welle, Stadtradio Meran, Radio Gherdeina, Radio Gherdeina2 und Radio Nord. www.nachrichten.it No. 24 / 2016 Bienenzüchter, Boeings und Blasmusik Worum es bei der Volksabstimmung über den Flughafen wirklich ging: Leitartikel von Kurt W. Zimmermann in ff 23/16 Herr Zimmermann hat recht: Es ging bei der Flugplatzabstimmung nicht nur um 12,5 Millionen €, vielmehr darum, ob in diesem Land in Hinkunft mit öffentlichen Mitteln ein paar Betuchten und Nimmersatten teure Spielsachen gekauft werden sollen, oder ob man sich einer vernünftigen Politik zum Wohle aller befleißigen will. Die Politik darf gern mal genauer herhören. Peter Fulterer, Bozen Das Kompatscher-Referendum Die Volksbefragung über den Flughafen Bozen: Titelgeschichte in ff 23/15 Sie schreiben: „Südtirol ist gut erreichbar, vom/zum (Flughafen) München sind es nur 2,5 Stunden.“ Dieses Turboverkehrsmittel ist mir unbekannt; ich brauche derzeit leider immer noch 5 Stunden (Zug + Bahn), 4 Stunden (Zubringerdienst) oder knapp 3,5 Stunden (eigenes Auto). Das ist nicht unbedingt „gut“ erreichbar. Waldemar Kerschbaumer, Bozen Üble Dinge Die heile Welt, die uns in den Zügen vorgeführt wird, und die Zerstörung der Natur in Sulden: Warum sagt niemand etwas? Während die Benutzer der Sad- und Region-Tirol-Züge genötigt werden, auf den unzähligen Bildschirmen die heile Landschaft Südtirols (oder auch Sportevents im Trentino) über sich ergehen zu lassen, passieren mit der Idylle nicht korrespondierende, meiner Meinung nach üble Dinge. So ist in Sulden im Nationalpark letzten Herbst der letzte, immerhin große Rest Wanderweg Richtung „Waldruhe“ zerstört worden durch Anlage eines sogenannten Forstweges, unter dem Leitungen verlegt wurden. Die Suldner haben das bemerkt, auch mit Bedauern, aber nichts gesagt. Und in den Zügen flimmerte und flimmert’s, und vielen Menschen dämmert’s und dämmert’s nicht, dass sie auch einmal etwas sagen könnten, wenn der Ast, auf dem sie sitzen, abgesägt wird. Siegfried Höllrigl, Meran Magnago-Mädchen Der Kampf um einen Platz in der Partei: ff 23/16 über 50 Jahre Frauen in der SVP Sie schreiben in ihrem Artikel unter anderem: „Im Jahre 1978 ziehen drei SVPFrauen in den Südtiroler Landtag ein – Waltraud Gebert-Deeg, Rosa Franzelin, Maria Bertolini“. Das stimmt zwar, weil sie wiedergewählt wurden, aber genannte drei SVP-Frauen wurden bereits 1973 in den Südtiroler Landtag gewählt. Bei der Jubiläumsfeier wäre auch erwähnenswert gewesen, dass bereits 1964 und 1968 Frau Waltraud Gebert auf der SVP-Liste in den Landtag gewählt wurde und sofort der Landesregierung als Ersatz-Landesrätin sowohl 1964 als auch 1968 angehörte. Ab 1973 bis 1984 war sie dann effektive Landesrätin. 1984 wurde sie zur Landtagspräsidentin gewählt. Rosa Franzelin-Werth, Lana Strenger Kurs Warum es nicht so leicht ist, dem Glücksspiel beizukommen, und man trotzdem etwas dagegen tun muss Das Land zieht die Zügel straffer beim Glücksspiel. Doch des Glücksspiels wird man so leicht nicht Herr. Es ist ein sehr altes Laster des Menschen. Wie andere untersagte Dinge. Verbietet man „Lasterhaftes“, sucht es sich andere Wege und wuchert dort weiter. Dennoch ist ® © Alle Rechte vorbehalten/Riproduzione riservata – FF-Media GmbH/Srl Die Online-Umfrage auf www.ff-online.com 48 % 52 % „Verfolgen Sie die Fußball-EM?“ te von der Familie auszusiedeln (Anrecht bereits mit zweieinhalb Jahren), dann muss sie dafür wohl auch die notwendigen Voraussetzungen schaffen. Da es den Pädagoginnen vor allem um die Qualität im Kindergarten geht, hoffe ich sehr, dass ihre Anliegen ernst genommen werden, damit sie wieder mit Freude ihrer wertvollen Arbeit nachgehen und allen Kindern die nötige Aufmerksamkeit und Zuwendung schenken können. Jetzt ch vegetaris ! genießen Dori Passler Mair, Pfalzen Ja Nein Renzis Referendum ein strengerer Kurs beim Glücksspiel geboten, denn der „Wetteinsatz“ samt Verlust ist ein beträchtlicher. Allein 2015 wurden in Südtirol 590 Millionen Euro verbraten, was eindeutige Zeichen dafür sind, dass bei vielen Suchtverhalten besteht. Eine Beschränkung des Angebotes ist und bleibt jedenfalls ein guter Schritt im Kampf gegen diese Zockerei, die für viele den finanziellen und psychischen Ruin bedeutet. Thomas Malfertheiner, Bozen Die Revolte im Kindergarten Was läuft schief in Südtirols Bildungspolitik? Titelgeschichte in ff 20/16 über den Aufstand des Kindergartenpersonals Als ehemalige Gemeindereferentin für Familie und Bildung unterstütze ich die Forderungen der Kindergärtnerinnen, die kürzlich aufgrund der unerträglichen Belastungen bis vor den Landtag zogen. Seit Jahren verweisen sie mit Nachdruck auf die großen Veränderungen durch die zunehmende Zahl von Kindern mit Beeinträchtigung und Migrationshintergrund, auf deren besondere Bedürfnisse sie wegen Personalmangels nicht eingehen können. Auch den Anforderungen der vielen Wickelkinder können sie nicht gerecht werden, wobei zumindest in diesem Bereich die längst fällige Förderung der familiären Kleinkindbetreuung eine Entlastung bringen könnte. Wenn es schon das vorrangige Ziel der Landesregierung ist, immer mehr Diens- Die Reform der italienischen Verfassung und was es für eine hochwertige direkte Demokratie braucht Politik ist die Kunst des Möglichen, und die von Renzi eingebrachte Verfassungsreform ist ein Beispiel dafür. Dieser Entwurf wurde mit großer Mehrheit von Abgeordnetenkammer und Senat genehmigt (damit ist seine demokratische Legitimation gegeben), den Bürgern wird zudem die Möglichkeit geboten, bei dem im Herbst stattfindenden Referendum mit Ja oder Nein darüber abzustimmen (das hat durchaus mit direkter Demokratie zu tun). Seit Beginn der Nachkriegszeit schlägt sich die italienische Gesetzgebung mit einem Zweikammersystem herum, das sich gegenseitig oft schachmatt setzt und das Hauptursache für die viele hemmende Bürokratie und die schlecht funktionierende Justiz ist. Hochwertige direkte Demokratie setzt Zivilcourage und beteiligungsfreudige, sich selbst gut informierende Bürger voraus, dies zu erzielen, mag eine Hauptaufgabe für die Folgezeit sein. Karl Trojer, Terlan Sommerfrische Im Mittelpunkt: heimisches Lieblingsgemüse 17.06. – 24.07.2016 Leserbriefe Die Briefe in der ff sind ein freies Forum. Jeder Brief ist uns willkommen, möglichst sollten alle Platz finden. Wir bitten Sie, sich kurz zu halten. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor. Postanschrift: ff – Das Südtiroler Wochenmagazin Brennerstraße 7a, 39100 Bozen E-Mail: [email protected] Fax: 0471 304 510 www.gasthaus.it ® © Alle Rechte vorbehalten/Riproduzione riservata – FF-Media GmbH/Srl No. 24 / 2016
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