Weltkongress in Frankreich

Mende/Frankreich
Braunvieh 2/ 2016
Impression aus dem Kongress-Saal im Theater von Mende: BGS-Direktor Olivier Bulot (l.) moderiert die
Diskussion. Auf Großleinwand wurde das Podium übertragen, es konnten live Fragen gestellt werden.
Weltkongress in Frankreich
Foto: Berchtold
D
ie 10. Weltkonferenz fand in Mende
in Südfrankreich statt, 220 Fachleute aus 23 Nationen und fünf
Kontinenten nahmen daran teil. An zwei
Tagen gab es 16 Vorträge zu den Themen
›Anpassungsfähigkeit des Braunviehs‹,
›Wirtschaftlichkeit‹ sowie ›Einfluss der
Genomik‹.
Zu Beginn bekam man einen Eindruck
über die sehr unterschiedliche Art der
Milchviehhaltung in den verschiedenen
Regionen der Welt. Robbie Radel von
›Mountain View Brown Swiss‹ berichtete
über die große Bedeutung der Hitzetoleranz in Aus­traliens Milchviehherden.
»Auch wenn die Rasse
ursprünglich aus der
Schweiz kommt und
somit im Schnee gezüchtet wurde, ist sie
sehr erfolgreich bei extremer Hitze«, berichtete er.
Robbie Radel
Radel hält 300 Milchkühe mit reinem Weidebetrieb in einer
Region, die von Dürre und Überflutungen,
sowie Kälte und ex­tremer Hitze gekennzeichnet ist. Die Temperatur schwankt
zwischen 0 °C im Winter und etwa + 50 °C
im Sommer. Braunvieh komme mit der
Hitze eindeutig besser zurecht als Kühe
der lokalen Rasse Illawarra oder der Holstein-, Jersey- und Rotviehkreuzungen.
Die Hitzeresistenz sei einer der wichtigs-
ten Gründe für die zunehmende Beliebtheit von Braunvieh
in Australien.
Aurélien Michel
von der Besamungsstation Origenplus referierte über die Kombination von Genotypisierung bei Rindern und dem Einsatz von gesextem Sperma. Um wieviel
schneller kommt ein Betrieb voran, wenn
er beide Techniken nutzt? Als Beispiel
wurden alle 20 Rinder eines Jahrgang in
einem Praxisbetrieb analysiert. Ihr durchschnittlicher traditioneller Ahnendinex
ohne Genomik liegt
bei Gesamtzuchtwert
ISU 148 (ISU trad), ihr
genomischer ISU (ISU
gen) bei 151, also drei
Punkte höher. Allerdings lagen die genomischen Rinder auf den
Aurélien Michel
Plätzen eins bis drei,
konventionell nur auf den Rängen sieben,
neun und zehn. Die drei konventionell
besten Rinder sind genomisch nur noch
auf den Rängen acht, zehn und 15 zu finden. Interessant wäre noch, welche drei
tatsächlich die besten Kühe werden.
Auf Basis dieser Untersuchung stellte
Michel verschiedene Modelle vor. Die erste Variante ist die klassische: alle 20 Rinder
werden mit Stieren mit ISU 160 besamt,
Foto: Berchtold
Alle vier Jahre trifft sich die Braunviehwelt, um Fachvorträge zu aktuellen
Fragen zu hören und zu diskutieren. Die drei Themen in diesem Jahr
waren ›Anpassungsfähigkeit‹, ›Wirtschaftlichkeit‹ und ›Genomik‹.
Foto: BGS
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heraus kommen zehn Kuhkälber mit
durchschnittlich ISU trad 154.
Bei Variante zwei werden die zehn Rinder mit dem höchsten ISU trad gesext besamt, die Anzahl Kuhkälber erhöht sich auf
14 (+ 4), der durchschnittliche ISU auf 155
(+ 1). Wenn man die zehn besten genomischen Rinder gesext besamt,
hat man ISU 157 (+ 3) bei
14 Kuhkälbern. Michel kalkulierte 25 Euro Mehrkosten/Dose für gesextes Sperma
(zwei Besamungen pro Trächtigkeit) sowie
45 Euro pro Typisierung in Frankreich. Auf
der Habenseite stehen Mehreinnahmen
durch bessere Kühe (5 Euro pro Laktation und ISU-Punkt) und ein vermehrter
Zuchtviehverkauf. Unterm Strich bleibe
dem Betrieb ein Überschuss von einigen
hundert Euro, er bekomme also die genetisch wertvolleren Tiere zum Nulltarif oder
mit einem leichten Plus in den Betrieb.
Einen richtigen Sprung im ISU gibt es,
wenn alle Rinder genotypisiert und die
beiden besten über ET genutzt werden,
die anderen Rinder dienen dann als Empfänger. Während die 14 Rinder, die in der
zuletzt genannten Variante ein Kuhkalb
brachten, einen durchschnittlichen ISU
gen von 154 hatten, liegen die beiden besten Rinder (ET-Spender) bei ISU 165.
Michels Varianten ließen sich erweitern,
zum Beispiel durch ET mit gesextem Sperma der besten ISU gen-Rinder, die auch
im Exterieur gut sind, und Besamung der
nicht als Empfänger benötigten Rinder
mit männlichem Sperma einer Fleischrasse. Kalkuliert wurden diese Varianten im
Rahmen des Projektes nicht.
Mende/Frankreich
Manuel Valls und Jungzüchter
Den hohen Stellenwert der Landwirtschaft in Frankreich bekräftigte der Besuch
von Premierminister Manuel Valls in Mende, er ist nach Staatspräsident Hollande
der ranghöchste Politiker Frankreichs.
»Wir sind stolz auf unserer Land und unsere Landwirtschaft«, betonte Valls. Auch
die Preismisere sprach er an und nannte
die Notwendigkeit einer Marktregulierung, wobei es hier nicht um die staatliche
Kontingentierung gehe. Einer ultraliberalen Sichtweise, die nur auf Konkurrenz
basiere, erteilte er eine Absage, sie töte
die Landwirtschaft. Vielmehr müsse ein
geeigneter Rahmen geschaffen werden,
unter dem der Handel mit Agrarprodukten stattfindet.
Foto: Berchtold
Mehr zu den Vorträgen in der nächsten
Ausgabe. Wünschenswert wäre, wenn bei
solchen Kongressen noch offener über die
aktuellen Herausforderungen diskutiert
und nach Lösungen gesucht werden würde. Sehr positiv waren die Stunden zwischen und nach den Vorträgen. Die persönlichen Gespräche sind unverzichtbar.
Premierminister Manuell Valls ist nach Staatspräsident
Hollande der ranghöchste Politiker in Frankreich.
Am Rande der Weltkonferenz fand zudem ein europäischer Jung-Preisrichterwettbewerb statt. Die Teilnehmer hatten
zwei Kuhgruppen zu rangieren und eine
zu kommentieren.
Gewinner wurde Raphael Fink aus Thalkirchdorf im Oberallgäu/Deutschland.
Der zweite Platz ging nach Frankreich an
Pierre Barbut und Dritter wurde Philipp
Dahinten aus Luzern in der Schweiz, der
bereits den Rangierungswettbewerb beim
Junior Contest gewann.
Beim Rinderwettbewerb gab es einen
Doppelerfolg für Greenwich, seine Töchter Julu Maie und Joyeuse belegten den
ersten und den zweiten Platz.
JB
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Foto: Heinzler/RBW
Braunvieh 2/ 2016
Raphael Fink (vorne) wurde Sieger beim europäischen
Jung-Preisrichterwettbewerb. Mit ihm freuten sich die
Braunviehkönigin Bianca Traut (l.) und Roman Waibel.
Im Hintergrund die Kathedrale von Mende.
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