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Bahnprojekte in Ägypten nehmen Fahrt auf
Eisenbahnnetz vor der Erweiterung und Modernisierung / Baupläne für die Metro in Kairo und Alexandria / Von
Oliver Idem
Kairo (GTAI) - Die staatliche Eisenbahn Ägyptens investiert in die Modernisierung und den Ausbau des
Schienennetzes und beschafft neue Waggons. Bei der Metro in Kairo steht die Ergänzung um vier weitere Linien
an. Die Pläne bringen Aufträge für ausländische Anbieter mit sich. Aufgrund der geringen Fahrpreiseinnahmen
werden Investitionen häufig durch internationale Geber und aus dem ägyptischen Staatshaushalt finanziert.
(Internetadressen)
Mit etwa 1,5 Millionen Fahrgästen und 16.500 t Gütern täglich ist die ägyptische Staatsbahn ein wichtiges
Transportmittel im Land. Sowohl das Wachstum der Bevölkerung als auch der Wirtschaftsleistung lassen künftig
eine starke Nachfrage erwarten. Mit dem zweitältesten Bahnnetz nach dem britischen verfügt Ägypten
gleichermaßen über Tradition und Sanierungsbedarf. Der Global Competitiveness Index 2014 bis 2015 bescheinigte
der ägyptischen Eisenbahninfrastruktur einen durchschnittlichen Zustand: Das Land erreichte Rang 78 unter 144
Staaten.
Der Erneuerungsbedarf bildet sich in der Haushaltsentwicklung der Egyptian Railway Authority ab. Im Finanzjahr
1.7.15 bis 30.6.16 plante die Behörde mit Mitteln von knapp 1,3 Mrd. Euro. Noch in der Vorperiode hatte das
Budget lediglich 590 Mio. Euro betragen. Der Chef der Behörde beklagte in der Presse den maroden Zustand von
Zügen, Bahnhöfen und Anlagen. Mitte 2015 veranschlagte die Staatsbahn, dass von ihren 712 Lokomotiven und
rund 3.000 Waggons die Hälfte überholt oder ersetzt werden müsse. Bei der aus 11.000 Waggons bestehenden
Frachtflotte waren nur etwa 6.000 Wagen einsatzfähig.
Ein Teil der Modernisierungen entfällt auf die Kommunikations- und Signaltechnik, auch um die
Betriebssicherheit zu verbessern. In der Vergangenheit kam es mehrfach zu schweren Unfällen an
Bahnübergängen. Anschläge auf Bahnstrecken wurden hingegen seit Mitte Januar 2016 nicht mehr gemeldet.
Zwischen 2013 und 2016 hatten sich Bombenanschläge und Sabotageakte gehäuft. Allein in der ersten
Februarhälfte 2015 wurden elf Angriffe auf das Bahnnetz bekannt.
Planungen für Untergrundbahnen in Kairo und Alexandria laufen
Die Metro in Kairo wird derzeit von etwa 3,5 Millionen Fahrgästen pro Tag genutzt. Die aus zwei Linien
bestehende Bahn wird durch eine dritte Strecke ergänzt, die sich derzeit im Bau befindet. Insgesamt soll das Netz
auf sechs Linien anwachsen. Voraussichtlich wird auch die zweitgrößte Stadt Alexandria eine Untergrundbahn
erhalten. Dort verkehren bislang nur Straßenbahnen.
Das bestehende Metrosystem in Kairo erfordert Investitionen. Um die Zugfrequenz steigern zu können, sind
Arbeiten an der Signaltechnik und zur Automatisierung notwendig. Zudem ist die Anschaffung von weiteren
Waggons für die Linie 2 geplant.
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Bahnprojekte in Ägypten nehmen Fahrt auf
Ausgewählte Schienen- und Bahninfrastrukturprojekte in Ägypten
Projektbezeichnung
Investitionssumme
(in Mio. US$)
Projektstand
Anmerkung
Hochgeschwindigkeitszug
Alexandria-Assuan
9.000
Abschnitte Alexandria-Kairo,
Kairo-Luxor und Luxor-Assuan
in der Studienphase
Projektträger:
Ministry of
Transport (MoT)
Metrolinie 3 in Kairo
4.620
Durchführung Phase 3
inklusive elektromechanischer
Arbeiten und Phase 4 inklusive
Signalsysteme
Projektträger:
National
Authority for
Tunnels (NAT)
Hochbahn Gizeh-6th of
October City
4.500
Skytrain mit zehn Bahnhöfen
und 35 km Fahrstrecke
Initiative von
Bombardier
Metro Alexandria
3.000
Studienphase, erste geplante
Linie Misr Station-Abu Qir
Projektträger:
MoT
Metrolinie 6 in Kairo
2.800
Studienphase
Projektträger: NAT
Einschienenbahn Greater
Cairo
2.500
Angebotsauswertung
Projektträger:
MoT
Bahnprojekt LuxorHurghada
2.500
Studienphase
Projektträger:
MoT
Metrolinie 5 in Kairo
1.800
Studienphase
Projektträger: NAT
Sanierungsprogramm
1.800
Durchführung in Alexandria,
Beni Suef und Banha
Projektträger:
Egyptian National
Railways (ENR)
Bahnprojekt Ain
Shams-10th of Ramadan
800
Durchführung
Projektträger:
MoT
Ertüchtigung der Bahnlinie
Tanta-Damietta
350
Projektdesign
Projektträger: ENR
Sanierung der Bahnlinie
Luxor-Assuan
180
Studienphase
Projektträger: ENR
Quellen: MEED-Projects (Juni 2016); Pressemeldungen
Bahnprojekte benötigen ausländische Technik und Expertise
Siemens hat sich einen Auftrag der ägyptischen Bahn zur Modernisierung von 260 km Schienennetz gesichert.
Konkret geht es um Signaltechnik, Bahnübergänge und Kommunikationstechnik. Mechanische Stellwerke werden
auf zentral kontrollierte umgestellt und der Leitstand in Zagazig ausgerüstet. Der Zuschlag für die dritte
Bauphase der Metrolinie 3 in Kairo ging im Mai 2016 an ein Konsortium aus Orascom Contractors, Vinci, Bouygues
und Arab Contractors. Die Zusammenarbeit lokaler Bauunternehmen mit ausländischen Firmen ist üblich.
Insbesondere bei komplexen Aufgaben kommt die Expertise internationaler Anbieter zum Zuge. Die ägyptischen
Schienenprojekte wecken mittlerweile auch das Interesse chinesischer Unternehmen. Für den Bau der Metrolinie 6
in Kairo unterzeichnete das Verkehrsministerium im Januar 2016 eine Absichtserklärung mit der China Railway
Construction Corporation.
Die Waggonflotte der Metrolinie 2 in Kairo wird voraussichtlich um 13 Züge ergänzt. Diesbezüglich verhandelte
die Ministerin für internationale Kooperation im Mai 2016 mit der EBRD. Der französische Bahnkonzern Alstom
soll laut einem Pressebericht den Bau einer Fabrik für Metrowaggons prüfen. Polnische Investoren nehmen
ebenfalls Möglichkeiten unter die Lupe, Wagen für Untergrund- und Straßenbahnen in Ägypten herzustellen. Eine
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Kooperation des spanischen Bahnkonzerns Talgo mit der ägyptischen Bahn beim Bau von Integrated Mobile Units
und neuen Schnellzuglinien ist Gegenstand einer Absichtserklärung von März 2016. Das Unternehmen SEMAF aus
Kairo fertigt bereits Personen- und Güterwagen, Straßenbahn- und Metrowaggons und Fahrwerke. SEMAF gehört
zur Arab Organization for Industrialization.
Notwendige Investitionen können nur mühsam finanziert werden
Sowohl die ägyptische Eisenbahn als auch die Metro in Kairo fährt Defizite ein. Zwar sind die Transportleistungen
sehr gefragt, doch erschweren die stark subventionierten Fahrpreise die Deckung der Kosten. Im Finanzjahr 1.7.14
bis 30.6.15 nahm beispielsweise die Staatsbahn 210 Mio. Euro ein, während die Ausgaben 700 Mio. Euro
erreichten. Auch der Preis eines Metrotickets in Kairo von 0,10 Euro deckt laut Schätzungen nur 11 bis 14% der
Kosten. Zudem kann von einem erheblichen Anteil an Schwarzfahrern ausgegangen werden. Die Mehrzahl der
Ägypter ist auf niedrige Fahrpreise angewiesen, um sich die Transportmittel überhaupt leisten zu können und
Preiserhöhungen sind entsprechend sehr unpopulär.
In der Konsequenz kommen die Anbieter nicht ohne staatliche Gelder oder ausländische Unterstützung aus, um
den Betrieb und erst recht den Ausbau der Bahnen zu finanzieren. Das ägyptische Parlament beschloss im
Frühjahr 2016 die Bereitstellung von 126 Mio. Euro für die Erneuerung des Schienennetzes. Das Finanzministerium
sorgt auch für den Großteil der Haushaltsmittel der staatlichen Bahngesellschaft. Eine Zusammenarbeit mit dem
Privatsektor findet zum Beispiel in Form des Build-Operate-Transfer-Modells (BOT) beim Bahnprojekt Ain
Shams-10th of Ramadan statt.
Im April 2016 wurde bekannt, dass das Verkehrsministerium über einen Kredit der Weltbank in Höhe von 400 Mio.
US$ verhandelte. Das Geld soll für Steuerungssysteme und zur Erneuerung von Schienenstrecken eingesetzt
werden. Für die erste Phase der Metrolinie 4 in Kairo prüft die japanische Entwicklungsagentur JICA, einen Kredit
über 393 Mio. US$ zu gewähren. Ungarn beabsichtigt, Ägypten bei der Beschaffung von 700 Eisenbahnwaggons
mittels eines Kredits von 900 Mio. Euro zu unterstützen.
Internetadressen
Ministry of Transport
Internet: http://www.mot.gov.eg
National Authority for Tunnels
Internet: http://www.nat.org.eg
Egyptian National Railways
Internet: https://enr.gov.eg
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