5. Das Black–Scholes

5. DAS BLACK–SCHOLES-MODELL
5.
41
Das Black–Scholes-Modell
Wir arbeiten auf einem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, F, IIP) mit einer Brownschen
Bewegung W auf dem Interval [0, T ] und der natürlichen Filtration {Ft }. Wir nehmen der Einfachheit halber an, dass F = FT .
Wir betrachten nun einen Markt, in dem ein risikofreier Aktiv S 0 existiert, der
der Differentialgleichung
dSt0 = rSt0 dt
genügt. Wir setzen S00 = 1. Dann gilt St0 = ert . Im weiteren gibt es einen riskanten
Aktiv S, der die stochastische Differentialgleichung
dSt = σSt dWt + µSt dt
erfüllt. Da man normalerweise eine Prämie für das Risiko bezahlt, können wir annehmen, dass µ > r. Dies ist aber für unsere Betrachtungen ohne Bedeutung. Wir
nehmen an, dass S0 > 0.
Wir können die Gleichung durch St teilen und dadurch die Variable St von den
Variablen t und Wt separieren. Im Falle einer klassischen Differentialgleichung würde
man dann eine Lösung für log St erhalten. Wir betrachten daher den Prozess Yt =
log St . Da wir nicht wissen, dass St > 0, stoppen wir zuerst den Prozess zur Zeit
τε = inf{t : St < ε. Aus der Itô-Formel schliessen wir für t ≤ τε
1
1 2
1
2
µSt − 21
σ
(S
)
dt = σ dWt + (µ − 21 σ 2 ) dt .
dYt = σSt dWt +
t
St
St
(St )2
Diese Gleichung ist nun einfach zu lösen, Yt = Y0 + σWt + (µ − 21 σ 2 )t, und daher
St = S0 exp{σWt + (µ − 21 σ 2 )t} .
Insbesondere gilt die Formel auch, wenn wir ε → 0 gehen lassen. Wir müssen somit
nicht in τε stoppen. Wir sehen, dass St lognormal verteilt ist.
Wir wollen nun den Begriff “selbstfinanzierend” auf das Black–Scholes Modell
übertragen. Ein Portfolio ist ein Prozess {φt } = {(φ0t , φt )}, der angibt wieviele
Einheiten des risikolosen und des riskanten Aktivs man zur Zeit t hält. Der Wert
des Portfolios ist dann
Vt = φ0t St0 + φt St .
Selbstfinanzierend bedeutet ja, dass man weder Geld konsumiert, noch Geld dazufügt, also
dVt (φ) = φ0t dSt0 + φt dSt .
42
5. DAS BLACK–SCHOLES-MODELL
Rt
Die stochastischen Integrale auf der rechten Seite sind wohldefiniert, falls 0 |φ0s | ds <
Rt
∞ und 0 (φs )2 ds < ∞. Wir brauchen also die folgende Definition.
Definition 5.1. Eine selbstfinanzierende Strategie ist ein adaptierter Prozess
φ, so dass
Z T
(|φ0t | + (φt )2 ) dt < ∞ ,
i)
0
φ0t St0
ii)
+ φt St =
φ00 S00
Z
+ φ0 S0 +
t
φ0s
dSs0
Z
0
0
für alle t ∈ [0, T ].
t
φs dSs
+
Betrachten wir die diskontierten Prozesse S̃t0 = 1 und S̃t = e−rt St , sowie den diskontierten Wert Ṽt (φ) = e−rt Vt (φ). Dann können wir die Definition wie folgt schreiben.
Hilfssatz 5.2. Sei φ ein adaptierter Prozess, so dass
ist genau dann selbstfinanzierend, wenn
Z t
Ṽt (φ) = V0 (φ) +
φs dS̃s .
RT
0
(|φ0t | + (φt )2 ) dt < ∞. φ
0
Beweis.
Sei φ selbstfinanzierend. Dann gilt
dṼt (φ) = −rṼt (φ) dt + e−rt dVt (φ) = −r(φ0t S̃t0 + φt S̃t ) dt + e−rt (φ0t dSt0 + φt dSt )
= φ0t dS̃t0 + φt dS̃t = φt dS̃t .
Die Umkehrung folgt ähnlich.
Wir konstruieren nun ein äquivalentes Mass.
Proposition 5.3. (Girsanovs Theorem) Sei L = exp{−(µ − r)WT /σ − 12 (µ −
r)2 T /σ 2 }. Definieren wir das äquivalente Mass IIP∗ [A] = IIE[L1IA ] auf FT . Dann
ist Wt∗ = Wt + (µ − r)t/σ für 0 ≤ t ≤ T eine Brownsche Bewegung unter IIP∗ .
Insbesondere ist {S̃t } ein Martingal unter IIP∗ .
Beweis.
Der Prozess {Wt∗ } ist stetig und W0∗ = 0. Der Prozess
Lt = exp{−(µ − r)Wt /σ − 12 (µ − r)2 t/σ 2 } = IIE[L | Ft ]
ist ein IIP-Martingal. Für A ∈ Ft gilt dann IIP∗ [A] = IIE[Lt 1IA ], siehe (D.1), und
IIP∗ [A | Fs ] = IIE[Lt 1IA | Fs ]/Ls für s ≤ t, siehe (D.2).
5. DAS BLACK–SCHOLES-MODELL
43
Betrachten wir nun einen Zuwachs von {Wt∗ }. Dann gilt für β ∈ IR, 0 ≤ t <
t + s ≤ T und θ = (µ − r)/σ,
∗
IIE∗ [exp{β(Wt+s
− Wt∗ )} | Ft ]
= IIE[exp{β(Wt+s − Wt + θs) − θ(Wt+s − Wt ) − 21 θ2 s} | Ft ]
= IIE[exp{(β − θ)(Wt+s − Wt )}] exp{(βθ − 21 θ2 )s}
= exp{ 12 (β − θ)2 s + (βθ − 12 θ2 )s} = exp{ 12 β 2 s} .
∗
− Wt∗ unabhängig von Ft und normalverteilt
Wir haben somit gezeigt, dass Wt+s
mit Mittelwert 0 und Varianz s ist. Daher ist W ∗ eine Brownsche Bewegung.
Da
S̃t = S0 exp{σWt + (µ − 12 σ 2 − r)t} = S0 exp{σWt∗ − 21 σ 2 t} ,
folgt sofort, dass S̃ ein IIP∗ -Martingal ist.
Definition 5.4. Eine Strategie φ heisst zulässig, falls sie selbstfinanzierend ist,
und Vt (φ) ≥ 0 für alle t oder IIE∗ [(supt Vt (φ))2 ] < ∞. Ein Strategie φ heisst Arbitrage, falls sie zulässig ist, V0 (φ) = 0, VT (φ) ≥ 0 und IIP[VT (φ) > 0] > 0.
Im diskreten Fall genügte es anzunehmen, dass VT (φ) ≥ 0. Falls es keine Arbitrage
gab, war dann automatisch Vt (φ) ≥ 0 für alle t. Dies ist hier nicht mehr der Fall.
Beispiel 5.5. Das Startkapital sei V0 (φ) = 0, und wir definieren dann folgende
1
Strategie: φt = (1 − t)− 2 1Iτ >t /S̃t , wobei τ = inf{t > 0 : Ṽt (φ) > 1}. Wir haben
Z t
Z t
Z t∧τ
1
∗
φs dS̃s = σ
φs S̃s dWs = σ
(1 − s)− 2 dWs∗ .
Ṽt (φ) =
0
0
0
Rt
Wir setzen θt = 0 φ2s S̃s2 ds = − log(1 − (t ∧ τ )). Wir wählen {φ0t } so, dass die
Strategie selbstfinanzierend wird. Die Strategie ist wohldefiniert, falls τ < 1. Es ist
einfach zu zeigen, dass V1−e−t (φ) eine standard Brownsche Bewegung ist. Daher ist
IIP∗ [τ < 1] = 1 = IIP[τ < 1] und die Strategie ist wohldefiniert. Da Ṽ1 (φ) = 1, hätten
wir eine Arbitrage, falls wir nur verlangen würden, dass V1 (φ) ≥ 0.
Das folgende Resultat ist oft nützlich.
Satz 5.6. (Martingal-Repräsentationstheorem) Sei {Ft } erzeugt durch die
W
Brownsche Bewegung W , und F = t≥0 Ft . Sei M ein quadratisch integrierbares
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5. DAS BLACK–SCHOLES-MODELL
Martingal (das heisst, supt≥0 IIE[Mt2 ] < ∞). Dann gibt es einen adaptierten Prozess
R∞
{Ht } mit IIE[ 0 Ht2 dt] < ∞, so dass
Z
Mt = M0 +
t
Hs dWs .
0
Bemerkung. Es ist hier wichtig, dass die Filtration nur durch die Brownsche
Bewegung erzeugt wird.
Satz 5.7. Im Black–Scholes-Modell gibt es keine Arbitrage.
Beweis.
Sei φ eine zulässige Strategie mit V0 (φ) = 0 und VT (φ) ≥ 0. Dann ist
Z t
Z t
Ṽt (φ) = V0 (φ) +
φs dS̃s = V0 (φ) +
φs σ S̃t dWs∗
0
0
ein lokales IIP∗ -Martingal. Nehmen wir die quadratische Integrierbarkeit an. Dann
folgt, dass {Ṽt (φ)} ein IIP∗ -Martingal ist. Wir haben 0 = V0 (φ) = IIE∗ [ṼT (φ)]. Nehmen wir die Positivität an. Dann ist {Ṽt (φ)} ein Supermartingal (Hilfssatz C.14).
Also erhalten wir
0 = V0 (φ) ≥ IIE∗ [ṼT (φ)] ≥ 0 .
Somit IIP∗ [ṼT (φ) = 0] = 1. Da IIP und IIP∗ äquivalent sind, gilt auch IIP[ṼT (φ) = 0] =
1. Somit gibt es keine Arbitrage.
Wie im diskreten Fall nennen wir h = f (S) einen bedingten Anspruch, wobei
f : IR[0,T ] → IR+ ein positives Funktional ist. Der Einfachheit halber wird h im
Zeitpunkt T ausbezahlt.
Satz 5.8. Im Black–Scholes-Modell ist jeder bedingte Anspruch h mit der Eigenschaft IIE∗ [h2 ] < ∞ reproduzierbar, das heisst, es gibt ein zulässiges Portfolio φ, so
dass VT (φ) = h. Der Wert dieses Portfolios (und damit der Preis) ist gegeben durch
Vt (φ) = IIE∗ [e−r(T −t) h | Ft ] .
Beweis.
Da
Ṽt (φ) = IIE∗ [e−rT h | Ft ]
5. DAS BLACK–SCHOLES-MODELL
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ein quadratisch integrierbares Martingal ist, gibt es nach dem RepräsentationstheoRt
rem einen Prozess H, so dass Ṽt (φ) = V0 (φ)+ 0 Hs dWs∗ . Setzen wir φt = Ht /(σ S̃t ),
lässt sich φ0t konstruieren, so dass φ eine selbstfinanzierende Strategie ist. Es gilt
Rt
Rt
Rt
φ dS̃s = 0 Hs dWs∗ . Wegen der quadratischen Integrierbarkeit, ist { 0 φs dS̃s }
0 s
ein Martingal. Wir haben dann
VT (φ) = erT ṼT (φ) = erT IIE∗ [e−rT h | FT ] = h ,
das heisst, dass h reproduzierbar ist. Aus der Martingaleigenschaft folgt
Vt (φ) = ert Ṽt (φ) = ert IIE∗ [e−rT h | Ft ] = IIE∗ [e−r(T −t) h | Ft ] .
Da damit Vt (φ) ≥ 0, ist die Strategie zulässig.
Falls h = f (ST ), haben wir Vt (φ) = e−r(T −t) IIE∗ [f (ST ) | Ft ]. Da ST lognormalverteilt ist, erhalten wir
Z ∞
√
1
2
−r(T −t)
Vt (φ) = e
f (St exp{σz T − t + (r − 21 σ 2 )(T − t)}) √ e−z /2 dz
2π
−∞
Z ∞
1 2
n
−r(T −t)
[v − log St − (r − 2 σ )(T − t)]2 o
e
f (ev ) exp
dv . (5.1)
= p
2σ 2 (T − t)
σ 2π(T − t) −∞
Wir sehen, dass Vt (φ) = f (t, St ) für eine Funktion f : IR2+ → IR+ . Setzen wir
d1/2 =
log x/K + (r ± 21 σ 2 )(T − t)
√
,
σ T −t
erhalten wir die sogenannte Black–Scholes-Formel. Eine einfache Rechung ergibt für
die Call Option f (ST ) = (ST − K)+ den Wert der Strategie
f (t, x) = xΦ(d1 ) − Ke−r(T −t) Φ(d2 ) .
Die Put-Option f (ST ) = (K − ST )+ hat den Wert
f (t, x) = Ke−r(T −t) Φ(−d2 ) − xΦ(−d1 ) .
Mit Φ(x) bezeichnen wir die Verteilungsfunktion der Standard-Normalverteilung.
Der Erfolg der Black–Scholes-Formel rührt daher, dass der Driftparameter µ
keine Rolle spielt. Es spielt also keine Rolle, was der einzelne Agent glaubt. Man
braucht nur die Volatilität σ zu schätzen. Das macht man normalerweise, in dem
man σ aus historischen Daten schätzt. Eine andere Möglichkeit wäre, Optionspreise
in die Black–Scholes-Formel einzusetzen, und dann nach σ aufzulösen.
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5. DAS BLACK–SCHOLES-MODELL
Setzt man Optionspreise in die Black–Scholes-Formel ein, dann heisst das erhaltene σ implizierte Volatilität. Man kann sich jetzt verschiedene Laufzeiten
der Option ansehen. Es stellt sich heraus, dass sich die implizierte Volatilität mit
der Laufzeit ändert. Verbindet man die Punkte, erhält man eine konvexe Kurve.
Man kann sich die implizierte Volatilität auch als Funktion des Ausübungspreises
K ansehen. Auch hier erhält man eine konvexe Kurve. Diese Kurve nennt man
Volatility-Smile. Der Grund dafür ist, dass das Black–Scholes-Modell nicht ganz
der Realität entspricht. Es gibt (wenige) Tage, wo die Börse grosse Sprünge macht.
Im weiteren ist die Volatilität nicht konstant. Für diese Unsicherheiten verlangt der
Markt auch eine Prämie.
Nehmen wir an, dass Vt (φ) = f (t, St ), und dass f (t, x) zweimal stetig nach x
differenzierbar ist, und einmal stetig nach t. Dies ist der Fall, wenn h = f (ST ),
wie man aus (5.1) erkennen kann. Setzen wir f˜(t, x) = f (t, xert )e−rt . Dann ist der
diskontierte Wert des bedingten Anspruchs
Ṽt (φ) = f˜(t, S̃t ) .
Aus der Itô-Formel schliessen wir dann
Z t
Z t
∗
[f˜t (s, S̃s ) + 12 σ 2 S̃s2 f˜xx (s, S̃s )] ds .
σ S̃s f˜x (s, S̃s ) dWs +
f˜(t, S̃t ) = V0 +
0
0
Da Ṽt (φ) ein Martingal unter IIP∗ ist, muss der Teil mit der beschränkten Variation
verschwinden. Also gilt
Z t
Z t
∗
σ S̃s f˜x (s, S̃s ) dWs = V0 +
f˜x (s, S̃s ) dS̃s .
f˜(t, S̃t ) = V0 +
0
0
Aus Hilfssatz 5.2 schliessen wir, dass die Strategie φt = f˜x (t, S̃t ) = fx (t, St ) selbstfinanzierend ist. Sie reproduziert aber auch den (diskontierten) Wert des bedingten
Anspruchs. Die Anzahl Einheiten, die wir in den risikolosen Aktiv investieren, ist
daher
φ0t = (f (t, St ) − f˜x (t, St e−rt )St )e−rt = (f (t, St ) − fx (t, St )St )e−rt .
Für die europäische Call-Option erhalten wir φt = Φ(d1 ) und φ0t = −Ke−rT Φ(d2 ).
Für die europäische Put-Option erhalten wir φt = −Φ(−d1 ) und φ0t = Ke−rT Φ(−d2 ).
In der Praxis nennt man fx (t, St ) “delta”, und die zweite Ableitung fxx (t, St )
“gamma”. Die Grösse gamma ist ein Mass, wie schnell man Aktien kaufen oder
verkaufen muss, wenn sich der Aktienpreis ändert. Da man in der Praxis Administrationskosten und Steuern bezahlen muss, möchte man gerne ein kleines gamma
5. DAS BLACK–SCHOLES-MODELL
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haben. Mit “theta” bezeichnet man ft (t, St ), was zusammen mit gamma ein Mass
ist, wie schnell man den risikolosen Aktiv kaufen oder verkaufen muss, siehe (6.1).
Als letzte Grösse hat man df (t, St )/dσ, die Ableitung bezüglich der Voltilität, definiert. Diese Grösse nennt man “vega”. Vega ist ein Mass, wie sensitiv der Preis
hinsichtlich der Volatilität ist. Da man σ schätzen muss, ist vega das Risiko, das
man eingeht, wenn man ein “falsches” σ für die Preisberechnung benutzt.
Betrachten wir nun eine amerikanische Option. Das ist, die Auszahlung wird
durch einen positiven Prozess {ht } bestimmt. Der Halter der Option kann eine
Stoppzeit τ ≤ T bestimmen, und erhält dann den Betrag hτ . In diskreter Zeit
haben wir gesehen, dass der Preis der amerikanischen Option mit einem optimalen
Stoppproblem zusammenhängt. Weiter haben wir gesehen, dass, falls der Halter der
Option nicht optimal stoppt, der Verkäufer der Option einen Gewinn macht. Dieser
Gewinn kann aus dem Portfolio herausgenommen werden, was wir als Konsum von
Kapital interpretieren können.
Definition 5.9. Eine Handelsstrategie mit Konsum ist ein adaptierter ProRT
zess φ, so dass 0 (|φ0t | + φ2t ) dt < ∞ und
Z t
Z t
0
0
0 0
0 0
φs dSs − Ct ,
φs dSs +
φt St + φt St = φ0 S0 + φ0 S0 +
0
0
wobei C ein adaptierter wachsender Prozess mit C0 = 0 ist.
Wir betrachten den Spezialfall ht = ψ(St ), wobei ψ(x) eine lineare obere Schranke
ψ(x) ≤ A + Bx hat, für ein A, B ≥ 0. Wir suchen jetzt eine Strategie φ, so dass
Vt (φ) ≥ ψ(St ) für alle t.
Wie im diskreten Fall bezeichnen wir mit Tt die Klasse der Stoppzeiten mit
Werten in [t, T ].
Satz 5.10. Sei
f (t, x) = sup IIE∗ [e−r(τ −t) ψ(x exp{(r − 12 σ 2 )(τ − t) + σ(Wτ∗ − Wt∗ )})] .
τ ∈Tt
Dann gibt es eine Strategie φ, so dass Vt (φ) = f (t, St ) ≥ ψ(St ). Ist φ0 eine Strategie
mit Konsum mit der Eigenschaft, dass Vt (φ0 ) ≥ ψ(St ), dann gilt Vt (φ0 ) ≥ Vt (φ).
Beweis. Wählen wir die Stoppzeit τ = t, sehen wir dass f (t, St ) ≥ ψ(St ). Da
Ts ⊂ Tt für t ≤ s ≤ T , haben wir für jede Stoppzeit τ ∈ Ts ,
f (t, St )e−rt ≥ IIE∗ [e−rτ ψ(Sτ ) | Ft ] = IIE∗ [IIE∗ [e−rτ ψ(Sτ ) | Fs ] | Ft ] .
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5. DAS BLACK–SCHOLES-MODELL
Wählen wir eine Stoppzeit τ , so dass f (s, Ss ) ≤ IIE∗ [e−r(τ −s) ψ(Sτ ) | Fs ] + ε. Da
f (t, x) stetig in x ist, kann τ messbar gewählt werden. Der Beweis beruht auf der
gleichmässigen Stetigkeit in einem Intervall. Dann erhalten wir
f (t, St )e−rt ≥ IIE∗ [f (s, Ss )e−rs − ε | Ft ] .
Da ε beliebig ist, haben wir IIE∗ [f (s, Ss )e−rs | Ft ] ≤ f (t, St )e−rt . Somit ist der Prozess {f (t, St )e−rt } ein Supermartingal. Sei nun M ein IIP∗ -Supermartingal mit der
Eigenschaft, dass Mt ≥ ψ(St )e−rt für alle t. Dann gilt für τ ∈ Tt
Mt ≥ IIE∗ [Mτ | Ft ] ≥ IIE∗ [e−rτ ψ(Sτ ) | Ft ] .
Nehmen wir das Supremum über Tt , erhalten wir, dass Mt ≥ e−rt f (t, St ). Daher ist
f (t, St ) die Snell-Hülle von e−rt ψ(St ).
Sei φ0 eine Strategie mit Konsum mit Vt (φ0 ) ≥ ψ(St ). Dann gilt für den diskontierten Wert dieser Strategie
Z t
0
0
−rt 0
φs dS̃s .
Ṽt (φ ) + e Ct = V0 (φ ) +
0
Somit ist {Ṽt (φ0 ) + e−rt Ct0 } ein positives lokales Martingal, das bedeutet ein Supermartingal. Sei τ eine beliebige Stoppzeit. Dann ist
IIE∗ [e−rτ ψ(Sτ )] ≤ IIE∗ [Ṽτ (φ0 )] ≤ IIE∗ [Ṽτ (φ0 ) + e−rτ Cτ0 ] ≤ V0 (φ0 ) .
Nehmen wir das Supremum über alle Stoppzeiten, haben wir V0 (φ0 ) ≥ f (0, S0 ).
Analog erhält man Vt (φ0 ) ≥ f (t, St ).
Es bleibt zu zeigen, dass es eine Strategie φ gibt, so dass Vt (φ) = f (t, St ). Wir
haben die Abschätzung
f (t, St ) = sup IIE∗ [e−r(τ −t) ψ(Sτ ) | Ft ] ≤ sup IIE∗ [e−r(τ −t) (A + BSτ ) | Ft ] ≤ A + BSt .
τ ∈Tt
τ ∈Tt
Da {St e−rt } ein IIP∗ -Martingal ist, ist es von der Klasse DL. Daraus schliessen wir,
dass {f (t, St )e−rt } von der Klasse DL ist. Somit gibt es die Doob–Meyer-Zerlegung
f (t, St )e−rt = M̃t − Ãt , wobei M̃ ein Martingal ist und à ein wachsender vorhersehbarer Prozess ist. Da {f (t, St )e−rt } ein stetiges Supermartingal ist, muss M̃ auch
stetig sein. Da M̃T − ÃT quadratisch integrierbar und positiv ist, kann man zeigen,
dass auch M̃T quadratisch integrierbar ist. Somit gibt es eine Strategie {φ̃t }, mit
Rt
M̃t = M̃0 + 0 φ̃s dS̃s . Setzen wir φ̃0t = M̃t − φ̃t S̃t , erhalten wir eine selbstfinanzierende Strategie. Da M̃ quadratisch integrierbar und positiv ist, ist die Strategie φ
zulässig. Die Strategie φ mit φt = φ̃t und φ0t = φ̃0t − Ãt ist eine Handelsstrategie mit
Konsum Ct = ert At , die den Wert f (t, St ) hat.
5. DAS BLACK–SCHOLES-MODELL
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Wir können nun aus dem obigen Resultat schliessen, dass eine optimale Stoppzeit
durch τ ∗ = inf{t : f (t, Xt ) = ψ(Xt )} = inf{t : Ãt > 0} gegeben ist.
Betrachten wir nun die Amerikanische Call-Option. Wir vermuten, dass wie im
diskreten Fall, die optimale Strategie darin besteht, bis zum Zeitpunkt T zu warten,
bis man die Option einlöst. Es genügt, den Zeitpunkt 0 zu betrachten. Sei τ eine
Stoppzeit mit Werten in [0, T ]. Dann gilt
IIE∗ [e−rT (ST − K)+ | Fτ ] ≥ IIE∗ [S̃T − e−rT K | Fτ ] = S̃τ − e−rT K ≥ S̃τ − e−rτ K .
Da die linke Seite positiv ist, gilt auch IIE∗ [e−rT (ST − K)+ | Fτ ] ≥ e−rτ (Sτ − K)+ .
Somit ist der Optionspreis IIE∗ [e−rT (ST − K)+ ]. Da IIP∗ [ST > K | Ft ] > 0, ist es
sicher nicht optimal, die Option einzulösen, falls Sτ ≤ K und τ < T . Dann ist im
Falle Sτ > K
S̃τ − e−rT K > S̃τ − e−rτ K
falls τ < T . Das bedeutet, dass τ = T die einzige optimale Stoppzeit ist.
Im Falle der amerikanischen Put-Option gibt es keine geschlossene Formel für
den Optionspreis. Wir können eine obere Grenze finden, falls wir T = ∞ erlauben.
Dann ist der Preis
f (S0 ) = sup IIE∗ [e−rτ (K − Sτ )+ 1Iτ <∞ ] ,
τ ∈T
wobei T die Klasse aller Stoppzeiten ist. Wir wollen nun die Funktion f (x) bestimmen.
Proposition 5.11. Sei γ = 2r/σ 2 und x∗ = Kγ/(1 + γ). Dann ist
K −x,
falls x ≤ x∗ ,
f (x) =
(K − x∗ )(x∗ /x)γ , falls x > x∗ .
Bemerkung. Wir sehen, dass für T = ∞ die optimal Strategie gegeben ist durch
τx∗ = inf{t : St < x∗ }. Für T < ∞ ist die optimale Strategie von der Form τ ∗ =
inf{t ≤ T : St < x∗ (T − t)}, wobei die Funktion x∗ (t) numerisch berechnet werden
muss.
Beweis.
Nach Definition ist die Funktion f gegeben durch
f (x) = sup IIE∗ [(Ke−rτ − x exp{σWτ∗ − 21 σ 2 τ })+ 1Iτ <∞ ] .
τ ∈T
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5. DAS BLACK–SCHOLES-MODELL
Wir sehen, dass f (x) positiv, fallend und konvex ist, und dass (τ = 0) f (x) ≥
(K − x)+ . Für τ = 1 erhalten wir f (x) > 0. Weiter gilt f (0) = K. Setzen wir
x∗ = sup{x ≥ 0 : f (x) = K − x}. Dann ist 0 ≤ x∗ < K wohldefiniert. Aus der
Konvexität schliessen wir f (x) = K − x für x ≤ x∗ und f (x) > (K − x)+ für x > x∗ .
Wie im Fall T < ∞ gilt es, dass τ ∗ = inf{t : f (St ) = K − St } optimal ist, wobei wir
benützen, dass f (x) > 0. Somit ist τ ∗ = τx∗ . Wir können also das Problem lösen,
indem wir
φ(z) = IIE∗ [(Ke−rτz − x exp{σWτ∗z − 12 σ 2 τz })+ 1Iτz <∞ ]
berechnen und dann maximieren, wobei τz = inf{t : St < z}. Wir können annehmen,
dass 0 ≤ z < x ≤ K. Aus der Stetigkeit erhalten wir
φ(z) = (K − z)IIE∗ [e−rτz 1Iτz <∞ ] .
Wir bemerken, dass St = x exp{σWt∗ + (r − σ 2 /2)t}. Setzen wir µ = (r − 21 σ 2 )/σ,
können wir schreiben τz = inf{t : Wt∗ + µt < σ −1 log(z/x)}. Man hat für Tb = inf{t :
Wt∗ + µt < b} die allgemeine Formel
p
IIE∗ [e−αTb 1ITb <∞ ] = exp{µb − |b| µ2 + 2α} .
Somit erhalten wir
p
φ(z) = (K − z) exp{µσ −1 log(z/x) + σ −1 log(z/x) µ2 + 2r} = (K − z)(z/x)γ .
Die Ableitung ist
φ0 (z) = x−γ z γ−1 (γ(K − z) − z) .
Daher hat φ(z) das Maximum in x∗ .