Querspur Das Zukunftsmagazin des ÖAMTC Ausgabe 09/2016 TEMPO TEMPO 1 TEMPO Was ist Zeit? Zeit ist eine physikalische Größe und beschreibt eine Abfolge von Ereignissen. Zeit wird in verschiedenen Wissenschaften unterschiedlich betrachtet. So ist sie in der Physik ein messtechnisch Wer fährt am erfassbarer Wert, in der Psychologie steht meisten mit der Bahn? hingegen die Frage nach der ZeitwahrWas sagen Chronos Keine Überraschung, die Schweizer. nehmung und dem Zeitgefühl im und Kairos aus? Sie legten im Jahr 2014 2 429 km pro Einwohner Vordergrund, die Ökonomie zurück, wie der aktuelle MarktbeobachtungsIn der Antike wies man der Zeit zwei wiederum betrachtet bericht der IRG-Rail, die europäische Plattform der Gottheiten zu: Chronos und Kairos, die die Zeit als unabhängigen Eisenbahnregulierungsbehörden, Götter der messbaren und der gefühlten Zeit. Wertgegenstand. belegt. Die Österreicher fuhren 1 426 km Chronos versinnbildlicht die Quantität bzw. den pro Einwohner mit dem Zug, was Platz zwei Ablauf der (Lebens-)Zeit. Damit verbunden ist der der europaweiten Erfassung entspricht und Gedanke, die Zeit, die der Mensch zur Verfügung hat, laut Studie mit den im EU-Vergleich zu nutzen, zu lernen und in ihr zu reifen. relativ günstigen Fahrpreisen sowie Kairos hingegen steht für die Qualität der Zeit. einem dicht ausgebauten Er stellt den besten Zeitpunkt einer Entscheidung Schienennetz dar: eine günstige Gelegenheit, deren ungenutztes zusammenhängt. Verstreichen nachteilig sein kann. Kairos sagt Ab wann somit aus, dass man keine Zeit, sondern wurde unser Leben nur Gelegenheiten schneller? verlieren kann. Einen exakten Zeitpunkt zu nennen, ist nicht möglich. Großen Einfluss auf die Beschleunigung unseres Lebens hatte aber wohl die Erfi ndung der mechanischen Uhr im Was bedeutet 14. Jahrhundert. Ab diesem Zeitpunkt das Wort Espresso? gab nicht mehr nur die Natur, Welches ist das sondern mehr und mehr Die Wurzeln des Espressos, einer schnellste Pferd der Stundenzeiger bestimmten Art der Kaffeezubereitung, der Welt? den Takt an. liegen im italienischen Mailand zu Beginn des Obwohl Forscher der britischen 20. Jahrhunderts. Die Bezeichnung verleitet zur University of Exeter kürzlich belegten, Annahme, dass es sich dabei um einen schnell dass auch Rennpferde stetig schneller zubereiteten und schnell zu konsumierenden Kaffee werden, gilt das 1764 geborene britische handelt, da er mitunter schnell an der Bar getrunken Rennpferd Eclipse als schnellstes Pferd werden kann. Sprachwissenschafter aber sehen die der Welt. Der Hengst soll für eine Herkunft des Wortes Espresso im italienischen 7 190 Meter lange Rennstrecke espressivo (von esprimere, dt. Gefühle 6,4 Minuten gebraucht haben. ausdrücken), mit dem einst ein explizit Das entspricht einer für den Gast zubereitetes Durchschnittsgeschwindigkeit Gericht bezeichnet von 71,9 km/h. wurde. Schneller gehen, länger leben? Australische Forscher gingen in einer Studie der Frage nach, ob eine schnellere Schrittgeschwindigkeit ein längeres Leben ermöglicht. Dazu nahmen sie das Schritttempo von 1 705 Männern im Alter über 70 Jahren unter die Lupe. Das Ergebnis: Jene, die schneller als 3,2 km/h gingen, zeigten im Vergleich zu langsameren Männern ein geringeres Risiko, innerhalb des Untersuchungszeitraums zu versterben. Die optimale Schrittgeschwindigkeit, um auch fünf Jahre nach Beginn der Studie noch am Leben zu sein, lag bei 4,8 km/h. Impressum und Offenlegung Medieninhaber und Herausgeber Österreichischer Automobil-, Motorrad- und Touring Club (ÖAMTC), Schubertring 1-3, 1010 Wien, Telefon: +43 (0)1 711 99 0 www.oeamtc.at ZVR-Zahl: 730335108, UID-Nr.: ATU 36821301 Vereinszweck ist insbesondere die Förderung der Mobilität unter Bedachtnahme auf die Wahrung der Interessen der Mitglieder. Rechtsgeschäftliche Vertretung DI Oliver Schmerold, Verbandsdirektor Mag. Christoph Mondl, stellvertretender Verbandsdirektor Konzept und Gesamtkoordination winnovation consulting gmbh Chefredaktion DI Anna Várdai (ÖAMTC), Dr. Gertraud Leimüller (winnovation consulting) Chefi n vom Dienst Silvia Wasserbacher-Schwarzer, BA, MA Mitarbeiter dieser Ausgabe Dipl.-Bw. Maren Baaz-Eichhorn, Ancuta Barbu, Mag. Gabriele Gerhardter, Catherine Gottwald, Margit Hurich, Mag. (FH) Christian Huter, Mag. Claudia Kesche, Mag. Astrid Kuffner, Dr. Daniela Müller, Dr. Ruth Reitmeier, Teresia Tasser, Silvia Wasserbacher-Schwarzer, BA, MA Fotos Karin Feitzinger; Umschlag: Karin Feitzinger Grafi k Design, Illustrationen Drahtzieher Design & Kommunikation, Barbara Wais, MA Korrektorat Mag. Christina Preiner, vice-verba Druck Hartpress Blattlinie Querspur ist das zweimal jährlich erscheinende Zukunftsmagazin des ÖAMTC. Ausgabe 09/2016, erschienen im Juni 2016 Download www.querspur.at Das Leben wird immer schneller, zumindest kommt es uns so vor – wann erlebt der Mensch seine Zeit am intensivsten? Von Ruth Reitmeier Alles auf Schiene Vom Achterbahn-Rausch und dem Fahrvergnügen in der Bummelbahn. Von Astrid Kuffner Need for Speed 28 Am Puls der Stadt 31 Schneller als je zuvor Geschwindigkeit war immer ihr Element – Susie Wolff im Interview. Von Catherine Gottwald London, New York, Beijing – was macht eine schnelle Stadt aus? Von Teresia Tasser Der Sauseschritt des schnellsten Mannes der Welt kann einen Gepard noch immer nicht überholen. Von Silvia Wasserbacher-Schwarzer Morgen 13 Rasend Schnell 14 Die Fracht-Starter 17 Tanzen mit allen Sinnen 20 Fast wie echt 24 Die Ruhe vor dem Bus 26 Start-ups Hochgeschwindigkeitszüge als Alternative zu Auto und Flugzeug, in Zukunft mitunter auf Luftkissen statt auf Schienen. Von Catherine Gottwald 4 Foto: © Williams/LAT– Susie Wolff 10 10 Foto: © s(c) Fraunhofer IPK 8 Suche nach der verlorenen Zeit Eine Idee ist schnell geboren, der Erfolg eines Start-ups hängt aber von vielen Faktoren ab. Von Ruth Reitmeier Körper und Emotion verbinden und an drei Wochenenden ein bühnenreifes Tanztheaterstück entwickeln. Choreograph und Tänzer Vinicius im Interview. Von Daniela Müller Simulierte Realität wird in Zukunft eine Komplexität erreichen, an der man heute schon forscht. Von Ruth Reitmeier Was tun, wenn man warten muss? Von Astrid Kuffner 20 Foto: © https://anamericaninmontreal.wordpress.com 4 Foto: © Karin Feitzinger Heute 24 Spannende Ideen zum Thema Geschwindigkeit. Von Ancuta Barbu TEMPO 3 Foto: © Karin Feitzinger 4 SELBST IM MODERNEN, DIGITALISIERT-BESCHLEUNIGTEN LEBEN GILT: ZEIT ERLEBT DER MENSCH AM INTENSIVSTEN, WENN ER EINFACH STILL IST ODER ABER WENN ER NEUE ERFAHRUNGEN MACHT, ALSO ETWAS ERLEBT. DIE MONOTONE HEKTIK DES ALLTAGS HINGEGEN IST EIN ZEITKILLER. Von Ruth Reitmeier Wieder einmal zu spät zum ohnehin nur halbjährlich stattfindenden Treffen mit den Freundinnen. Etwas aufgelöst, abgehetzt, im Hirn nach einer Entschuldigung kramend. Doch zwei kurze Worte genügen, und alle nicken verständnisvoll: der Stress. Jeder kennt ihn, jeder hat ihn. Das war doch nicht immer so, oder? HEUTE HABEN MENSCHEN MEHR ZEIT ALS FRÜHER, ABER SIE NEHMEN ES NICHT SO WAHR Ein Schönheitsfehler der Gegenwart ist freilich, dass sie mit der Vergangenheit nicht mithalten kann. Tatsache ist, dass die meisten Menschen heute kürzer arbeiten denn je, sie haben viel mehr Freizeit, nennen jede Menge Gerätschaften ihr Eigen, die Hausund andere Arbeiten enorm rationalisiert haben und fühlen sich dennoch gestresst, getrieben, mitunter aufgerieben in ihrem durchstrukturierten Alltag. Eigentlich erstaunlich, denn wenn wir unser Leben mit jenem der Generation unserer Großeltern vergleichen, ist es zweifellos leichter. Und dabei soll es hier gar nicht um die Härten der Kriegs- und Nachkriegszeit gehen, sondern einfach nur um den Alltag. MEHR FREIZEIT, MEHR STRESS? Die Großmutter der Autorin etwa hatte außer Arbeit nicht viel zu tun. Denn sie hatte drei Kinder, einen Vollzeit- job, einen Haushalt, einen Garten. Ihr Leben war anstrengend, und sie war abends rechtschaffen müde. Gestresst war sie aber nicht. Was sie nämlich nicht hatte, waren permanenter Termindruck, Mails, Messages, Handy, Internet. Sie verspürte auch keinen Optimierungsdruck à la Marathon-Training oder Spanisch-Privatunterricht, zumal dafür ohnehin kein Geld übrig war. Und da sie nur wenig Freizeit hatte, hatte sie auch keinen Freizeitstress. Der tatsächliche Arbeitsaufwand kann es nicht sein, der uns stresst. Denn unterm Strich haben unsere Großeltern und auch unsere Eltern viel mehr Zeit mit Erwerbstätigkeit verbracht. Die gesetzliche Wochenarbeitszeit wurde in Österreich in den vergangenen 100 Jahren schrittweise auf die aktuelle 38,5 Stunden-Woche gekürzt. 1918 wurde der 8-Stundentag mit einer einhergehenden 48-Stunden-Woche umgesetzt, gefolgt von der 45-Stunden-Woche ab dem Jahre 1959 und einer etappenweisen Einführung der 40-Stunden-Woche ab 1969. WIR ARBEITEN HEUTE KÜRZER, WOLLEN ABER MEHR UNTERBRINGEN Das Leben damals war härter und zugleich übersichtlicher. Es ist wohl eher das viele Andere, das sich seither exponenziell vermehrt hat. Wir arbeiten kürzer, doch die Arbeit hat sich verdichtet und das wird Vielen zu viel. Eine Umfrage der Statistik Austria aus dem Jahr 2014 ergab, dass rund eine TEMPO Million Österreicher über eine gesundheitliche Beeinträchtigung klagen, die von der Arbeit verursacht wurde – mit Rückenproblemen an der Spitze. Ein Vergleich mit einer Erhebung aus dem Jahr 2007 zeigt einen deutlichen Anstieg der Probleme. Vor allem der Anteil jener, die Zeitdruck als Faktor angeben, der ihr psychisches Wohlbefinden am stärksten beeinträchtigt, war von 29 auf 37 Prozent gestiegen. DIE ERSEHNTE RUHE IST ZU BEGINN MEIST EIN ZIEMLICHER SCHOCK Die Beschleunigung des modernen, digitalisierten Lebens ist kein Mythos. Keiner will sie, doch jeder macht mit. Hört man Berichte von Menschen, die sich von ihrem hektischen Alltag zwischenzeitlich für ein paar Tage in ein Kloster zurückziehen, ist es ausgerechnet die ersehnte Ruhe, die viele zunächst überwältigt und emotional fordert. In der Stille hört der Mensch (auf) sich selbst. „Als ich vor einem Jahr das erste Mal im Stift Heiligenkreuz zu Gast war, kam ich bewusst ohne Handy, E-Mail, Internet an. Doch das war, wie sich herausstellte, zu radikal. Ich hatte die Stille unterschätzt und empfand sie fast als unerträglich. Ich dachte, ich werde verrückt“, sagt Sonja Scheibenreif. Die Gespräche mit einem ihr vertrauten Pater und die Teilnahme am Chorgebet der Mönche halfen ihr, die Umstellung zu meistern. Und nach nur einer Woche im Kloster hatte sie die Kraft der Stille schätzen 5 Foto: © Karin Feitzinger gelernt. Seither nimmt sie sich auch in ihrem Tagesablauf bewusst Auszeiten, wo zwischendurch das Handy stumm bleibt, wo sie zur Ruhe kommen und abschalten kann. „Es ist so wichtig, dass man sich nicht vom Alltag auffressen lässt“, sagt sie. IN DER MONOTONIE DES ALLTAGS LÄUFT UNS DIE ZEIT DAVON Wissenschaftliche Untersuchungen zur menschlichen Wahrnehmung von Zeit zeigen, dass diese nämlich vor allem dann rast, wenn eigentlich nichts Wesentliches passiert. Eine Reise mit Erlebnissen und Begegnungen wird in der Erinnerung als viel länger empfunden als die gleiche Zeit, die in der Monotonie des Alltags verbracht wird. So lässt sich auch erklären, warum das Leben Erwachsener viel schneller zu vergehen scheint, als etwa die Kindheit und Jugendzeit. Das liegt daran, dass man später nur noch wenige grundlegend neue Erfahrungen macht. 6 WISSENSCHAFTER SUCHEN NOCH IMMER NACH DER INNEREN UHR DES MENSCHEN Das retrospektive Erleben von Zeit ist gut erforscht, die momentane Zeitwahrnehmung hingegen noch nicht vollständig geklärt. Das Wissenschaftsmagazin Spektrum berichtet, dass Hirnforscher seit einigen Jahren die innere Uhr des Menschen suchen, die für Zeitschätzungen im Minutenund Sekundenbereich zuständig ist. Durch Experimente im Floating-Tank – ein mit Salzwasser gefülltes, geschlossenes Becken, in dem äußere Reize weitgehend ausgeschaltet werden und nur der Körpersinn präsent ist, versucht man, die unmittelbare, momentane Zeitwahrnehmung von Menschen zu ergründen. Auf dem Wasser treibend, in völliger Dunkelheit und Isolation zeigt sich jedenfalls, dass dem Zeitbewusstsein die Körperwahrnehmung zugrunde liegt. Dabei spürt der Mensch die Zeit un- mittelbar am eigenen Leib. Zeitbewusstsein entspringt also nicht nur äußeren Reizen, sondern aus dem Menschen selbst. Durch sein Körpergefühl und durch Signale wie die Atmung entsteht ein Gefühl für die Zeit. EUSTRESS IST GUTER STRESS UND MACHT DIE MENSCHEN KREATIV Zurück ins stressige Leben. „Nur Tote haben keinen Stress“, sagte Hans Selye, der erste offi zielle Stressforscher. Der aus Wien stammende Arzt, der 1934 vor den Nationalsozialisten nach Kanada flüchtete, entwickelte die Lehre vom Stress und kreierte den Begriff. Er wollte den Stress keinesfalls abschaffen, mahnte jedoch, dass jeder sein Belastbarkeitslevel finden und die eigenen Grenzen beachten sollte. Beim Stress macht die Dosis das Gift. Stress kann Menschen krank machen, doch zunächst macht er sie kreativ und produktiv. Es ist schon Im Alltagstrott verfliegt die Zeit. Viel bewusster und intensiver erleben wir sie, wenn wir Neues kennen lernen. Zum Beispiel im Urlaub, oder in neuen Lebenssituationen. paradox, dass gerade in der Leistungsgesellschaft das Wort Stress so negativ besetzt ist. Gestresst sein klingt nach Überforderung, dabei können wir gerade in Situationen, in welchen wir gefordert sind, über uns hinauswachsen und Großes vollbringen. Positiver Stress hat mit Leidenschaft zu tun, mit Einsatz und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Es ist der Stoff, aus dem Action-Filme sind. NOTFALLMEDIZINER HABEN IN UNERWARTETEN SITUATIONEN AUCH HERZKLOPFEN Am letzten Tag des Jahres 2015, unterwegs auf der deutschen Autobahn, hatte der Wiener Arzt Andreas Gatterer kurz vor Regensburg ein berufliches Erfolgserlebnis. Und dabei war er nicht einmal im Dienst. „Ein Staubeginn machte sich bemerkbar, in der Ferne waren Warnblinkanlagen zu erkennen, in der Kolonne dahinter gingen die Bremslichter an“, erinnert sich Gatterer. Er sieht, dass etwa 300 bis 500 Meter entfernt, ein Pkw quer auf der Fahrbahn sowie Menschen auf dem Pannenstreifen stehen. Ein Unfall ist passiert und kein Blaulicht in Sicht, es sind also noch keine Einsatzkräfte am Unfallort. In diesem Moment wird aus dem Urlaubsreisenden der Notarzt und eine Kette zielgerichteter Handlungen nimmt ihren Lauf: Er muss sofort dorthin, um Erste Hilfe zu leisten. Gatterer ist Anästhesist- und Intensivmediziner sowie Notarzt. Jede Notfallsituation ist selbst für Pro- fis zunächst einmal eine Herausforderung, die Zeitwahrnehmung verändert sich. Jede Sekunde wird viel intensiver wahrgenommen. Am Unfallort stellt sich heraus, dass zwei Pkw mit mehreren Insassen, darunter ein Kind, beteiligt sind. Nachdem sich Gatterer mithilfe von Freiwilligen einen Überblick über die Verletzungsgrade der am Unfall beteiligten Personen gemacht hat, leistet er Erste Hilfe. Am Tag danach liest er in den Polizeinachrichten, dass alle Verletzten den Unfall überlebt haben. „Natürlich war das Stress, aber ein durchwegs positiver. Ich bin stolz, dass ich helfen konnte. Das ist ein gutes Gefühl“, sagt er. HELLWACH UND HOCH KONZENTRIERT – IN DER SCHRECKSEKUNDE REAGIERT DER MENSCH SEIT URZEITEN GLEICH Wer zwischenzeitlich gestresst ist, kurbelt die eigene Schaffenskraft an und entwickelt sich weiter. Einzig den Dauerstress gilt es, zu vermeiden, denn der macht krank. Was als Stress empfunden wird, ist zudem höchst individuell. Die Reaktionsabfolge, die im Körper dabei ausgelöst wird, ist jedoch stets die gleiche, wie sie schon unsere Urahnen in der Begegnung mit dem Säbelzahntiger erlebten, in jener Schrecksekunde, wo die überlebenswichtige Entscheidung Flucht oder Kampf getroffen werden musste. In der Stresssituation ist der Mensch hellwach, konzentriert und er priorisiert. Im Gehirn wird eine Reaktionskette ausgelöst: Adrenalin wird TEMPO ausgeschüttet, Blutdruck und Puls steigen, die Muskulatur spannt sich an, Körper und Geist sind in Alarmbereitschaft. Etwa zehn Minuten nach dem Adrenalinausstoß folgt Cortisol, das den Körper vor zu viel Adrenalin schützt und noch eine Zeitlang für erhöhte Aufmerksamkeit sorgt. Wichtig ist, dass man danach den CortisolSpiegel wieder herunterfährt. Probleme drohen Dauergestressten, die es verlernt haben, sich aus dem CortisolZustand wieder zu befreien. PAUSE EINLEGEN, MÜSSIGGANG GENIESSEN UND DANN NEU DURCHSTARTEN Der renommierte österreichische Stressforscher Sepp Porta warnt vor der „pausenlosen Gesellschaft“. Denn erst in der Pause entsteht die Kraft für kommende Anforderungen. Wer jedoch permanent arbeitet, nimmt Körper und Geist die Möglichkeit zur Regeneration. Überlastung, Erschöpfung und Burnout sind mögliche Folgen. Es gibt also keinen Grund, ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn man ab und zu „alle fünf gerade sein“ und die Arbeit liegen lässt. Müßiggang ist also in keiner Weise aller Laster Anfang, sondern notwendiger Ausgleich. Insbesondere Momente der Stille sind wahre Erholungsquellen in unserer schnellen Welt. Workaholics sollten das Eintauchen in die Stille laut Experten behutsam angehen. Für den Einsteiger genügen ein paar Minuten täglich, in denen er wieder ganz Herr seiner Zeit ist. 7 ALTER FAHRSCH ULLR AM IM E B D HAN AR D RUHIGER AUSS UND GERH IT M R E D L E TE O NIK A EINE R AK TKOMMEN VERO DIGKEIT. IE W N E H IN LLT DIE N A B GE ALLTAG E LICHER GESCHW SST ANGESCHNA UMMELBAHN M E D : N NIE RB HIED SITZE LT MIT DE HERIN GE UNTERSC IN GANZ EITPARK-BE SUC LOKFÜHRER ROL DIE FREIZAHN, DER DAMPF. Von Astrid Kuffner ACHTERBAS WEINVIERTEL DURCH D n e g i e t s n i E n! e l l a n h c s und an Wer schon einmal Hochschaubahn gefahren ist, kennt das: Veronika Lauss reizt die Mischung aus Überwindung, AdRacketacke-racketacke-racketacke – so wird die Wagen- renalin, Geschwindigkeit, Schwerelosigkeit und Orientiekette bergauf gezogen. Auf der Kuppe ist es einen Herz- rungslosigkeit – das gesicherte Abenteuer. Loopings mag schlag lang still, der Atem setzt kurz aus, dann wird aus- sie besonders. Am ersten Tag des gemeinsamen Abenteugeklinkt und der Zug saust auf Schienen bergab, legt sich erurlaubs umkreist sie mit ihrer Freundin die Objekte der in die Kurve oder stellt im Looping alle auf den Kopf. Dann Begierde meist nur und erfasst mit Augen und Ohren die schreit Veronika Lauss, fällt ein in den Chor der Adrenalin- Angstlust der anderen Fahrgäste. Dabei überzeugen sich freunde und genießt das kalkulierte Risiko, einen vorgege- die Beiden gegenseitig davon, dass sie es wagen wollen. benen Parcours in rasantem Tempo, gut angeschnallt, zu Denn eigentlich weiß man nie, was auf einen zukommt, bis absolvieren. Nach einigen Minuten bremst der Zug ab, alle man es selbst probiert hat. steigen beschwingt und schwindelig aus, atmen tief durch Jedes Jahr schneller und höher. Mehr interessiert die beiden und entscheiden: Noch einmal. Oder: Nie wieder. jungen Frauen nicht. Auch physikalische Details der Anlage Schon als Kind ließ sich die kleine Veronika beim jährlichen oder technische Rekorde sind ihnen eher egal. Natürlich ist Urfahraner-Markt in Linz gern von Fahrgeschäften drehen, ein Wing Coaster (die Fahrgäste sitzen links und rechts der rütteln und schleudern. Ihre Vorliebe für Hochschaubahnen Schiene, über und unter ihnen ist Luft) anders zu fahren als entdeckte die heute 35-jährige Juristin in einer Rechtsab- ein klassischer Roller Coaster (Zug auf Schienen). „Jedes teilung erst vor sechs Jahren. Bei einer Geburtstagsparty Jahr fangen wir mit den ruhigeren Bahnen an und steigern schwärmte ein Gast vom Europapark in Rust (Deutschland). uns langsam“, erklärt Veronika Lauss. Es gibt auch nicht DIE „Meine Freundin Renate und ich waren so angetan von den Wunsch-Adrenalinschleuder, mit der sie unbedingt fahren lebhaften Schilderungen, dass wir beschlossen, selbst hin- wollen. Es geht ihnen vielmehr um das gemeinsame Eintauzufahren“, erzählt Veronika Lauss. Anfangs schlichen die chen in eine Themenpark-Welt. Der Park sollte auch eine beiden mit Heidenrespekt um die Achterbahnen herum. Hier gewisse Größe haben, damit die beiden drei Tage gut befindet man auch die zweithöchste und viertschnellste Ach- schäftigt sind. terbahn Europas: „Zuerst dachten wir: ‚Das trauen wir uns Die ärgsten Achterbahnen fahren die robusten Naturen am nie‘! Dann haben wir es doch versucht und sind dabei ge- zweiten Tag, ausgeschlafen und mit einem guten Frühstück blieben.“ Seither ist das Mädels-Wochenende im Freizeit- im Bauch. Schlecht geworden ist ihnen noch nie. Abends park ein jährlicher Fixpunkt. Gemeinsam waren sie schon schwankt der Boden manchmal noch, wenn sie im Bett liein Spanien, mehrmals in Deutschland und auch in Holland. gen – wie nach einem Tag in einem Boot auf dem Meer. 8 Fotos: © Veronika Lauss USERSTORY e n e i h c S f u a s e l l A Foto: © Gerhard Ulram f u a n e h c Die Wei nung stellen Entspan Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde im Weinviertel – auch bahnen – „sicher mit einem Schuss Verklärung“, lächelt Ullram. für den Export landwirtschaftlicher Produkte – ein dichtes Seit 2003 ist Gerhard Ullram Gründungsmitglied des Netz an Lokalbahnen errichtet. Bis zur Mitte der 1970er- „Vereins Neue Landesbahn“, der die Strecke Ernstbrunn– Jahre pfauchten Dampflokomotiven durch den Nordosten Mistelbach (NÖ) durch die landschaftlich reizvollen Leiser Niederösterreichs. Ab den späten 1960er-Jahren gesellten Berge erhält und touristisch nutzt. Die Fahrgäste können eisich betagte Dieseltriebwagen dazu, die aus dem Regel- nen Nostalgie-Express vom Wiener Praterstern nach Ernstbetrieb ausgeschieden waren. Ab 1988 wurde ein Großteil brunn nehmen, mit der Weinvierteldraisine nach Asparn an des Lokalbahnnetzes eingestellt, „ein Trend, der zumindest der Zaya radeln und sich mit dem Zayataler Schienentaxi, in Niederösterreich leider bis heute anhält“, erklärt Gerhard zusammengestellt aus ehemaligen ÖBB-Bautrupp-FahrUllram. Zumindest am Wochenende und in der Sommersai- zeugen, mit 20 km/h zurück nach Mistelbach chauffieren son wird ein Teilabschnitt der Strecke von Hobby-Bahnfah- lassen. Im Schienentaxi versieht der 45-Jährige regelmäßig rern benutzbar gehalten. in der Freizeit Dienst als Fahrer, Betriebsverantwortlicher Einer davon ist Gerhard Ullram, der in seiner Freizeit die Liebe oder Schaffner. Die Dampflok stampft auf den „Mollmannszur Bummelbahn pflegt. Als Kind besuchte er mit seinem dorfer Berg“, der Steigungen wie die Semmering-Strecke Opa regelmäßig die Bahnhöfe in Mistelbach: den Staats- aufweist, die Radreifen quietschen bei 25 km/h Reiseund den Landesbahnhof – in Gehweite von seinem Zuhause. geschwindigkeit, die Fahrgäste schauen zufrieden – und Dort verfolgte er den Betrieb der alten Loks mit leuchtenden Gerhard Ullram entspannt sich. Augen. An eine Bahnfahrt im Jahr 1975 – damals war er vier In Mistelbach wurde 2009 der Erlebnisbahnhof eröffnet, vor Jahre – durch das Zayatal nach Dobermannsdorf und retour dem Gerhard Ullram 2013 standesgemäß im Rahmen einer mit einer Dampflok der Reihe 93 (Baujahr 1928) erinnert er Dampfzug-Sonderfahrt geheiratet hat. Seine Frau ist ebensich noch gut. „An den Enden der grünen Personenwagen falls an der Bahn aufgewachsen, allerdings in Oberösterkonnte man auf der Plattform stehen, die Nase in den Rauch reich, und unterstützt ihn vor allem bei Sonderfahrten – kulider Maschine halten und die Landschaft genießen“, schwelgt narisch und als Schaffnerin. An betriebsfreien Tagen widmet der Bahn-Nostalgiker in Erinnerungen. Es ist wohl kein Zufall, er sich Grünschnitt- und Wartungs-Arbeiten entlang der dass er heute bei der ÖBB-Infrastruktur arbeitet. Strecke. „Im Alltag muss man sich den Anforderungen und Die ferrophile Vorbelastung geht aber noch weiter: Sein Onkel dem Tempo der heutigen Zeit stellen“, sagt Gerhard Ullram, war bis zur Pensionierung Schaffner und erzählte gerne Ge- „aber nicht nur ich, sondern auch gehetzte Städter schalten schichten über die „gute alte Zeit“ bei den Weinviertler Lokal- bei der ‚Neuen Landesbahn‘ vom Alltag ab“. TEMPO 9 Need for Speed SCHNELLIGKEIT WAR EINSTMALS EINE ÜBERLEBENSFRAGE. DER URZEITLICHE DRANG, GESCHWINDIGKEITSGRENZEN AUSZUTESTEN, WIRD IM MOTORSPORT BIS HEUTE KULTIVIERT UND ZELEBRIERT. EIN INTERVIEW ÜBER DIE SUCHT NACH GESCHWINDIGKEIT MIT EX-RENNFAHRERIN SUSIE WOLFF, DER SCHNELLSTEN FRAU DER WELT. Das Gespräch führte Catherine Gottwald querspur: Seit Urzeiten sind Menschen vom Phänomen Geschwindigkeit fasziniert. Manche erliegen dem Rausch der Geschwindigkeit geradezu, andere fürchten sich davor. Sie waren in Ihrer aktiven Zeit die erste Frau in der Formel 1 nach 22 Jahren und haben immer wieder betont, Geschwindigkeit regelrecht zu lieben. Ist Speed für Sie noch immer die ganz große Liebe? Susie Wolff: Total. Diese Liebe hat bei mir schon ganz früh begonnen: Mit zwei Jahren saß ich zum ersten Mal auf einem kleinen Motorrad. Schnell(er) sein zu wollen liegt wohl in meiner Natur. Es hängt von der Persönlichkeit ab, ob man Geschwindigkeit liebt oder nicht. Bei mir war diese Liebe von Anfang an da. Auch heute noch, nach meiner aktiven Karriere als Test- und Entwicklungsfahrerin in der Formel 1, macht mir alles Riesenspaß, was mit Speed zu tun hat und mir die Möglichkeit gibt, schnell zu fahren: Radfahren, Schifahren … GESCHWINDIGKEIT KANN SÜCHTIG MACHEN querspur: Sie haben sich als AdrenalinJunkie und „Speed-Freak“ bezeichnet. Macht der Rausch der Geschwindigkeit im Motorsport süchtig? Wolff: Ja, bestimmt. Speed hängt mit Adrenalin zusammen. Wenn man schnell fährt, spürt man das Adrenalin. Ich mag das Gefühl, wenn ich irgendwo auf der Piste schnell unterwegs bin und das Adrenalin durch meinen Körper strömt. Es ist unbeschreiblich! Nun aber, da ich seit November 2015 meine Karriere als aktive Rennfahrerin an den Nagel gehängt habe, muss ich lernen mit weniger Adrenalin auszukommen … querspur: Lässt sich diese Euphorie, die hohe Geschwindigkeiten bei Ihnen auslösen, mit einem anderen Hochgefühl vergleichen, etwa mit dem Gefühl zu gewinnen? Wolff: Nein. Speed – und die damit verbundenen Eindrücke und Emotio- nen – ist einzigartig. Natürlich ist es auch ein tolles Gefühl auf einem Podest zu stehen und einen Pokal in der Hand zu halten, aber es ersetzt das Glücksgefühl nicht, das du empfindest, wenn du schnell fährst. Speed ist eine Form von Ekstase, die ich in keiner anderen Form gefunden habe. Wer sie erlebt, wird süchtig danach. querspur: Die Formel 1, in der Sie zwischen 2012 und 2015 als Test- und Entwicklungsfahrerin tätig waren, gilt nicht umsonst als Königsklasse. Mit den Rennwagen werden Geschwindigkeiten von weit über 350 km/h erreicht. Wie erlebten Sie ein solch unfassbares Tempo? Wolff: Das ist sehr schwer zu beschreiben. Bei einem Formel 1-Auto erlebst du die Erdschwerebeschleunigung (von Frau Wolff in Folge als „G-Kraft“ bezeichnet) wie einen Schock (Anm.: Die Pilotin wird beim Start entgegen der Beschleunigungsrichtung nach hinten in den Sitz gepresst*). Du merkst es sofort. Die G-Kraft ist unglaublich groß, besonders beim Bremsen und in den schnellen Kurven. *Zum Vergleich: Während der Beschleunigung eines PKWs wirkt auf die Insassen eine Beschleunigung von ca. 0,3 g, der Pilot eines Rennwagens erfährt beim Start 1–1,5 g und in Kurvenfahrten bis 5 g. 10 Foto: © Williams/LAT– Susie Wolff Susie Wolff, Jahrgang 1982, startete ihre Motorsportkarriere 1996 im Kartsport und duellierte sich dort u. a. mit den späteren Formel 1-Piloten Nico Rosberg, Lewis Hamilton und Kimi Raikonnen. Nach Karrierestationen, in der britischen Formel 3 und dem Tourenwagensport, wurde Wolff 2012 Test- und Entwicklungsfahrerin das Williams-Teams in der Formel 1, der Königsklasse des Motorsports. Susie Wolff hatte es mit ihrem Kampfgeist und Siegeswillen sogar geschafft, in der von Männern dominierten Formel 1 Proberunden der Grands Prix von Großbritannien und Deutschland im Jahr 2014 zu fahren. Diese Leistung war vor ihr erst einer Frau, Giovanna Amatti im Jahr 1992 gelungen. 2015 beendete Wolff ihre aktive Karriere als Test- und Entwicklungsfahrerin, wohl auch, weil die Formel 1 noch TEMPO nicht sehr bald für eine „leistungsfähige Rennfahrerin bereit (ist), die auf höchstem Niveau mithalten kann“, wie sie in einem Blog für die Huffington Post bedauert. Im Jänner 2016 rief Wolff vielleicht auch deshalb die Initiative „Dare To Be different“ ins Leben, eine Plattform, die talentierte junge Frauen und Mädchen als Nachwuchs für den Motorsport begeistern und fördern möchte. 11 Das geht bis zu 4,8 g (1 g = Maß für Erdbeschleunigung). 1 g ist das Doppelte deines Körpergewichts. 4,8 g ist also fast das Fünffache des eigenen Körpergewichts und damit unglaublich viel. Das ist wie in einer Achterbahn. Gleichzeitig musst du aber den Kopf genau in der gleichen Position halten. Für den Nacken und den Rücken ist es eine Riesenbelastung. Wenn du auf einer Geraden bis zu 340 km/h fährst, drückt dir die G-Kraft das Hirn weg. Das ist die Hauptherausforderung. querspur: Im Cockpit vertrauen Sie auf Ihre durch hartes Training erworbenen Stärken und die Leistung Ihres Wagens. Wie wirkt sich das Wissen um Ihre Kapazitäten auf das Austesten von Geschwindigkeitsgrenzen aus? Können Sie – im Unterschied zu Amateurpiloten – bei hohen Geschwindigkeiten Risiken besser und kompetenter einschätzen? Wolff: Erstens: Wer nicht fit genug ist, ist gar nicht in der Lage, das Auto zu fahren. Es wäre zu anstrengend. Nach drei bis fünf Runden wäre er/sie körperlich am Ende und könnte den Kopf nicht mehr hochhalten. Zweitens: In der Formel 1 arbeiten wir nur mit den besten Leuten. Das gilt natürlich auch für die Ingenieure und Mechaniker. Ich habe vollstes Vertrauen in mein Team. SICHERHEITSGEFÜHL TROTZ ENORMEN RISIKOS – VERTRAUEN IN DIE TECHNIK querspur: Fühlen Sie sich, trotz des Wissens um das hohe Risiko, in diesen Autos sicher? Wolff: Ganz sicher. Schließlich sind die Autos ja so gebaut, dass sie den Aufprall bei einem Unfall abdämpfen. Ich habe Vertrauen in mein Team, die Leute, die das Auto gebaut haben, und weiß, dass solche Dinge immer passieren können. Dieser Sport ist immer noch gefährlich, obwohl die FIA (Fédération Internationale de l’Automobile, Internationaler Auto- 12 mobil Dachverband) für die Sicherheit kämpfen und es viel sicherer als früher ist, können Unfälle auch weiterhin passieren. Doch mir stellt sich die Frage nicht, ob ich Angst habe. Ich habe Vertrauen, wenn ich im Auto sitze, und ich bin bereit, dieses Risiko anzunehmen. querspur: Die Angst fährt also nicht mit? Wolff: Nein. Angst hatte ich nie. Ich habe immer gesagt, ich höre sofort auf, wenn ich Angst habe. Respekt vor der Geschwindigkeit hat man immer. Alles kann sehr, sehr schnell passieren. Beim kleinsten Fehler steckst du nämlich im Kiesbett. Konzentration ist wichtig. BIS AN DIE GRENZEN GEHEN – EIN EINZIGARTIGER AUGENBLICK, FÜR DEN MAN LEBT querspur: Apropos Konzentration: Erreichen Sie beim Fahren wirklich einen Flow-Zustand, also einen Zustand höchster Konzentration, indem Sie Ihre Wahrnehmung so steuern oder verlangsamen können, dass Sie außer Acht lassen, wie schnell Sie tatsächlich unterwegs sind oder in welcher Gefahr Sie sich bewegen? Wolff: Durchaus. Auf der Rennstrecke gibt es in deinem Kopf nichts anderes, als das, was im Moment passiert. Du pusht die Limits, denn du willst noch schneller fahren. Du willst bis an deine absoluten Grenzen gehen und an die deines Autos. Das ist der Augenblick der Wahrheit. Unverfälscht. Einzigartig. Rein. Ein Augenblick voller Klarheit. Du lebst für diesen Moment. Deswegen mögen so viele Leute Hochleitungssport, weil sich alles auf einen einzigen Moment konzentriert. querspur: Kann man diese Art Konzentration lernen? Wolff: Ja. Dafür gibt es eigene Übungen. Man kann das trainieren und verbessern. querspur: Wir haben schon über die Rolle des Teams gesprochen. Lassen Sie mich noch einmal drauf zurückkommen: Wie sehr ist der Rennerfolg Leistung des gesamten Teams, also Rennfahrer(in), Auto, Konstrukteure, etc.? Wolff: Es ist immer ein Teamerfolg. Darauf weise ich auch gern hin: Die Formel 1 sieht nach außen hin aus wie ein Einzelsport, weil der Pilot oder die Pilotin den ganzen Ruhm abbekommt und der Name des Fahrers auf dem Auto steht. Tatsächlich ist es ganz sicher ein Teamsport. Bei Williams gibt es über 500 Leute, die an zwei Rennautos bauen. Der Fahrer ist einfach das letzte Glied in der Kette. Rennfahren ist ein Teamsport und jede Abteilung muss hart arbeiten, damit das Auto schnell unterwegs ist. Auch im Rennen, wenn die Strategie falsch ist oder ein Fehler beim Boxen-Stopp passiert, kann das Rennen falsch laufen. Deswegen nimmt sich jeder Fahrer Zeit, das Team zu motivieren und gute Stimmung im Team zu kriegen. Die Besten können das sehr, sehr gut. Michael Schuhmacher ist bekannt dafür, Felipe Massa und Lewis Hamilton machen das auch sehr gut. SCHNELLE WELT: AUCH FÜR NIKI LAUDA VERGING DIE ZEIT IN DER FORMEL 1 SCHNELLER ALS ANDERSWO querspur: Niki Lauda hat einmal gesagt: „In der Formel 1 geht alles so rasch vorbei. Das heißt, zehn Jahre dort sind wie 40 Jahre im normalen Leben.“ Sehen Sie das auch so? Wolff: Ja. Das ist eine sehr, sehr schnelle Welt. Man muss immer auf Zack sein, man muss schnell entscheiden und schauen, wie sich alles entwickelt, und die Welt sieht dabei zu. HOCHGESCHWINDIGKEITSZÜGE GELTEN AUF DISTANZEN ZWISCHEN 300 UND 800 KM ALS KONKURRENZFÄHIGE ALTERNATIVE ZUM FLUGZEUG. WELTWEIT FÄHRT JÄHRLICH EIN DRITTEL ALLER BAHNREISENDEN MIT EINEM DER 3.605 HOCHGESCHWINDIGKEITSZÜGE, UM SICHER, PÜNKTLICH UND VOR ALLEM BLITZSCHNELL AN IHR ZIEL ZU GELANGEN. IN ZUKUNFT KÖNNTEN ZÜGE STATT AUF SCHIENEN AUF LUFTPOLSTERN IN VAKUUMTUNNELN UNTERWEGS SEIN. Von Catherine Gottwald ////// SCHNELLE ZÜGE IM ENERGIESPARMODUS ///// Schnellfahrten auf Schienen haben Tradition: Schon 1903 raste in Deutschland der erste Drehstromtriebwagen der Firma AEG mit 210,2 km/h über die Gleise. Für die Anwendung im Alltag war die Technik jedoch noch nicht ausgereift genug, die Weiterentwicklung hatte in der Kriegszeit keine Priorität. Heute werden jene Züge des Eisenbahnverkehrs als Hochgeschwindigkeitszüge bezeichnet, die im regulären, fahrplanmäßigen Betrieb Geschwindigkeiten von mindestens 250 km/h erreichen, wenn sie auf eigens dafür eingerichteten Neubau-Schnellfahrstrecken fahren. Der französische TGV schafft sogar 320 km/h. Auf konventionellen Strecken erreichen Hochgeschwindigkeitszüge nur 200 km/h. Der Hochgeschwindigkeitsverkehr (HGV) versteht sich als komplexes System, das nur dann funktioniert, wenn eine Vielzahl von Komponenten präzise aufeinander abgestimmt sind: eine entsprechende Infrastruktur aus neuen und ausgebauten konventionellen Strecken, besonders antriebsstarken Schienenfahrzeugen, welche zusätzlich gegen plötzliche Druckschwankungen geschützt sind („druckertüchtig“) sowie speziellen Signal- sowie Sicherheits- und Leitsystemen. Der Großteil der High-Speed-Trains läuft im sog. „Rad-SchieneSystem“ (mit Rädern auf den Gleisen, im Gegensatz zur Magnetschwebebahn, s. u.) und reduziert durch Faktoren wie aerodynamisches Design, ein homogenes Geschwindigkeitsprofil, geringere Masse durch leichtere Materialien, effizientere Elektroniksysteme u. a. den Energieverbrauch um bis zu 15 % gegenüber konventionellen Zügen. ////// FAST SO SCHNELL WIE FLUGZEUGE ////////////// Technologisch sind im HGV aber die Magnetschnellbahnsysteme auf der Überholspur: Magnetschwebebahnen sind spurgeführte Züge, die durch magnetische Kräfte auf eigens angefertigten Strecken geräusch- und verschleißarm in Schwebe gehalten und in Spur geführt werden, ohne jedoch die Schiene zu berühren. Auch der Antrieb und die Bremsung erfolgt im System. Ein Beispiel ist der Shanghai Transrapid Maglev. Er verbindet seit 2003 den Finanzdistrikt mit dem Shanghai Airport und ist mit einer Höchstgeschwindigkeit von 431 km/h das fahrplanmäßig schnellste spurgebundene Fahrzeug der Welt im regulären Betrieb. Außerhalb eines regulären Fahrplans ist der Weltrekordhalter in Sachen Geschwindigkeit der japanische Yamanashi Maglev L0 (A07), ebenfalls eine Magnetschwebebahn: Am 21. April 2015 erreichte er auf einer Teststrecke 603 km/h. Der private Betreiber Central Japan Railway plant, den Zug ab 2027 auf der Strecke Tokio–Nagoya einzusetzen (350 km in 40 Minuten). Bis 2045 soll via Magnetschwebebahn auch Osaka von Tokio aus in 60 Minuten für etwa 400 km erreichbar sein. ////// IN ZUKUNFT AUF LUFT STATT SCHIENE /////////// Nicht mehr Schienen, sondern Luftkissen könnten in Zukunft für den Massentransport eine Rolle Bilder: © Hyperloop; wikipedia; Bombardier spielen, wenn es nach dem Visionär Elon Musk geht. Er möchte auf der 600 km langen Strecke von Los Angeles nach San Francisco das Hochgeschwindigkeitstransportsystem „Hyperloop“ einführen und dieses in Folge auch nach Europa und Asien exportieren. Hyperloop befördert Passagiere in elektrisch betriebenen Transportkapseln, die ähnlich wie bei bestehenden Magnetschwebebahnen berührungsfrei, allerdings auf Luftpolstern bei 1 220 km/h energieeffizient und schadstoffarm durch evakuierte Stahlröhren gleiten. Energieeffizient, weil der Strom zum Antrieb der Kapsel aus alternativen Energiequellen (Solarenergie) gewonnen werden soll. Die Kapsel fasst 28 Passagiere; geplant sind auch Hyperloop-Cargo-Kapseln. Erstmals bemannt getestet wird der Hyperloop 2016 auf einer acht km langen Teststrecke in Quay Valley. Ab 2020 könnte der Hyperloop beispielsweise auch die Städte Wien und Bratislava in nur acht Minuten verbinden. Erste Gespräche sind schon am Laufen. http://hyperlooptech.com TEMPO 13 KOMPLEXES EINFACH ERKLÄRT RASEND SCHNELL Abbildung: © Cargometer DIE FRACHT-STARTER DASS ES BEI START-UPS IMMER GANZ SCHNELL ZUGEHT, TRIFFT NUR AUF EINEN KLEINEN TEIL DER GRÜNDERSZENE ZU. BEI AUFWÄNDIGEN ENTWICKLUNGEN HINGEGEN GILT DIE DEVISE: BEHUTSAM STARTEN UND ERST SPÄTER VOLLGAS GEBEN. DAS WIENER TECHNOLOGIE-START-UP CARGOMETER HAT EIN SYSTEM ZUR EXAKTEN BESTIMMUNG VON LKW-LADUNGEN ENTWICKELT. ZWISCHEN ERSTER PRODUKTIDEE UND NULLSERIE LAGEN ZIRKA FÜNF JAHRE. NUN STEHT DAS UNTERNEHMEN AN DER STARTRAMPE ZUM MARKTEINTRITT UND JETZT SOLL ES SCHNELL GEHEN. Von Ruth Reitmeier 14 Start-up heißt ja nicht nur Unternehmensneugründung, sondern bedeutet auch durchstarten. Entsprechend dynamisch klingt der Begriff, nach mehr, nach von null auf hundert, einfach machen, schnell sein. Man assoziiert damit geniale Business-Ideen, die ihre Schöpfer binnen weniger Jahre vom Garagenmieter zum Milliardär machen oder auch fulminant scheitern lassen, um irgendwann vielleicht dann doch noch das ganz große Business auf die Beine zu stellen. Viele dieser modernen Mythen spielen im kalifornischen Silicon Valley, der Traumfabrik angehender Unternehmer. Ab und zu gibt es so eine Story auch aus Österreich. Diese Geschichten sind zweifellos inspirierend, jedoch in der Realität Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Das Gros österreichischer Start-ups braucht Zeit für Entwicklung, Markteintritt, um Kunden zu gewinnen, ein Vertriebssystem aufzubauen und Gewinne zu schreiben. Auch technologische Innovationen, für deren Anwendung es oft mehr als eine Internet-Plattform braucht, benötigen Zeit und Geld. IM E-BUSINESS IST SCHNELLES HANDELN EIN SCHLÜSSELFAKTOR ZUM ERFOLG „Speed ist vor allem im E-Business ein Thema, denn ist die Zeit für eine Geschäftsidee erst reif, muss diese möglichst schnell und mit viel Marketingkapital auf den Markt gebracht werden“, sagt Werner Wutscher – Business Angel und Gründer der Investmentboutique New Venture Scouting, die innovative Start-ups und etablierte Unternehmen zusammenbringt. Ist ein Geschäftsmodell hochgradig skalierbar, so müssen dies in der Regel auch die Finanzmittel fürs Marketing sein. In der öffentlichen Wahrnehmung von Start-ups sind vor allem E-Commerce-Modelle und Apps präsent. Ein großer Bereich ist jedoch jener der Hardware und anderer aufwändiger Technologie-Entwicklungen, deren Teams üblicherweise einen langen Atem brauchen. „Das ist eine ganze andere Welt“, betont Wutscher. Zwischen Am Schöpfwerk und dem Wienerberg im zehnten Wiener Gemeindebezirk in einem langgestreckten Gewerbekomplex befindet sich der High Tech Campus Vienna, wo Michael Baumgartner seinen Arbeitsplatz hat. AM START ZUM MARKTEINTRITT: HIGHTECH-ENTWICKLUNG MIT POTENZIAL AM WELTMARKT Er ist Gründer und Geschäftsführer von Cargometer. Das Wiener MesstechnikUnternehmen wurde 2013 gegründet und steht nunmehr am Start zum Markteintritt. Was hier entwickelt wurde, ist ein innovatives Fracht-Messsystem, das derzeit in Nullserie bei der Spedition Gebrüder Weiss im Testbetrieb läuft. Die neue Technologie löst ein kostspieliges Problem in der Logistikbranche. Durch den Einsatz dieses Systems, das mittels Sensoren das Frachtvolumen von Lkw-Ladungen exakt bestimmt und verrechnet, können Transportunternehmen ihre Umsätze um bis zu fünf Prozent steigern – errechnete Cargometer. Rund 90 Millionen Tonnen an so genannten Stückguttransporten – also mit Lebensmitteln, pharmazeutischen Produkten, Autozubehör oder Elektrogeräten beladene Paletten – sind im Lkw in gesamt 27 Ländern Europas pro Jahr grenzüberschreitend unterwegs. Die tatsächliche Entwicklung des Produkts nahm drei Jahre in Anspruch, vor allem das Programmieren des Messsystems war zeitaufwändig, doch jetzt heißt es: Gas geben. Gerade im Hightech-Sektor ist flottes Wachstum des Unternehmens oft mals dem organischen vorzuziehen, um bloß nicht von Kopisten überholt zu werden. Jetzt, an der Schwelle zum Markteintritt, führt das Unternehmen intensive Gespräche mit Investoren zwecks Anschubfinanzierung. Rund 800 000 Euro benötigt das Unternehmen für den Roll-out. „Wir wollen die ersten im Markt sein“, sagt Baumgartner. 2018, also fünf Jahre nach der Unternehmensgründung, will Cargometer den Break-even erreicht haben – ein laut TEMPO Experten seriöses Ziel. Neben Kapitalgebern wird deshalb auch ein Vertriebspartner gesucht, der bereits über einen soliden Kundenstock in der Branche verfügt. Dies ist im Übrigen eine Variante, die laut Start-up-Experten Wutscher viel mehr Jungunternehmen nutzen sollten. STRATEGISCHE PARTNERSCHAFTEN ZWISCHEN START-UPS UND ETABLIERTEN UNTERNEHMEN ALS ERFOLGSFAKTOR Denn durch eine strategische Partnerschaft mit einem etablierten Unternehmen ist das Start-up viel schneller im Markt positioniert und erspart sich den mühsamen Aufbau eines eigenen Vertriebssystems. Hinzu komme der nicht zu unterschätzende Vorteil, dass bei einer Vertriebspartnerschaft keine Unternehmensanteile abgetreten werden müssen. „Solche Kooperationen werden üblicherweise über eine Umsatzbeteiligung des Vertriebspartners geregelt“, sagt Wutscher. Wobei Partnerschaften mit großen Konzernen für Start-ups schwieriger sein können als etwa die Zusammenarbeit mit einem KMU. Je größer der Konzern, desto langwieriger die Entscheidungsprozesse. Das passt oftmals mit Ausrichtung und Geschäftsidee des Start-ups nicht zusammen. Für ein KMU hingegen ist die Zusammenarbeit mit einem innovativen Jungunternehmen üblicherweise Chefsache. Steht der Eigentümer dahinter, kann eine Kooperation auch rasch umgesetzt werden. DIE RICHTIGEN MITARBEITER ZU FINDEN, IST FÜR GRÜNDER OFT SCHWIERIG Cargometer will jedenfalls zunächst den Heimmarkt bearbeiten sowie deutsche Spediteure als Kunden gewinnen. Grundsätzlich ist für ein Produkt wie dieses der Weltmarkt das Ziel. Das Unternehmen ist derzeit ein Fünf-MannBetrieb mit zwei Geschäftsführern und beschäft igt des Weiteren ein Team aus 15 Grafik: © www.cargometer.com Die scheinbar schnelle Start-up Welt braucht in bestimmten Abschnitten auch ihre Zeit. Vor allem High-Tech-Ideen lassen sich nicht über Nacht entwickeln. Wie im Fall von Cargometer, ein österreichisches Start-up, das mit seiner Lösung für die Logistik den Weltmarkt anstrebt und gute Chancen hat diesen zu erobern. drei Technikern, die allesamt erst einmal gefunden werden mussten. Auch das war ein Prozess. Neben dem Aufbau der richtigen Mannschaft und Unternehmensstruktur bremsten zwischenzeitlich Finanzlücken die Entwicklung, etwa jene zwischen den Auszahlungen einzelner Tranchen von Fördergeldern. DIE FINANZIERUNG WIRD VON VIELEN UNTERSCHÄTZT Der Geldfluss ist ein Bereich, den viele Start-ups unterschätzen. „Geld muss dann eingesammelt werden, wenn man es eigentlich noch gar nicht braucht“, sagt Wutscher. Denn es vergehen üblicherweise viele Monate zwischen einer Finanzierungszusage und dem Eingang der Finanzmittel auf dem Firmenkonto. Zurück zu Cargometer: Zirka zwei Jahre lagen zwischen der ersten Produktidee und dem Startschuss zur Entwicklung. Der Weg von der Idee zum marktreifen Produkt ist zudem eine klassische Geschichte von Versuch und Irrtum. Um sie zu verstehen, muss man in diesem Fall zunächst runter von der Straße und hinein in die Umschlaghalle, wo Stückgut am laufenden Band palettenweise ver- und umgeladen wird. GENAUE MESSUNG VON FRACHTGUT WAR BIS DATO KAUM MÖGLICH Bis heute werden Ladungen zumeist gar nicht oder aber mühselig von Hand abgemessen. Die Frachtscheine selbst liefern keine Daten über die Dimension einer Ladung, die Logistiker wissen folglich auch nicht, wie sie daherkommt. Sie schätzen das Volumen anhand des Frachtgewichts und liegen damit oft zu 16 ihrem finanziellen Nachteil daneben. Eine noch unveröffentlichte Studie der Technischen Universität Wien kommt zu dem Schluss, dass rund 60 Prozent der Lkw-Ladungen untertarifiert abgerechnet werden und etwa 20 Prozent übertarifiert. Fazit: Lkw-Ladungen werden größtenteils falsch abgerechnet. Dieses Nichtwissen um die tatsächliche Dimension von Ladungen führt zu vage kalkulierten Rechnungen, Planungsdefiziten, schlecht ausgelasteten Logistik-Netzwerken und halbleeren Lkws. All das bringt nicht nur die ohnehin mageren Margen der Spediteure unter Druck, es führt auch zu CO2-Belastung, die man einsparen könnte. Und genau aus dieser Ecke kam die ursprüngliche Idee für dieses Produkt, denn Gründer Michael Baumgartner ist Klimaforscher. Seine Dissertation zum Thema CO2-Reduktion im Schwerverkehr verfasste er am renommierten Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. MEHRERE ANLÄUFE, UM ZUM KERN DER GESCHÄFTSIDEE VORZURÜCKEN Aus Hamburg hatte er zudem ein Patent für eine „Vorrichtung und Verfahren zur Erfassung der Ausnutzung eines bewegbaren Laderaums“ mitgebracht. Bis sich daraus Cargometer entwickelte, brauchte es allerdings mehr als einen Anlauf. Als schließlich auch der perfekte Ort gefunden war, um die Lkw-Ladungen am besten zu messen – nämlich die großen Lkw-Tore zur Umschlaghalle, weil genau dort der Gabelstapler mit der Ladung durchfährt und der Arbeitsablauf in der Halle nicht behindert wird – tauchte ein praktisches Problem auf: Die Umsetzung war einfach zu teuer und wurde erst mit der rasanten Weiterentwicklung der Sensortechnik rentabel. Seit ein paar Jahren sind nun die benötigten Time-offl ight-Sensoren in einer Preisklasse erhältlich, bei der sich eine Bestückung mehrerer Tore rund um eine Umschlaghalle rechnet. Und dies markierte quasi den offi ziellen Start von Cargometer. EINFACHE RECHNUNG: LADUNG + PALETTE – GABELSTAPLER = FRACHTVOLUMEN Die Sensoren, die Cargometer heute einsetzt, schießen bis zu 30 Aufnahmen pro Sekunde. Auf dem Bildschirm entsteht daraus ein 3D-Modell, das sich nach und nach zu einer glatten und vor allem exakten Oberflächendarstellung der Ladung zusammenfügt. Der Computer zieht letztlich die Maße des Gabelstaplers ab und zeichnet die Kanten eines Quaders rund um die Ladung – Palette inklusive. Mit genau diesen Abmessungen steht sie wenig später im Lkw. Mittels der gewonnen Daten über die Dimension stimmt nicht nur die Rechnung des Spediteurs, die Bilder liefern nebenbei einen Beweis für etwaigen Diebstahl oder Beschädigung der Fracht. Auf Basis solcher Daten werden künftig die Flotten und Netzwerke der Transportunternehmen effizienter genutzt werden. So wird es möglich sein, Fahrpläne nicht mehr zirka halbjährlich, sondern sehr kurzfristig dem tatsächlichen Bedarf anzupassen. „Ist die Strecke Wien–Berlin etwa mittwochs schlecht ausgelastet, so wird das Logistikunternehmen die Waren eben in einem kleineren Lkw bis zur Umschlaghalle in München liefern und anschließend von dort aus diese Fracht zusammen mit weiteren Ladungen in einem größerem nach Berlin weiter transportieren“, sagt Baumgartner. Foto: © René Baumgartner Tanzen mit allen Sinnen DER TÄNZER, TANZPÄDAGOGE UND CHOREOGRAF VINICIUS VERFOLGT IN SEINEM TANZTHEATER-PROJEKT MOMENTOS EINE STRATEGIE: NACH NUR DREI WOCHENENDEN IST EIN STÜCK AUFFÜHRUNGSREIF. ZUSÄTZLICHER SCHWIERIGKEITSGRAD: VIELE TÄNZER HABEN KEINE ODER WENIG TANZERFAHRUNG. Das Gespräch führte Daniela Müller querspur: Vinicius, wie kam es zu Momentos? Vinicius: Bei meiner Arbeit mit Profis und Laien habe ich gemerkt, dass Kreativität einen besonderen Raum braucht, wenn sie sich unabhängig von Zeit und Druck entfalten soll. Unter solchen Voraussetzungen entsteht etwas, das ich Kreativraum nenne. Er ist die Vereinigung des Räumlichen, Geistigen und Emotionalen. Sobald man den Tänzerinnen und Tänzern diese drei Ebenen zu öff nen hilft , sind sie in der Lage, innerhalb kurzer Zeit neue Bewegungsideen zu kreieren. IN DER UNERPROBTEN SITUATION ENTSTEHEN BEWEGUNGEN MIT BOTSCHAFTEN Dann wird es auch interessanter und reizvoller, weil es nichts mehr mit Abspulen bereits trainierter Bewegungsabläufe zu tun hat. Es geht eher um eine individuelle Ausdrucksform, die zwischen dem Gesprochenen und dem Körperlichen, also der Bewegung und dem Ausdruck, schwebt. Eine solche Ausdrucksform kann „ungreifbare“ Botschaften vermitteln. Diese werden nicht in erster Linie durch den TEMPO Verstand erfasst, sondern durch einen anderen menschlichen Kanal: die Intuition. querspur: Das Ziel von Momentos ist, innerhalb von nur drei Wochenenden mit Menschen ohne oder mit wenig Tanzerfahrung etwas Qualitatives auf die Bühne zu bringen. Wie geht das? Vinicius: Momentos ist eher als Workshop-Situation zu verstehen. Hier geht es um das Experimentieren und Improvisieren. Da liegt der Fokus schon mal woanders als in der Perfektion: Wir schauen, was man in der Zeit schafft und nicht, was man nicht 17 Foto: © Gerrit Freitag Vinicius, in Rio de Janeiro geboren, kam 1992 nach Deutschland und verwirklichte dort seinen Traum, auf großen Bühnen zu tanzen. Er absolvierte Ausbildungen als Tanztheatertänzer, Tanzpädagoge und Choreograph in Deutsch- 18 land und London. Vinicius arbeitet heute freiberuflich, vorwiegend in Deutschland und Österreich, leitet aber auch Tanzprojekte in anderen europäischen Ländern und in Brasilien. Das Projekt Momentos entstand im Sommer 2011 in Wien und wurde später nach Innsbruck und Rio de Janeiro gebracht. www.fantastartist.de www.facebook.com/vinicius.de geschafft hat. Alle Mitwirkenden sollen dabei eine individuelle Verbindung zum Thema entwickeln und daraus ihren Beitrag leisten, sie sollen die Verbindung zwischen Tanz, Musik und Raum spüren. Zudem erfahren die Teilnehmenden einiges über die enorme Disziplin und Ernsthaft igkeit, die hinter so einer Produktion steckt und was es braucht, um Kunst im quasi professionellen Bereich zu kreieren und zu realisieren. AUFWÄRMEN IST NICHT NUR FÜR DEN KÖRPER WICHTIG, SONDERN BEREITET AUCH DIE EMOTIONALE EBENE DER TÄNZER VOR querspur: Wie geht es den Teilnehmenden mit dieser Situation? Vinicius: In der Regel sind sie nach dem Aufwärmen schon ganz anders eingestimmt, weil schon beim Aufwärmen eine mentale Vorbereitung auf die kommende Arbeit passiert: Viele denken, dass es beim Aufwärmen nur um die Muskeln geht. Doch in meiner Arbeit ist es der Zentralpunkt für den Eingang zur Sensibilisierung der emotionellen Ebene, zur Fokussierung des Denkens im Hier und Jetzt und zur Erfahrung der Qualität des eigenen Körpers. Erst auf einer zweiten Ebene geht es um die muskulären und tänzerischen Fähigkeiten. Mit diesem Aufwärmen werden die Tänzerinnen und Tänzer bestens für schnelle kreative und ausdrucksstarke Ergebnisse vorbereitet. querspur: Wie genau entsteht das, was am Ende aufgeführt wird? Momentos entsteht, indem ich den Teilnehmenden Fragen stelle, auf die sie mir in Form von Bewegung antworten. In einem weiteren Moment lasse ich sie ihre Solo-Arbeiten gegenseitig präsentieren. Infolgedessen fallen viele Hemmungen und Unsicherheiten. Zugleich versuche ich, Verknüpfungspunkte zwischen den Soli zu erkennen, sie in Form von choreografischen Gruppenarbeiten zusammen zu bringen und daraus feste Szenen für das Tanzstück vorzubereiten. Das lässt ein Tanzstück – ein Wechselspiel zwischen den Tanzenden und mir – unheimlich schnell entstehen. querspur: Aber es wird doch einen gewissen Erwartungsdruck geben? Vinicius: Eigentlich habe ich viel mehr Erwartungen als Erwartungsdruck, d. h., ich habe immer den Wunsch neue Bilder und bewegte Momente mit meinen Tänzerinnen und Tänzern zu schaffen. Momentos entwickelt sich entlang individueller Fähigkeiten, die die Teilnehmenden mitbringen: wie sie sich bewegen, ausdrücken und inspirieren. Druck versuche ich zu vermeiden. Das ist kontraproduktiv. Kreativität und Produktivität entstehen eher, indem man das Bewusstsein für sich und die Umgebung schärft und sich darüber im Klaren ist, mit welchen Gefühlen man im Raum ist. MIT DIESER ART DES TANZENS LASSEN SICH AUCH ALLTAGSSITUATIONEN BESSER MEISTERN querspur: Ich würde das von Ihnen Beschriebene als „ganzheitliche“ Lernsituation beschreiben. Kann man ein solches Lernen auch im Alltag umsetzen? Vinicius: Zu mir kommen beispielsweise immer wieder Lehrende um Tipps, wie sie ihre Schülerinnen und Schüler für das Lernen begeistern können, einzuholen. Dazu muss gesagt werden, dass Lehrende in der Regel in einer Welt arbeiten, in der es einen festen Arbeitsrahmen gibt mit wenig Spiel- und Zeitraum, um den Lehrstoff zu vermitteln. Und das, obwohl wir mittlerweile wissen, dass es vier verschiedene Lerntypen gibt. Hier bremse ich ein und hole die Lehrenden erst einmal aus ihrer LehrerRolle heraus, indem ich sie spüren lasse, wie es sich anfühlt, Individuum zu sein, sich selbst und die Welt der Emotionen zu erfahren, damit sie in einem weiteren Schritt im eigenen Körper erleben, wie es ist, wenn das TEMPO Gelernte ein ausgeglichenes Erlebnis von Erleben und Fühlen ist. Nicht nur bei den Schülerinnen und Schülern, sondern auch bei sich selbst. querspur: Ein allgemeingültiger Rat wäre zu kurz gegriffen? Vinicius: Das Befolgen eines Rates hat meistens mit einem kognitiven Verstehen einer Aufgabe zu tun, ist oft aber nicht ausreichend, um bestimmte Dinge in Gang zu setzen. Manche Dinge muss man einfach erfahren und ausprobieren, um sie zu verstehen. Ein Beispiel dafür ist, mit einem Blatt Papier durch einen leichten Gegendruck zu tanzen. Um es zu erreichen, genügt es nicht aus zu sagen: Nutze den Gegendruck, um das Blattpapier an deiner Handfl äche festzumachen. Zuerst muss ich die Sinne des Teilnehmenden für Leichtigkeit im Körper sowie in der Bewegung und zugleich Gegendruck sensibilisieren. Die Übung spiegelt oft wider, wie man selber im Leben drauf ist: Manche geben sich viel Druck im Leben und lassen das Blatt Papier trotzdem schnell fallen. Andere können sich kaum Gegendruck leisten, weil sie eher weich im Leben sind, und auch hier fällt das Blatt Papier zu Boden. Es geht um eine spielerische und andere Form der Balance von Raum, Geist und Emotion, der im Leben selten Aufmerksamkeit geschenkt wird. IN DER SITUATION DIE RICHTIGE ENTSCHEIDUNG TREFFEN querspur: Was haben Sie bei Momentos gelernt? Vinicius: Bei diesem Tanzprojekt lerne ich die Menschenseele zu verstehen, meine Intuition zu schärfen, die Fähigkeit, im Moment zu sein und dabei die richtige Entscheidung für das Tanzstück oder für die Gruppendynamik zu fi nden. Aber auch kreativ und effektiv zu sein und mit kleinen oder großen Herausforderungen umgehen zu können. 19 Foto: © Fraunhofer IGD Fast wie echt SIMULIERTE REALITÄT WIRD DIE PRODUKT- UND PROZESSENTWICKLUNG REVOLUTIONIEREN. UM 2020 WERDEN IN DER AUTOMOBILENTWICKLUNG VERSUCH UND IRRTUM NUR NOCH EINE ZEHNTELSEKUNDE VONEINANDER ENTFERNT LIEGEN. MASCHINENBAUER MÜSSEN BEI REPARATUREN NICHT MEHR ZWANGSLÄUFIG ZUM STANDORT DER JEWEILIGEN ANLAGE REISEN. ES DARF SO RICHTIG GETÜFTELT WERDEN. Von Ruth Reitmeier In naher Zukunft: Immer dann, wenn sie auf der Suche nach einer Idee ist, spaziert die Autodesignerin morgens an einem Brunnen aus den 1960er Jahren vorbei, dessen biomorphe Formen (also künstliche Gebilde, die natürlichen Lebensformen nachempfunden sind) sie für ihre Arbeit immer wieder inspirieren. Und sie findet dort einmal mehr erneut eine Antwort. Diesmal darauf wie sie das Heck, an dem sie gerade tüftelt und das vorerst nur auf Bildschirm in 3D existiert, fließender hinbekommt. Ein wenig später, an ihrem Arbeitsplatz, ändert sie ein paar Details. Dann drückt sie aufs Knöpfchen und schickt das virtuelle Auto mit verändertem Blechkleid in die simulierte Realität eines Windkanals, um die Aerodynamik zu testen. Im Bruchteil einer Sekunde hat sie ein Ergebnis. Bingo! Schönheit und technische Anforderungen ergänzen einander perfekt. DIE REALITÄT AM COMPUTER SIMULIEREN – DAS REDUZIERT DAS RISIKO Ab 2020 wird dies möglich sein, werden Versuch und Irrtum in der Produktentwicklung nur Zehntelsekunden voneinander entfernt liegen. Durch die laufende rechnergestützte Absicherung von Zwischenergebnissen wird mit wenig Risiko vieles ausprobiert werden können. Denn mittels simulierter Realität lassen sich Szenarien der realen Welt im Computer abbilden und Aus- sowie Vorhersagen treffen. Das Besondere an dieser Art der Simulation ist, dass sie virtuell und interaktiv ist. Sie bezieht also ihre Umgebung mit ein, genauso wie das, was dort passiert. Diese Art der virtuellen Realität hat nichts mit dem zu tun, was wir schon heute etwa aus der Architektur kennen, wo z. B. virtuelle Wohnungspläne dem Mieter oder Käufer das Raumempfinden nahebringen sollen. MODERNE SIMULATION IST HOCHKOMPLEX UND OFT NOCH IM ENTWICKLUNGSSTADIUM Das Konzept dieser hochentwickelten simulierten Realität wird vor allem für komplexe Systeme wie Verkehr und hochmoderne Produktionsprozesse eingesetzt. Zum Beispiel im Flugzeugbau: Denn erst wenn absolut sicher ist, dass der neue Flieger auch oben bleibt, wird testgeflogen, davor wird simuliert. Auch der Autobau bedient sich längst der realitätsnahen Simulation. Dennoch steht gerade hier ein großer Sprung nach vorne an. Anders als noch heute üblich wird in wenigen Jahren simulierte Realität fi xer Bestandteil in frühen Stadien des Produktentwicklungsprozesses sein. Dieser Fortschritt wird durch die Anforderungen des Weltmarktes angetrieben, wo, um wettbewerbsfähig zu bleiben, neue Produkte innerhalb kürzester Zeit Serienreife erreichen und folglich schneller und kostengünstiger entwickelt und produziert werden müssen. IN VIRTUELLEN WELTEN WIRD KÜNFTIG DAS RENNEN GEMACHT Zugleich pushen die neuen Player wie der Internetkonzern Google oder Elektroautohersteller Tesla die Entwicklung. Denn im Zuge der sich vollziehenden Neuerfindung des TEMPO Autos zum automatisierten, autonomvernetzten Fahrkonzept wird der Autobau um einiges komplexer. PS, das war einmal, Automobilhersteller definieren sich heute über ihre digitalen Stärken – wohlwissend, dass Umbrüche, wie sie sich zurzeit in ihrer Branche abspielen, in der Lage sind, unsterblich geglaubte Riesen hinweg zu fegen. OPTIMALE ERGONOMISCHE ARBEITSABLÄUFE KANN DER COMPUTER BESSER BERECHNEN „Es gibt Aufgabenstellungen, da ist der Zugang des Computers geeigneter als die menschliche Intelligenz“, sagt Philipp Slusallek vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Das renommierte Research Center in Saarbrücken arbeitet aktuell an einem Forschungsprojekt mit der Daimler AG mit dem Ziel, ergonomisch optimierte Arbeitsabläufe von Menschen in der Werkshalle zu entwickeln. Denn das erfordert eine Arbeitswelt, in der die Jungen weniger werden, die Älteren älter, in der Menschen mit Behinderungen integriert werden, und zugleich die Produktion flexibler, vernetzter, komplexer wird. Reale Bewegungen von Arbeitskräften bilden dabei die Datenbasis, diese werden mit Informationen zum Körperbau des Menschen sowie ergonomisch optimalen Bewegungsabläufen kombiniert und daraus ein Bewegungs- und Arbeitskonzept für den Mitarbeiter errechnet. Intelligente, simulierte Realität bildet Ausschnitte der Wirklichkeit im Computer nach, wobei die Umwelt ein- 21 bezogen wird. Dieser Computerwelt wird Leben eingehaucht, etwa durch die Arbeiter in der Produktion und ihr Handeln. Diese Modelle sind hochkomplex, bleiben jedoch ein Grundgedanke. „Eine realistische Abstrak tion ist keine Kopie der Realität. Die ist sehr viel komplexer“, betont Slusallek. Im Computer könne nicht alles bis ins letzte Detail – also bis in den atomaren oder gar subatomaren Bereich – dargestellt werden. SIMULATION IST WIE FOTOGRAFIE: EIN BESTIMMTER BILDAUSSCHNITT IST SCHARF GESTELLT Doch die Abbildung im Rechner muss genau genug abstrahiert werden, sodass die Ergebnisse stimmen. Im Simulator wird also ein Ausschnitt der echten Welt abgebildet. „Man kann das anhand des Beispiels der Fotografie illustrieren. Der Fotograf stellt jenen Ausschnitt scharf, der ihm am wichtigsten ist. Das können die Berge im Hintergrund oder die Menschen im Vordergrund sein“, sagt Ilja Radusch vom Fraunhofer-Institut FOKUS in Berlin. Oder am Beispiel der Sturmwarnung: Um etwa Windgeschwindigkeit zu simulieren, muss nicht jedes Luftmolekül erfasst werden, aber der Luftdruck, der bei 90 km/h entstehen wird und seine Auswirkungen auf bestimmte Umgebungen. Dessen ungeachtet ist das Maß der Abstraktion ein Qualitätskriterium für virtuelle Simulation. Grundsätzlich gilt: Je detaillierter, desto besser. Ein weiteres Schlüsselkriterium für den Erfolg virtueller Simulation ist, dass vorab die richtigen Fragen gestellt werden. In der Robotik findet simulierte Realität ein noch weites Anwendungsgebiet, das heißt, es gibt viel zu beforschen – zumal die Industrieroboter aktuell eine Krise durchmachen, weil sie zu unflexibel sind. Anfang 2016 gab das Mercedes-Werk in Sindelfingen (Baden-Württemberg) bekannt, dass dort künftig wieder verstärkt Menschen statt Roboter arbeiten würden, da die Maschinen von den 22 detaillierten Anforderungen einer zunehmend individualisierten Fertigung schlichtweg überfordert seien. „Diese Varianz ist für die Maschinen zu viel“, wird Produktionschef Markus Schäfer in der „Welt“ zitiert. VORAUS ZU PLANEN IST FÜR MASCHINEN NOCH IMMER SCHWIERIG Dieses aktuelle Beispiel zeigt die Defi zite von Robotern, wie sie heute in der Montagehalle werken. Sie können ihre Umwelt nur sehr eingeschränkt wahrnehmen und auch nicht vorausplanen, was sich dort abspielen und der Mensch darin machen wird. „Denken wir etwa an Menschenmengen in einer U-Bahnstation, wie sie sich aneinander vorbeibewegen. Dies sind hochkomplexe Abläufe und darin ist der Mensch extrem gut. Wären indessen heutige Roboter unterwegs, würden sie vermutlich allesamt stehen bleiben“, sagt Slusallek. Das DFKI arbeitet aktuell an einem Forschungsprojekt auf dem Gebiet der kooperativen Robotik. Dabei geht es um enge Kooperation zwischen Mensch und Maschine, etwa in der Werkshalle. Bei schweren Arbeiten, wie etwa der Unterbodenmontage in der Autoproduktion, verspricht man sich davon eine Entlastung der menschlichen Arbeitskraft sowie insgesamt effi zientere Produktionsprozesse. ROBOTER SOLLEN IN ZUKUNFT MIT MENSCHEN INTERAGIEREN KÖNNEN In Zukunft sollen Roboter also nicht wie bisher allein im Käfig an der Assembly Line werken, sondern mit dem Menschen gemeinsam, Seite an Seite und dafür müssen sie deutlich mehr können als bisher. Für die Entwicklung dieser neuen Robotergeneration wiederum braucht es simulierte Realität. „Mit traditioneller Robotik funktioniert das nicht. Denn soll der Roboter mit dem Menschen interagieren, kann er nicht bloß sein Programm abspulen, sondern muss in der Lage sein, sich ein genaues Bild seiner Umgebung zu machen und voraus zu planen, was der Mensch als nächstes tun wird“, betont der Experte. Um etwa folgenschwere Arbeitsunfälle zu verhindern, müssen die Maschinen behutsam sein, der Roboterarm darf dem Menschen beispielsweise etwas reichen, aber nicht in der Nähe seines Kopfs hantieren. IM SUPERMARKT SCHNELL ZU DEN GEWÜNSCHTEN PRODUKTEN FINDEN Anwendungsgebiete simulierter Realität finden sich mitunter auch für recht alltägliche Dinge wie etwa ein 3D-Simulationsmodell zur optimalen Auslegung und Beschilderung eines Supermarkts. Dabei werden Daten von Einkäufern, ihren Wegen und Erfahrungen à la „wo Nudeln sind, da ist auch Reis“ gesammelt, gespeichert und daraus in Kombination mit Umsatzzielen des Retailers eine optimierte Raumplanung der Verkaufsfläche entwickelt. VIRTUELLE SPIEGELUNG IM MASCHINENBAU REDUZIERT REISETÄTIGKEIT DER MITARBEITER Vom Supermarkt in den Anlagenbau: In Zukunft werden Maschinenbautechniker nur noch bei sehr schwerwiegenden Störungen einer Anlage zum Kunden reisen müssen. Troubleshooting, Wartungsarbeiten und sogar Schulungen können künftig über eine virtuelle Spiegelung der Anlage – also einer Simulation – durchgeführt werden. Der Techniker beim Anlagenbauer in Österreich kann dem Kunden in Übersee an der virtuellen Anlage zeigen was zu tun ist, an welchen Schrauben gedreht werden muss, um das Problem zu beheben. In der Automobilindustrie wird schon heute eine große Anzahl von Tests realitätsnah simuliert. Das Problem dabei ist: Simulationen sind zeitintensiv und werden folglich erst in einem relativ späten Stadium des Entwicklungsprozesses Foto: © Fraunhofer IGD Simulierte Realität unterstützt nicht nur Innovationskraft großer Unternehmen, sondern wird zunehmend auch von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) genutzt. Etwa haben KMU aus dem Fertigungsbereich über das EU-Projekt CloudFlow die Möglichkeit, Spezialsoftware für virtuelle Simulationen über eine Cloud-Lösung zu nutzen um so die Entwicklung zu beschleunigen. eingesetzt. Zeigt sich dann, dass das neue Modell in ein paar Punkten schlechter abschneidet als geplant, heißt es zurück in die Entwicklung. Solche Korrekturen sorgen für Verzögerungen und das kommt teuer. André Stork vom Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD in Darmstadt beschäftigt sich mit der interaktiven Simulation direkt im Entwicklungsprozess. „Wir haben die Vision, die interaktive Simulation zu beschleunigen“, sagt Stork. SIMULATIONEN IM GESAMTEN ENTWICKLUNGSZYKLUS Getüftelt wird intensiv, denn ab 2020 soll das Ergebnis der interaktiven 3DSimulation einer Strömungssimulation nicht nach etlichen Stunden, sondern binnen Zehntelsekunden vorliegen. Daraus ergibt sich eine grundlegende Veränderung in der Produktentwicklung. Es kann mehr ausprobiert werden, zumal mittels virtueller Simulation Feedback unmittelbar vorliegt und etwaige Fehler frühzeitig erkannt werden. Die virtuelle Simulation wird künftig also nicht primär der Endkontrolle dienen, sondern entwicklungsbegleitend eingesetzt werden. Entwickler und Designer können ihren Ideen freien Lauf lassen und zugleich durch virtuelle Simulationen jeden Zwischenschritt rechnergestützt absegnen lassen. Die Erwartungen sind hoch: Es sollen dadurch bessere, innovativere und auch ganz neue Produkte entstehen. Ab 2020 sollen zudem vernetzte Autos so richtig in Fahrt kommen. Ilja Radusch erforscht am FraunhoferInstitut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS in Berlin in Simulationsprozessen das vernetzte Fahren, wo Fahrzeuge miteinander oder auch mit Infrastruktur wie Ampelanlagen kommunizieren. Das hat den Vorteil, dass das Auto nicht nur ringsum wahrnimmt was passiert, sondern quasi auch um die Ecke sehen kann. DAS WETTER WIRD KEINEN EINFLUSS MEHR IN DER PRODUKTENTWICKLUNG HABEN Diese Entwicklung wäre ohne Simulation nicht möglich. „Man müsste eine Teststrecke von 40 Millionen Kilometern zurücklegen“, sagt Radusch. Mittels simulierter Realität wird das vernetzte Auto in Verkehrssituationen jenseits der Schönwetterfahrt getestet, also etwa beim Einfädeln auf der Autobahn. Ziele des vernetzten Autoverkehrs sind weniger Unfälle und mehr Effi zienz. TEMPO SICHERHEIT IST DAS MASS ALLER DINGE UND BLEIBT EIN STARKES ARGUMENT In Zukunft werden im Sicherheitsbereich und in der Produktentwicklung die neuen Möglichkeiten, die simulierte Realität bietet, eine größere Rolle spielen, um im Wettbewerb bestehen und mit zunehmend komplexeren Fragestellungen umgehen zu können. So etwa nicht nur im Eingangs erwähnten Flugzeugbau, wo es darum geht, Parameter wie Sicherheit und Funktionsweise des Flugzeugs in sehr frühen Phasen der Entwicklung zu testen, in denen manchmal noch nicht einmal reale Flugzeugmodelle zur Verfügung stehen. Am Horizont zeigt sich bereits eine Integration mehrerer miteinander interagierender Modelle, die für komplexe Simulationsvorhaben höchste Genauigkeit und übereinstimmende Gültigkeitsbereiche bieten. Auch im Schiffsbau wird die Rolle von Verfahren der simulierten Realität zunehmen. Denn in einer Notfallsituation auf hoher See sind vorab getestete und sehr präzise simulierte Evakuierungsszenarien lebensrettend. Die Fahrt in eine neue Welt hat also begonnen. 23 WARTEN IST EINE INAKZEPTABLE TÄTIGKEIT IN UNSERER ÄRA DER PRODUKTIVITÄT. BLÖD, WER AN DER HALTESTELLE MIT FAST LEEREM SMARTPHONE-AKKU ANKOMMT UND DAS TASCHENBUCH VERGESSEN HAT. GEDANKEN UND IDEEN, SICH DIE ZEIT ZU VERTREIBEN. Von Astrid Kuffner Ich stehe an der Haltestelle ohne Handy-Akku. Was tun? Hätte ich meine beiden Kinder dabei, müsste ich darüber nicht nachdenken. Ich hätte Kekse, Wasser und Pixibücher in meinem Känguruh-Beutel. Falls nicht, bräuchte es zumindest ein Pointenfeuerwerk in Form von Kinderliedern, Reimen und Fingerspielen im Kopf. Ins Narrenkastl schauen kommt nicht mehr in Frage seit mir jemand gesagt hat, dass man schneller dement wird, wenn man oft ins Leere schaut. Wenn auch andere Leute warten, könnte man sich unterhalten. Aber die Jungen haben sicher ein geladenes Mobiltelefon mit. Und für die anderen ist meine eigene Stimmung zu schlecht. Wer will schon die Startrampe für das übliche Lamento über 24 unpünktliche Verkehrsmittel, schlechtes Wetter oder Politik legen? Der aufgehängte Fahrplan ist oft genug ausgebleicht, in Kondenswasser gelöst, winzig gedruckt, mit undurchschaubaren Ausnahmen versehen, zugepickt, zerkratzt oder fehlt überhaupt. NEIN, DIE ZEITANZEIGE AN DER HALTESTELLE FOLGT KEINER LOGIK Selbst wenn es eine Minutenanzeige der Verkehrsbetriebe gibt, stimmt sie offensichtlich auf der ganzen Welt weder mit der eigenen biologischen Uhr noch der atomzerfallgenau aufs Handy übertragenen Weltzeit überein. Und: Wenn es eine Anzeigetafel gibt, ist kaum etwas gefürchteter als ihre Aktualisierung. Es könnte sich zusätzlich zur Wartezeit eine Verspätung manifestieren. Ich könnte das Fitnessprogramm der Frauenzeitschrift, die ich zum Zeitvertreib im Wartezimmer zur Hand nehme, umsetzen. Total unauffällig, total straffend für alle Problemzonen oder effektiv gegen Krampfadern. Im Stehen auf die Zehenspitzen gehen, zehn Sekunden halten, absenken. Oder Po anspannen, zehn Sekunden halten, entspannen. Je nach Wartezeit sind da viele Wiederholungen möglich. Und wenn ich die Selbstoptimierung schon angeleiert habe, denke ich auch an Gehirnjogging im Stehen mit Sudoku, Tetris oder Wissensquiz. Allein: Es fehlt dafür der Touchscreen im Wartehäuschen. Foto: © https://anamericaninmontreal.wordpress.com Die Ruhe vor dem Bus NEUDEUTSCH: BACKUP-TÄTIGKEIT ZUM ZEITVERTREIB PARAT HABEN In den Augen von Life Coach Anthea Newburn habe ich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann: Während man auf ein Meeting oder den Aufzug wartet, rät sie zu BackupTätigkeiten, in die man jederzeit reinkippen und wieder unterbrochen werden kann. Ich will es Ihnen aber nicht vorenthalten: Lesestoff sollte immer dabei sein. Oder das (elektronische) Notizbuch, um die To-Do-Liste zu aktualisieren, die eigene Zielerreichung zu prüfen oder den Terminkalender zu optimieren. Ebenfalls dabei: Die Mama anrufen. Das tun wirklich viele. Vielleicht, weil die Exit-Option mit eingebaut ist: „Du Mama, ich muss aufhören, die Bahn kommt. Ich meld’ mich, Bussi! Baba!“ Aber ohne Akku kein gutes Gewissen. Als ich neulich eine Zeitung dabei hatte, las ich Folgendes: Wir werden heute sowohl in der Freizeit als auch in der Arbeit unter Druck gesetzt, unsere Zeit sinnvoll zu verbringen. Dieser Druck kann – so die Studienautoren – zu Sucht (als Flucht), Burnout oder Depression führen. LANGEWEILE IM KOPF BIRGT DAS POTENZIAL NACHHALTIGER „KUNST“ Nicht alle zünden sich eine Zigarette an oder werden lethargisch. Bei manchen führt Langeweile auch zu Aggression oder macht Lust, sich langfristig zu verewigen (Stichwort Graffiti-Sprayer). Die dänische Stadt Alleroed nördlich von Kopenhagen setzt gegen diese ganz langweilig auf Videoüberwachung, das Los Angeles Police Department auf erzieherisches Blabla. Auch Schutzanstriche werden verkauft. Wer Wände bepflanzt oder gleich bunt gestaltet, verdirbt Sprayern den Spaß einer einfärbigen Fläche. Ablenkung hilft vielleicht. Wer an einer Kärntner Bushaltestelle mit knallgelbem Sticker strandet, hat es gut: Via NFC oder QR-Code wird „Projekt Ingeborg“ aktiviert. Weil Klagenfurt keine eigene Stadtbibliothek hat, wurde die Stadt zur Bibliothek gemacht. Begonnen wurde im Juli 2012 mit 70 freien E-Books, passend zu 70 Orten. An jedem Download-Point kann ein bestimmtes E-Book heruntergeladen werden, für das die Rechte bereits ausgelaufen sind. IN LONDON KANN MAN AN DER HALTESTELLE SCHAUKELN Wenn der Handy-Akku fast leer ist, muss ich wohl selbst Energie aufbringen. Wäre ich in London, könnte ich schaukeln, weil der Künstler Bruno Taylor einige Londoner bus stops mit Schaukeln ausgestattet hat. Klingt super! Außer es geht jemand hinter der Haltestelle vorbei, der in sein Smartphone stiert (weil er genug Saft hat) und wird von mir umgestoßen. Das Abbremsen wird ebenfalls spannend. Auf dem Spielplatz sehe ich wilde Kids einfach abspringen. Ich stelle mir mich vor, wie ich elegant vor dem Bus-Einstieg zum Stehen komme oder alert hockend, wie Spiderman. Wahrscheinlich würde ich die Scheibe einschlagen, wie ein wild gewordener Nothammer. IN MONTREAL WIRD SCHWINGEN IM GLEICHKLANG BELOHNT Noch schwieriger wäre es in Montréal, wo ein Team von Designern interaktive Musik-Schaukeln in der Nähe einer Bushaltestelle aufgebaut hat. Nur wenn die Nutzer im Gleichklang schwingen, spielen die Schaukeln Töne und ermöglichen gemeinsam ein Orchester. Eine Nutzerin im Werbevideo verrät, dass sie bereits seit eineinhalb Stunden schaukelt. Hoffentlich hat sie den Bus nicht verpasst. Apropos Promotion: Wo sind eigentlich die Produkt-Pröbchen-Verteiler, wenn man sie braucht? Ach ja: Hier ist ja kein Verkehrsknotenpunkt. Mit einer Variante von Haltestellen-Werbung möchte ich übrigens keines- TEMPO falls in Berührung kommen: Augmented Reality. Sie schickt dort, wo bei uns harmlos hinterleuchtete Plakate hängen, realitätsnah animierte Inhalte in das Wartehäuschen. Tigerattacke, Meteoriteneinschlag, UFO-Landung oder das vielarmige Saugnapfmonster aus der Kanalisation kann simuliert werden. Unbelievable Moments brought to you by Pepsi Max. Thanks, but no thanks. LESEZIRKEL, NÜSSE ODER SICH EINEN BART WACHSEN LASSEN: WARTEN BIRGT VIELE MÖGLICHKEITEN Natürlich wurde auch schon untersucht, warum das Warten auf Bus oder Bahn einem so lange vorkommt. Es gibt ja nicht überall elektronische Minuten-Anzeigen. Es ist nicht vergleichbar dem Warten in der Kassenschlange, wo ein Ende in Sicht ist. Beim Arzt gibt es den Lesezirkel oder beruhigende klassische Musik. Das Warten auf einen freien Tisch im Lokal vertreibt man sich an der Bar mit ein paar Nüsschen und es gibt genug zu sehen. Der Bus bleibt unsichtbar, bis er einfach dasteht. Er könnte in einer Minute kommen, oder in zwanzig. Er könnte gerade gefahren sein. Und Ablenkung ist… Mangelware. Hätte das Smartphone mehr Saft, könnte ich „Nine things to do while you wait for the bus“ auf Youtube anschauen: Einen Bart wachsen lassen, ein Kind großziehen, Ihre Lieblingsszene aus Ihrem Lieblingsfilm nachspielen, Luftgitarre oder für den jährlichen Silly Walk Contest üben, pantomimisch nach einer weggelaufenen Ente fragen. Ebenfalls großartig: Das Poster der Academy of Art University, wie man 15 Minuten Zeit totschlägt (sic!). Das meiste ist analog: Reimwörter finden, über den ersten Kuss nachdenken, die Luft anhalten, den Schuh mit einer Hand zubinden. Ich hab schon etwas gefunden. Schade, dass der Bus gerade kommt. Projekt Ingeborg: http://pingeb.org/wie-pingeb-orgentstand-und-wie-es-funktioniert 25 INNOVATIVES ONLINE & OFFLINE START-UPS SPANNENDE IDEEN ZUM THEMA GESCHWINDIGKEIT Von Ancuta Barbu ////// INTERNET AUS DER GLÜHBIRNE ////////////////// Wi-Fi macht die Internetnutzung ortsunabhängig. Für sehr schnelles Internet braucht es aber manchmal noch immer eine Kabelverbindung. Ändern könnte sich das, wenn es nach einer Vision von Harald Haas, Professor an der University of Edinburgh (Schottland), geht. Er prägte den Begriff Li-Fi (Light-Fidelity) schon 2001. Dabei handelt es sich um eine kabellose, optische Datenübertragungstechnologie, die nicht wie Wi-Fi Radiofrequenzwellen – also Funk – zur Übertragung von Daten nutzt, sondern Licht (LED-Technologie): LEDs senden durch schnelles, für das menschliche Auge nicht wahrnehmbares An- und Ausschalten Lichtsignale an Fotodioden, welche die Lichtsignale in elektrische Impulse umwandelt. Der Vorteil: Li-Fi ist 100 mal schneller als WLAN. Der Nachteil: Licht kann Wände nicht überwinden, was zu einer kürzeren Reichweite als WLAN führt. Durchaus vorstellbar sei allerdings, dass Li-Fi-Technik zur effizienteren Nutzung von WLAN unterstützend eingesetzt wird. Marktreif soll die Technologie in einigen wenigen Jahren sein – zumindest wenn es nach dem estnischen Start-up Velmenni geht. Dazu hat das Unternehmen LED-Lampen entworfen, die sich derzeit in Optimierungstest befinden. http://velmenni.com ////// MEHR UND SCHNELLER LESEN //////////////////// Viele Menschen nutzen die Zeit, die sie in Öffis verbringen, zum Lesen. Meistens zieht man der Fachliteratur aber einen leicht verträglichen Roman vor. Um sich den Kerninhalt von Büchern mit hunderten von Seiten dennoch in kurzer Zeit zu Gemüte führen zu können, haben die Erfinder von Blinklist eine App entwickelt, welche die Hauptaussagen von ausgewählten Sachbüchern in 15 Minuten Lesezeit wiedergibt. Das Service ist in unterschiedlichen Ausprägungsgraden erhältlich; von der Gratisversion, bei der die Zusammenfassung eines Buches pro Tag gelesen werden kann, bis hin zur Premium Funktion für 80 Euro, bei der geschmökert werden kann und bei der auch Audioversionen zur Verfügung stehen. www.blinkist.com/de ////// AKKULADEZEIT: EINE MINUTE //////////////////// Handyakku oder Elektroautobatterie: in wenigen Minuten vollständig aufladen? Das israelische Start-up Store Dot macht das möglich. Es entwickelte eine Smartphonebatterie, die sich innerhalb einer Minute laden lässt – dabei allerdings auch nur die halbe Leistung eines herkömmlichen Gerätes liefert. Die gewohnte Leistung erhält man bei einer Ladezeit von fünf Minuten. Store Dot nutzt dieselbe Technologie auch für Akkus von Elektroautos. Nach fünf Minuten Ladezeit ist laut Doron Myersdorf, dem Gründer und CEO des Start-ups, eine 480 km lange Fahrt möglich. Die Erfolgsaussichten des Unternehmens scheinen gut: Die Massenproduktion der Batterien ist ab 2017 geplant. Unterstützung kommt von namhaften Investoren, wie etwa Samsung Ventures, ein internationales Investment-Unternehmen, wie auch Roman Abramovich, einer der vermögendsten Menschen der Welt oder auch Singulariteam, ein weltweit agierendes Venture Capital-Unternehmen. www.store-dot.com 26 ////// LEICHTES RAD MIT MOTORANTRIEB ///////////// E-Bikes sind meist teuer und vor allem schwer. Der gebürtige Slowene Niko Klansek entwickelte deshalb eine Lösung der anderen Art: das Smart-Wheel. Das „schlaue Rad“ ist ein mit einem Elektromotor ausgestattetes Hinterrad, das auf praktisch jedem Fahrradgestell – egal welchen Alters oder Modells – montiert werden kann und nur 2,5 kg wiegt. Der Akku des E-Motors kann an jeder Steckdose aufgeladen werden. Das Smart Wheel von FlyKly kostet 999 Euro und wird mit einer App geliefert, die über Geschwindigkeit und Batteriestand Auskunft gibt, aber auch das Fahrtempo regulieren kann. Ebenso trägt die App dem Umweltgedanken Rechnung, indem sie anzeigt, wieviel Kohlenstoffausstoß durch die Fahrradfahrt im Vergleich zu einer Autofahrt eingespart wurde. Mithilfe der App kann das Fahrrad abgesperrt werden und ist bei Diebstahl lokalisierbar: Durch die zum Losfahren zwingende Verbindung mit dem Smartphone wird eine Nachricht an FlyKly gesendet, die das Fahrrad schnell wieder auffindbar macht. http://flykly.com ////// ESSEN IM SAUSESCHRITT ////////////////////////// Die meisten Menschen warten nicht gerne auf ihr Essen. Dashed, ein US-amerikanisches Start-up, macht sich zur Aufgabe, das schnellste Lieferservice im Nordosten des Landes zu bieten. Um dieses Ziel zu erreichen, werden ausschließlich Sportler eingestellt, welche die Lebensmittel von mehr als 700 Restaurants zu den Kunden bringen. Zur Motivation werden die schnellsten Mitarbeiter jedes Monat mit Dashed Olympia Gold-, Silber- oder Bronze-Medaillen und einem Geldbonus prämiert. Die Lieferung erfolgt aber freilich nicht per pedes. Das Unternehmen legt Wert auf die Nutzung umweltfreundlicher Fahrzeuge, weshalb Elektroautos und vor allem Fahrräder und Scooter verwendet werden, mit denen Verkehrsstaus leicht umgangen und die überall Parkplätze gefunden werden können. www.dashed.com Eine andere Geschäftsidee im Restaurantbereich hat das US-Unternehmen Allset. Dabei handelt es sich um eine App, über die Speisen von einer einheitlichen Speisekarte in ein Partnerrestaurant der Wahl vorbestellt und zum ausgewählten Zeitpunkt gegessen werden können. Auch die Bezahlung erfolgt über die App. Die Idee dahinter ist, nicht mehr die halbe Mittagspause mit dem Warten auf das Essen verbringen zu müssen. Das bringt nicht nur den Konsumenten einen Vorteil, sondern auch den Restaurants: Durch die schnellere Bedienung der Kunden ist eine größere Anzahl an Bewirtungen in einer bestimmten Zeit möglich. Derzeit gibt es das Service in San Francisco und Manhattan. https://allsetnow.com ////// LICHTGESCHWINDIGKEIT FOTOGRAFIEREN ///// Selbst bei bekannten Technologien wie der Fotografi e gibt es interessante Innovationssprünge: Professor Ramesh Raskar vom MIT Media Lab in Massachusetts, USA, entwickelte zusammen mit seinem Team eine Kamera, die „fotografiert“, wie sich Licht ausbreitet. Das ist möglich, indem eine Billion Einzelbilder pro Sekunde aufgenommen werden. Dazu braucht es allerdings seine Zeit: Rund eine Stunde dauert eine Aufnahme, die zeigt, wie Licht innerhalb einer Nanosekunde durch eine Flasche wandert. Für die Fotografiemethode, die als Femto-Photography bezeichnet wird (Femto steht für Billiardstel), sieht Raskar Anwendungsmöglichkeiten nicht nur im High-Tech-Bereich und in der Forschung, sondern auch für Hobbyfotografen. Die Technik könnte künftig etwa die Grundlagen für Aufsteckblitze für Fotoapparate liefern, die es mit einem Studioblitz mit all seinem Zubehör aufnehmen können. http://web.media.mit.edu/~raskar/trillionfps TEMPO 27 Am Puls der Stadt Foto: © shutterstock 28 WIE SCHNELL ODER LANGSAM, HEKTISCH ODER GEMÜTLICH WIR EINE STADT ERLEBEN, HÄNGT VON SEHR VIELEM AB: VERKEHR UND LÄRM, BÜRO- UND ÖFFNUNGSZEITEN, BAULICHEN GEGEBENHEITEN UND STÄDTISCHER INFRASTRUKTUR. UND VON UNSEREM PERSÖNLICHEN LEBENSSTIL. MANCHEM STADTBEWOHNER WIRD ES ZU SCHNELL: ER ZIEHT AUFS LAND. Von Teresia Tasser Stoßzeit in einer europäischen Metropole: Büromenschen hasten zu den Abgängen der U-Bahnen. Autos arbeiten sich im Stop-andgo-Modus voran. Gedränge in den Einkaufsstraßen kurz vor Ladenschluss. Blinken, Hupen, Signale, der Lärmpegel steigt. Die Grundstimmung ist hektisch und durch den Verkehrsstau zugleich gebremst. DICHTE VERMITTELT EIN GEFÜHL DER SCHNELLIGKEIT An Orten, an denen viele Menschen unterwegs sind, wird das Grundtempo einer Stadt besonders fühlbar. „Die Schnelligkeit in einer Stadt ist auch an die soziale Dichte gekoppelt“, meint die Wiener Stadtpsychologin Cornelia Ehmayer. Unter der sozialen Dichte versteht man die Nutzerdichte bestimmter Bereiche. Fazit: Sind Bus oder U-Bahn gesteckt voll, wird eine Stadt schneller erlebt, als wenn die Wägen quasi leer sind. Immer wieder gibt es den Versuch, das Tempo einer Stadt an konkreten Parametern zu messen, zum Beispiel am Gehtempo von Stadtbewohnern: Im Schnitt gehen Menschen fünf Kilometer pro Stunde oder 1,4 Meter pro Sekunde. In manchen Städten schneller, in manchen langsamer: In Hannover ist man schneller unterwegs als etwa in Bremen, in Wien schneller als in Mexico City, in der Schweiz schneller als in den USA. 31 Länder weltweit untersuchte der amerikanische Sozialpsychologe Robert Levine Ende der 1990er Jahre für sein bekanntes Werk „Eine Landkarte der Zeit. Wie Kulturen mit Zeit umgehen“. Levine untersuchte neben der Gehgeschwindigkeit auch die Genauigkeit der Uhren, die Termintreue oder die Schnelligkeit an einem Postschalter und kam zum Schluss, dass Tempo und Ökonomie zusammenhängen: „Menschen in Regionen mit einer blühenden Wirtschaft, einem hohen Industrialisierungsgrad, einem kühleren Klima und einer auf den Individualismus ausgerichteten kulturellen Orientierung bewegen sich tendenziell schneller.“ DAS TEMPO DER STADT WIRKT SICH AUF DIE GESUNDHEIT AUS Psychologen zufolge führen Städte mit hohem Lebenstempo, wo – wie Studien belegen – die gefühlte Hektik größer ist, auch zu mehr koronaren Herzerkrankungen ihrer Bewohner. Die sogenannte Eilkrankheit, das Gefühl des Zuspätkommens, des Gehetzt-Seins, prägt das kollektive Befinden solcher Städte. Die Menschen stehen permanent unter Zeitdruck, sind von Terminen getaktet und verhalten sich ungeduldig bis ungehalten, wenn sie warten müssen. Zu diesem Städtetypus zählen auch chinesische Megastädte, die, auch ohne eine solche Kategorisierung zu kennen, bei vielen Menschen sofort ein Bild der Menschenmassen, von Autos verstopften Straßen, Hochhauswüsten und viel Lärm TEMPO hervorrufen – das Klischee der schnellen Stadt. IN CHINA ZIEHEN MENSCHEN AUS DEN MEGA-METROPOLEN IN KLEINSTÄDTE Interessant ist, dass sich gerade dort, wo der soziale Aufstieg mit dem Zuzug in die Stadt untrennbar verbunden ist, bei jenen, die genug angehäuft haben, ein kleiner Gegentrend zu entwickeln scheint: Wohlhabenden Menschen wird es zu viel, sie kündigen gute Jobs und ziehen in kleinere Städte, die für Chinesen als „ländlich“ gelten. Etwa nach Lijiang im Südwesten der Provinz Yunnan. Dort manifestiert sich eine wahre Stadtflucht. Bei Yi ist einer der neu Hinzugezogenen. Seine Entscheidung dort hin zu ziehen, begründet er mit dem Arbeitsstress, den er in Beijing hatte. Geld verdienen die meisten Neo-Lijianger im Tourismus, denn die Provinz Yunnan ist wegen ihrer schönen Landschaftszüge ein beliebtes Reiseziel. „Man kann gesellschaftliche Tendenzen in einer Stadt meist schneller erkennen. Und große Städte haben es an sich, dass sie Trends vorgeben“, sagt die Stadtpsychologin Ehmayer ganz allgemein. Vielleicht ist der Wegzug aus den Megastädten Chinas also nur der Beginn einer in Zukunft wachsenden Bewegung, die auch auf andere Länder und Kontinente überschwappen wird. Die Flucht vor dem Stress, sozusagen. Die Geschwindigkeit des Stadtlebens wird aus verschiedensten 29 VERKEHRSLÄRM IST AUCH EIN INDIKATOR Man könnte also meinen, dass „die schnelle Stadt“ ein Phänomen ist, das vor allem von Fußgängern erkannt wird. Denn abgesehen davon, dass Verkehrslärm als Parameter der schnellen Stadt bei geschlossenen Fenstern meist nicht zu den Insassen durchdringt, wird der motorisierte Straßenverkehr in Metropolen eher mit Stau in Verbindung gebracht. Das subjektive Gefühl, schnell voran zu kommen, ist daher eher abseits der Straße, etwa zu Fuß möglich. Eine Übersichtskarte 30 Foto: © wikipedia Richtungen getaktet, mitunter vom Verkehr: Ampelphasen geben einen Rhythmus vor – je kürzer die Taktung, desto schneller das individuelle Gefühl, voran zu kommen. Oder Fahrpläne öffentlicher Verkehrsmittel: Displays mit Echtzeitangaben auf den U-BahnPlattformen und bei Haltestellen strukturieren die Zeit für den Wartenden. Im Autoverkehr größerer Städte wird, um den Verkehrsfluss zu erhöhen und damit ein schnelleres Vorankommen zu ermöglichen, ein vermeintliches Paradoxon angewendet: Erlaubte Höchstgeschwindigkeiten werden gesenkt – und das weltweit. In über 150 Städten, darunter selbst in Metropolen wie London, setzt sich zunehmend Tempo 30 beziehungsweise 20 Meilen/h durch. Niedrigere Geschwindigkeiten reduzieren zudem den Lärm. Gerade die Akustik einer Stadt wird von vielen als Tempobeschleuniger empfunden. Verkehrslärm suggeriert Hektik und Stress. Fahrzeuge mit Tempo 30 sind um drei bis vier Dezibel leiser als solche mit Tempo 50. Das entspricht einer Halbierung der wahrgenommenen Lautstärke. In der südkoreanischen Hauptstadt Seoul wurde eine Autobahn abgerissen und eine Oase der Entschleunigung für die Stadtbewohner geschaffen. Denn schnelle Städte verlangen ihren Bewohnern oftmals viel ab – deshalb sind Orte der Erholung als Ausgleich besonders wichtig. zum Durchschnittstempo in USamerikanischen Städten zeigt einen Zusammenhang zwischen der Geschwindigkeit, die Autos im Durchschnitt fahren können, und der Wege, die zu Fuß zurückgelegt werden. Etwa in Mega-Metropolen wie New York – die Stadt, die niemals schläft: Hier legen die Menschen auf einen Kilometer mehr Schritte zurück, sind also häufiger zu Fuß unterwegs, als zum Beispiel in Tulsa, im Bundesstaat Oklahoma. Autofahrer hingegen fahren in Tulsa mit 70 km/h im Durchschnitt viel schneller als in New York (28 km/h). DAS EIGENE BEFINDEN ALS TEMPOMAT Die Wahrnehmung der Geschwindigkeit einer Stadt hängt aber immer auch vom eigenen Befinden ab. Wer beruflich im Stress ist, auf den wird eine entschleunigte Stadt einen wenig entlastenden Einfluss haben. Vieles ist auch eine Frage der Relation: Ein Fußgänger erscheint aus der Perspektive der vorbeifahrenden Straßenbahn langsam. Oder das Landleben aus der Sicht des Städters gemächlich und entstresst. URBAN GARDENING UND ERHOLUNGSZONEN ALS ORTE DER ENTSCHLEUNIGUNG Einen Beitrag zur lokalen Be- oder Entschleunigung einer Stadt liefern auch bauliche Maßnahmen. Man denke beispielsweise an den Vormarsch des Urban Gardening, bei dem sich Menschen in der Stadt kleine Gemeinschaftsgärten anlegen, die sie neben der Selbstversorgung mit Obst, Gemüse, Kräutern oder Blumen zur Regeneration nutzen. Auch Rückbau- und Renaturierungsprojekte mitten in der Stadt sind Beispiele, Tempo aus der Stadt zu nehmen und Orte der Erholung im unmittelbaren Umfeld schaffen. In Seoul wurde vor einigen Jahren eine sechs Kilometer lange und sanierungsbedürftige Stadtautobahn abgerissen, um die darunterliegende Flusslandschaft wieder zu beleben und daraus eine Stadtoase zu schaffen. In New York City ist die zu einem großen Park umfunktionierte, aufgelassene Highline zu einem innerstädtischen Anziehungspunkt geworden. Von dort aus kann man die Rush-Hour an sich vorbeiziehen lassen. DATEN & FAKTEN SCHNELLER ALS JE ZUVOR Der schnellste Mann der Welt ist weniger als halb so schnell wie ein Gepard. Die Evolution hat daran nichts geändert. Allerdings hat unser Kommunikationsverhalten im Lauf der Zeit an Geschwindigkeit zugenommen: Wir sprechen schneller und versenden mehr Post. Von Silvia Wasserbacher-Schwarzer Gepard schlägt Mensch Die schnellsten am Land lebenden Säugetiere sind Geparden. Beim Jagen erreichen sie eine Geschwindigkeit von bis zu 110km/h. Der schnellste Mensch der Welt, der Jamaikaner Usain Bolt, erreicht Höchstgeschwindigkeiten von 44,7 km/h bei einem 100-Meter-Lauf. Den bis heute gültigen Weltrekord über diese Distanz stellte er 2009 auf. Er legte die Strecke in 9,58 Sekunden zurück. Ein Gepardenweibchen in einem Zoo (USA) brauchte dafür 5,95 Sekunden. Die Post bringt mehr Es handelt sich zwar nicht nur um Post in Papierform, aber wir versenden immer mehr Information. 2014 wurden weltweit alleine 166 Milliarden E-Mails pro Tag verschickt, davon 115 Milliarden im Geschäftsverkehr.1 Dazu kommen noch Briefe und Pakete. Das ist Rekord. Niemals wurden Briefe in diesem Ausmaß verschickt. 2011 2014 18 E-Mails pro Tag 2 2 Schnellsprecher Eine Notiz zur Evolution des Sprechens: Im norwegischen Parlament hat sich die Sprechgeschwindigkeit in 50 Jahren um nicht weniger als 50 Prozent erhöht. 3 Wir können multitasken 98 % der Jugendlichen in Deutschland besitzen ein Handy oder Smartphone4, mit dem die News – welcher Art auch immer – schnell gescreent werden können. Ein Abo einer Tageszeitung haben hingegen nur 39 % (2000 noch 66 %) – einen Zeitungsartikel zu lesen erfordert auch mehr ungeteilte Aufmerksamkeit. Was tun wir noch, wenn wir vor einem Bildschirm sitzen? 57 % der Zeit, die wir uns primär mit dem Smartphone beschäftigen, sehen wir nebenbei fern (in 29 % der Fälle) oder nutzen einen PC oder Laptop (28 % der Fälle). 5 In 77 % der Zeit, die wir vor dem TV sitzen, nutzen wir entweder das Smartphone (49 % der Fälle) oder einen PC oder Laptop (34 % der Fälle). In 75 % der Zeit, die wir ein Tablet verwenden, sehen wir fern (44 %) oder nutzen ein Smartphone (35%). 6 34 Mehr „Kinder“ im Hotel Mama 44,2 % TEMPO 2011 2001 1991 29,4 % 1981 Nicht alles schreitet voran, manches geht auch den umgekehrten Weg. Zum Beispiel die Nestflucht. Zwischen 1971 und 2011 stieg die Anzahl an Töchtern und Söhnen, die noch bei den Eltern wohnen, merklich an. Zum Beispiel lebten 2011 noch 44,2% der 25-jährigen jungen Männer zuhause, 1971 waren es nur 29,4% gewesen. 7 1971 Quellen: 1 Deutsche Handwerks-Zeitung; 2 IT-Branchenverband Bitkom; 3 Bayrischer Rundfunk; 4 KIM Studie 2014, MPFS; 5 ronnie05.wordpress.com; 6 https://ronnie05.wordpress.com/2013/03/12/the-paradigm-of-multi-screen-experiences; 7 Österreich Census 2011 11 E-Mails pro Tag 31 Querspur Das Zukunftsmagazin des ÖAMTC Der Dirigent als Tempogeber Mohammadreza Azin, 1980 in Teheran geboren und begann schon mit 14 Jahren am Teheraner Musikkonservatorium Sooreh Komposition und Musik zu studieren. Seit Oktober 2015 besucht er den Studiengang Komposition an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien. https://about.me/ Mohammadrezaazin.com Schlagfiguren Der Dirigent bietet Orientierungs-, Koordinierungs- und Gestaltungshilfe für die ausführenden Musiker eines Orchesters oder eines anderen musizierenden Ensembles. Mittels rhythmisch gleicher Dirigiergesten – sogenannten Schlagfiguren – wird unter anderem mit der rechten Hand auch das Tempo angegeben. Die linke Hand steht hingegen für freie, spontane Gesten während des Dirigierens zur Verfügung. 3 2 1 1 32 1 2 Ein- bis fünfteiliger Takt Die gebräuchlichsten Schlagfiguren aus der Perspektive des Dirigenten für die rechte Hand sind zwar nicht verbindlich, gelten aber als normierte Ausgangsbasis. Wird mit zwei Händen taktiert, bewegt der Dirigent die Hände spiegelsymmetrisch. 4 2 1 3 5 2 1 3 4
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