„Healthy Homes“-Barometers.

E
LT
ER
UMW
GIE
SUNDHEIT
GE
EN
Healthy Homes
Barometer
2016
Europaweite Umfrage der VELUX Gruppe
Jährliche Umfrage zu Einstellung und Verhalten europäischer Bürger hinsichtlich
Gesundheitsbewusstsein, Wohnzufriedenheit und Energieverbrauch
Unter wissenschaftlicher Leitung von Prof. Dr. Dr. h. c. Bernd Wegener und
Moritz Fedkenheuer, M.A. Sozialwissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin
Hintergrund
2
Aus der Studie 2015
wissen wir, dass Gesundheit
Zuhause anfängt
Im vergangenen Jahr haben wir das erste Healthy
Homes Barometer vorgestellt, eine europaweite
Studie darüber, wie die Europäer Wohnen und Gesundheit in Verbindung bringen. Die Antwort war
eindeutig: Für die Europäer hatte das Wohnumfeld den höchsten Stellenwert bei einer gesunden
Lebensweise, noch vor gesunder Ernährung oder
körperlicher Bewegung. Seltsamerweise jedoch
scheinen sie nicht unbedingt danach zu handeln:
Die Europäer machen sich Sorgen über ihr Wohnklima, tun aber wenig, um es zu verbessern, etwa
durch regelmäßiges Lüften.
Guter Schlaf
Regelmäßiges Lüften
Obst und Gemüse
Tageslicht in Räumen
Outdoor-Aktivitäten
Nichtrauchen
Regelmäßiger Sport
Vermeidung von Schadstoffen
Nahrungsergänzungsmittel
#1
#2
#4
#8
Guter Schlaf
Regelmäßiges Lüften
Tageslicht in Räumen
Vermeidung von
Schadstoffen
SUNDHEIT
GE
LT
E
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Drei von vier klar auf das Leben Zuhause bezogene
Faktoren stehen für die Europäer ganz oben.
UMW
#
#
#
#
#
#
#
#
#
Das Zuhause
GIE
2015 wurden die Europäer nach der
Relevanz von neun Kriterien für ihre
Gesundheit befragt. Nach Wichtigkeit
geordnet ergibt sich folgende Reihenfolge:
ER
Gesundheit fängt
Zuhause an
EN
Healthy Homes
Barometer
2015
Europaweite Umfrage der VELUX Gruppe
Jährliche Untersuchung zu Einstellungen und Verhalten europäischer
Bürger in Bezug auf Wohngesundheit, Komfort, Energieverbrauch und
Auswirkungen von Häusern und Wohnungen auf die Umwelt.
Ernährung
Europäer sehen eine gesunde Ernährung
als zweite Priorität an.
# 3 Obst und Gemüse
# 6 Nichtrauchen
# 9 Nahrungsergänzungsmittel
Das Healthy Homes Barometer wird wissenschaftlich begleitet
von Prof. Dr. Dr. h. c. Bernd Wegener, Humboldt Universität Berlin
Aktiv sein
Europäer bewerten Sport als wichtig –
aber nicht kritisch – für ihre Gesundheit.
# 5 Outdoor-Aktivitäten
# 7 Regelmäßiger Sport
Vorwort
3
Das Healthy Homes Barometer 2016 –
Ein Plädoyer für die ganzheitliche
Betrachtung von Gebäuden
Ziel sind energieeffiziente und
gesunde Gebäude
Wir alle brauchen ein Zuhause – den Ort, wo wir
uns sicher, geborgen und wohl fühlen. Allerdings
sind unsere Wohnungen und Häuser Teil einer
großen Aufgabe geworden. Der Gebäudebereich
ist zu einem Kernstück der Klimaschutzpolitik geworden. Um durch energieeffizientere Bauweisen
weniger Energie zu verbrauchen, sind die baurechtlichen Anforderungen an Gebäude komplexer und
umfangreicher geworden. Die Art und Weise, wie
Gebäude geplant und gebaut werden, hat sich
innerhalb weniger Jahre grundlegend verändert.
Es ist bereits heute – und verstärkt in Zukunft –
eine der größten Herausforderungen in der Gebäudeplanung und in der baulichen Umsetzung, das Gebäude als ein ganzheitliches System zu begreifen,
Anforderungen an die Energieeffizienz mit einem
gesunden Raumklima in Einklang zu bringen und
dabei die Wünsche und Bedürfnisse der Bewohner
zu berücksichtigen. Da wir 90 % unseres Lebens in
Räumen verbringen, sollten wir diese Herausforderung nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Wahrnehmung schafft Wirklichkeit
Das eigene Zuhause ist für die Menschen in Europa
von zentraler Bedeutung. Das letztjährige Healthy
Homes Barometer 2015 hat gezeigt, dass die drei
wichtigsten Faktoren für das Wohlbefinden der
Deutschen direkt mit dem Wohnbereich verbunden sind und sie sogar mehr Wert auf ein gesundes
und behagliches Zuhause legen als der europäische
Durchschnitt.
Mit dem Healthy Homes Barometer 2016 wollen
wir besser verstehen, wie Deutsche und andere Europäer ihr Zuhause wahrnehmen. Inwiefern gibt es
unterschiedliche Einflussfaktoren unseres Zuhauses, die sich auf unser Wohlbefinden und unsere
Gesundheit auswirken? Und welche davon sind am
wichtigsten? Mithilfe der Antworten von 14.000
Teilnehmern aus 14 Ländern konnten wir eine umfassende Einstufung dieser Faktoren vornehmen.
Die diesjährige Studie ist der Versuch zu verstehen,
1
www.activehouse.info
welche Wahrnehmungen den täglichen Entscheidungen der Europäer hinsichtlich eines gesunden
Zuhauses zugrunde liegen. Im vorliegenden Bericht
finden Sie eine Übersicht der Ansprüche von Bewohnern an ihr Zuhause, was die Gesundheit von
Bewohnern fördert und welche Beweggründe zu
Investitionen in Häuser und Wohnungen führen.
Gemeinsames Verständnis von guten
Wohnbedingungen entwickeln
Das Healthy Homes Barometer macht somit transparent, worauf Bewohner in ihrem Zuhause Wert
legen. Denn wir dürfen auf dem Weg zu nachhaltigen Gebäuden nicht vergessen, auch die Wünsche
und das Verhalten der Nutzer bei der Schaffung der
politischen Rahmenbedingungen miteinzubeziehen.
Ich würde mich freuen, wenn alle, die sich mit der
Qualität des modernen Lebens in Gebäuden auseinander setzen – Politiker, Bau- und Immobilienwirtschaft, Planer, Gesundheitswesen und Wissenschaft – durch den Austausch miteinander und das
Einbeziehen der Nutzerperspektive ein ganzheitliches Verständnis entwickeln, was gute Wohnbedingungen in Gebäuden bedeuten. Darüber hinaus
ist es wichtig, dass diese Erkenntnisse dann in die
Bauanforderungen und -praxis miteinfließen, damit
wir ganzheitlich durchdachte Gebäude planen und
umsetzen, in denen wir alle ein gutes Leben führen
können.
Ihr
Dr. Sebastian Dresse
Geschäftsführer VELUX Deutschland
Dr. Sebastian Dresse
Geschäftsführer
VELUX Deutschland
Es ist wichtig, durch den
Austausch miteinander ein
ganzheitliches Verständnis
zu entwickeln, was gute
Wohnbedingungen in Gebäuden bedeuten und diese
Erkenntnisse in Bauanforderungen und -praxis
miteinfließen zu lassen.
4
Über das Healthy Homes Barometer
Das Healthy Homes Barometer ist eine Auswertung der wichtigsten Ergebnisse einer europaweiten Studie zu den Erfahrungen, Einstellungen und Verhaltensweisen der Bürger Europas hinsichtlich Gesundheitswahrnehmung,
Wohnzufriedenheit und Energieverbrauch. Es ist das zweite von der VELUX
Gruppe herausgegebene Healthy Homes Barometer. Das erste erschien im
April 2015.
in Bezug auf Größe und geografische Lage. Bei der europaweiten Auswertung erfolgte die Gewichtung der Antworten entsprechend dem jeweiligen
Anteil der Länder an der gesamten Bevölkerung der 14 Teilnehmerländer. Ein
Beispiel: Die deutsche Bevölkerung beträgt 19 % der Gesamtbevölkerung der
14 Teilnehmerländer, deshalb machen die Antworten aus Deutschland einen
ähnlichen Prozentsatz des europaweiten Gesamtwerts aus.
Methodik
Im Oktober 2015 ging ein Fragebogen an 14.000 europäische Bürger in
Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, den
Niederlanden, Norwegen, Österreich, Polen, der Schweiz, Spanien, der Tschechischen Republik und Ungarn. Erstellung und Auswertung des Fragebogens
erfolgten durch die VELUX Gruppe in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Dr. h. c.
Bernd Wegener, Humboldt-Universität zu Berlin, und Moritz Fedkenheuer,
M.A. Sozialwissenschaften, Technische Universität Darmstadt, sowie den
unabhängigen Beratungsunternehmen Operate A/S und Wilke.
Schwerpunkte Komfort, Energie und Umwelt
Wohnen hat enorme Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden der
Bevölkerung, den gesamtgesellschaftlichen Energieverbrauch und die nachhaltige Entwicklung bei Einsatz und Wiederverwendung von Material. Die
Grundthese des Barometers entstammt der Philosophie zum Active House
der Active House Alliance: Danach hat ein gesundes Zuhause möglichst wenig
schädliche Umweltauswirkungen, ist so energieeffizient wie möglich und bietet
zugleich seinen Bewohnern ein gesundes und komfortables Wohnumfeld. Mehr
dazu unter activehouse.info.
Die Anzahl der Teilnehmer in den einzelnen Ländern wurde so gewählt, dass
sich eine statistisch repräsentative Aussage ergibt, was auch erreicht wurde.
In den vierzehn teilnehmenden Ländern leben über 430 Millionen Europäer,
also mehr als 70 % der europäischen Gesamtbevölkerung (ohne Russland). Darüber hinaus repräsentieren die ausgewählten Länder die europäische Vielfalt
Impressum
Healthy Homes Barometer 2016
Herausgeber: Michael K. Rasmussen
Text und Konzept: Operate
Redaktionsteam VELUX: Lone Feifer,
Ulrich Bang, Jens Christoffersen,
Katrine Bjerre Milling Eriksen, Nina
Hemmingsen, Christina Jankowski,
Lotte Kragelund, Susanna Beranova
Datenerhebung: Wilke
Wissenschaftliche Leitung:
Prof. Dr. Dr. h. c. Bernd Wegener
und Moritz Fedkenheuer, M.A. Sozialwissenschaften, Humboldt-Universität
zu Berlin
© 2016 VELUX Gruppe
Name und Logo von VELUX sind
eingetragene Warenzeichen,
die unter Lizenz durch die VELUX
Gruppe verwendet werden.
Design: Operate
Auflage: 1.200 Exemplare
5
Inhalt
Aus der Studie 2015 wissen wir,
dass Gesundheit Zuhause anfängt
Das Healthy Homes Barometer 2016 –
Ein Plädoyer für die ganzheitliche
Betrachtung von Gebäuden
Auf die Gesundheit kommt es an –
Grundzüge des wissenschaftlichen
Programms
Wieso Gesundheit wichtig ist –
fünf Schlussfolgerungen
2
3
6
8
1 Ohne gesundes Wohnen kein gesundes Europa __________________________8
2 Verbesserung des Wohlbefindens und
Energieeinsparung sind Anreize für Sanierung ___________________________9
3 Gesundes Zuhause – glückliches Zuhause ________________________________9
4 Europäer übersehen die Wichtigkeit von Tageslicht _____________________9
5 Mehr Wohngesundheit bedarf gemeinsamer Anstrengungen __________9
Fünf Merkmale für
gesundes Wohnen
1
2
3
4
5
11
Gute Schlafbedingungen _________________________________________________ 12
Behagliche Raumtemperatur ____________________________________________ 12
Frische Luft _______________________________________________________________ 12
Ausreichend Tageslicht __________________________________________________ 12
Richtige Luftfeuchtigkeit ________________________________________________ 12
Europäer wollen
gesund wohnen
15
Wissen und Verhalten
beeinflussen gesundes Wohnen
19
Gemeinsam für
gesundes Wohnen
22
Ausgewählte Daten
23
Exkurs: Wie wohnt
Deutschland?
24
Was ist Wohnzufriedenheit?________________________________________________ 26
Thermischer Komfort _______________________________________________________ 28
Innenraumluftqualität ______________________________________________________ 29
Tageslicht ____________________________________________________________________31
Renovierung und Sanierung ____________________________________ 32
Fazit und Schlussfolgerungen ______________________________________________ 34
Das Modell hinter dem Healthy Homes Barometer
6
Auf die Gesundheit kommt es an –
Grundzüge des wissenschaftlichen
Programms
Gesundheit ist wichtig. Wichtig für den Einzelnen
und für die Gesellschaft. Für den Einzelnen ist Gesundheit Teil der conditio humana und zählt zu den
natürlichen Primärgütern des Lebens (John Rawls).
Wie gesund wir uns fühlen, ist jedoch nicht nur
für uns persönlich von Bedeutung: Aufgrund ihrer
sozial ungleichen Verteilung ist die Gesundheit
auch Teil der Gesellschaftsordnung. Gesundheitliche Ungleichheit bedeutet Ungerechtigkeit. Rein
wirtschaftlich gesehen, ist Gesundheit zudem
unverzichtbarer Faktor von Produktivität; ist die
allgemeine Gesundheit schlecht, beeinträchtigt
dies die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer
Nation. Gesundheit ist also einerseits wichtig für
das persönliche Wohlbefinden, andererseits bedeutende gesellschaftliche und wirtschaftliche
Ressource.
Auch für die Soziologie ist Gesundheit wichtig. Angesichts der sozialen Unterschiede von Gesundheit
und ihrer Determinanten in verschiedenen Bevölkerungsgruppen ist die Erklärung gesundheitlicher
Ungleichheit seit jeher wichtiges Forschungsthema der Soziologie. Es gibt viele Ursachen für die
ungleiche Teilhabe an Gesundheit in der Gesellschaft: Beruf, Bildung, regionale Disparitäten,
Lebensstil, Kultur und biologische Gegebenheiten.
Die Wirkung dieser Faktoren sind alle seit langem
gründlich erforscht worden. Weitgehend vernachlässigt wurden jedoch die Art unserer Behausung
und unsere Wohnumwelt als Einflussfaktoren
für die Herstellung von Gesundheit. Im jüngsten
Kommissionsbericht über gesundheitliche Ungleichheit in der EU wurden die Auswirkungen
des Wohnumfelds auf die Gesundheit noch nicht
einmal erwähnt.2
Und doch gibt es inzwischen genügend empirische
Hinweise, dass zum Beispiel Defizite beim Heizen
und dauerhaft niedrige Innenraumtemperaturen
mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Atemwegsbeschwerden verknüpft sind, was sich im Effekt
negativ auf die nationalen Sterblichkeitsraten auswirkt. Umgekehrt ist offensichtlich, dass ein gesundes Wohnumfeld zur Gesundheit der Menschen
beiträgt. Die Bewohner fühlen sich besser, wenn ihr
Gebäude energieeffizient und mit umweltverträglichen Baumaterialien errichtet wurde.
So beeinflusst also die Art, wie wir wohnen, die allgemeine Gesundheit der Bevölkerung ebenso wie
die Lebensqualität des Einzelnen. Aber ist das eine
allgemein anerkannte Tatsache in ganz Europa?
Weiß das die Bevölkerung? Dies soll das Healthy
Homes Barometer ermitteln, der erste je unternommene Versuch einer Erhebung zu Gesundheit
und Wohlbefinden beim Wohnen in Europa. Es soll
auch erfasst werden, was die Leute gegebenenfalls
tun, um ihre Wohngesundheit zu verbessern, bzw.
was sie von entsprechenden Maßnahmen abhält.
Grundlage für die Studie ist die Theorie der Psychophysik des Wohnens,3 nach der das Wohn-Wohlbefinden sowohl von den Eigenschaften eines Hauses
als auch von sozialen und psychologischen Faktoren
abhängig ist. Mit diesem Konzept lassen sich neben
der Beschreibung des Istzustands auch Kausalzusammenhänge ermitteln und potenzielle Beeinflussungspunkte offenlegen. Darüber hinaus erlaubt
der europaweite Vergleich die Analyse nationaler
und kultureller Unterschiede bei der Herstellung von
Gesundheit. So entsteht ein Abbild der subjektiven
Prof. Dr. Dr. h. c. Bernd Wegener
Humboldt-Universität zu Berlin
Nur, wenn mehr Erkenntnisse zu den
Grundlagen für Gesundheit, Wohlbefinden
und Zufriedenheit in den eigenen vier
Wänden vorliegen, können Strategien
entwickelt werden, die darauf hinwirken,
dass alle Bürger Europas besser wohnen.
2
3
Erfahrungen des Wohnens in Europa als wertvolle
Ergänzung zu den Eurostat Indikatoren zur äußeren
Lebensqualität.
Als Ausgangspunkt der Studie dient die sogenannte Psychophysik des Wohnens3, wonach das
Wohn-Wohlbefinden sowohl von den Gebäudeeigenschaften als auch von Umweltfaktoren
abhängt – zusammen bedingen sie das Wohlbefinden der Bewohner. Aber auch unsere eigene
Gesundheitswahrnehmung, unser Verhalten und
Informationen bedingen das Wohlbefinden. Die
Psychophysik des Wohnens befasst sich also mit
den äußeren Faktoren und individuellen Einflüssen
auf unser Gefühl des Wohlbefindens zuhause.
Wissenschaftliche Leitung des
Healthy Homes Barometer 2016
Prof. Dr. Dr. h. c. Bernd Wegener,
Humboldt-Universität zu Berlin
Professor emeritus für Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin,
Forschungsprofessur am Deutschen Institut
für Wirtschaftsforschung (DIW). Leiter der
privatwirtschaftlichen Gesellschaft für empirische Sozialforschung und Kommunikation mbh (GeSK) in Berlin.
Moritz Fedkenheuer, M.A.
Sozialwissenschaften, Technische
Universität Darmstadt
Moritz Fedkenheuer erlangte seinen Masterabschluss (M.A.) in Sozialwissenschaften
an der Humboldt-Universität zu Berlin. Anschließend war er zwei Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter am dortigen Lehrbereich
Empirische Sozialforschung. Derzeit forscht
er an der Fakultät für Architektur der Technischen Universität Darmstadt zur Interaktion
von Mensch und Wohnraum.
Marmot, M. ”Health inequalities in the EU – Final report of a consortium”, Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz der Europäischen Kommission (2013).
Wegener, B. ”Die Psychophysik des Wohnens”. S. 43-46 in Manfred Hegger et al. (Hrsg.), Aktivhaus − Das Grundlagenwerk: Vom Passivhaus zum Energieplushaus (2013).
Das Modell hinter dem Healthy Homes Barometer
7
Modell zum Wohn-Wellbeing
Ziel des diesjährigen Healthy Homes Barometer ist die gründlichere Erforschung des
Wohnaspekts; wie beeinflusst das Wohnumfeld die Gesundheitswahrnehmung und
Wohnzufriedenheit der Europäer?
Die Studie Healthy Homes Barometer basiert
auf dem Modell zum Wohn-Wellbeing von B.
Wegener und M. Fedkenheuer. Dahinter steht
der Gedanke, dass Wohn-Wellbeing von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird: vom
Gebäude, von der gefühlten Gesundheit, der
Wohnzufriedenheit, unserem Verhalten und
unserem Wissen. Zur Messung des Wohlbefindens zuhause nutzt das Modell acht Faktoren (Erläuterung siehe Anhang).
Vom Haus
ausgehende
Stimuli
Der Fragebogen zum Healthy Homes Barometer wurde anhand dieses Modells erstellt.
Wohnzufriedenheit
Gesundheitswahrnehmung
WohnWellbeing
Verhalten
Wissen
Tageslicht
Schlafqualität
Feuchte
Raumklima
Temperatur
und frische
Luft
Zustand des
Gebäudes
Größe von
Wohnung
oder Haus
Nachbarschaftsbeziehungen
Energiekosten
B. Wegener und M. Fedkenheuer
Zusammenfassung
8
Wieso Gesundheit wichtig ist –
fünf Schlussfolgerungen
1
Ohne gesundes Wohnen
kein gesundes Europa
Viele Europäer leiden tagtäglich an Gesundheitsstörungen und mangelndem Wohlbefinden. Das senkt die
Lebensqualität und damit in erheblichem Maße die Produktivität innerhalb der Volkswirtschaft. Das diesjährige
Healthy Homes Barometer zeigt, dass unsere Wohnräume Teil des Problems sind.
Wer in einem gesunden Zuhause lebt, fühlt sich gesund,
aktiv und ist widerstandsfähiger gegen lästige Alltagserkrankungen wie Schnupfen oder Halsschmerzen. Unter
solchen gesundheitlichen Auswirkungen ihres Zuhauses
leiden die Europäer tagtäglich. Zum Beispiel haben 50 %
der Wohngebäude in den skandinavischen Ländern nur
eine unzureichende Belüftung. Das Resultat ist eine
doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit von Atemwegserkrankungen wie Atemnot oder trockener Husten und
eine 1,5-mal höhere Wahrscheinlichkeit von Allergieerscheinungen. Und das ist teuer für die Gesellschaft.
Unzureichend kontrolliertes Asthma führt zu starken
Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz, und die Produktivitätseinbußen betragen in ganz Europa jährlich 9,8
Milliarden Euro4.
Das Healthy Homes Barometer 2016 konzentriert sich
auf fünf Merkmale gesunden Wohnens. Wer zuhause
gesund leben möchte, sollte darauf achten, dass man im
Schlafzimmer nachts gut schlafen kann, die Wohnräume
weder zu warm noch zu kalt sind, dass frische Luft und
Tageslicht hereinkommt und dass sich keine Feuchtigkeit
staut, die Schimmel erzeugen kann. Im diesjährigen Healthy Homes Barometer wird aufgezeigt, welche Rolle
diese fünf Eigenschaften für die Gesundheit der Europäer
spielen.
Alarmzeichen für ungesundes Wohnen
Die Europäer leiden regelmäßig an gesundheitlichen
Problemen. Einer der Gründe ist ungesundes Wohnen.
Die unten aufgeführten Zahlen zeigen die Eigenwahrnehmung der Europäer über vier Wochen.
1 von 5
fühlte sich nur
unterdurchschnittlich
gesund
1 von 4
fühlte sich selten
bis nie aktiv
2 von 3
litten an Schnupfen
oder Halsinfektionen
Mehr auf Seite 10
4
Grün, G., & Urlaub, S.: ”Towards an identification of European indoor environments’ impact on health and performance – homes and schools”, Fraunhofer-Institut für Bauphysik (2014).
Zusammenfassung
9
2
Verbesserung des Wohlbefindens
und Energieeinsparung sind
Anreize für Sanierung
40 % des Gesamtenergieverbrauchs in Europa entfallen
auf Wohngebäude5. Einer der Hauptgründe ist die mangelnde Energieeffizienz des Gebäudebestands, weshalb
Renovierungen zum Energieeinsparen wichtig sind. Aber
auch für mehr Wohlbefinden zuhause und gute Gesundheit ist die Sanierung wichtig, beides geht Hand in Hand.
Gefragt nach Gründen für eine Sanierung, nennen 75 %
der Europäer niedrigere Energiekosten, aber 73 % ein
gesteigertes Wohlbefinden zuhause.
Die Steigerung des Wohlbefindens ist demnach für die
Europäer eine wichtige positive Motivation. Und noch
wichtiger ist vielleicht, dass es sich mit dem deckt, was
für die Wohnzufriedenheit am wichtigsten ist.
Mehr auf Seite 17
Gesundes Zuhause –
glückliches Zuhause
Heute sind 50 % der Europäer nur einigermaßen zufrieden oder sogar weniger zufrieden mit ihrem derzeitigen
Zuhause. Um diese Situation zu verbessern, müssen wir
gesundes Wohnen in den Blick nehmen. Warum? Weil die
fünf Merkmale gesunden Wohnens auch die Wohnzufriedenheit beeinflussen.
Dies gilt für alle 14 Teilnehmerländer des Healthy Homes
Barometer 2016. Auch, wenn man nur die drei wichtigsten Faktoren von Wohnzufriedenheit herausgreift, steht
bei 12 der 14 Länder die Wohngesundheit ganz oben.
3
Bei sieben Ländern ist die Schlafqualität unter den obersten drei, bei fünf das Raumklima. Ein gesundes Zuhause
sorgt also auch für Komfort und Zufriedenheit.
Mehr auf Seite 14
Ein glückliches Zuhause spendet Kraft
Europhäer die mit ihrem Zuhause zufrieden sind,
fühlen sich eher gesund und aktiv.
53%
57%
fühlen sich gesund
oder sehr gesund
fühlen sich
sehr aktiv
4
Hohe Wohnzufriedenheit
35%
27%
fühlen sich gesund
oder sehr gesund
fühlen sich
sehr aktiv
Geringe Wohnzufriedenheit
Europäer übersehen die
Wichtigkeit von Tageslicht
Mehr Wohngesundheit bedarf
gemeinsamer Anstrengungen
Die Europäer bemühen sich durchaus um gesundes
Wohnen, aber manchmal schaffen sie es einfach nicht.
Vielleicht liegt es am Tagesablauf, oder es ist ihnen
schlicht nicht möglich, das Nötige zu tun. Die Europäer
neigen zu Kompromissen. Beispielsweise halten 45 % die
Raumtemperatur unterhalb des Komfortbereichs, um
Geld zu sparen. Und wenn es draußen kalt ist, lüften die
Europäer nicht immer ausreichend. Das kommt gesundheitlich teuer6.
Es gibt eine klare Korrelation zwischen den Wünschen
der Europäer für ihr Wohnumfeld, den positiven Faktoren für Gesundheit und Lebensqualität und den Vorteilen
für die Gesellschaft als Ganzes. Als Hauseigentümer und
Mieter profitieren die Europäer von gesundem Wohnen.
Die Baubranche sollte bei der Planung sämtliche Parameter berücksichtigen, die sich auf das ganzheitliche
Wohlbefinden der Bewohner auswirken und sich nicht
nur auf einzelne Faktoren wie Feuchtigkeit und Temperatur konzentrieren.
Noch problematischer ist, dass wir oft gar nicht wissen,
was wir versäumen. 76 % der Europäer etwa geben an,
tagsüber künstliches Licht einschalten zu müssen, aber
nur 20 % meinen, dass sie zu viel künstliches Licht nutzen
müssen. Ausreichend Tageslicht in Wohnräumen halbiert
jedoch nahezu das Risiko, sich kraftlos zu fühlen, und
Tageslicht verbessert anerkanntermaßen Stimmung und
Arbeitskraft. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Leute
erst selbst erfahren müssen, wie gut ihnen reichlich Tageslicht tut, ehe ihnen die Vorteile wirklich klar werden.
5
Für Politik und Verwaltung ist gesundes Wohnen ein
potenzieller Ansatz für Energieeinsparungen, Gesundheitsförderung und Steigerung von Produktivität und
Lebensqualität. Auch als Gesamtgesellschaft sollten wir
gesunde Gebäude voranbringen und ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass Gebäude letztendlich Lebens- und
Arbeitsraum für Menschen sind.
Mehr auf Seite 22
Mehr auf Seite 20
5
6
Richtlinie 2002/91/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2002 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, Europäische Union (2002).
Braubach, Matthias et al. ”Environmental burden of disease associated with inadequate housing – A method guide to the quantification of health effects of selected housing risks in
the WHO European Region” WHO (2011)
Wohnen beeinflusst die Gesundheit
10
Vorteile eines
gesunden Zuhauses
Wer in einem gesunden Wohnumfeld
lebt, fühlt sich gesünder, kraftvoller
und leidet seltener an Atemwegserkrankungen.
3
Was ist am
wichtigsten für:
Tageslicht
2
Raumtemperatur
1
Schlafbedingungen
2
ein allgemeines
Gefühl von
Gesundheit?
Frische
Luft
1
Schlafbedingungen
3
Raumtemperatur
viel Energie?
3
Schimmel
2
weniger
Atemwegserkrankungen?
Schlafbedingungen
1
Raumtemperatur
Wohnen beeinflusst die Gesundheit
11
E
LT
ER
UMW
GIE
SUNDHEIT
GE
EN
Fünf Merkmale für
gesundes Wohnen
Wohnen hat unmittelbar Auswirkungen auf die Gesundheit.
Europäer mit optimalen Schlafbedingungen sind zum Beispiel
mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit gesund und voller
Energie. In diesem Abschnitt betrachten wir genauer, wie
unterschiedlich Europäer die gesundheitlichen Auswirkungen
ihres Zuhauses wahrnehmen.
Gesundheit fängt Zuhause an. Das war die Antwort der Europäer im Jahr 2015 auf unsere Frage,
was am wichtigsten für die Gesundheit sei. Wohnen steht dabei an erster Stelle noch vor reichlich
Obst und Gemüse, Nichtrauchen und körperlicher
Bewegung.
Frische Luft und Tageslicht werden heutzutage
mit mehr Produktivität und besseren Lernerfolgen
bei Schülern in Verbindung gebracht. Bagatellerkrankungen kosten die Volkswirtschaft Milliarden
durch Produktivitätsverluste. Die Europäer spüren
selbst ganz genau, was gesundes Wohnen ist:
Sie fühlen sich dann einfach allgemein gesund. Das
wirkt sich auf den Grad des Wohlbefindens aus und
auf die Einschätzung der eigenen Gesundheit im
Vergleich zu anderen.
Gesundes Wohnen hilft bei der Vermeidung bestimmter Bagatellerkrankungen, die wir alle kennen: Atemwegsinfektionen mit Schnupfen oder
Halsschmerzen.
Wir haben die Europäer aufgefordert, ihren Gesundheitszustand der vergangenen vier Wochen
anhand der folgenden drei Aspekte zu bewerten7.
Inwieweit diese Erfahrungswerte klinisch belegbar sind, wissen wir nicht, es besteht jedoch kein
Zweifel, dass sie nicht nur einen oberflächlichen
Eindruck darstellen, sondern im Alltag der Europäer ein echtes Problem sind.
Das Healthy Homes Barometer 2016 konzentriert
sich auf fünf Merkmale gesunden Wohnens. Wie
die folgenden Seiten zeigen, ist die Wohnsituation
in Europa leider heutzutage weit vom Idealzustand
entfernt.
Ein gesundes Zuhause gibt viel mehr Kraft. Dank
ihm fühlen sich die Europäer voller Energie, Antriebskraft und Motivation.
50%
höhere Wahrscheinlichkeit
guter Gesundheit zu sein bei
optimalen Schlafbedingungen
7
Die drei Gesundheitsaspekte stuften die Europäer im Oktober 2015 ein.
Wohnen beeinflusst die Gesundheit
12
Fünf Merkmale für gesundes Wohnen
1
Gute
Schlafbedingungen
2
Komfortable
Raumtemperatur
Europäer, die Zuhause gut schlafen
können, fühlen sich mit 50-prozentiger
Wahrscheinlichkeit gesund und aktiv.
Europäer mit zu kalten Wohnräumen
sind zu 50 % anfälliger für Schnupfen
und Halsinfektionen.
Ganze 77 % der Europäer haben Zuhause keine
optimalen Schlafbedingungen. Einer von drei gibt
an, in den vergangenen vier Wochen sehr schlecht
oder ziemlich schlecht geschlafen zu haben. Mehr
als die Hälfte (60 %) hatten schon einmal Schlafstörungen. Die Auswirkungen auf die Gesundheit
sind eindeutig. Unter den Europäern, die nach
eigenen Angaben optimale Schlafbedingungen
genießen, fühlten sich 51 % in den vergangenen
vier Wochen sehr gesund bis gesund. Bei alles andere als optimalen Schlafbedingungen fühlten sich
nur 29 % gesund. Beeinflusst wird auch die Frage,
wie aktiv man sich fühlt und wie anfällig man für
Infektionskrankheiten ist.
Ganze 82 % der Europäer leben in Wohnräumen, die
irgendwann im vergangenen Winter zu kalt waren.
Und 18 % geben an, dass es bei ihnen Zuhause immer oder meistens zu kalt ist. Noch weiter verbreitet ist die Überhitzung: 87 % litten im vergangenen
Sommer darunter, und 31 % sogar regelmäßig. Beim
Vergleich von Wohnräumen, die immer zu kalt sind,
mit solchen, die nie zu kalt sind, fällt der Anteil der
Europäer mit Nasenverstopfungen von 68 % auf
45 %. Bei trockenem und gereiztem Hals sieht es
ebenso aus. Auch eine zu warme Wohnumgebung
führt zu mehr Halsinfektionen.
Ein schlechter Nachtschlaf wird in Verbindung
gebracht mit geringerer Arbeitsleistung, höherem Risiko von Arbeitsunfällen und Schwierigkeiten bei Entscheidungen während der Arbeit.
Schlaflosigkeit ist einer der Hauptindikatoren
für das Fernbleiben vom Arbeitsplatz. Laut einer
Studie liegt bei an Schlaflosigkeit Leidenden der
monatliche Krankenstand 1,4-mal höher als bei
Beschäftigten mit gesundem Schlaf8.
4
Ausreichend
Tageslicht
Genügend Tageslicht in Wohnräumen
reduziert das Risiko, sich energielos zu
fühlen, nahezu um die Hälfte.
37 % der Europäer, die im Wohnzimmer nicht ausreichend Tageslicht haben, fühlen sich nie oder
sehr selten voller Energie. Bei angemessenen Tageslichtmengen fällt der Prozentsatz auf 21 %. Tageslicht wirkt sich auch positiv auf das allgemeine
Gesundheitsgefühl aus und verringert das Risiko
von Halsinfektionen und Schnupfen.
Tageslicht hebt bekanntermaßen sowohl Stimmung als auch Produktivität. Es wurde bewiesen,
dass bessere Tageslichtbedingungen die Produktivität in Büroräumen um bis zu 15 % steigern14.
Bekannt ist auch, dass ein Mangel an Tageslicht
Schlafstörungen, Stress, Übergewicht, Erschöpfung und jahreszeitlich bedingte Depressionen
(SAD) auslösen kann15.
Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind
direkt verbunden mit zu niedrigen Raumtemperaturen. Laut Untersuchungen aus 11 europäischen
Ländern sterben von 100.000 Einwohnern jedes
Jahr fast 13 wegen zu kalter Wohnräume9 aufgrund der sogenannten Energiearmut. Aber auch
übermäßige Wärme kann gefährlich werden, vor
allem für Ältere10, und sie verursacht schlechten
Schlaf 11.
5
3
Frische Luft
Europäer, die ihre Wohnräume nie
lüften, fühlen sich mit zweimal so großer
Wahrscheinlichkeit energielos verglichen
mit denjenigen, die zwei- bis viermal
täglich lüften.
Die Studie zeigt, dass 48 % der Europäer, die ihre
Wohnräume niemals lüften, sich energielos fühlen.
Bei denjenigen, die zwei- bis viermal täglich lüften,
fällt diese Zahl auf 22 %. Außerdem steigt die Anzahl der Europäer, die an Halsinfektionen leiden,
von 36 % auf 50 %, wenn sie daran gehindert sind,
zuhause die Fenster zu öffnen.
Eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik hat ergeben, dass 80 Millionen Europäer in
feuchten oder klammen Wohnräumen leben, mit
erhöhtem Krankheitsrisiko, etwa Asthma12. Ein
Mangel an frischer Luft und schlechtes Raumklima
beeinträchtigen auch beim Lernen und Arbeiten.
Dagegen steigt die Aufnahmefähigkeit von Kindern
bei gutem Raumklima um bis zu 15 %13. Durch das
Öffnen von Fenstern kommt frische Luft herein und
kann diese Symptome mildern9.
Richtige
Luftfeuchtigkeit
Europäer mit Schimmel in Wohnräumen
sind 50 % anfälliger für Halsinfektionen.
Bis zu 60 % der Europäer mit Schimmel in Wohnräumen leiden an trockenem oder gereiztem Hals.
Wo das Problem nicht besteht, fällt der Prozentsatz auf 43 %.
Aktivitäten der Bewohner wie Putzen, Kochen
und Duschen produzieren zusätzliche Feuchtigkeit
in den Räumen. Eine vierköpfige Familie gibt im
Durchschnitt jeden Tag zusätzlich 10 Liter Wasser an die Raumluft ab16. Typisches Anzeichen
sind beschlagene Fensterscheiben, was bei 32 %
der Befragten auftritt. Ohne Gegenmaßnahmen
kann diese Feuchtigkeit zu Schimmelbildung und
schwerwiegenden Problemen führen. Beispielsweise ist das Risiko, an Asthma zu erkranken, in
Wohnräumen mit Schimmel zweimal so hoch wie
in solchen ohne Schimmel und Feuchtigkeit.17
8
Metlaine, A., Leger, D., Choudat, D.; ”Socioeconomic Impact of Insomnia”, Working Populations, Industrial Health S.43 (2005). 9 Braubach, Matthias et al. ”Environmental burden of disease
associated with inadequate housing – A method guide to the quantification of health effects of selected housing risks in the WHO European Region” WHO (2011). 10 Vandentorren, S. et al.;
”Mortality in 13 French cities during the August 2003 heat wave”, American Journal of Public Health, S.94 (2004). 11 Urlaub, S. et al.; ”The influence of the indoor environment on sleep quality”, Healthy Buildings (2015) 12 Grün, G., & Urlaub, S.; ”Towards an identification of European indoor environments’ impact on health and performance – homes and schools”, Fraunhofer-Institut für Bauphysik (2014). 13 Wargocki, P. ”Indoor Environment and Learning in Schools”, International Centre for Indoor Environment and Energy, Technische Universität von Dänemark (2013).
14
L. Edwards & P. Torcellini.; ”A Literature Review of the Effects of Natural Light on Building Occupants”, National Renewable Energy Laboratory, U.S. Department of Energy (2002).
15
Robbins, C.L.; ”Daylighting Design and Analysis”, Van Nostand Reinhold Company (1986) Rosen, L. N., et al.; ”Prevalence of seasonal affective disorder at four latitudes”, Psychiatry Research,
Bd. 31, Nr. 2, S. 131-144 (1990). 16 British Standard, BS 5250: Code of Practice for Control of Condensation in Buildings, 2002 17 Mendell, M.J., et al.; ”Respiratory and allergic health effects
of dampness, mold and dampness-related agents: a review of the epidemiologic evidence” Environmental Health Perspectives, Bd. 119, S. 748-756 (2011).
Wohnen beeinflusst die Gesundheit
13
Die drei Länder Europas, deren Einwohner
sich am gesündesten fühlen
Das Gefühl guter Gesundheit genießen nicht alle
Europäer. Unter den 14 Ländern im Barometer fühlen sich die Dänen allgemein am gesündesten.
Fühlen sich gesund
1
Fühlen sich nicht gesund
Dänemark
54 %
2
Schweiz
48 %
3
22 %
17 %
Österreich
45 %
Durch ungesunde Wohnräume
weniger Produktivität
Die oben genannten Symptome klingen vielleicht
geringfügig, ziehen aber enorme gesellschaftliche
Folgen nach sich.
Nehmen wir Großbritannien als Beispiel: Daten
des britischen Office for National Statistics zeigen,
dass dort 2013 durch Bagatellerkrankungen wie
Husten, Erkältungen, grippale Infekte und Übelkeit
27 Millionen Arbeitstage verloren gingen.18 Zum
Vergleich: Stress, Depressionen und Angststörungen bringen es zusammen nur auf 15 Millionen
verlorene Arbeitstage. Die direkten Kosten für die
britische Volkswirtschaft aufgrund dieser Fehlzeiten wegen Bagatellerkrankungen19 wurden 2013
auf 1,8 Milliarden £ geschätzt.20
Nationale Produktivität
braucht gesundes Wohnen:
Beispiel Großbritannien
Bagatellerkrankungen waren 2013 in Großbritannien der häufigste Abwesenheitsgrund. Die geschätzten Kosten für die Volkswirtschaft sind enorm.
Quelle: UK Office for National Statistics
25 %
Hinzu kommen die versteckten Kosten, die laut der
Statistikbehörde schwieriger zu beziffern sind. Das
sind etwa die Verschlechterung der Arbeitsmoral
der Mitarbeiter, denen zusätzlich die Aufgaben
krank geschriebener Kollegen aufgebürdet werden, und die Kosten für die Verwaltung von Krankschreibungen21.
Vergleichbar aufgeschlüsselte Daten liegen nicht für
alle Länder Europas vor, aber Forschungen zu den
Kosten von Grippe weisen darauf hin, dass der Produktivitätsverlust eine weitaus größere Belastung
für die Volkswirtschaft darstellt als die Kosten für
Krankenhausbehandlungen, Medikamente usw.22
Inwieweit diese Verluste ungesunden Wohnräumen zuzuordnen sind, ist schwer zu beziffern.
Grund Nr. 1
21 %
1.8 Mrd.
für Abwesenheit
von der Arbeit
aller verlorenen
Arbeitstage
GBP Verlust an
Volkseinkommen
in GB allein 2013
Office for National Statistics; ”Sickness Absence in the Labour Market” (2014). 19 Die direkten Kosten umfassen das gesetzliche Krankengeld, Kosten für Vertretungen und Produktivitätsverluste. 20 Die direkten Kosten wurden anhand Daten des UK Office for National Statistics (2005) erhoben. Geschätzt wurde, dass die direkten Kosten von Fehlzeiten in Höhe von 178
Millionen Tagen für die Volkswirtschaft Großbritanniens im Jahr 2003 11,6 Milliarden £ betrugen. Im Durchschnitt sind das 65,20 £ pro Fehltag. Bei 27 Millionen Fehltagen wegen Bagatellerkrankungen im Jahr 2013 wurden die direkten Kosten auf 1,8 Milliarden £ geschätzt (Festpreise). 21 Barham, C.; ”Sickness absence from work in the UK” Office for National Statistics, S.149
(2004) 22 Szucs, T.; ”The socio-economic burden of influenza” Journal of Antimicrobial Chemotherapy, Bd. 44, S.11-15. (1999).
18
Faktoren für Wohlbefinden Zuhause
14
Faktoren für
Wohnzufriedenheit
Die Abbildung zeigt, was den Europäern für Wohnzufriedenheit am wichtigsten ist. Alle acht Faktoren wirken sich
stark auf Wohnzufriedenheit und Wohlbefinden aus.
Die nach Wahrnehmung vorgenommenen Einstufungen
deuten darauf hin, dass die Bewohner die Vorteile von
reichlich Tageslicht, gutem Raumklima und angemessener Luftfeuchtigkeit kennen und selbst spüren müssen.
Größe von Wohnung oder Haus
Zustand des Gebäudes
Nachbarschaftsbeziehungen
Schlafqualität
Raumklima
Temperatur und frische Luft
Feuchtigkeit
Schimmel und Nässe
Energiekosten
Tageslicht
Faktoren für Wohlbefinden Zuhause
15
ER
EN
E
N
ENVIRON
M
GY
H EALTH
T
Europäer wollen
gesund wohnen
Ganze 50 % der Europäer sind nur einigermaßen zufrieden oder
sogar weniger zufrieden mit ihrem aktuellen Zuhause. Wenn wir
die Wohnzufriedenheit steigern wollen, müssen wir uns klar
machen, was genau in den Wohnräumen Europas wichtig ist für
das Wohlbefinden. Im diesjährigen Healthy Homes Barometer
haben wir acht Puzzlestücke ausfindig gemacht.
Ganz oben steht der Komfort. Das war die Antwort
der Europäer aus dem Healthy Homes Barometer
2015. Der Wohnkomfort war der wichtigste Faktor
beim Umzug in neue Wohnräume. Als wichtig hierfür wurden frische Luft und Tageslicht angesehen.
Mit dem Healthy Homes Barometer 2016 machen
wir einen weiteren wichtigen Schritt zur Beantwortung der Frage: Was sorgt für Zufriedenheit
und Wohlbefinden Zuhause? Statt das direkt abzufragen, richtete die Studie diesmal den Blick auf
das, was tatsächlich zu mehr Wohnzufriedenheit
führt. Das Ergebnis sind die acht Faktoren links in
der Abbildung. Die Einstufung stellt die Summe der
Europäer in allen 14 Teilnehmerländern dar.
Als wichtigster Faktor hat sich die Größe der
Räumlichkeiten herausgestellt. Es folgt der Sanierungszustand, der etwa nötige Renovierungsarbeiten und den Stand der technischen Ausstattung
umfasst. Auf Platz drei stehen gute Nachbarschaftsbeziehungen, also soziale Aspekte wie das
Gefühl akzeptiert zu werden. Die Faktoren sind
nach Wichtigkeit geordnet. Es ist allerdings anzumerken, dass sich die Faktoren hinsichtlich ihrer
Bedeutung für die Wohnzufriedenheit nur wenig
unterscheiden. Zur Erklärung der einzelnen Faktoren siehe Seite 23.
Ein glückliches Zuhause spendet Kraft
Europäer, die mit ihrem Zuhause zufrieden
sind, fühlen sich viel eher gesund und aktiv.
53 %
57 %
fühlen sich gesund
oder sehr gesund
fühlen sich
sehr aktiv
35 %
27 %
fühlen sich gesund
oder sehr gesund
fühlen sich
sehr aktiv
Hohe Wohnzufriedenheit
Geringe Wohnzufriedenheit
Faktoren für Wohlbefinden Zuhause
16
Was fördert Wohnzufriedenheit
in den einzelnen Ländern?
Die auf Seite 12 vorgestellten fünf Eigenschaften eines gesunden Zuhauses
tragen allesamt zu mehr Wohnzufriedenheit bei. Dies gilt für alle 14 Teilnehmerländer, denn bei allen sind gesunde Wohneigenschaften wichtig. In acht
von 14 Ländern ist der Sanierungszustand der wichtigste Faktor für Wohnzufriedenheit und insgesamt steht er auf Platz zwei (siehe Seite 14). Zu den
wichtigsten drei Faktoren der einzelnen Länder siehe Seite 23.
Österreich
Belgien
Tschechische
Republik
Dänemark
Frankreich
Deutschland
Ungarn
Italien
Niederlande
Norwegen
Polen
Spanien
Schweiz
Großbritannien
Größe der
Räumlichkeiten
Energiekosten
Zustand des
Gebäudes
Feuchtigkeit
(Schimmel u.
Nässe vermeiden)
Nachbarschaftsbeziehungen
Faktoren für Wohlbefinden Zuhause
17
Was motiviert zu Sanierung und
privaten Investitionen?
Wie wir nun wissen, ist der Zustand des Gebäudes
wichtig für die Wohnzufriedenheit der Europäer.
Die Sanierung von Wohngebäuden ist zudem ein
großes gesellschaftliches Thema. Wir haben die
Europäer gefragt, was ihnen bei einer Sanierung
ihrer Wohnungen oder Häuser wichtig wäre. Die
Antwort lautet übereinstimmend: mehr Wohlbefinden Zuhause und Einsparungen bei den Energiekosten motivieren zum Sanieren.23 Das sind gute
Nachrichten! Auf Gebäude entfallen 40 % des
Gesamtenergieverbrauchs in Europa24, und ein
Hauptgrund ist, dass der derzeitige Gebäudebestand in Europa nicht energieeffizient ist. Energie
ist also ein klares Argument dafür, die Sanierung
anzukurbeln. Aber auch für Wohlbefinden und Gesundheit ist Sanieren wichtig, wie die Ergebnisse
des diesjährigen Healthy Homes Barometer zeigen. Tatsächlich gehen diese beiden Erwägungen
– Energie und Wohlbefinden – bei den Europäern
Hand in Hand.
Auch mit dem Alter nimmt die Bedeutung leicht zu.
Sobald sie älter werden und eine Familie gründen
(Nestbauphase), werden den Europäern Energiesparen und mehr Wohlbefinden zuhause wichtiger
(siehe Abbildung).
Im Wissen, dass der Sanierungsstand in Europa
derzeit unter Soll liegt, wird die Motivierung der
Europäer zum Sanieren noch bedeutsamer25. Die
Steigerung des eigenen Wohlbefindens ist eine viel
positivere Motivationskraft als das reine Energiesparen. Und noch wichtiger ist vielleicht, dass es
sich mit dem deckt, was für die Wohnzufriedenheit
am wichtigsten ist.
So zeigt sich ein wesentlich größeres Motivationsbündel, das eine große Rolle dabei spielen könnte,
die Sanierung voranzubringen. Und gleichzeitig
würde das zu mehr Energieeffizienz führen, denn
praktisch gesehen gehen Energieeffizienz und gesundes Wohnen Hand in Hand.
Sanierung wird
motiviert durch
zwei Hauptfaktoren:
Steigerung des
Wohlbefindens und
Einsparung von
Energiekosten
Auf die Frage, was ihr Hauptgrund für eine Sanierung wäre, stand bei den Hauseigentümern die
Senkung der Energiekosten an erster Stelle, 75 %
finden das sehr wichtig oder extrem wichtig. Als
zweitwichtigster Grund zum Sanieren folgt das allgemeine Wohlbefinden Zuhause, das für 73 % der
Befragten sehr wichtig oder extrem wichtig ist.
Frauen messen beiden Faktoren etwas mehr Bedeutung zu als Männer (siehe Abbildung).
Was motiviert die Europäer
zum Sanieren?
Sowohl die Einsparung von Energiekosten als auch die Steigerung
des Wohlbefindens motivieren Hauseigentümer zum Sanieren. Die
Prozentsätze zeigen, für wie viele diese beiden Faktoren sehr wichtig oder extrem wichtig sind. Die anderen in der Studie genannten
Faktoren – insgesamt fünf – waren weniger wichtig.
Männer
73 %
Frauen
77 %
Energiekosten
sparen
70 %
Wohlbefinden
steigern
Junge Leute (18-29)
67 %
Familienphase (30-49)
78 %
Energiekosten
sparen
76 %
70 %
75 %
Wohlbefinden
steigern
In der Studie sollten sich die Europäer entscheiden zwischen Energiekosten sparen, Wohn-Wohlbefinden steigern, Raumluft verbessern, Verwendung umweltfreundlicher Materialien,
Verminderung der Umweltauswirkungen, Wertsteigerung der Immobilie oder Steigerung der Tageslichtmenge. 24 Richtlinie 2002/91/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 16. Dezember 2002 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, Europäische Union (2002). 25 Renovate Europe, Broschüre ”It pays to renovate”, http://renovate-europe.eu/ (2011).
23
Gesundheit und Wohlbefinden Zuhause verbessern
18
Fünf Schritte zum
gesunden Wohnen
Dem Healthy Homes Barometer lassen sich fünf konkrete
Maßnahmen entnehmen, mit denen die Europäer im Alltag für
Wohngesundheit sorgen könnten. Tägliche Abläufe und Gewohnheiten zu ändern, ist allerdings manchmal schwer.
72 %
der Europäer
lüften vor dem
Zubettgehen
37 %
der Europäer sind
geringe Energiekosten
wichtiger
59 %
der Europäer
lüften weniger als
die empfohlenen
zweimal täglich
76 %
der Europäer gleichen
Tageslichtmangel durch
Kunstlicht aus
49 %
der Europäer achten
nicht darauf, Feuchte
zu vermindern
Schritt 1
Gute Schlafbedingungen
Schritt 2
Komfortable
Raumtemperatur
anstreben
Schritt 3
Frische Luft
hereinlassen
Schritt 4
Tageslicht
hereinlassen
Schritt 5
Feuchtigkeit
vermeiden
Gesundheit und Wohlbefinden Zuhause verbessern
19
ER
EN
E
N
ENVIRON
M
GY
H EALTH
T
Wissen und Verhalten
beeinflussen gesundes Wohnen
Zuhause Ordnung zu halten, ist keine einfache Aufgabe, oder
warum gibt es sonst so viele Bücher über Haushaltsführung?
Dasselbe lässt sich auch über gesundes Wohnen sagen. Wenn
das Verhalten der Bewohner nicht optimal für die Wohngesundheit ist, wie lässt sich das erklären und letztendlich ändern?
Die Unterschiede zwischen dem, was richtig wäre
und dem, was die Leute im Alltag tatsächlich tun,
könnten Bände füllen. Wie das Healthy Homes Barometer 2015 gezeigt hat, machen sich die Europäer zwar Gedanken über das Raumklima, handeln
aber nicht unbedingt entsprechend.
Zugegebenermaßen bemühen sie sich aber durchaus, ihre Wohnumgebung gesund zu gestalten.
84 % lüften. 74 % rauchen zuhause nicht. 74 %
finden auch Putzen sehr wichtig für ein gesundes
Zuhause. Mehr dazu auf Seite 21.
Aber stimmt das auch wirklich? Wahrscheinlich ist
es etwas komplizierter, wie die Europäer selbst als
Erste zugeben. Die Hälfte derjenigen, denen Putzen
sehr wichtig ist, geben dann zu, dass es nur ”eher
zutrifft”. Ein recht großer Anteil (drei von acht)
derjenigen, die lüften, sagen dazu ”trifft eher zu”.
Das klingt bestenfalls halbherzig.
verpufft wegen mangelnder Dämmung. 17 % nennen als Grund eine unzureichende Heizungsanlage.
Auch gesellschaftliche Probleme wie die Energiearmut sind in Europa Hinderungsfaktoren für ein
gesundes Zuhause.
Ein weiterer, sehr wichtiger Teil der Antwort bezieht sich auf die ”Software”, also darauf, wie das
Denken der Europäer programmiert ist. Ein Mangel an Wissen führt zu schlechten Entscheidungen.
Genauso wichtig jedoch sind die Gewohnheiten
und Kompromisse im Alltag. Das Healthy Homes
Barometer deutet stark darauf hin, dass dies einen großen Teil der Erklärung darstellt. Auf den
folgenden Seiten finden Sie eine Zusammenfassung der interessantesten Indikatoren zu diesen
Herausforderungen.
Die Frage ist nun, was hindert am gesunden Leben?
Ein Teil der Antwort hat mit der Ausstattung oder
der ”Hardware” zu tun: Der Zustand von Wohnräumen und Ausstattung kann ein gesundes Leben
schwer machen. Zum Beispiel sagen 24 % derjenigen, deren Wohnräume im Winter kälter sind,
als sie es sich wünschen, dass die Wärme einfach
Was hindert die Europäer am Lüften?
Fast sechs von zehn Europäern lüften nicht mindestens zweimal täglich. Diejenigen Europäer,
die nicht genügend lüften, haben mit größerer
Wahrscheinlichkeit weniger Energie, leiden an
Atemwegserkrankungen und Allergien. Aber was
hindert sie daran, die Fenster zu öffnen?
1
Kälte von
draußen
2
Lärm von
draussen
3
Hitze von
draußen
Gesundheit und Wohlbefinden Zuhause verbessern
20
Kalte Wohnung aus Geldmangel
Sparen bei den Energiekosten ist der Hauptgrund, warum Europäer in ungemütlich
kalten Wohnräumen sitzen. Die Abbildung
zeigt, was die Europäer als wichtigste drei
Gründe nennen, weshalb sie es zuhause kälter haben, als ihnen lieb wäre.
1
Sparen bei den
Energiekosten
Die Europäer handeln nicht immer
im Sinne ihrer Gesundheit
Insgesamt 82 % der Europäer leben in Wohnräumen, die irgendwann im Winter 2014/2015 zu kalt
waren. 18 % geben an, dass es bei ihnen Zuhause
immer oder meistens zu kalt war. Dämmung und
Heizungsanlage sind aber nicht die Hauptschuldigen: 45 % der Europäer mit kaltem Zuhause müssen Geld sparen und halten deshalb die Temperatur unterhalb der Komfortschwelle. Von denen,
die aus Geldnöten an der Heizung sparen, hat einer
von vier immer oder meistens zu kalte Wohnräume. Das führt zu sinkendem Wohlbefinden und
Erkrankungen.
Ähnliches zeigt das Healthy Homes Barometer
beim Thema Lüften. 47 % sagen, dass sie ihre
Fenster wegen der Kälte von draußen nicht öffnen. Auch Lärm und Hitze von draußen werden oft
genannt, ebenso der Wunsch, Energie zu sparen.
Als Resultat lüften fast sechs von zehn Europäern
nicht mindestens zweimal täglich.
Das ist gefährlich, denn frische Luft und behagliche
Raumtemperatur sind wichtig für Wohlbefinden
und Gesundheit, wie in den vorigen Kapiteln gezeigt wurde.
Verhalten lässt sich durch Wissen ändern
2
3
Wärme dringt
nach außen
Gerne Fenster
offen lassen
Tatsächlich ist die Wahl zwischen behaglicher
Temperatur und frischer Luft gar nicht nötig, außer in den paar Minuten, wenn die Fenster offen
stehen. Schon fünf Minuten Lüften zwei- bis viermal am Tag sorgt für einen raschen Luftaustausch
ohne Energieverluste, denn Wände, Böden, Decken
und Möbel kühlen dabei nicht aus, nur die Luft
muss neu erwärmt werden.
Wird also aus Unwissenheit nicht gelüftet, ließe sich
des mit mehr Informationen ändern. Und es macht
einen Unterschied: Von den Europäern, die die Vorteile täglichen Lüftens nicht kennen, lüften nur 8 %
ausreichend. Von den Europäern, die die Empfehlung
mehrmals täglichen Lüftens kennen, halten sich 69 %
daran. Wenn die Europäer also besser informiert
werden, ändern sie auch ihr Verhalten. Manchmal.
Der Alltag steht im Weg
Menschen folgen naturgemäß ihren Instinkten,
Gewohnheiten und Routineabläufen, leider auch
schlechten Gewohnheiten.
Zum Beispiel meinen 30 % der Europäer, dass sie
die Temperatur in ihren Wohnräumen im Winter
zu oft anpassen müssen. Dieses Problem führt
zu einer deutlich stärkeren Tendenz für ein kaltes
Zuhause. Eine plausible Erklärung für dieses Phänomen ist, dass für ein gesundes Zuhause mit hohem Wohlbefinden Aufwand und Aufmerksamkeit
nötig sind, die manchmal schwer in die täglichen
Abläufe passen. Im Weg steht der Alltag.
Dies gilt ebenso für das Lüften. Die wichtigsten
Gründe, aus denen Europäer die Fenster öffnen,
sind, dass es zum Tagesablauf gehört und dass sie
schlechte Luft hinaus lassen wollen. 74 % und 75 %
geben beide Gründe an. Bei einem genaueren Blick
auf die Tageszeiten, zu denen die Europäer lüften,
stellt sich das als nicht optimale Lösung heraus.
66 % öffnen die Fenster nach dem Aufstehen; 28 %
lüften vor dem Schlafengehen.
Es wäre aber sinnvoll, vor einer langen Schlafperiode frische Luft hinein zu lassen, und wenn es darum
geht, schlechte Luft loszuwerden, kann mangelndes Lüften am Abend ein Problem darstellen.
Qualitative Forschungen der VELUX Gruppe werfen mehr Licht auf diese Angelegenheit. Beim Lüften handeln die Leute eher spontan nach Gefühl
und lüften zum Beispiel morgens, weil die Luft im
Schlafzimmer abgestanden riecht. Die Ergebnisse
des Healthy Homes Barometer bestätigen das,
70 % öffnen die Fenster, um abgestandene Luft
hinauszulassen.
Aber schon kleine Hindernisse wie Vorhänge und
Fensterdekorationen können vom Lüften abhalten.
Wer erst die Gardinen öffnen muss, lässt es einfach
bleiben – schon Kleinigkeiten können also gewohnheitsmäßiges Lüften verhindern.
Im Dunkeln hinsichtlich
der Bedeutung von Tageslicht
Mithilfe der Nase zu ermitteln, wann frische Luft
ins Zimmer muss, ist vielleicht nicht die optimale
Lösung, hilft jedoch durchaus. Aber was, wenn uns
unsere Sinne nicht weiterhelfen? Nehmen wir zum
Beispiel das Tageslicht.
20 % der Europäer geben an, sich tagsüber zu viel
unter Kunstlicht aufzuhalten. Das ist an sich schon
ein Problem. Und noch schlimmer, 76 % der Europäer berichten, dass sie tagsüber das Licht einschalten
müssen, auch, wenn es draußen hell ist. Das heißt,
ein Großteil der Europäer hält sich zu viel unter
Kunstlicht auf, ist sich aber dessen nicht bewusst.
Andererseits sind die Europäer sehr motiviert, zu
handeln, sobald sie die Notwendigkeit von mehr
Tageslicht erkannt haben. Von denjenigen, die über
mangelndes Tageslicht in den Wohnräumen berichten, fänden es 74 % sehr wichtig oder extrem
wichtig, bei einer eventuellen Sanierung für mehr
Tageslicht zu sorgen.
Diese Erkenntnisse entsprechen den Ergebnissen
der Humboldt-Universität und der VELUX Gruppe;
sie zeigen, dass Menschen den Unterschied erst dann
sehen, wenn sie in ein Zuhause mit reichlich Tageslicht umziehen. Wir wissen einfach nicht, was uns
fehlt, bis wir das reichliche Tageslicht mit eigenen
Augen wahrnehmen.
Gesundheit und Wohlbefinden Zuhause verbessern
21
Was tun die Europäer
für ein gesundes Zuhause?
Wenn es um ein gesundes Zuhause geht, sind die Europäer
in unterschiedlichem Maße aktiv. Die Karte zeigt anhand der
acht unten aufgeführten Faktoren, in welchen Ländern am
meisten getan wird und welches jeweils die gängigsten Aktivitäten sind.
Größte
Lüften
Geringste
Zuhause nicht
rauchen
Reinigung
der Wohnräume
Eindämmen von
Feuchtigkeit
Beim Kochen
Dunstabzugshaube
benutzen
Lärm in
Wohnräumen
Keinen
Teppichboden
verlegen
Lüftungsanlage
nutzen
Ausblick
22
Gemeinsam für
gesundes Wohnen
Ohne gesundes Wohnen kein gesundes Europa.
Politik, Baugewerbe, Eigenheimbesitzer und Mieter
müssen zusammenarbeiten, um in Europa gesundes
Wohnen zu erreichen.
Das Healthy Homes Barometer 2016
zeigt fünf Merkmale gesunden Wohnens:
Ausreichend
Tageslicht
Gute
Schlafbedingungen
Komfortable
Raumtemperatur
Frische Luft
Richtige
Luftfeuchtigkeit
Wer Zuhause ausreichend Tageslicht hat,
fühlt sich mit doppelter
Wahrscheinlichkeit
voller Energie, und es
wirkt sich insgesamt
positiv auf Gesundheit
und Infektionsrisiko aus.
Wer Zuhause gut
schlafen kann, fühlt
sich mit größerer
Wahrscheinlichkeit
gesund und aktiv.
Eine komfortable
Raumtemperatur –
weder zu warm noch
zu kalt – senkt die
Anfälligkeit für
Schnupfen und
Halsinfektionen.
Lüften der Wohnräume schenkt Energie
und hilft, Schnupfen
und Halsinfektionen
vorzubeugen.
Schimmel in Wohnräumen steigert
das Risiko von
Halsinfektionen.
Viele Europäer haben gesundheitliche Beschwerden, und das senkt die Lebensqualität. Es führt
auch zu erheblichen Produktivitätsverlusten für die
Volkswirtschaft, und die gesellschaftlichen Kosten
belaufen sich auf Milliarden Euro.
Wenn wir in Zukunft gesund wohnen wollen, müssen wir heute neu überdenken, wie wir Gebäude errichten und sanieren. Zentrale Antriebskraft muss
hierbei die Steigerung des Wohlbefindens zuhause
sein. Die Gebäudeplanung muss über die reine Optimierung einzelner Parameter wie der Temperatur
hinausblicken und stattdessen alle Faktoren berücksichtigen, die Wohlbefinden und Gesundheit
in den eigenen vier Wänden beeinflussen.
Die gute Nachricht ist, dass eine klare Korrelation
besteht zwischen den Wünschen der Europäer an
ihr Wohnumfeld, den positiven Faktoren für Gesundheit und Lebensqualität und den Vorteilen für
die Gesellschaft als Ganzes: Ein guter Ausgangspunkt für den Weg zu gesundem Wohnen!
Anhang
23
Ausgewählte Daten
Wie gesund fühlen sich die Europäer?
Studienfrage: Wie würden Sie Ihren Gesundheitszustand
in den vergangenen vier Wochen einschätzen?
A
B
CZ
DK
F
D
H
I
NL
N
PL
E
CH
UK
Hervorragend
10.4 %
12.9 %
8.4 %
15.3 %
11.7 %
8.0 %
8.0 %
9.0 %
13.4 %
12.6 %
7.7 %
10.8 %
13.9 %
12.2 %
Sehr gut
34.6 %
26.6 %
31.9 %
38.3 %
27.7 %
28.7 %
20.1 %
26.4 %
23.0 %
29.0 %
27.8 %
29.9 %
34.6 %
33.8 %
Gut
35.7 %
35.2 %
33.1 %
24.4 %
41.9 %
37.2 %
37.0 %
41.0 %
36.8 %
32.2 %
38.5 %
34.2 %
34.9 %
31.3 %
Mittel
16.5 %
20.9 %
21.1 %
15.8 %
16.5 %
21.9 %
26.9 %
19.8 %
22.6 %
16.6 %
21.1 %
18.9 %
13.7 %
16.0 %
Schlecht
2.8 %
4.5 %
5.5 %
6.1 %
2.1 %
4.1 %
8.0 %
3.7 %
4.2 %
9.6 %
4.9 %
6.1 %
2.9 %
6.6 %
Erläuterung der Faktoren für Wohnzufriedenheit
Die Studie Healthy Homes Barometer basiert auf dem Modell zum Wohn-Wohlbefinden von B. Wegener und M. Fedkenheuer. Um die Faktoren genau zu verstehen, sind manchen zwei Fragen zugeordnet, z. B. wurde bei den Nachbarschaftsbeziehungen nach guten und schlechten Beziehungen gefragt.
Faktor
Studienfrage
Tageslicht
Ich kann Zuhause das Tageslicht voll nutzen.
Ich brauche Zuhause zu viel Kunstlicht.
Energiekosten
Manchmal frage ich mich, ob mein Energieverbrauch Zuhause zu hoch liegt.
Verglichen mit anderen Wohnungen sind bei mir Zuhause die Energiekosten niedrig.
Nachbarschaftsbeziehungen
Ich habe nette Nachbarn.
Ich fühle mich von meinen Nachbarn nicht akzeptiert.
Feuchtigkeit
Ich habe manchmal beschlagene Fensterscheiben.
Ich habe Zuhause Probleme mit Schimmel.
Raumklima
Die Temperatur meiner Wohnräume kann ich leicht an meine Bedürfnisse anpassen.
Lüften ist bei mir Zuhause einfach.
Schlafqualität
Die Gegebenheiten in meinem Schlafzimmer erlauben einen erholsamen Schlaf.
Zustand des Gebäudes
Mein Gebäude ist sanierungsbedürftig.
Die technische Ausstattung meines Zuhauses ist auf dem neusten Stand.
Größe von Wohnung
oder Haus
Meine Wohnung ist zu klein.
Ich hätte gerne mehr Platz, denn jetzt findet alles im gleichen Raum statt.
Was fördert Wohnzufriedenheit in den einzelnen Ländern?
Wohnzufriedenheit setzt sich aus acht Faktoren zusammen. Im Folgenden
die drei wichtigsten Faktoren für ein glückliches Zuhause der 14 Teilnehmerländer des Healthy Homes Barometer.
A
B
CZ
DK
F
D
H
I
NL
N
PL
1
Größe von
Wohnung
oder Haus
Energiekosten
Größe von
Wohnung
oder Haus
Zustand
des
Gebäudes
Zustand
des
Gebäudes
Zustand
des
Gebäudes
Zustand
des
Gebäudes
Größe von
Wohnung
oder Haus
Feuchtigkeit
Zustand
des
Gebäudes
Zustand
des
Gebäudes
Zustand
Nachbardes
schaftsGebäudes beziehungen
Zustand
des
Gebäudes
2
Zustand
des
Gebäudes
Zustand
des
Gebäudes
Zustand
des
Gebäudes
Schlafqualität
Größe von
Wohnung
oder Haus
Größe von
Wohnung
oder Haus
Schlafqualität
Zustand
des
Gebäudes
Zustand
des
Gebäudes
Größe von
Wohnung
oder Haus
Größe von
Wohnung
oder Haus
Größe von
Wohnung
oder Haus
Größe von
Wohnung
oder Haus
Größe von
Wohnung
oder Haus
3
Schlafqualität
Zustand
des
Gebäudes
Schlafqualität
Größe von
Wohnung
oder Haus
Schlafqualität
NachbarInnenraumInnenraumschaftsFeuchtigkeit
klima
klima
beziehungen
Innenraumklima
Innenraumklima
Schlafqualität
Schlafqualität
Nachbarschaftsbeziehungen
Den kompletten Fragebogen erhalten Sie bei Ihrem VELUX Ansprechpartner oder unter www.VELUX.com/health.
E
CH
UK
Exkurs: Wie wohnt Deutschland?
24
Exkurs: Wie wohnt
Deutschland?
Die deutsche Auswertung des Healthy Homes Barometer 2016 soll daher Aufschluss geben, was
gute Wohnbedingungen für Hausbesitzer, Vermieter und Bewohner sind und welche Wohnfaktoren
den Menschen in Deutschland wichtig sind. Es soll
insbesondere einen Einblick geben, welche Motive
die Deutschen bewegt, für eine bessere Wohnumwelt aktiv zu werden.
Diese Ergebnisse sollen auch Politikern, Bauplanern und Gebäudeberatern in Deutschland, die für
Bestand und Neubau von Gebäuden verantwortlich sind, eine Orientierung geben, um gemeinsam
mit den Bewohnern den Weg zu ganzheitlichen,
also gesunden und energieeffizienten Gebäuden
der Zukunft zu beschreiten.
E
LT
ER
GIE
SUNDHEIT
GE
UMW
EN
SUNDHEIT
GE
UMW
GIE
Der wichtigste Faktor für die Zufriedenheit mit
dem Zuhause ist für die Deutschen der Zustand
des Gebäudes (vgl. S. 16). Insofern ist es nicht überraschend, dass die Investitionen in den deutschen
Wohnungsbestand auf hohem Niveau steigen.26
Eine Ausnahme bilden dabei ausgerechnet die Investitionen in eine Verbesserung der energetischen
Qualität der Gebäudehülle und Anlagentechnik.
Laut einer aktuellen Untersuchung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
ist das energetische Modernisierungsvolumen im
Wohnungsbau von 2010 bis 2014 um 16 % zurückgegangen.27 Die Auswertung des Förderreports
der KfW für das Jahr 2015 zeigt, dass die Anzahl
der geförderten Sanierungen trotz Ausweitung der
Fördermöglichkeiten im deutschen Wohngebäudebestand einen neuen Tiefstand erreicht hat.28
Dabei ist der Gebäudebereich für rund 35 % des
Endenergieverbrauchs und rund ein Drittel der
Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich und spielt damit eine Schlüsselrolle in der
Energiewende.29
Ein guter Zustand unserer Gebäude und Wohnungen ist, wie bereits zuvor im vorliegenden Bericht
erläutert (vgl. S. 6-7), in mehrfacher Hinsicht wichtig: für Gesundheit und Wohlbefinden der Bewohner sowie für den Klimaschutz.
E
LT
ER
Das eigene Zuhause ist für die Menschen in
Deutschland von zentraler Bedeutung. Das letztjährige Healthy Homes Barometer hat gezeigt,
dass die drei wichtigsten Faktoren für das Wohlbefinden der Deutschen (guter Schlaf, regelmäßiges
Lüften, Tageslicht in Räumen) mit dem Wohnbereich zu tun haben. Sie legen mehr Wert auf ein
gesundes und behagliches Zuhause als der europäische Durchschnitt. Die eigenen vier Wände sind
enorm wichtig für das individuelle Wohlbefinden.
EN
E
LT
ER
UMW
GIE
SUNDHEIT
GE
EN
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hrsg.), ”Struktur der Bestandsinvestitionen 2014 – Investitionstätigkeit
in den Wohnungs- und Nichtwohnungsbeständen” (2016). 27 ebd. 28 Deutsche Energie-Agentur (dena), ”KfW-Förderreport 2015, Auswertung” (2016). 29 Bundesministerium für Wirtschaft
und Energie (BMWi) (Hrsg.), ”Energieeffizienzstrategie Gebäude – Wege zu einem klimaneutralen Gebäudebestand” (2015).
26
Exkurs: Wie wohnt Deutschland?
25
Exkurs: Wie wohnt Deutschland?
26
Exkurs: Wie wohnt
Deutschland?
Was ist Wohnzufriedenheit?
Die vorhergegangene Auswertung der gesamteuropäischen Ergebnisse belegt, wie wichtig gutes und gesundes Wohnen ist. Wichtig für die
einzelnen Volkswirtschaften, vor allem aber für
das Wohlbefinden und das positive Lebensgefühl
jedes einzelnen Bewohners. Denn Menschen, die
mit ihrer Wohnumwelt zufrieden sind, fühlen sich
aktiver und gesünder.
Dies gilt für Deutschland in besonderem Maße.
Von den Menschen, die angeben, dass sie mit ihrem Zuhause extrem zufrieden sind, schätzen 83 %
ihre Gesundheit als gut, sehr gut oder exzellent ein.
Jeder Zweite (50 %) aus dieser Gruppe hält seine
Gesundheit für besser als die seiner Altersgenossen. Im deutschen Durchschnitt schätzt das nur
etwa jeder Dritte (34 %). In der Gruppe derjenigen,
die mit ihrem Zuhause gar nicht zufrieden sind, fühlen sich hingegen nur 33 % gesund (gut, sehr gut
oder exzellent). Die Zahlen zeigen: Je zufriedener
die Menschen mit ihrem Wohnumfeld sind, desto
besser bewerten sie ihre Gesundheit.
Der Lebensraum Zuhause ist ausschlaggebend für
unsere Gesundheit. Daher setzen sich die Deutschen aktiv für ein gesundes Wohnumfeld ein, indem sie viel lüften, zu Hause nicht rauchen und ihr
Haus sauber halten (vgl. S. 21).
Zusammenhang zwischen
Wohnzufriedenheit und Gesundheit
Je zufriedener die Deutschen mit ihrem
Zuhause sind, desto gesünder fühlen sie sich.
83 %
Hohe Wohnzufriedenheit
fühlen sich gesund
33 %
Geringe Wohnzufriedenheit
fühlen sich gesund
Österreich
Wie zufrieden sind die Deutschen?
Die Deutschen sind mit ihren Wohnungen im europäischen Vergleich überdurchschnittlich zufrieden.
Während im EU-Durchschnitt nur jeder Zweite mit
dem Wohnumfeld sehr oder extrem zufrieden ist,
sind es in Deutschland etwa drei von vier (73 %). Damit liegt Deutschland auf Platz 3 hinter Österreich
und der Schweiz.
Schweiz
2.
1.
Deutschland
3.
Exkurs: Wie wohnt Deutschland?
27
Unter den befragten Wohnungs- bzw. Hauseigentümern steigt die subjektive Zufriedenheit sogar
auf 85 % , bei den Mietern fällt der Wert dagegen
auf 65 %. Dabei spielt das Alter der Gebäude eine
wichtige Rolle. Bei Gebäuden bis Baujahr 1979
liegt die Zufriedenheit bei 70 %, während sie bei
den jüngeren Gebäuden (seit 1980) 79 % beträgt.
Bedeuten die hohen Zufriedenheitswerte auch,
dass die Menschen in Deutschland keinen Verbesserungsbedarf bei ihren individuellen Wohnverhältnissen sehen und somit auch keinen Anreiz
haben, in Renovierung oder Modernisierung zu
investieren? Stimmt die subjektive Zufriedenheit
mit dem tatsächlichen Verhalten im Alltag und
den individuellen Verbesserungswünschen überein? Um das herauszufinden, müssen wir diese
hohe Zustimmungsrate zum Status Quo anhand
relevanter Faktoren der Wohnzufriedenheit näher
betrachten.
Da Zufriedenheit und Wohngesundheit Hand in
Hand gehen, haben wir die Deutschen genauer zu
den Faktoren für ein gesundes Zuhause befragt
(vgl. S. 12). Die physiologischen und psychischen
Bedürfnisse des Menschen werden in Gebäuden
in hohem Maße von den Aspekten thermischer
Komfort, Innenraumluftqualität und den Lichtverhältnissen beeinflusst.
52 %
lüften nicht vor
dem Schlafengehen
(72 % Europa)
37 %
frieren, um
Kosten zu sparen
(37 % Europa)
37 %
lüften seltener
als zwei Mal am Tag
(59 % Europa)
83 %
nutzen künstliches
Licht am Tag
(76 % Europa)
Fünf Schritte zum gesunden
Wohnen in Deutschland
Im Vergleich zu den restlichen Europäern bemühen
sich die Deutschen in der Regel mehr um ein gesundes Zuhause.
53 %
achten nicht darauf,
Feuchte zu vermindern
(49 % Europa)
Schritt 1
Gute Schlafbedingungen
Schritt 2
Komfortable
Raumtemperatur
anstreben
Schritt 3
Frische Luft
hereinlassen
Schritt 4
Tageslicht
hereinlassen
Schritt 5
Feuchtigkeit
vermeiden
Exkurs: Wie wohnt Deutschland?
28
Exkurs: Wie wohnt
Deutschland?
Thermischer Komfort
Eine zu geringe oder zu hohe
Innenraumtemperatur ist nicht
nur unangenehm, sondern kann
auch Krankheiten auslösen und
verschlimmern (vgl. S. 12). Wie
zufrieden sind die Deutschen
mit dem thermischen Komfort
in ihrem Zuhause im Sommer
und Winter?
Mehr als ein Drittel (35 %) der Befragten haben
die Erfahrung gemacht, dass sie die Temperatur
in ihrer Wohnung nicht leicht an ihre Wünsche
anpassen können. Damit liegen die Deutschen im
europäischen Mittelfeld. Mieter (40 %) sind in
Deutschland deutlich öfter unzufrieden mit der
Regulierbarkeit als Eigentümer (24 %). Anscheinend gibt es hier ein erhebliches Verbesserungspotenzial, und das weitgehend unabhängig vom Alter
des Gebäudes.
Des Weiteren beklagen 31 % der Deutschen, dass
sie ihre Innenraumtemperatur in den Wintermonaten zu oft nachregulieren müssen, um eine angenehme Temperatur zu halten. Nur 37 % empfinden
dies explizit nicht so. Sehr alte Gebäude sind deut-
lich schlechter regulierbar als neuere: 45 % der Bewohner von Gebäuden mit Baujahr vor 1900 sind
nicht zufrieden. Jedoch sind auch bei Gebäuden mit
Baujahr ab 1989 noch immer 25 % der Bewohner
mit den notwendigen Regelungseingriffen im Winter unzufrieden.
Mehr als jeder zweite Deutsche (54 %) hatte
sein Zuhause im Winter 2014/2015 manchmal
oder oftmals kälter als es dem Wohlempfinden
entspricht. Damit gaben die Deutschen öfter als
der europäische Durchschnitt (48 %) an, zu Hause zu frieren. Nur Spanien und England schneiden
schlechter ab. Besonders die Mieter frieren oft.
Jeder Vierte gibt an, meistens oder immer eine zu
niedrige Raumtemperatur zu haben. Nur 41 % der
Mieter finden die Temperatur in ihrem Zuhause in
der Regel angemessen. Im Vergleich zu den Mietern
sind Eigentümer deutlich zufriedener, aber auch
hier ist es nur etwas mehr als die Hälfte (56 %).
Neubau sind offensichtlich kaum Strategien für ein
besseres sommerliches Innenraumklima vorhanden. Zwar werden Wohnungen, die über eine mechanische Lüftungsanlage verfügen, im Sommer
weniger oft als zu warm empfunden, das bleibt
aber ohne Einfluss auf die Zufriedenheit mit dem
Innenraumklima. Ergänzend zur mechanischen Lüftung spielt daher die natürliche Fensterlüftung für
fast alle Befragten eine wichtige Rolle.
Die Auswertung zeigt, dass viele Bewohner in
Deutschland sowohl im Sommer als auch im Winter mit der Temperatur in ihren Wohnungen oder
Häusern zwar größtenteils zufrieden sind, sich aber
wünschen, Wärme und Kühle besser und einfacher
regeln zu können.
Gerade im Bereich des sommerlichen Wärmeschutzes zeigen sich noch große, bislang ungelöste
Verbesserungspotenziale.
Auch die Frage nach der sommerlichen Wärmelast deckt Verbesserungspotenzial auf. 40 % der
Deutschen war es im Sommer 2015 meistens oder
immer zu heiß in ihrer Wohnung. Den Bewohnern
aus den westlichen und südlichen Ländergruppen
ist es dagegen nur zu 25 % bzw. 29 % , in Nordeuropa sogar nur zu 12 % zu heiß in ihrem Zuhause.
Das Überhitzungsproblem trifft in dieser Größenordnung auf Gebäude aller Baujahre zu. Auch im
Mehr als
die Hälfte der
Deutschen friert
im Winter
zu Hause.
Exkurs: Wie wohnt Deutschland?
29
Innenraumluftqualität
Die Luftqualität in unseren
Gebäuden wirkt sich direkt auf
unser Wohlbefinden aus (vgl.
S. 12). Das Umweltbundesamt
verweist ausdrücklich auf die
gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Folge mangelnder
Luftqualität in Innenräumen wie
die Reizung von Augen, Nase
und Rachen, Kopfschmerzen,
Müdigkeit oder Konzentrationsschwierigkeiten.30 Deshalb
wollten wir wissen: Wie steht
es um die Luft in Deutschlands
Wohngebäuden?
Die Deutschen haben eine andere Einschätzung
ihrer Luft- bzw. Lüftungsqualität als der Rest Europas. Drei von vier Befragten in Deutschland sind
mit ihrer Raumluftqualität im Winter sehr zufrieden, unabhängig davon, ob sie mit den Fenstern
(76 %) oder mit einer mechanischen Lüftungsanlage (75 %) lüften. Die hohe allgemeine Zufriedenheit könnte mit der hohen Lüftungsfrequenz zu tun
haben: Nur die Italiener lüften mehr als die Deutschen. Im europäischen Durchschnitt sinkt die Zufriedenheitsrate bei der Fensterlüftung auf 69 %,
bei der mechanischen Lüftung auf 72 %. Anders als
in manchen Vergleichsregionen, ändert sich durch
den Einsatz einer mechanischen Lüftungsanlage
zusätzlich zur Fensterlüftung die Zufriedenheit mit
der Luftqualität kaum.
Generell steht eine Mehrheit der Deutschen mechanischen Lüftungssystemen skeptisch gegenüber. 60 % der Befragten sagen, dass sie keine
mechanische Lüftungsanlage haben möchten, die
das Lüften für sie übernimmt, unabhängig davon,
ob es Eigentümer (62 %) oder Mieter (59 %) sind.
Diese Ablehnung ist auch unabhängig vom Baujahr des Gebäudes. Lediglich in Gebäuden aus den
Baujahren 1980 bis 1989 sinkt die Ablehnung auf
54 %. Im europäischen Durchschnitt lehnen 53 %
der Befragten dies ab. Damit sind die Deutschen
30
nach den Schweizern, den Belgiern und den Österreichern und gleichauf mit den Dänen am kritischsten gegenüber mechanischen Lüftungssystemen.
Dagegen ist die natürliche Lüftung über die Fenster auch denjenigen, die über eine mechanische
Lüftung verfügen, sehr wichtig. 97 % dieser Personengruppe legen Wert darauf, zusätzlich durch die
Fenster lüften zu können. Das verwundert wenig,
wenn man an Situationen denkt, in denen Fenster
sich nicht öffnen lassen, wie z.B. in Hotelzimmern
oder Zugabteilen. Erstens ist es wichtig für das
Gefühl von Autonomie und Freiheit, auf die Lüftung
aktiv Einfluss nehmen zu können. Zweitens ist frische Luft von draußen und der damit entstehende
Bezug zur Außenwelt einfach ein Grundbedürfnis
des Menschen.
Eine gut funktionierende mechanische Lüftung
kann die Zufriedenheit mit der Luftqualität im
Winter steigern – Eigentümer beispielsweise sind
im Winter zu 95 % zufrieden mit ihren Anlagen. Im
Sommer hingegen haben mechan ische Lüftungsanlagen keinen oder sogar leicht negativen Einfluss
auf die Zufriedenheit mit dem Innenraumklima. Die
Zahlen legen auch nahe, dass insbesondere Mieter
nicht für die optimale Bedienung des Lüftungssystems sensibilisiert sind, was zu schlechteren
Lüftungsergebnissen führt. 71 % der Eigentümer
fühlen sich ausreichend informiert über die Bedienung, aber nur 50 % der Mieter.
Das Lüftungsverhalten wirkt sich auch massiv auf
die Luftfeuchte aus. Feuchte in Innenräumen ist in
ganz Europa und auch in Deutschland ein ernst zu
nehmendes Problem. Denn eine zu hohe Luftfeuchtigkeit wirkt sich nicht nur negativ auf Wohlbefinden und Behaglichkeit der Nutzer aus, sondern
kann auch zu Schäden am Gebäude führen.
Rund 25 % aller Befragten in Deutschland geben
an, dass in ihrem Zuhause manchmal die Fenster
beschlagen, was auf überschüssige Feuchtigkeit in
den Räumen hindeutet. Bei sehr alten Gebäuden,
die in der Regel keine energieeffizienten Fenster
aufweisen, steigt der Wert auf bis zu 32 %. Bei
den Gebäuden zwischen 1970 und 1989 haben
nur 22 % der Bewohner beschlagene Fenster. Die
neuesten Gebäude (jünger als 1989) weisen zu
25 % Feuchtigkeitsprobleme auf. Lüftungsanlagen sollen dieses Problem bei den neuen, vermehrt
luftdichten Gebäuden lösen. Doch auch bei Einbau
einer mechanischen Lüftungsanlage werden die
Werte nicht besser. Die verbreitete Annahme,
dass mit Einbau einer mechanischen Lüftungsanlage die Feuchteprobleme automatisch gelöst
sind, lässt sich nicht belegen. Insgesamt können
nur 62 % aller Befragten sicher ausschließen, dass
sie Schimmel in der Wohnung haben.
Die Art und Weise wie wir unsere Häuser bauen,
ändert sich. Unsere Gebäude werden immer effizienter und technisch komplexer.
Im Ergebnis sind die Deutschen mit ihrem Zuhause
überwiegend zufrieden, allerdings zeigen die Einzelbetrachtungen zu Lüftungsqualität, regelbarer
bzw. konstanter Innentemperatur, Feuchte und
Schimmelerscheinungen, dass hier noch erhebliche Potenziale zur Verbesserung für ein gutes und
gesundes Wohnumfeld liegen. Durch richtigen Einsatz, Bedienung und Steuerung von Technik und
aufgeklärtes Verhalten jedes einzelnen Bewohners
sind für die Zukunft in diesem Bereich Verbesserungen zu erwarten. Auch Aufklärung ist hier sicher notwendig: wenn unsere Gebäude zukünftig
zunehmend luftdichter ausgeführt und damit mechanische Lüftungsanlagen obligatorisch werden,
gleichzeitig aber 60 % der Bevölkerung mechanische Lüftungsanlagen ablehnen und teilweise
auch zu Recht enttäuscht sind (sommerlicher
Wärmeschutz, Feuchte- und Schimmelprobleme),
dann sind das denkbar schlechte Voraussetzungen
sowohl für die Akzeptanz von Sanierungsmaßnahmen in diesem Bereich als auch für die Aufrechterhaltung eines guten, gesunden Wohnumfelds.
Aufgabe für die Bewohner wird es sein, zu erkennen, dass die Technik sie sinnvoll unterstützen
kann. Aufgabe der Technik wird es sein, die Bewohner bei ihren Bemühungen um ein gesundes
Zuhause optimal zu unterstützen und ihnen dabei
trotzdem alle Freiheiten zu lassen.
Zufriedenheit mit dem Gebäude scheint sich umso
mehr einzustellen, je mehr die Bewohner eigenverantwortlich und selbst Einfluss nehmen können.
Vgl. z.B. Mertes, A. & Scutaru, A. ”Innenraumluftqualität nach Einbau von Bauprodukten in energieeffizienten Gebäuden”, Umweltbundesamt (2016), S. 4.
Exkurs: Wie wohnt Deutschland?
30
Diskrepanz bei
Wahrnehmung und
Gebrauch von Kunstlicht
Deutschland
Europa
12 %
19 %
16 %
11 %
fühlen sich zu sehr
auf künstliches Licht
angewiesen
haben meistens
Licht auch am Tag
eingeschaltet
fühlen sich zu sehr
auf künstliches Licht
angewiesen
haben meistens
Licht auch am Tag
eingeschaltet
Exkurs: Wie wohnt Deutschland?
31
Tageslicht
Je besser die Tageslichtsituation zu Hause, desto gesünder und fitter fühlen wir uns (vgl. S. 12).
Eine gute Tageslichtversorgung unterstützt den natürlichen Biorhythmus und setzt die
Hormonproduktion in Gang, sodass wir uns wohl, wach und zufrieden fühlen.31 Da Tageslicht ein
so wichtiges Element der Wohngesundheit ist, haben wir die Menschen in Deutschland gefragt,
wie sie die Helligkeit ihrer Wohnungen bewerten.
Mehr als zwei Drittel der Deutschen (69 %) finden,
dass sie das Tageslicht in ihrer Wohnung oder ihrem Haus in vollem Umfang nutzen können. Auch
im europäischen Durchschnitt sagen dies 69 %.
Dabei bewerten die Mieter (65 %) in Deutschland
ihre Möglichkeiten etwas schlechter als Eigentümer (75 %). Bewohner von Gebäuden mit Baujahr
nach 1989 beurteilen ihr Tageslicht zu 78 % als
eher gut, in sehr alten Gebäuden sinkt dieser Wert
auf unter 60 %.
Liegen bei der Frage nach der Nutzung des Tageslichts die europäischen Staaten noch relativ nahe
beisammen (mit Deutschland im Mittelfeld), so
ergibt sich bei der Frage nach der Abhängigkeit
von Kunstlicht ein ganz anderes Bild: nur 12 % der
Deutschen geben an, dass sie in ihrem Zuhause zu
sehr auf künstliches Licht angewiesen sind. Die
anderen Europäer beurteilen dies im Durchschnitt
zu 19 %. Das heißt, in Deutschland fühlt sich ein
Drittel der Befragten weniger von Kunstlicht abhängig als in den übrigen europäischen Ländern.
Gleichzeitig sagen 16 % der Deutschen, dass bei
ihnen die meiste Zeit Kunstlicht eingeschaltet war,
auch wenn es draußen taghell war, gegenüber
nur 11 % der Europäer. Der Anteil der Bewohner
in Deutschland, denen die Tageslichtversorgung
nicht genügt, steigt gegenüber dem europäischen
Durchschnitt also um 50 %.
Ein interessanter Widerspruch in der Einschätzung
der Tageslichtsituation zu Hause: die Deutschen
ordnen sich um ein Drittel weniger abhängig vom
Kunstlicht ein als die übrigen Europäer, haben aber
nach eigener Aussage öfter als unsere europäischen Nachbarn auch am Tage das Kunstlicht an.
31
Unsere Tageslichtversorgung im Wohnzimmer beurteilen wir im Schnitt zu 74 % als angemessen.
Aber immerhin noch 15 % der Deutschen geben an,
dass ihr Wohnzimmer zu wenig Tageslicht erhält.
In der Küche empfinden sogar 28 % einen Tageslichtmangel.
Die Befragungen nach der subjektiven Einschätzung der Tageslichtversorgung und nach dem tatsächlichen Verhalten zeigen sehr unterschiedliche
Ergebnisse. Gerade Tageslicht entzieht sich offensichtlich mehr als andere Wohnfaktoren einer objektiven Bewertung. Die Bewohner in Deutschland
fühlen sich gut mit Tageslicht versorgt (besser als
der Rest Europas), und erklären gleichzeitig, dass
sie häufig auch tagsüber Kunstlicht nutzen müssen
(mehr als der Rest Europas). Mehr als bei anderen
Aspekten der Bewertung der Wohnumwelt scheint
die Menschen bei der Tageslichtversorgung eine
große Unsicherheit zu überkommen, wieviel richtig
und wieviel machbar ist.
Wie schon beim Thema Raumluftqualität stellen
wir auch hier eine Diskrepanz zwischen angegebener Zufriedenheit und tatsächlichem Verhalten
fest. Aufgrund dieser Erkenntnis sollte ausschließlich das Verhalten der Bewohner und nicht die
geäußerte Zufriedenheit den Maßstab für eine
gute Tageslichtversorgung darstellen. Und dieses
Verhalten zeigt auf, dass in der Versorgung mit
dem physiologisch so wichtigen Tageslicht ein erhebliches Verbesserungspotenzial aufgedeckt und
umgesetzt werden muss.
Es scheint, dass wir keinen Maßstab dafür haben,
was gutes Tageslicht ist und was wir von guter
Tageslichtausstattung erwarten dürfen. Tageslichtmangel ist nur indirekt und mittelfristig erfahrbar, anders als beispielsweise Kälte. Deshalb
tendieren wir dazu, einen Tageslichtmangel als
gegeben hinzunehmen und nicht als Missstand,
den wir verbessern können. Wir wissen nur seit
langem, dass ausreichendes Tageslicht sich positiv
auf unser Wohlbefinden auswirkt.
Vgl. Andres, P.: ”Grundnahrungsmittel Licht”, Haus 2050 Plattform für innovatives & nachhaltiges Bauen, http://www.haus-2050.de (2014).
Die Einschätzung
des Tageslichts
zu Hause entspricht
oft nicht dem
tatsächlichen
Verhalten.
Exkurs: Wie wohnt Deutschland?
32
Exkurs: Wie wohnt
Deutschland?
Renovierung und Sanierung
Nach der Analyse der Wohnzufriedenheit der Deutschen
anhand der relevanten
Kriterien für Wohnkomfort
und -gesundheit ist nun noch
offen, wie sich diese Ergebnisse in den Motivationen für
Renovierung und Sanierung
wiederfinden. Welchen Verbesserungsspielraum sehen
die Bewohner in Bezug auf
ihr Wohnumfeld und welche
Faktoren sind ihnen im Renovierungsfall am wichtigsten?
Die Deutschen empfinden im Vergleich mit anderen
europäischen Ländern weniger Renovierungsbedarf. Nur jeder fünfte Deutsche (21 %) schätzt sein
Zuhause als renovierungsbedürftig ein, während es
im europäischen Durchschnitt 31 % und in manchen
europäischen Regionen bis zu 40 % sind. Bewohner
von Gebäuden mit Baujahr vor 1970 sehen nur zu
26 % Renovierungsbedarf an ihrem Zuhause, und
auch in der ältesten Gebäudeklasse mit Baujahr
vor 1900 sind es nur 32 %. Bei den deutschen Eigentümern sind es durchschnittlich sogar nur 17 %.
Gerade die Wohn- und Hauseigentümer sind aber
diejenigen, die Investitionsentscheidungen für bessere, gesündere oder energieeffizientere Gebäude
treffen. Doch wer wenig Bedarf sieht zu renovieren, ist auch wenig bereit, Geld für aufwendige
Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten
auszugeben.
Während im europäischen Durchschnitt 47 % der
Befragten finden, dass ihre Gebäudetechnik auf
dem neuesten Stand ist, sind dies in Deutschland
nur 30 %. Die technische Ausstattung bei Gebäu-
den mit Baujahr nach 1989 wird mit 44 % wesentlich besser bewertet und nähert sich hier dem
europäischen Wert an.
Die Deutschen empfinden also den baulichen Gesamtzustand ihrer Gebäude als deutlich besser als
der Rest Europas, bewerten ihre technische Gebäudeausrüstung aber schlechter. Da nicht davon
auszugehen ist, dass die Gebäudetechnik wie Heizung, Beleuchtung, Lüftung und Automatisierung
in den älteren Gebäuden in Deutschland gegenüber
dem Rest Europas veraltet ist, lassen die Daten
eher auf ein besseres Wissen der Menschen über
die Möglichkeiten einer modernen Gebäudetechnik
und das Potenzial einer energetischen Modernisierung schließen.
Nur ungefähr jeder dritte Deutsche (35 %) fragt
sich, ob sein Zuhause zu viel Energie verbraucht
im Vergleich zu 41 % der Europäer. Nur unter den
Bewohnern von sehr alten Gebäuden mit Baujahr
vor 1900 steigt dieser Wert auf 63 %. Dabei sind
private Haushalte für 28 % des deutschen Energieverbrauchs verantwortlich. Trotz aller Bemühungen um Energieeffizienz stieg der Energieverbrauch der privaten Haushalte zwischen 1990 und
2013 um mehr als 9 %. 32
Das geringe Bewusstsein für den Energieverbrauch
des eigenen Zuhauses einerseits und der gute Gebäudezustand andererseits verhindern eine Mobilisierung breiter Bevölkerungsschichten für energetisch motivierte Sanierungen.
Doch was bewegt die Menschen
dann, in ihre Häuser und Wohnungen
zu investieren?
82 % der Befragten wäre es sehr oder extrem
wichtig, dass sich nach einer Renovierung das allgemeine Wohlbefinden zu Hause verbessert. Hier
liegt Deutschland mit großem Abstand vor dem
europäischen Durchschnitt von 73 %.
Wie oben dargestellt, sagen knapp drei Viertel
(73 %) der Befragten in Deutschland, dass sie mit
ihrem Zuhause sehr oder extrem zufrieden sind.
Gleichzeitig sehen jedoch 82 % große Verbesserungsspielräume beim Wohlbefinden im Zuhause.
Eine Verbesserung der Tageslichtversorgung ist
41 % der Deutschen sehr wichtig. Wie oben beschrieben, geben mehr als zwei Drittel (69 %) der
Befragten an, mit der Tageslichtmenge in ihrem
Zuhause zufrieden zu sein, doch es zeigt sich auch,
dass über 40 % sich mehr Tageslicht wünschen.
Lediglich für 11 % der Befragten wäre die Tageslichtmenge nach einer Renovierung unerheblich.
Die Deutschen sind besonders sensibel für ein gutes Innenraumklima. Für 60 % der Befragten ist die
Verbesserung der Innenraumluftqualität sehr oder
extrem wichtig, im Vergleich zu 52 % im europäischen Durchschnitt. Auch hier manifestiert sich
der Unterschied zwischen dem subjektiven Empfinden und dem Wunsch nach Verbesserung, wenn
konkret danach gefragt wird: Über drei Viertel der
Deutschen sind mit ihrer Raumluft zufrieden, doch
auch 60 % hätten gern ein besseres Raumklima.
Gleichzeitig geben 78 % der Deutschen an, dass es
ihnen sehr wichtig wäre, im Falle einer Renovierung
Energiekosten einzusparen. Dies gilt für Mieter und
Eigentümer gleichermaßen, und selbst bei neueren
Gebäuden mit Baujahr nach 1989 haben 73 % den
Wunsch, Energiekosten zu sparen. Allerdings ist
der Wunsch, Kosten zu sparen, nicht gleichzusetzen
mit einer Bereitschaft zur Renovierung. Denn einer
Energiekosteneinsparung stehen immer entsprechende Investitionskosten gegenüber, die für Investoren und Eigentümer ein Hemmnis sein können.
Umweltbundesamt (UBA), ”Energieverbrauch der privaten Haushalte”, https://www.umweltbundesamt.de/daten/private-haushalte-konsum/energieverbrauch-der-privaten-haushalte
(2015).
32
Exkurs: Wie wohnt Deutschland?
33
Für 45 % der Deutschen ist eine Wertsteigerung
als Antrieb für eine Renovierung sehr wichtig. Bei
Bewohnern von Gebäuden, die nach 1989 gebaut
wurden, ist der Wunsch, den Wert zu steigern,
etwas stärker (56 %). Es ist überraschend, dass
dieser Antrieb nicht ausgeprägter ist, wo doch jede
Renovierung einen Werterhalt oder eine Steigerung mit sich bringt.
Beweggründe für eine Investition
in Häuser und Wohnungen
Trotz Zufriedenheit mit wichtigen Wohnfaktoren
wünscht sich eine Mehrheit Verbesserungen.
Ebenfalls 45 % der Befragten wäre es sehr wichtig, bei einer Renovierung die Umweltauswirkungen ihres Zuhauses zu reduzieren. Damit liegen die
Deutschen im europäischen Mittelfeld (44 %). Auf
den Einbau umweltfreundlicher Materialien legen
in Deutschland beispielsweise 58 % der Befragten
Wert. Lediglich für 5 % spielen Umweltbedenken
gar keine Rolle.
Die Reduzierung der Umwelteinflüsse etwa durch
den Einbau umweltfreundlicher und wenig belastender Materialien ist den Deutschen wichtig. Es
scheint ein Bewusstsein dafür zu geben, dass umweltfreundliche Bauprodukte und -materialien das
Innenraumklima und die Wohngesundheit positiv
beeinflussen.
Zusammengefasst ist festzuhalten, dass der Faktor Energiekosten zwar eine wichtige Rolle bei der
Sanierung spielt, aber der Aspekt Wohlbefinden
noch ein viel größeres Gewicht hat. Tageslicht
und Innenraumklima folgen dem mit Abstand.
Die Investitionsbereitschaft zu Modernisierung
und energetischer Sanierung kann offensichtlich
am ehesten durch Berücksichtigung eines breiten
Maßnahmenbündels aus den oben diskutierten
Aspekten befördert werden.
73 %
82 %
Wohlbefinden /
Wohnzufriedenheit
allgemein
65 % 78 %
Energiekosten
76 %
60 %
Innenraumluft
69 % 41 %
Subjektive Zufriedenheit (IST)
Verbesserungspotenzial
(bei Renovierung)
Tageslicht
Exkurs: Wie wohnt Deutschland?
34
Exkurs: Wie wohnt
Deutschland?
Fazit und Schlussfolgerungen
Auf den ersten Blick scheint die Mehrheit der Deutschen zufrieden mit ihrem Zuhause zu sein. Die Analyse der Wohlfühlfaktoren des Wohnbereichs zeigt
jedoch, dass die physiologischen Bedürfnisse vieler
Bewohner in Deutschland nicht erfüllt werden.
In allen untersuchten Bereichen – thermischer Komfort, Lüftung, Tageslicht und Zustand des Gebäudes – ist festzustellen, dass die jeweils geäußerte
subjektive Zufriedenheit nicht zum tatsächlichen
Verhalten der Bewohner oder den Änderungs- und
Verbesserungswünschen der Befragten passt. Diese Diskrepanzen sind in Deutschland stärker ausgeprägt als in den übrigen untersuchten Ländern.
Die Bewohner in Deutschland investieren viel in ihr
Zuhause, insbesondere in den Komfort ihrer Wohnungen und Häuser. Klimaschutz und Energiekosten
sind alleine ohne Berücksichtigung dieser Komfortbedürfnisse keine ausreichende Triebfeder für
energetische Sanierungen. Es wird daher bereits
heute und verstärkt in Zukunft eine der größten
Herausforderungen für Politik, Planer und Berater,
das Gebäude als ein ganzheitliches System zu begreifen, Anforderungen an die Energieeffizienz mit
dem Anspruch an ein komfortables Wohnumfeld
in Einklang zu bringen und dabei die Wünsche und
Bedürfnisse der Bewohner zu berücksichtigen.
Den Bewohnern ist ihr Zuhause wichtig. Trotz
hoher Zufriedenheit gibt es dennoch große Änderungswünsche, was ein Zeichen dafür ist, dass die
Bewohner gerne in Modernisierungen investieren
wollen. Sie können auch klar benennen, in welchen
Bereichen sie weitere Verbesserungen anstreben.
Gleichzeitig zeigt sich, dass die Bewohner sich zunächst oft zufrieden zu ihrem Wohnumfeld äußern,
auf Nachfragen dann aber trotzdem großes Verbesserungspotenzial sehen. Diese Ergebnisse legen
nahe, dass die Bewohner zu diesen Themen weiter
aufgeklärt und sensibilisiert werden sollten, um
zukünftig Änderungswünsche reflektierter zu formulieren und damit einhergehend auch energetisch
wirkungsvolle Maßnahmen zu motivieren.
Komfortanspruch
der Bewohner und
Klimaschutz im Gebäude
müssen in Einklang
gebracht werden
35
Beeinflusst Wohnen die Gesundheit?
Was ist gesundes Wohnen, und wie wirkt es sich auf die Gesundheit der
Europäer aus? Wie beeinflusst unser Zuhause unsere tägliche Leistungsfähigkeit, unsere Aktivität und sogar unser Wohlbefinden?
Die Antworten gibt das diesjährige Healthy Homes Barometer; es erkundet die Verbindung zwischen Wohnen und Gesundheit. Die Studie legt
offen, was die Europäer tun, um gesund zu wohnen, und worauf wir uns
als Gesellschaft konzentrieren müssen, damit Europa gesund bleibt.
Für ein gesundes Europa braucht es gesundes Wohnen.
Prof. Dr. Dr. h. c. Bernd Wegener
Das Healthy Homes Barometer ist ein nie dagewesenes
Vorhaben. Es ist der erste Versuch überhaupt, Gesundheit
und Wohlbefinden der Bewohner Europas zu ergründen.
Es soll auch erfasst werden, was die Leute gegebenenfalls
tun, um ihre Wohngesundheit zu verbessern, bzw. was sie
von entsprechenden Maßnahmen abhält.
Das Healthy Homes Barometer ist eine europaweite Umfrage unter 14.000
europäischen Bürgerinnen und Bürgern in 14 Ländern über ihre Erfahrungen,
Einstellungen und Verhaltensweisen zu Gesundheitswahrnehmung, Wohnzufriedenheit und Energieverbrauch.