Handout Teil VI

31.05.2016
V. Anfall und Fälligkeit des Pflichtteils
• alte Rechtslage
− Pflichtteilsanspruch entsteht mit dem Tod
− sofort vererblich
− Fälligkeit: mit Errichtung des Übernahmsprotokolls über letztwillige
Verfügung oder
− bei gesetzlicher Erbfolge mit dem Erbfall
− wirkliche Zuteilung = endgültige Festsetzung
− bis dahin § 786 ABGB aF
− Verjährung: 3 Jahre ab Fälligkeit (§ 1487 ABGB aF)
V. Anfall und Fälligkeit des Pflichtteils
• neue Rechtslage
− Anfall mit dem Erbfall (§ 765 Abs 1 ABGB nF): keine Änderung
− sofort vererblich: keine Änderung
− Fälligkeit: immer mit dem Erbfall
− Geldpflichtteil: Geltendmachung erst 1 Jahr nach Fälligkeit: reine
Stundung (§ 765 Abs 2 ABGB nF), 4 % Zinsen (§ 778 Abs 2 nF)
− Stundung oder Teilzahlung
• wenn vom Erblasser letztwillig verfügt (§ 766 ABGB nF) oder
• vom Gericht angeordnet (§ 767 ABGB nF)
• auf höchstens 5 Jahre, Gericht kann auf 10 Jahre verlängern
• Billigkeitskontrolle durch Gericht
• Sicherstellung (§ 768 ABGB nF)
• Zinsen
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VI. Anrechnung beim Pflichtteil – alte Rechtslage
• Funktion
– Ausgleich
– vergrößert Testierfreiheit
• anrechnungspflichtig:
– alle Pflichtteilsberechtigten, die Vorschüsse (§ 789 ABGB aF)
erhalten haben
– pflichtteilsberechtigte Deszendenten: Vorempfänge nach
§ 788 ABGB aF
• anrechnungsberechtigt:
– Erben
– Pflichtteilsberechtigte
– wirkt zugunsten und zu Lasten aller Pflichtteilsberechtigten
• keine Herausgabepflicht
• Methode: JB 114
Beispiel:
Die reine Verlassenschaft nach dem verstorbenen E beträgt 1,2 Mio €.
E hat einen Freund (F) zum Alleinerben eingesetzt. E hinterlässt die
Kinder A und B. A hat von E vor Jahren 400.000,- € zum Erwerb eines
Unternehmens erhalten.
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Beispiel:
Die reine Verlassenschaft nach dem verstorbenen E beträgt 1,2 Mio €.
E hat einen Freund (F) zum Alleinerben eingesetzt. E hinterlässt die
Kinder A und B. A hat von E vor Jahren 400.000,- € zum Erwerb eines
Unternehmens erhalten.
– PT ohne Anrechnung: A und B je 300.000,- € (¼ von 1,2 Mio)
– Anrechnung: erhöhter NL: 1,6 Mio (1,2 Mio + 400.000,-). PT: ¼ von
1,6 Mio = 400.000,. B erhält diese, A muss sich die 400.000,- €
abziehen lassen und bekommt nichts mehr. F bleiben
800.000,- €.
• Erlass der Anrechnung
– nicht zu Lasten der anderen Pflichtteilsberechtigten
– zu Lasten des Erben möglich
Erlässt im obigen Beispiel E dem A letztwillig die Anrechnung, hat
das zur Folge, dass auch A 400.000,- aus der Verlassenschaft
erhält. F bleiben nur mehr 400.000,- €.
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VII. Pflichtteilserhöhung wegen Schenkungen – alte
Rechtslage
• Funktion
– Schutz der Pflichtteilsberechtigten
– Gleichbehandlung
• Schenkungen unter Lebenden
– an pflichtteilsberechtigte Personen: unbefristet
– an andere Personen: 2 Jahres-Frist
– Ausnahmen: § 785 Abs 3, 1. Satz ABGB aF
• Auslegungsproblem: „pflichtteilsberechtigte Person“
• Anrechnungsberechtigt:
– pflichtteilsberechtigte Kinder
– pflichtteilsberechtigter Ehegatte/eingetragener Partner
– unter bestimmten Voraussetzungen: s § 785 Abs 2 ABGB aF
• wirkt zugunsten aller anrechnungsberechtigten
Pflichtteilsberechtigten
• belastet den Erben
– Haftung nur bis zur Höhe der Verlassenschaft
• Herausgabepflicht des Beschenkten
– wenn Verlassenschaft nicht ausreicht
– § 951 ABGB aF
• Methode: § 787 Abs 2 ABGB aF
– gemeiner PT + Schenkungspflichtteil
– Anrechnung nur auf den Schenkungspflichtteil
• Abgrenzung zum Vorempfang
• Bewertung: § 794 ABGB aF
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Beispiel:
Reiner Nachlass 200.000,- €. Zwei Kinder, A und B, des
Verstorbenen. Dieser hat A zu Lebzeiten 100.000,- geschenkt.
Letztwillig berufene Alleinerbin ist F (Freundin des Verstorbenen).
Beispiel:
Reiner Nachlass 200.000,- €. Zwei Kinder, A und B, des
Verstorbenen. Dieser hat A zu Lebzeiten 100.000,- geschenkt.
Letztwillig berufene Alleinerbin ist F (Freundin des Verstorbenen).
– gemeiner PT: je ¼ von 200.000,- = 50.000,– Schenkungspflichtteil: je ¼ von 100.000,- = 25.000,-.
– B: 50.000,- + 25.000,– A: 50.000,– F bleiben 75.000,-
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VIII. Hinzu- und Anrechnung beim Pflichtteil – neue Rechtslage
• einheitliche Regelung in §§ 781 ff ABGB nF
• keine Unterscheidung mehr zwischen Vorempfängen /
Vorschüssen und Schenkungen
• Hinzurechnung der Schenkung zur Verlassenschaft
• Anrechnung = Abzug der Schenkung vom erhöhten
Geldpflichtteil
• Als Schenkung unter Lebenden gelten auch (§ 781 Abs 2
ABGB nF)
– Ausstattung
– Vorschuss auf den Pflichtteil
– Abfindung für Erb- oder Pflichtteilsverzicht
– Vermögenswidmung an Privatstiftung, uU Begünstigtenstellung
– andere unentgeltliche Zuwendungen
VIII. Hinzu- und Anrechnung beim Pflichtteil – neue Rechtslage
• Schenkungen an nicht pflichtteilsberechtigte Personen
– Hinzurechnung gem § 782 ABGB nF
– 2-Jahres-Frist wie bisher, „Vermögensopfertheorie“ gilt
•
Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte
– Hinzu- und Anrechnung gem § 783 ABGB nF
– Voraussetzung: Geschenknehmer im Schenkungs- und Todeszeitpunkt
abstrakt pflichtteilsberechtigt
– kann von Erben, Vermächtnisnehmern und allen übrigen
Pflichtteilsberechtigten (auch nach Pflichtteilsverzicht!) verlangt werden
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VIII. Hinzu- und Anrechnung beim Pflichtteil – neue Rechtslage
• Ausnahme von der Hinzu- und Anrechnungspflicht
– § 784 ABGB nF entspricht § 785 Abs 3 ABGB aF
– Schenkungen ohne Schmälerung des Stammvermögens, zu
gemeinnützigen Zwecken, aus sittlicher Pflicht, aus Gründen des
Anstandes
– sofern Verstorbener und Geschenkgeber nichts anderes vereinbart
haben
VIII. Hinzu- und Anrechnung beim Pflichtteil – neue Rechtslage
• Ausnahme nur von der Anrechnungspflicht
– § 785 ABGB nF
– Schenkungen an einen Pflichtteilsberechtigten
– wenn Erblasser Erlass der Anrechnung letztwillig verfügt oder mit
Beschenktem vereinbart hat
– keine Hinzurechnung bei Ermittlung des Pflichtteils des befreiten
Pflichtteilsberechtigten, aber
– Hinzurechnung bei Ermittlung der übrigen Pflichtteile
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VIII. Hinzu- und Anrechnung beim Pflichtteil – neue Rechtslage
• Auskunftsanspruch
– § 786 ABGB nF
– Wer Hinzurechnung verlangen kann, hat Auskunftsanspruch
– gegen Verlassenschaft
– gegen Erben
– neu: auch gegen Geschenknehmer
•
Bewertung der Schenkung
– § 788 ABGB nF
– Wert im Zeitpunkt des „Vermögensopfers“
– ist auf Todeszeitpunkt nach VPI anzupassen
– zB Vorbehalt des Fruchtgenussrechts: kein Vermögensopfer
VIII. Hinzu- und Anrechnung beim Pflichtteil – neue Rechtslage
Beispiel 1:
Der Erblasser E hinterlässt zwei Kinder (A und B) und eine
Lebensgefährtin (L), die er zur Alleinerbin eingesetzt hat. Der reine
Nachlass beträgt 1,2 Mio €. A hat von E vor Jahren 400.000,- € zum
Erwerb eines Unternehmens erhalten und B 200.000,- € als
Schenkung.
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VIII. Hinzu- und Anrechnung beim Pflichtteil – neue Rechtslage
Beispiel 1:
Der Erblasser E hinterlässt zwei Kinder (A und B) und eine
Lebensgefährtin (L), die er zur Alleinerbin eingesetzt hat. Der reine
Nachlass beträgt 1,2 Mio €. A hat von E vor Jahren 400.000,- € zum
Erwerb eines Unternehmens erhalten und B 200.000,- € als
Schenkung.
Reiner Nachlass
Schenkung an A
Schenkung an B
€ 1.200.000,€ 400.000,€ 200.000,€ 1.800.000,-
Pflichtteil A: ¼ von 1.800.000 = 450.000 abzüglich 400.000 = 50.000,Pflichtteil B: ¼ von 1.800.000 = 450.000 abzüglich 200.000 = 250.000,-
VIII. Hinzu- und Anrechnung beim Pflichtteil – neue Rechtslage
Beispiel 2:
Der Erblasser E hinterlässt zwei Kinder (A und B) und eine
Lebensgefährtin (L), die er zur Alleinerbin eingesetzt hat. Der reine
Nachlass beträgt 1,2 Mio €. A hat von E vor Jahren 400.000,- € zum
Erwerb eines Unternehmens erhalten und B 200.000,- € als
Schenkung. E hat in einer letztwilligen Verfügung der B die
Anrechnung erlassen.
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VIII. Hinzu- und Anrechnung beim Pflichtteil – neue Rechtslage
Beispiel 2:
Der Erblasser E hinterlässt zwei Kinder (A und B) und eine Lebensgefährtin
(L), die er zur Alleinerbin eingesetzt hat. Der reine Nachlass beträgt 1,2 Mio €.
A hat von E vor Jahren 400.000,- € zum Erwerb eines Unternehmens erhalten
und B 200.000,- € als Schenkung. E hat in einer letztwilligen Verfügung der B
die Anrechnung erlassen.
Reiner Nachlass
Schenkung an A
(Schenkung an B
€ 1.200.000,€ 400.000,€ 200.000,-)
€ 1.800.000,-
VIII. Hinzu- und Anrechnung beim Pflichtteil – neue Rechtslage
Beispiel 2:
Der Erblasser E hinterlässt zwei Kinder (A und B) und eine Lebensgefährtin
(L), die er zur Alleinerbin eingesetzt hat. Der reine Nachlass beträgt 1,2 Mio €.
A hat von E vor Jahren 400.000,- € zum Erwerb eines Unternehmens erhalten
und B 200.000,- € als Schenkung. E hat in einer letztwilligen Verfügung der B
die Anrechnung erlassen.
Reiner Nachlass
Schenkung an A
(Schenkung an B
€ 1.200.000,€ 400.000,€ 200.000,-)
€ 1.800.000,-
Pflichtteil A: ¼ von 1.800.000 = 450.000 abzüglich 400.000 = 50.000,Pflichtteil B: eigene Schenkung wird nicht hinzugerechnet, daher ¼ von
1.600.000 = 400.000,- (§ 785 ABGB nF).
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IX. Entzug des Pflichtteils
1. Enterbung (§§ 768 ff ABGB aF / §§ 769 ff ABGB nF)
• Entziehung des PT
• durch letztwillige Verfügung
– ausdrücklich oder
– stillschweigend (§ 782 ABGB aF / § 772 Abs 1 ABGB nF)
• muss rechtmäßig sein
• Enterbungsgründe
– taxativ, aber
– ausdehnende Auslegung
• Erbe ist beweispflichtig
• Beseitigung durch Widerruf
– letztwillige Verfügung
– auch stillschweigend
2. Enterbungsgründe
• bisher alle Erbunwürdigkeitsgründe
• §§ 768 und 769 ABGB aF / § 770 ABGB nF inkl aller früheren
Erbunwürdigkeitsgründe
• Enterbung in guter Absicht (§ 773 ABGB aF / § 771 ABGB
nF)
3. Wirkung auf die Nachkommen
• Intestaterbfolge: Repräsentation
• gewillkürte Erbfolge: erhalten PT (§ 780 ABGB aF / § 758
Abs 2 ABGB nF)
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X. Minderung des Pflichtteils
§ 773a ABGB aF / § 776 ABGB nF
• fehlendes Naheverhältnis zu keiner Zeit
• neue Rechtslage: über längeren Zeitraum kein
Naheverhältnis
• Anordnung durch Verstorbenen
• Beweislast wie bei Enterbung
• PT anderer Pflichtteilsberechtigter: § 767 Abs 2 ABGB aF /
§ 760 Abs 2 ABGB nF
• Wirkung auf Nachkommen: § 779 Abs 2 ABGB / § 758 Abs 2
letzter Satz ABGB nF
XI. Schutz des Pflichtteilsrechts
§§ 784 ABGB aF / §§ 778 f ABGB nF, §§ 804, 812 ABGB
• Pflichtteilsberechtigter ist Partei
• kann der Schätzung beiwohnen
• Errichtung eines Inventars und
• Verlassenschaftsabsonderung verlangen
Pflichtteilsnachweis
Pflichtteilsklage
– gegen Verlassenschaft (vor Einantwortung)
– gegen Erben danach
– Verjährung: § 1487 ABGB aF / § 1487a ABGB nF (3 Jahre)
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