Kino statt Klopapier

Kino statt
Klopapier
OLIVER HANSER
Handel In Konstanz soll ein
beliebtes Programmkino einer
dm-Filiale weichen. Die Bürger
haben der Drogeriemarktschwemme den Kampf angesagt.
Lichtspielhaus Scala: „Noch ist die Schlacht nicht verloren“
icke Samtvorhänge, roter Plüsch: statt Masse, Kunst statt Kommerz. Um Euro Umsatz, die Märkte in Konstanz gehören angeblich zu den profitabelsten in
Das Scala in der Konstanzer Innen- Kino statt Klopapier.
Für dm-Patriarchen Werner ist der Streit ganz Süddeutschland, den Einkaufstourisstadt stammt aus einer Zeit, in der
Kinos noch Filmpaläste hießen und der am See peinlich, trägt er doch das Image ten aus der Schweiz sei Dank. Denn die
des verantwortungsvollen Unternehmers schleppen die Zahnpasta gern kistenweise
Eisverkäufer durch die Sitzreihen lief.
Wenn es nach Götz Werner geht, Grün- wie kein anderer vor sich her. Der beken- aus den Geschäften. Im Schnitt wird jeden
der der Drogeriemarktkette dm, dann soll nende Anthroposoph schickt seine Azubis zweiten Tag irgendwo in Europa ein dmes an der historischen Marktstätte aller- zum Theaterworkshop und setzt sich für Markt eröffnet. Doch bei diesem Expansidings statt Popcorn und Herzschmerz künf- ein bedingungsloses Grundeinkommen ein. onstempo scheint die von Werner hochgetig nur noch Shampoo und Windeln geben. In seinen Büchern wird Werner nicht müde haltene Mitmenschlichkeit immer öfter auf
Werner will in den Räumlichkeiten des zu betonen, dass alles Geld am Ende ei- der Strecke zu bleiben. Konkurrenten und
preisgekrönten Programmkinos eine neue gentlich nur Mittel zum Zweck sei, für die Lieferanten klagen darüber, wie dm seine
Marktmacht gnadenlos ausnutzt.
dm-Filiale eröffnen. Es wäre die fünfte im Gemeinschaft, für die Gesellschaft.
„Hier in Konstanz könnte Götz Werner
Im Konstanzer Rathaus betont man zwar,
Umkreis von vier Kilometern, die nächste
ist gerade einmal 140 Meter entfernt, ge- unter Beweis stellen, dass das nicht nur lee- dass „das Scala ein wichtiger Bestandteil
nau vis-à-vis thront bereits dreistöckig der re Worte sind“, sagt Christoph Nix. Der der Konstanzer Kulturszene war“. Aber
Drogerietempel des Konkurrenten Müller. streitbare Intendant des Stadttheaters hat man spricht von dem Kino bereits im PräDie Konstanzer Kinoliebhaber aber ha- Werner kontaktiert und an sein soziales teritum. Chancen, die Institution noch irben das spitzgekriegt und dem Milliardär Gewissen und seine Verbundenheit mit der gendwie zu retten, sehen die Volksvertremit dem Gutmenschen-Image den Kampf Stadt appelliert – schließlich hat Werner ter nicht. „Sowohl was das Planungsrecht
angesagt. Die Bürgerinitiative „Rettet das Anfang der Sechzigerjahre in Konstanz sei- als auch was den Denkmalschutz angeht,
Scala“ will verhindern, dass schon Ende ne Drogistenlehre absolviert. Auch in dem gibt es für uns keinen Hebel, den Umbau
des Jahres der letzte Vorhang fällt, und Haus seiner ehemaligen Ausbildungsstätte zu verhindern“, so ein Sprecher der Stadt.
Der Regisseur Douglas Wolfsperger verhat innerhalb weniger Wochen mehr als befindet sich heute einer von mehr als 1700
3000 Unterschriften für den Erhalt des dm-Märkten in Deutschland. Theatermann bindet mit dem Scala KindheitserinnerunFilmtheaters gesammelt. Manche Mitglie- Nix sagt: „Es geht um Macht, aber noch ist gen wie den Besuch von „Winnetou“-Darsteller Pierre Brice, außerdem feierte sein
der denken bereits laut über „Montags- die Schlacht nicht verloren.“
Im dm-Konzern sieht man das anders. erster Film hier Premiere. Während andere
demos“ vor den dm-Märkten nach. Der
Protest hat schnell prominente Unterstüt- „Der Vertrag zwischen dem Besitzer und immer noch an ein Happy End für das
zer gefunden: „Wir müssen verhindern, uns ist bereits unterzeichnet“, erklärt dm- Scala glauben, hat er bereits damit begondass geldgierige Spekulanten die ganze Geschäftsführer Christian Harms, der für nen, einen Dokumentarfilm über den NieStadt übernehmen“, sagt der Filmregisseur die Märkte in Baden-Württemberg und dergang des Scala zu drehen. „Für viele
Douglas Wolfsperger. Die Politiker müss- Bayern verantwortlich ist und sich auch Menschen ist dieses Kino Lebensmittelten dafür sorgen, dass Konstanz nicht zu mit den Vertretern der Bürgerinitiative ge- punkt“, erzählt Wolfsperger. Manche Betroffen hat. Die Idee der Ki- sucher kämen gar zwei- oder dreimal pro
einer „reinen Kommerzstadt“
nofans, einen dm-Markt, das Woche ins Scala. „Für die Stadt wiederum
verkomme, fordert die Schaudm-Gründer Werner
Scala und ein Café auf dem ist es ein Gewerbebetrieb wie jeder andere.
spielerin und „Tatort“-ErmittGrundstück zu betreiben, sei Das kann ich einfach nicht nachvollzielerin Eva Mattes.
„nicht realisierbar“, so Harms. hen.“ Es entbehrt nicht einer gewissen IroAm Bodensee wird nun
„Entscheiden bedeutet ver- nie, dass das Kulturbüro der Stadt ihm
stellvertretend für den Rest
zichten“, schrieb der Manager inzwischen finanzielle Unterstützung für
der Republik über das Schickeinem der Beteiligten. „Von sein Untergangs-projekt zugesagt hat.
sal der deutschen Innenstädte
der angeblich so besonderen
diskutiert. Denn nicht nur in
In seinem Kundenmagazin schrieb Götz
dm-Philosophie war bei die- Werner einmal: „Bürger ist man jeden Tag.
Konstanz dominieren inzwisem Gespräch jedenfalls Verantwortlich und mündig ist man bei den
schen die immergleichen
nichts zu spüren“, resümiert tagtäglichen Entscheidungen. Beim Kauf
Mode-, Telefon- und DrogeIntendant Nix.
riemarktketten das Stadtbild.
von Produkten, bei der Wahl von EinkaufsDie Fußgängerzone in WupAm Ende zählen eben auch stätten.“ Theaterintendant Nix meint:
pertal ist heute kaum von der
bei dm vor allem die nackten „Vielleicht sollten wir Konstanzer uns diese
in Augsburg zu unterscheiden.
Zahlen. Im Geschäftsjahr Sätze einfach zu Herzen nehmen.“
Am Ende geht es auch beim
2014/15 machte die DrogerieSimone Salden
Scala-Filmpalast um Klasse
kette mehr als neun Milliarden
Mail: [email protected]
WERNER SCHUERING / IMAGETRUST
D
DER SPIEGEL 13 / 2016
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