160527_Rede Jacques Bourgeois_Medienkonf zum Milchgipfel_DEF

Auch die Politik ist gefordert!
Medienkonferenz zum Milchgipfel. Bern, 27. Mai 2016
Rede von Jacques Bourgeois, Direktor des Schweizer Bauernverbands (es gilt das gesprochene Wort)
Geschätzte Medienvertreter,
Die Lage ist ausserordentlich und für viele Bauern dramatisch. Molkereimilch ist im Augenblick billig – viel zu
billig! Unsere hochwertige Schweizer Milch hat einen besseren Preis und mehr Anerkennung verdient. Mit den
derzeitigen Milchpreisen geraten Bauernfamilien in wirtschaftliche Schieflage oder sind es bereits. So kann es
nicht weitergehen. Viele junge Menschen in der Schweiz entscheiden sich, die Ausbildung zur Landwirtin oder
zum Landwirt anzutreten. Sie werden uns eines Tages ernähren und die Betriebe ihrer Eltern weiterführen. Für
sie gilt es gute Perspektiven zu schaffen, damit auch sie sich eines Tages über die Milchproduktion ihre Existenz
sichern können.
Die Milchpreise von heute bewegen sich auf dem Niveau von vor 50 Jahren – also 1966. Der Preis für Molkereimilch ist mit Mischpreisen von teilweise weit unter 50 Rappen pro Kilogramm auf einem Rekordtief. Diese Preise
sind für die meisten Milchproduzenten bei weitem nicht kostendeckend. Mit den aktuellen Milchpreisen verlieren momentan viele Betriebe sogar Geld mit jeder Arbeitsstunde in der Milchproduktion. Die Einkommenssituation der Milchbauern wird sich auch dieses Jahr dramatisch verschärfen. In den letzten vier Jahren ist die Anzahl
Milchproduzenten um 13 Prozent zurückgegangen, was rund 3‘000 Betrieben entspricht.
Ja – wir stecken in einer echten Krise. Bei den Molkereimilchproduzenten fehlt es an Kapital für Investitionen, es
fehlt sogar oftmals an Liquidität um die Rechnungen zu bezahlen! Wir sind nun wirklich an einem Punkt angelangt, an dem viele Milchproduzenten und ihre Familien nicht mehr weiter wissen.
Nicht nur die Branche, sondern auch die Politik ist gefordert. Die heutigen Rahmenbedingungen für die Milchwirtschaft funktionieren nicht mehr. Auf den 1. Juli 2007 wurde der Markt für Käse zur EU vollständig liberalisiert. Dies auf der Basis eines Wechselkurses von Fr. 1.67 für einen Euro und einer Verkäsungszulage von 15
Rappen. Wo stehen wir heute bezüglich Wechselkurs? Die heute geltenden agrarpolitischen Rahmenbedingungen können den Milchproduzenten keine Perspektive bieten. Die Politik muss sich darüber grundsätzliche Gedanken für die Milchwirtschaft machen, und der erste Schritt liegt beim Bundesrat. Demnächst muss er in einem
Bericht Antwort liefern auf die Fragen, die von der Wirtschaftskommission des Nationalrates im Rahmen des
Postulates „Perspektiven im Milchmarkt“ gestellt wurde. Dieses Postulat bietet die Chance für eine Neuausrichtung der politischen Rahmenbedingungen für die Milchwirtschaft.
Neben diesen eher langfristigen Perspektiven braucht es aber Massnahmen, die rasch umgesetzt werden müssen. Markus Ritter wird unsere politischen Forderungen im mittelfristigen Zeithorizont nachher noch genauer
erläutern. Wir brauchen in einem Schritt aber Massnahmen, die sofort wirken und einen Weg aus der Krise ermöglichen. Konkret fordern wir folgende Sofortmassnahmen:
Erhöhung der RAUS-Beiträge: Diese Beiträge haben eine direkte Einkommensverbesserung der Milchproduzenten zur Folge.
Andererseits braucht es eine Anpassung der GMF-Beiträge in Richtung einheimisches Raufutter. Wir brauchen Flexibilität beim Einsatz von Mais.
Drittens fordern wir zusätzliche Mittel zur Absatzförderung für den Inlandmarkt.
Viertens müssen, basierend auf Art. 37 des Landwirtschaftsgesetzes, klare Vorgaben bezüglich Mengen und
Preis in den Milchkaufverträgen definiert werden, im Sinne dass die Akteure des Milchmarktes Mengen und
Richtpreise für die A-Milch festlegen. Das ermöglicht den Milchproduzenten selber zu entscheiden ob sie zusätzliche Mengen für den Export liefern oder nicht. Die klaren Vertragsvorgaben führen zu einer Mengeneindämmung und zu Preisstabilität
Wir befinden uns im Moment in einer ausserordentlichen Lage und wir brauchen schnelle Lösungen. Wir erwarten von Seiten der Politik rasche Unterstützung. Wir brauchen nachhaltige Verbesserungen für die Milchbranche
und insbesondere für die Milchproduzenten. Alle unsere Anstrengungen müssen darauf abzielen, dass jeder, der
in der Milchbranche tätig ist, seine Kosten decken kann, eine wirtschaftliche Perspektive hat und damit seine
Familie ernähren kann.