Verteilung Ungleichheit kostet Lebensjahre Reiche Amerikaner leben deutlich länger als arme. Die Lebenserwartung der Armen hängt zudem stark davon ab, in welcher Stadt sie wohnen. Auch in Deutschland beeinflusst das Einkommen die Lebenserwartung. Wer wenig verdient, stirbt früher – diesen Zusammenhang haben Wissenschaftler in einer groß angelegten Studie für die USA nachgewiesen. Die Forscher – unter anderem aus Stanford, Harvard und vom MIT – haben dazu Daten der Sozialversicherung und der Steuerbehörden der Jahre 1999 bis 2014 ausgewertet. Die wichtigsten Ergebnisse: ff Der Unterschied in der Lebenserwartung zwischen dem ärmsten und dem reichsten Prozent der Einkommensverteilung lag im Untersuchungszeitraum bei fast 15 Jahren für Männer und 10 Jahren für Frauen. Während die reichen Männer im Schnitt 87,3 Jahre alt wurden, lebten die armen 72,7 Jahre. Die wohlhabenden Frauen brachten es auf 88,9 Jahre, die einkommensschwachen Frauen starben im Schnitt nach 78,8 Jahren. ff Die Lebenserwartung ist insgesamt gestiegen, allerdings ist der Anstieg höchst ungleich verteilt: Eine 40-jährige Frau aus den oberen fünf Prozent lebt heute 2,9 Jahre länger als 15 Jahre zuvor, Männer dürfen 2,3 Lebensjahre mehr erwarten. Dagegen ist die Lebenserwartung bei Frauen aus den unteren fünf Prozent gerade mal um 0,3 Jahre gestiegen, bei Männern um 0,04 Jahre. ff Die Länge des Lebens unterscheidet sich deutlich, je nachdem in welcher Gegend die Menschen wohnen – das gilt vor allem für die Armen. Wer in Kalifornien oder New York arm ist, darf auf ein längeres Leben hoffen als Arme in ehemals industriell geprägten Regionen des Mittleren Westens. In Detroit beispielsweise sterben Männer aus dem unteren Viertel der Verteilung fast fünf Jahre früher als in New York. Die Lebenserwartung der ärmsten Amerikaner sei vergleichbar mit der von Menschen im Sudan und in Pakistan, schreiben die Wissenschaftler. Aber die Ergebnisse zeigten auch, dass sich an den Zuständen etwas ändern lässt: Schließlich gebe es von New York bis San Francisco überall in Amerika Städte, in denen die Unterschiede zwischen Arm und Reich bei der Lebenserwartung vergleichsweise klein sind oder sich im Laufe der Zeit verringert haben. Die Wissenschaftler führen dies auf eine gesündere Lebensweise, eine bessere Sozialversorgung und besser funktionierende Schulen in bestimmten Regionen zurück. Sie fordern gezielte Maßnahmen, um die Gesundheit der Armen in Städten wie Las Vegas, Oklahoma City oder Detroit zu verbessern. Auch in Deutschland steigt die Lebenserwartung mit dem Einkommen: Dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge beträgt der Abstand zwischen dem ärmsten und dem reichsten Fünftel rund zehn Jahre. Das Fazit der RKI-Studie: „Neben einem Arme sterben früher niedrigen EinkomDie mittlere Lebenserwartung eines 40-jährigen men sind eine niedUS-Amerikaners beträgt im ... rige Bildung und ein niedriger berufärmsten Einkommensviertel licher Status mit einem höheren Mortalitätsrisiko und 74 bis 75 Jahre einer geringeren Lebenserwartung reichsten Einkommensviertel assoziiert.“< 86 bis 87 Jahre Untersucht wurden die 100 größten Metropol- regionen der USA Quelle: Chetty u. a. 2016 Grafik zum Download: bit.do/impuls0390 Quelle: Raj Chetty u.a.: The Association Between Income and Life Expectancy in the United States, 2001–2014, Journal of the American Medical Association, April 2016 arbeitsmarkt Hautfarbe beeinflusst Jobchancen Je fremder Jobsucher anmuten, desto geringer sind ihre Chancen – und zwar unabhängig von der Qualifikation. Das zeigt ein Experiment, das Doris Weichselbaumer von der Universität Linz durchgeführt hat. Die Ökonomin hat über 2.000 fiktive Bewerbungen an österreichische Betriebe verschickt, die Stellen im Bereich Sekretariat, Buchhaltung oder Gastronomie ausgeschrieben hatten. Alle Kandidaten waren österreichische Staatsbürger, hatten Schulen in Österreich besucht und waren für die jeweilige Tätigkeit passend qualifiziert. Der einzige Unterschied: Ihre Böckler Impuls · 9/2016 · Seite 6 Namen waren entweder typisch österreichisch, serbisch, türkisch, chinesisch oder nigerianisch. Zudem wurden die Bewerbungen mit Fotos versehen, die einerseits den ethnischen Hintergrund eindeutig erkennen lassen, andererseits in einem Pretest hinsichtlich Attraktivität und Persönlichkeitseigenschaften ähnlich bewertet worden waren. Vergleichbare Experimente hatten bislang ausschließlich den Namen als Signal für einen Migrationshintergrund verwendet – laut Weichselbaumer werden Namen jedoch oft nicht den richtigen Herkunftsländern zugeord- net. Ihren Ergebnissen zufolge ist Diskriminierung klar nachweisbar: Die Ur-Österreicher erhielten zu 37 Prozent eine positive Antwort, bei den Bewerbern serbischer, türkischer und chinesischer Abstammung waren es 28,2, 25,3 und 27,1 Prozent. Am schlechtesten schnitten mit 18,7 Prozent die Kandidaten mit nigerianischem Hintergrund ab. Das gilt auch dann, wenn Betriebs- und Jobmerkmale herausgerechnet werden.< Quelle: Doris Weichselbaumer: Discrimination Against Migrant Job Applicants in Austria, German Economic Review, Mai 2016 (online)
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