IPPNW-Empfehlung zur Jodblockade

IPPNW-Empfehlung
Einnahme hochdosierten Jods zum Schutz
der Schilddrüse nach Atomunfällen
Wozu dient eine Jodprophylaxe?
Durch einen Unfall in einem Atomkraftwerk können große Mengen radioaktiver Partikel freigesetzt und mit
der Luft verbreitet werden. Für Bewohner der betroffenen Gebiete besteht dann die akute Gefahr, diese mit
Luft, Wasser oder Nahrung aufzunehmen. Im Körper schädigen sie das umliegende Gewebe und können
dort nach Jahren oder Jahrzehnten zu Krebs oder anderen strahlenbedingten Erkrankungen führen. Gegen
die meisten radioaktiven Partikel gibt es keine wirksamen Schutzmaßnahmen. Lediglich die Belastung der
Schilddrüse mit radioaktivem Jod kann durch rechtzeitige Einnahme von hochdosiertem Kaliumjodid
("Jodprophylaxe") verhindert werden. So kann der Entwicklung von Schilddrüsenkrebs effektiv vorgebeugt
werden.
Wie funktioniert die Jodprophylaxe?
Durch die rechtzeitige Aufnahme hoch dosierten Kaliumjodids kommt es zur Sättigung der Schilddrüse mit
normalem Jod. Das aus Atomreaktoren stammende radioaktive Jod kann dann nicht mehr in die Schilddrüse
aufgenommen werden. Diese Sättigung der Schilddrüse mit nicht radioaktivem Jod ist allerdings nicht von
langer Dauer, so dass der Zeitpunkt der Einnahme für den Erfolg einer Jodpropyhlaxe entscheidend sind.
Wann und wie lange muss ich die Jodprophylaxe einnehmen?
Notwendig ist eine rechtzeitige Einnahme, optimal 3-6 Stunden vor Eintreffen einer radioaktiven Wolke, um
die Schilddrüse effektiv mit normalem Jod zu sättigen. Die Wirksamkeit der Jodprophylaxe ist erheblich vermindert bis aufgehoben, wenn sie erst nach dem Kontakt mit radioaktivem Jod erfolgt. Schon drei Stunden
nach Kontakt mit der radioaktiven Wolke beträgt die Wirksamkeit der Prophylaxe nur noch ca. 50%. Nach 10
Stunden ist keine schützende Wirkung mehr zu erwarten. Eine zu frühe Einnahme reduziert ebenfalls die
Wirksamkeit, da Jod vom Körper kontinuierlich ausgeschieden wird und so die Sättigung der Schilddrüse
abnimmt.
Eine wiederholte Einnahme von Kaliumjodid über weitere Tagen ist angeraten, wenn die radioaktive JodBelastung anhalten sollte.
Voraussetzung für die rechtzeitige und ausreichend lange Einnahme der Jodprophylaxe sind zuverlässige
Informationen über die Verbreitung der radioaktiven Wolke. Dies muss durch die Behörden öffentlich gemacht werden.
Wie muss ich die Jodprophylaxe dosieren?
Entscheidend für den Erfolg der Jodprophylaxe ist neben dem richtigen Einnahmezeitpunkt die ausreichende
Dosierung. Die allgemein bekannten Jodtabletten im Mikrogrammbereich, die bei Jodmangel verschrieben
werden, sind zum Schutz der Schilddrüse vor radioaktivem Jod viel zu niedrig dosiert. Hier die empfohlenen
Dosierung für eine effektive einmalige Jodprophylaxe:
Neugeborene (bis 1 Monat): ¼ Tbl = 16,25 mg Kaliumjodid
Säuglinge und Kleinkinder (1-36 Monate): ½ Tbl = 32,5 mg
Kinder (3-12 Jahre): 1 Tbl = 65mg
Jugendliche und Erwachsene (ab 13 Jahren): 2 Tbl = 130 mg
Schwangere: 2 Tbl = 130 mg (Die Schilddrüse des ungeborenen Kindes wird dabei mitgeschützt)
Ältere Menschen: Die bisherige offizielle Empfehlung, die Jodprophylaxe für Menschen bis zum Alter von
45 Jahren zu begrenzen, ist überholt, da auch ältere Menschen an strahlenbedingten Schilddrüsenkrebs
erkranken können. Allerdings sollten sie sich im Vorfeld von ihrem Hausarzt untersuchen und beraten
lassen, um Schilddrüsenerkrankungen auszuschließen.
Sollte die radioaktive Belastung andauern, ist die tägliche Einnahme von der Hälfte der Ausgangsdosis angeraten, bis eine weitere Exposition mit radioaktivem Jod ausgeschlossen werden kann (z.B. 65 mg Kaliumjodid am Tag für Jugendliche und Erwachsene)
Wo bekomme ich die Jodprophylaxe und wie nehme ich sie ein?
Hochdosierte Kaliumjodid-Tabletten können rezeptfrei in der Apotheke gekauft werden (z.B. Kaliumjodid
„Lannacher“ 65 mg Tbl.® aus Österreich). Diese Tabletten sind für Kinder und Kleinkinder teilbar.
Die Tabletten müssen in reichlich Flüssigkeit aufgelöst und dann sofort eingenommen werden.
Ist die Jodprophylaxe ungefährlich?
Die rezeptfreie Bezugsmöglichkeit darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei hochdosiertem
Kaliumjodid um ein Medikament handelt. Gefährliche Nebenwirkungen sind zwar selten, aber wie bei allen
Medikamenten grundsätzlich möglich. Besondere Risikogruppen sollten von der Einnahme der
Jodprophylaxe absehen, insbesondere Menschen mit einer Schilddrüsenüberfunktion, M. Basedow, einem
Kropf, einer Jodallergie oder Menschen, die kaliumsparende Diuretika einnehmen. Vorsicht ist außerdem bei
folgenden seltenen Erkrankungen geboten: Dermatitis herpetiformis Duhring, Pemphigus vulgaris,
hypokomplementämische Vaskulitis und Myotonia congenita. Vorbehalte bestehen bei bekannten Autoimmunkrankheiten, Nierenfunktionsstörungen, Herzinsuffizienz und Asthma bronchiale. Als Alternative zur
Einnahme von Kaliumjodid empfiehlt sich der Wirkstoff Natriumperchlorat (Irenat®), der allerdings rezeptpflichtig ist.
Wenn Sie sich vorbeugend hochdosiertes Kaliumjodid besorgen, empfehlen wir, sich vorher von Ihrem
Hausarzt beraten zu lassen. Er kann z.B. mit einem Bluttest eine Schilddrüsenüberfunktion relativ sicher
ausschließen und mithilfe ihrer Angaben eine entsprechende Empfehlung aussprechen.
Ließe sich ein Atomunfall nicht verhindern ?
Menschen machen Fehler und menschengemachte Technik ist fehlerabfällig. Im Fall der Atomenergie sind
die Konsequenzen eines Fehlers jedoch so weitreichend und gefährlich, dass sich die IPPNW für ein
sofortiges Abschalten aller Atomkraftwerke und den weltweiten Ausstieg aus der Atomenergie einsetzt - im
Interesse der öffentlichen Gesundheit.
Autoren: Prof. Alfred Böcking, Dr. Alex Rosen
IPPNW – Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.
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