BuB-Monatsbrief - Bankrecht und Bankpraxis

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Nr. 5 • Mai 2016
Inhaltsverzeichnis
Allgemeines Bankrecht
OLG Köln 20.2.2016
Preis- und Leistungsverzeichnis – Kosten für Ersatzkarte
2
Gesellschaftsrecht
BGH19.1.2016
GmbH-Recht – verdeckte Sacheinlage
3
Insolvenzrecht – Einstandspflicht d. Insolvenzverwalters –
Verschulden eines Dritten 5
Insolvenzrecht
BGH 3.3.2016
Wertpapier- und Kapitalmarktrecht
BGH 17.3.2016
Anlageberatung – Verjährung – grob fahrlässige Unkenntnis von
Behandlungsfehlern
BGH 18.2.2016
Geschlossener Immobilienfonds – fehlerhafte Anlageberatung –
Kommanditistenhaftung 8
10
Zwangsvollstreckungsrecht
Impressum
2
BGH 7.4.2016
Inhaberschuldverschreibung – Vollstreckung – Vorlage d.
Originals – Sammelverwahrung 12
Autoren: P. Berger • Dr. M. Brass • H. Dunker • Dr. S. Fackler • A. Gelmroth • S. Herz • T. Kamm • M. Kaufmann • M. Kern •
Dr. S. Straßburger • Dr. C. Wulfers
Allgemeines Bankrecht
Preis- und Leistungsverzeichnis – Kosten für Ersatzkarte
Die im Preis- und Leistungsverzeichnis einer Bank enthaltene Klausel
„Ersatzkarte (18) EURO 20
(18) Wird nur berechnet, wenn der Kunde, die Umstände, die zum Ersatz der Karte
geführt haben, zu vertreten hat und die Bank nicht zur Ausstellung einer Ersatzkarte
verpflichtet ist.“
ist wirksam.
(OLG Köln, Urt. v. 20.2.2016, Az. 13 U 45/15, ZIP 2016, S. 613 ff.)
In dem der Entscheidung des OLG Köln zugrundeliegenden Fall hatte ein gem. § 4 UKlaG klagebefugter Verbraucherschutzverband die aus dem
Leitsatz ersichtliche Klausel als AGB-rechtlich
unzulässig angegriffen.
gens eines Verschuldens des Kunden hinsichtlich des Verlustes der Karte und des Nichtbestehens einer gesetzlichen Verpflichtung der Bank
zur Ersatzkartenausstellung vor. [MB]
Das OLG Köln sah die streitbefangene Klausel jedoch als nicht kontrollfähige Preishauptabrede an.
Nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB seien Gegenstand
der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nur solche
Bestimmungen in AGB, die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vorsähen. Die vom Kläger beanstandete
Klausel sei jedoch keine von Rechtsvorschriften
abweichende Regelung in diesem Sinne. Vielmehr sei die Klausel so auszulegen, dass die Verpflichtung des Kunden zur Zahlung eines Entgelts
für die Ersatzkarte auf die Fälle beschränkt sei,
in denen die Beklagte nicht zu einer Entsperrung
oder Ersetzung der Karte nach § 675 k Abs. 2 S. 5
BGB verpflichtet sei.
Anders als in dem der Entscheidung des BGH
vom 20.10.2015 (Az. XI ZR 166/14, BuB Monatsbrief Februar 2016) zugrundeliegenden Fall
beziehe sich die vorliegend streitige Klausel
nach ihrem Wortlaut nicht auf sämtliche Fälle,
in denen dem Kunden eine Ersatzkarte ausgestellt werde oder in denen der Kunde der Bank
gegenüber die Ausstellung einer Ersatzkarte
wünsche. Vielmehr sehe die Klausel eine Ausnahme für die Fälle vor, in denen die Bank –
gesetzlich und ggf. aufgrund einer vorrangigen
vertraglichen Abrede – zur (unentgeltlichen)
Überlassung einer Ersatzkarte verpflichtet sei
und die von vornherein vom Geltungsbereich
der Klausel ausgenommen sein solle. Die streitige Regelung sehe eine Zahlungspflicht des
Kunden nur für den Fall des kumulativen Vorlie-
Dr. Michael Brass, UniCredit Bank AG
BuB-Monatsbrief • Nr. 5 • Mai 2016
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Gesellschaftsrecht
GmbH-Recht – verdeckte Sacheinlage
Eine verdeckte Sacheinlage einer Altforderung des Gesellschafters liegt sowohl dann vor,
wenn erst die geschuldete Bareinlage eingezahlt und sodann zur Tilgung der Gesellschafterforderung zurückgezahlt wird, als auch dann, wenn in umgekehrter Reihenfolge erst die
Gesellschafterforderung getilgt und der erhaltene Betrag sodann ganz oder teilweise als
Bareinlage zurückgezahlt wird.
(BGH, Urt. v. 19.1.2016, Az. II ZR 61/15; WM 2016, S. 602 ff.)
Im entschiedenen Fall hatte der beklagte Gesellschafter bereits einen Monat vor Fassung
eines
Kapitalerhöhungsbeschlusses
eine
„Einlage“ von insgesamt 100.000 € an seine GmbH geleistet, wo der Betrag vorerst als
„Gesellschafterdarlehen“ gebucht wurde. Nach
Fassung eines Kapitalerhöhungsbeschlusses,
demzufolge der Beklagte eine Einlage in gleicher Höhe zu erbringen hatte, überwies die
GmbH dem Beklagten das „Darlehen“ mit dem
Verwendungszweck „Rückzahlung“ zurück. Wenige Tage später zahlte der Beklagte 100.000 €
mit dem Verwendungszweck „Kapitaleinlage“ an
die GmbH. Der Insolvenzverwalter der GmbH
sah die Einlage als nicht geleistet an und verklagte den Beklagten auf nochmalige Zahlung.
Der BGH stellt zunächst fest, dass die vor Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses vom
Beklagten geleistete Zahlung eine rechtsgrundlose, verfrühte Leistung auf die Kapitalerhöhung
war, die zum Entstehen einer Forderung des
Beklagten gegen die GmbH aus ungerechtfertigter Bereicherung in entsprechender Höhe
führte. Voreinzahlungen auf künftige Kapitalerhöhungen hätten grundsätzlich nur dann Tilgungswirkung, wenn der eingezahlte Betrag im
Zeitpunkt der Beschlussfassung und der Übernahmeerklärung noch als solcher im Gesellschaftsvermögen vorhanden sei. Diese Voraussetzung war im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Die Rückzahlungsforderung aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen die GmbH hätte der
Beklagte auf dem Wege einer offen zu legenden
Sacheinlage einbringen können. Vereinbart war
jedoch eine Bareinlage in Höhe von 100.000 €.
Die vom Beklagten geleistete Barzahlung ist
nach Ansicht des BGH bei wirtschaftlicher Betrachtung und aufgrund der mit der Übernahme
getroffenen Vereinbarung als „verdeckte Sacheinlage“ zu werten. Wirtschaftlich betrachtet sei
der GmbH infolge der Begleichung der Bereicherungsforderung mit der Zahlung des Beklagten nicht der Barbetrag, sondern die Befreiung
von der Bereicherungsverbindlichkeit zugeflossen. Denn es bestehe ein enger sachlicher und
zeitlicher Zusammenhang zwischen Bareinzahlung und Forderungstilgung. In diesem Zusammenhang sei es unerheblich, dass zunächst die
GmbH die Bereicherungsforderung des Beklagten erfüllt und dieser danach auf die Einlageverpflichtung gezahlt habe. Entscheidend für die
rechtliche Betrachtung sei allein der mit diesen
Leistungen bewirkte Erfolg, dass die GmbH als
wirtschaftliches Ergebnis der innerlich zusammengehörigen Vorgänge am Ende keine Zuführung neuer Liquidität, sondern lediglich die
Befreiung von einer Gesellschafterforderung erhalten habe. Eine „verdeckte Sacheinlage“ liege sowohl dann vor, wenn erst die geschuldete
Bareinlage eingezahlt und sodann zur Tilgung
der Gesellschafterforderung zurückgezahlt werde, als auch dann, wenn in umgekehrter Reihenfolge erst die Gesellschafterforderung getilgt und der erhaltene Betrag sodann ganz oder
teilweise als Bareinlage zurückgezahlt werde.
Nach § 56 Abs. 2, § 19 Abs. 4 Satz 3 GmbHG
ist auf die fortbestehende Bareinlagepflicht des
Beklagten der Wert der (eingebrachten) Bereicherungsforderung anzurechnen. Eine vollständige Erfüllung der Bareinlagepflicht könne
daher gelingen, wenn der Inferent nachweise,
dass seine (eingelegte) Forderung gegen die
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BuB-Monatsbrief • Nr. 5 • Mai 2016
3
Allgemeines Bankrecht
GmbH-Recht – verdeckte Sacheinlage
GmbH im Zeitpunkt der Anmeldung der Kapitalerhöhung vollwertig war. Eine gegen die Gesellschaft bestehende Forderung sei in diesem
Sinne nicht vollwertig, wenn das Gesellschaftsvermögen bei Befriedigung der Forderung nicht
ausreichen würde, um alle sonstigen fälligen
Forderungen der Gesellschaftsgläubiger zu erfüllen.
Fazit: In der Praxis sollten im Zusammenhang
mit Kapitalerhöhungen auch solche „Rückflüsse“ an Gesellschafter kritisch hinterfragt werden, die zeitlich vor der Einzahlung der Einlage
erfolgt sind. [SFa]
Dr. Stephan Fackler, UniCredit Bank AG
Intensivseminar
Aktuelle Herausforderungen für die Fondsindustrie zwischen AIFM und OGAW-V
30. Juni 2016 in Frankfurt am Main
In dem Intensivseminar werden zunächst die wesentlichen Eckpunkte der neuen Gesetzesvorhaben
(OGAW-V und OGAW-VI sowie Investmentsteuerreform 2017) beleuchtet. Des Weiteren werden die für die
Fondspraxis wichtigen Themen „Verwahrstelle“ (deren Bedeutung durch die Umsetzung der AIFM-Richtlinie erheblich zugenommen hat) sowie „Berichts- und Meldewesen“ von Praktikern beleuchtet, die sich
seit Jahren intensiv mit der Materie auseinandergesetzt haben und eine Vielzahl von Marktteilnehmern
betreuen. Schließlich wird im Rahmen des Intensivseminars noch auf zwei neue Fondskategorien näher
eingegangen, und zwar auf den in Deutschland seit März 2016 nun auch in gewissem Rahmen „legalisierten“ Kreditfonds sowie auf den Europäischen Langfristigen Investmentfonds (ELTIF).
Information und Anmeldung: Stefan Lödorf | 0221/5490-133 | [email protected] BuB-Monatsbrief • Nr. 5 • Mai 2016
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Insolvenzrecht
Insolvenzrecht – Einstandspflicht d. Insolvenzverwalters –
Verschulden eines Dritten
1. Der Insolvenzverwalter hat den Insolvenzgläubigern gegenüber für das Verschulden eines
von ihm zur Erfüllung seiner insolvenzspezifischen Pflichten beauftragten Dritten wie für
eigenes Verschulden einzustehen. Dies gilt insbesondere für Pflichtverletzungen eines von
ihm mit dem Einzug der Forderungen der Insolvenzmasse beauftragten Rechtsanwalts.
2. Soweit es um die Erfüllung insolvenzspezifischer Pflichten geht, scheidet eine Haftung des
Insolvenzverwalters nicht bereits deshalb aus, weil er den Dritten ordnungsgemäß ausgewählt und überwacht hat. Dabei ist es unerheblich, ob die Beauftragung eines Rechtsanwalts wegen § 78 ZPO erforderlich war.
3. Die Geltendmachung eines Quotenschadens als Einzelschaden ist erst nach Ende des Insolvenzbeschlags möglich. Hat das Insolvenzgericht bei Verfahrensaufhebung hinsichtlich
des Anspruchs eine Nachtragsverteilung angeordnet, unterfällt dieser auch weiterhin dem
Insolvenzbeschlag und kann als Gesamtschaden nur durch einen Sonderinsolvenzverwalter bzw. einen neuen Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.
(BGH, Urt. v. 3.3.2016, Az. IX ZR 119/15, ZIP 2016, S. 727 ff.)
Der Beklagte war Insolvenzverwalter über das
Vermögen des M. In diesem Verfahren wurde eine Forderung des Klägers in Höhe von
62.665,60 € zur Tabelle festgestellt und bei der
Schlussverteilung mit einer Quote in Höhe von
1,31 %, mithin 823,82 €, berücksichtigt. Der Kläger macht gegenüber dem Beklagten Haftungsansprüche wegen einer Pflichtverletzung beim
Forderungseinzug geltend: der Beklagte habe
eine zur Insolvenzmasse gehörende Forderung
gegen die Drittschuldnerin B nicht mit der gebotenen Beschleunigung eingezogen und dadurch die
Verteilungsmasse verkürzt.
Zwischen den Parteien war folgender Sachverhalt unstreitig: Die Drittschuldnerin (B) hatte die
in Rede stehende Forderung der Insolvenzmasse anerkannt und Ratenzahlung angeboten, die
vereinbarten Raten jedoch nicht ordnungsgemäß
gezahlt. Daraufhin beauftragte der Beklagte einen
damals seiner Sozietät angehörigen Rechtsanwalt
mit der Durchsetzung der Forderung. Dieser erwirkte ein Versäumnisurteil gegen die Drittschuldnerin und beantragte daraufhin die Eintragung
von erstrangigen Zwangssicherungshypotheken
auf verschiedenen Grundstücken der Drittschuldnerin. Dies geschah im November 2010. Eine
Sachstandsanfrage vom März 2011 ergab, dass
der Antrag nicht beim zuständigen Amtsgericht
eingegangen war. Der Rechtsanwalt fertigte dar-
aufhin einen weiteren Antrag, der zur Eintragung
der Zwangssicherungshypotheken führte. Die
Drittschuldnerin verstarb unmittelbar darauf. Im
Mai 2011 wurde das Nachlassinsolvenzverfahren
über das Vermögen der B eröffnet und der dortige Insolvenzverwalter focht die Eintragung der
Zwangssicherungshypotheken an. Der Beklagte
bewilligte daraufhin deren Löschung und meldete
die titulierte Forderung zur Tabelle an. Das Nachlassinsolvenzverfahren ist noch nicht beendet.
Der Kläger, dessen Forderung über 40 % aller
zur Tabelle festgestellten Forderungen ausmacht,
verlangte vom Beklagten Schadenersatz in Höhe
von 2339,52 € wegen Verkürzung der Insolvenzmasse, da der Beklagte die Forderung gegen die
B nicht ordnungsgemäß zur Masse gezogen und
dadurch zudem ergebnislos Vollstreckungskosten
verursacht habe. Zugleich begehrte er u.a. weitere 636,54 € wegen entsprechend zu Unrecht
erhöhter Verwaltervergütung. Das AG wies die
Klage ab. Das Berufungsgericht kam zu dem Ergebnis, dass die Klage derzeit unbegründet sei,
ließ jedoch die Revision zu. Mit dieser verfolgt der
Kläger die geltend gemachten Ansprüche in Höhe
von insgesamt 2990,00 € weiter.
Der BGH hob das Urteil auf und verwies die Sache
zurück an das Berufungsgericht. Der Senat stellte
dabei zunächst heraus, dass ein pflichtwidriges
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BuB-Monatsbrief • Nr. 5 • Mai 2016
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Insolvenzrecht
Insolvenzrecht – Einstandspflicht d. Insolvenzverwalters –
Verschulden eines Dritten
Verhalten des Insolvenzverwalters nicht lediglich
zu einem Schadenersatzanspruch der Gläubigergemeinschaft führen kann, der als Gesamtschaden zur Insolvenzmasse zu berichtigen und
ggfs. entsprechend durch einen Sonderinsolvenzverwalter oder einen neu zu bestellenden Insolvenzverwalter geltend zu machen ist, § 92 InsO,
sondern ggfs. auch jeder einzelne Insolvenzgläubiger einen entsprechenden Quotenschaden
als Einzelschaden geltend machen kann. Während der Dauer des Insolvenzverfahrens ist die
Durchsetzung eines solchen Quotenschadens
jedoch mangels Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis der Gläubiger ausgeschlossen,
sodass zunächst die Aufhebung des Insolvenzverfahrens, wie vorliegend im August 2013 erfolgt,
Voraussetzung ist.
Dies gilt nach Auffassung des BGH allerdings
nur soweit der Gerichtsbeschluss nicht unter
dem Vorbehalt der Nachtragsverteilung steht,
da insoweit der Insolvenzbeschlag auch nach
Aufhebung des Insolvenzverfahrens fortgilt. In
diesem Umfang nämlich behält der Insolvenz­
verwalter die alleinige Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis einschließlich der Prozessführungsbefugnis. Allerdings betrifft dies nur
diejenigen Massegegenstände, auf die sich der
Vorbehalt der Nachtragsverteilung bezieht. Entsprechend müssen diese Gegenstände nach
der Rechtsprechung des BGH ausreichend bestimmt bezeichnet werden.
Im vorliegenden Fall waren die geltend gemachten
Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten
nicht vorbehalten worden. Lediglich hinsichtlich
des im noch laufenden Nachlassinsolvenzverfahrens über das Vermögen der Drittschuldnerin zur
Tabelle angemeldeten Anspruchs hat eine Nachtragsverteilung stattzufinden. Im Übrigen jedoch
war die Geltendmachung von etwaigen Ansprüchen der Insolvenzmasse, insbesondere gegen
den Beklagten, infolge der Verfahrensaufhebung
den Gläubigern überlassen. Mit Verfahrensauf-
hebung endet die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters ebenso wie die
Einschränkung des § 92 InsO.
Das Berufungsgericht hatte die Klageabweisung
im Wesentlichen darauf gestützt, dass noch kein
Schaden entstanden sei. Auch das Rechtsschutz­
interesse für eine Feststellungsklage verneinte
das Berufungsgericht, da mangels Anspruchsentstehung keine Verjährung drohe. Dagegen hatte
das Berufungsgericht, nach Auffassung des Senats zutreffend, eine entsprechende Pflichtverletzung des Beklagten bejaht.
Diesbezüglich führt der BGH aus, dass der Insolvenzverwalter gegenüber den Insolvenzgläubigern zur bestmöglichen Erhaltung und Verwertung der Insolvenzmasse verpflichtet ist und
dementsprechend zur Masse gehörende Forderungen gegen Dritte ordnungsgemäß geltend machen und erforderlichenfalls durchsetzen muss.
Zwar darf der Insolvenzverwalter dabei einzelne
Aufgaben auf Mitarbeiter oder Dritte übertragen,
jedoch erfüllt der Insolvenzverwalter die ihm obliegenden insolvenzspezifischen Pflichten nicht
bereits dadurch, dass er diese Aufgaben Fachleuten überantwortet. Der Insolvenzverwalter hat
grundsätzlich vielmehr für deren Pflichtverletzungen einzustehen und kann sich nicht auf eine ordnungsgemäße Auswahl und Überwachung dieser
Hilfspersonen zurückziehen. Dies kommt, so wird
man das Urteil verstehen dürfen, i.d.R. allenfalls in
Betracht soweit es sich nicht um insolvenzspezifische Pflichten des Insolvenzverwalters handelt.
Für dieses Ergebnis führt der Senat an, dass die
Anwendbarkeit von § 278 BGB schon zu Zeiten
der Konkursordnung anerkannt gewesen sei und
nunmehr auch aus § 60 Abs. 2 InsO der Schluss
gezogen werden könne, dass § 278 BGB grundsätzlich anwendbar ist. Nach dieser Vorschrift ist
der Insolvenzverwalter unter bestimmten Voraussetzungen, wenn er Angestellte des Schuldners
im Rahmen ihrer bisherigen Tätigkeiten einsetzt,
nur für deren Überwachung und für Entscheidun››
BuB-Monatsbrief • Nr. 5 • Mai 2016
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Insolvenzrecht
Insolvenzrecht – Einstandspflicht d. Insolvenzverwalters –
Verschulden eines Dritten
gen von besonderer Bedeutung verantwortlich.
Daraus ergebe sich im Umkehrschluss, dass außerhalb des Anwendungsbereichs von § 60 Abs.
2 InsO die allgemeine Regelung § 278 BGB Anwendung findet.
Speziell für den Forderungseinzug stellt der BGH
sodann heraus, dass es sich dabei um eine Kernpflicht des Insolvenzverwalters handelt. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts schränkt folglich
die Verantwortung des Insolvenzverwalters gegenüber den Verfahrensbeteiligten nicht ein –
unabhängig davon, ob sie i.S.v. § 5 InsVV angemessen oder im Hinblick auf den Anwaltszwang
gem. § 78 ZPO erforderlich ist. Entsprechend
erkannte der BGH im vorliegenden Fall zwei
Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters:
zum einen die ihm zuzurechnende Pflichtverletzung des von ihm beauftragten Rechtsanwalts,
zum anderen eine eigene, da er den Schadenersatzanspruch der Insolvenzmasse gegen
den Rechtsanwalt nicht geltend machte. Dieser
hätte jedenfalls den Eingang des Antrags auf
Eintragung der Zwangssicherungshypotheken
überwachen müssen. Dabei wären nach Auffassung des BGH bei einem ordnungsgemäßen
Vorgehen des Rechtsanwalts die Sicherungs-
hypotheken noch im Dezember 2010 und somit
außerhalb der Dreimonatsfrist der §§ 130 f. InsO
zur Eintragung gelangt. Damit hätte die Masse
abgesonderte Befriedigung in dem Nachlassinsolvenzverfahren über das Vermögen der Drittschuldnerin verlangen können.
Eben dies genügte dem BGH zur Bejahung eines
bereits eingetretenen Schadens, da infolge der
erst späteren Eintragung der Zwangssicherungshypotheken diese durch den Nachlassinsolvenzverwalter angefochten werden konnten und vom
Insolvenzverwalter zulasten der Masse freigegeben werden mussten. Diese verlor dadurch unwiderruflich Rechte, die ihr bis dahin bereits zugestanden hatten. Im Übrigen hob der BGH heraus,
dass nach seiner ständigen Rechtsprechung ein
Schaden bereits dann, wenn sich die Vermögenslage des Betroffenen objektiv verschlechtert hat,
eingetreten ist. Dafür genügt es, so der BGH weiter, dass der Schaden wenigstens dem Grunde
nach erwachsen ist, wobei es nicht erforderlich ist,
dass die Vermögenseinbuße bestehen bleibt und
damit endgültig wird. Entsprechend konnte das
angefochtene Urteil, das sich maßgeblich auf das
Fehlen eines Schadens stützte, keinen Bestand
haben. [TK]
Thomas Kamm, UniCredit Bank AG
Webinar
Rahmenvertragsdokumentation von
OTC-Derivaten
am Donnerstag, 16. Juni 2016, 10:00 bis 12:00 Uhr
Das Webinar stellt die regulatorischen Vorgaben zum Clearing und zur Besicherung sowie die relevanten Vertragsdokumente vor. Daneben gibt es einen Überblick über weitere aktuelle Entwicklungen in der
Rahmenvertragsdokumentation in Bezug auf die Umsetzung der Anforderungen aus der BRRD und zum
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Umgang mit negativen Zinsen.
BuB-Monatsbrief • Nr. 5 • Mai 2016
Information und Anmeldung: Stefan Lödorf | 0221/5490-133 | [email protected] 7
Wertpapier- und Kapitalmarktrecht
Anlageberatung – Verjährung – grob fahrlässige Unkenntnis
von Beratungsfehlern
Erhält ein Kapitalanleger Kenntnis von einer bestimmten Pflichtverletzung des Anlageberaters, so handelt er bezüglich weiterer Pflichtverletzungen regelmäßig nicht grob fahrlässig,
wenn er die erkannte Pflichtverletzung nicht zum Anlass nimmt, die Fondsunterlagen nachträglich durchzulesen, auch wenn er bei deren Lektüre Kenntnis auch der weiteren Pflichtverletzungen erkannt hätte.
(BGH, Urt. v. 17.3.2016, Az. III ZR 47/1, WM 2016, S. 732 ff.)
Gegenstand dieser Entscheidung ist die Frage, ob
verschiedene Beratungsfehler durch die Beklagte
im Zusammenhang mit der Anlageberatung im
Vorfeld der Zeichnung von drei geschlossenen
Fondsbeteiligungen verjährt sind.
Nicht grob fahrlässig ist es nach ständiger Rechtsprechung des BGH, wenn ein Anleger sich ausschließlich auf die Aussagen des Beraters bzw.
Vermittlers verlässt und den Prospekt nicht liest.
Vorliegend waren dem Kläger im Rahmen der
streitgegenständlichen Beratung monatliche Ausschüttungen in Aussicht gestellt worden, diese
Ausschüttungen waren bereits in verjährter Zeit
ausgeblieben. Der Kläger hatte sich bei den ausbleibenden Ausschüttungen zunächst von der
Beklagten beruhigen lassen und diese nicht zum
Anlass genommen, die Richtigkeit der Beratung
und der Prospekte in Hinblick auf die fehlenden
Ausschüttungen sowie der weiteren nun von ihm
im Rahmen dieses Prozesses geltend gemachten
Beratungsfehler zu überprüfen.
Ebenfalls als nicht grob fahrlässig sieht es der
BGH an, wenn der Anleger Kenntnis von einer bestimmten Pflichtverletzung erhält und diese Kenntnis nicht zum Anlass nimmt, die Fondsunterlagen
nachträglich durchzulesen, um zu überprüfen, ob
noch weitere bislang nicht erkannte Pflichtverletzungen vorliegen – wenn sich die weiteren Pflichtverletzungen dem Anleger nicht aus der bereits
erkannten Pflichtverletzung förmlich aufdrängen.
Beispielsweise führt der BGH an, dass es sich
bei einer fehlerhaften Aufklärung über Ausschüttungen nicht aufdrängt zu überprüfen, ob die Aufklärung über die Fungibilität richtig war, weil zwischen beidem keinerlei Zusammenhang besteht.
Dem BGH lag die Frage vor, ob der Kläger grob
fahrlässig das Vorliegen der weiteren Beratungsfehler nicht erkannt hat (mit der Folge dass diese
ebenfalls verjährt sind), weil er, nachdem er den
Beratungsfehler im Zusammenhang mit den ausgebliebenen Ausschüttungen erkannt hat, diesen
erkannten Beratungsfehler nicht zum Anlass genommen hat, die Prospekte und Beratungsdokumentationen auf weitere Beratungsfehler hin zu
überprüfen.
Nachdem das Berufungsgericht sämtliche Beratungsfehler pauschal als verjährt angesehen hatte, weil der klagende Anleger die Kenntnis eines
Beratungsfehlers nicht zum Anlass für eine Überprüfung der weiteren vorgetragenen Beratungsfehler genommen hatte, hat der BGH den Rechtsstreit zurück an das Berufungsgericht zur neuen
Verhandlung und Entscheidung verwiesen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH
liegt eine grob fahrlässige Unkenntnis dann vor,
wenn dem Gläubiger die Kenntnis über Umstände fehlt, weil er ganz naheliegende Überlegungen
nicht angestellt und das nicht beachtet hat, was im
gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen,
obwohl sich ihm die den Anspruch begründenden
Umstände förmlich aufgedrängt haben.
BuB-Monatsbrief • Nr. 5 • Mai 2016
Letztlich folgt die Entscheidung konsequent der
Rechtsprechung des BGH, dass für jeden Beratungsfehler eigenständig zu überprüfen ist, wann
die für die Frage der Verjährung maßgebliche
Kenntnis vorgelegen hat. [HD]
Heike Dunker, UniCredit Bank AG
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Wertpapier- und Kapitalmarktrecht
Geschlossene Immobilienfonds – fehlerhafte Anlageberatung
– zur Aufklärungspflicht über das Wiederaufleben der
Kommanditistenhaftung nach § 172 Abs. 4 HGB in einem
Anlagenprospekt
1. Im Rahmen einer Kapitalanlageberatung zu einer Kommanditbeteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds muss über das Risiko aufgeklärt werden, dass die Kommanditistenhaftung der Anleger trotz vollständig erbrachter Einlageleistung unter den Voraussetzungen des § 172 Abs. 4 HGB wieder auflebt. Dies folgt daraus, dass die an die Anleger
durch den Fonds erfolgten Auszahlungen in Form von Ausschüttungen gegebenenfalls
zurückgezahlt werden müssen. Die Aufklärung kann auch im Prospekt erfolgen.
2. Von einem verständigen Anleger kann erwartet werden, dass er den Prospektinhalt hinsichtlich steuer- und haftungsrechtlicher Auswirkungen der Ausschüttungen und des Umfangs der Kommanditistenhaftung sowie den im Prospekt abgedruckten Gesellschaftsvertrag sorgfältig zur Kenntnis nimmt. Befinden sich unter diesen Überschriften ausreichend
Hinweise auf die Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB, bedarf es keiner gesonderten Aufführung
mehr dieses Risikos unter der Überschrift „Risiken und Chancen“.
(BGH, Urt. v. 18.2.2016, Az. III ZR 14/15, ZIP 2016, S. 528 ff.)
Der Kläger möchte im Wege des Schadensersatzes unter anderem die Rückabwicklung seiner
Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds erreichen. Die Beklagte empfahl im Wege
einer Anlageberatung dem Kläger die Beteiligung,
so dass der Kläger am 26.8.1996 eine Kommanditbeteiligung mit einer (Haft-)Einlage in Höhe von
50.000 DM zzgl. 5 % Agio zeichnete. Davon finanzierte er 42.500 DM über zwei Bankdarlehen, die
er bis 2008 zurückführte. Bei Zeichnung erhielt er
den Emissionsprospekt, der u.a. folgende Hinweise beinhaltet:
„Haftung der Zeichner (S. 7)
Über die im Handelsregister eingetragene Einlage
(+ 5 % Agio) hinaus [besteht] keine Haftung, auch
keine persönliche Hypothekenhaftung (Zu den
gesetzlichen Einschränkungen und Besonderheiten siehe auch Seiten 23 u. 28).
Ausschüttung (S. 23)
Da die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen die laufenden
Ausgaben regelmäßig übersteigen, entstehen Liquiditätsüberschüsse, die zum größten Teil an die
Gesellschafter ausgeschüttet werden.
…
Einnahmen abzgl. der steuerlichen Werbungskosten (einschl. AfA) ergeben in den ersten Jahren
ein steuerlich niedrigeres Ergebnis, so daß den
Ausschüttungen in den ersten Jahren vergleichsweise geringe steuerpflichtige Einkünfte gegenüberstehen.
Die Ausschüttungen sind, auch wenn sie zu einem „negativen Kapitalkonto“ führen würden,
nicht nach § 15a Abs. 3 EStG steuerpflichtig, da
durch die Ausschüttung die Haftung der Kommanditisten nach § 172 Abs. 4 HGB wieder auflebt
(höchstens jedoch bis zur Höhe der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme).
Gesellschaftsvertrag [Hinweise] (S. 28)
Der Text ist auf den Seiten 39 bis 43 abgedruckt.
…
Die Haftung des Kommanditisten ist auf seine Einlage beschränkt, eine Nachschusspflicht besteht
nicht. Unbeschadet hiervon gilt die Vorschrift des
§ 172 Abs. 4 HGB (vgl. § 6 des Gesellschaftsvertrags und Seite 23 „Ausschüttungen“).
§ 6 [des Gesellschaftsvertrags] Keine Nachschusspflicht (S. 40)
Die Kommanditisten übernehmen weder gegenüber Gesellschaftern noch gegenüber Dritten irgendwelche Zahlungsverpflichtungen, Haftungs››
BuB-Monatsbrief • Nr. 5 • Mai 2016
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Wertpapier- und Kapitalmarktrecht
Geschlossene Immobilienfonds – fehlerhafte Anlageberatung
– zur Aufklärungspflicht über das Wiederaufleben der
Kommanditistenhaftung nach § 172 Abs. 4 HGB in einem
Anlagenprospekt
oder Nachschussverpflichtungen, die über die
Verpflichtung zur Leistung der in der Beitrittserklärung vereinbarten Pflichteinlage hinausgehen. … Der vertragliche Ausschluss einer Nachschusspflicht lässt die gesetzliche Regelung
über die Haftung der Kommanditisten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern nach §§ 171
ff HGB unberührt.“
Bis zum Jahr 2006 erhielt der Kläger Ausschüttungen aus dem Fonds. Mit Schreiben vom
9.7.2010 stellte der Beirat ein Entschuldungskonzept vor, um die drohende Insolvenz der
Fondsgesellschaft abzuwenden. Der Kläger
macht verschiedene Prospektfehler geltend. Unter anderem rügt er, dass er nicht darüber aufgeklärt worden wäre, dass jährliche Ausschüttungen als vorzeitige Kapitalrückzahlung gewertet
würden, so dass die Haftung nach § 172 Abs. 4
HGB wiederauflebt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das
Berufungsgericht hat der Berufung des Klägers
größtenteils stattgegeben. Als Begründung führt
das Berufungsgericht aus, dass stillschweigend
ein Kapitalanlageberatungsvertrag zustande gekommen sei. Hierbei habe die Beklagte jedenfalls im Hinblick auf das Risiko nach § 172 Abs. 4
HGB ihre vertraglichen Aufklärungspflichten verletzt. Weder der Prospektinhalt noch durch die
mündliche Beratung des Zeugen N. sei der Kläger hinreichend über dieses Risiko aufgeklärt
worden. Die im Prospekt befindlichen Hinweise
seien aus sich heraus nicht verständlich, nicht
besonders hervorgehoben und versteckt. Vor
allem sei in den „Risikohinweisen“ im Prospekt
auf das etwaige Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung nicht eingegangen worden. Mit der
vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
begehrt die Beklagte Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Die Revision hatte Erfolg und führt zur Aufhebung
des Berufungsurteils, soweit zum Nachteil der Beklagten entscheiden worden war. Entgegen der
Ansicht des Berufungsgerichts hat die Revision
keine Aufklärungspflichtverletzung erkannt. Zwar
ging das Berufungsgericht zutreffend davon aus,
dass die Kommanditistenhaftung trotz vollständig erbrachter Einlageleistung nach § 172 Abs. 4
HGB wesentliche Bedeutung für die Anlageentscheidung hat und daher in einem Beratungsgespräch über dieses Risiko und dessen Eintrittsvoraussetzungen aufzuklären ist. Das Risiko besteht
vorliegend darin, dass durch die Auszahlungen in
Form von Ausschüttungen nicht sichergestellt ist,
dass der Anleger diese wieder bis zur Höhe seiner Einlage gemäß § 172 Abs. 4 HGB zurückzahlen muss. Dieses strukturelle Risiko kann erhebliche Auswirkungen auf die prognostiziere Rendite
haben, so dass darüber aufgeklärt werden muss.
Diese Aufklärung kann auch im Prospekt erfolgen.
Dies ist vorliegend in ausreichendem Umfang geschehen.
Insbesondere hat der dritte Senat die Ausführungen im Prospekt unter den Überschriften „Haftung der Zeichner“, „Ausschüttungen“ sowie den
Verweis auf § 6 des Gesellschaftsvertrages und
dessen Wortlaut für ausreichend erachtet. „Bei
der gebotenen Gesamtbetrachtung des Prospektinhalts (…) kann nicht zweifelhaft sein, dass
der durchschnittlich gebildete, gehörig aufmerksame und verständige Anleger durch diese Hinweise hinreichend darüber aufgeklärt wird, dass
er Ausschüttungen unter Umständen bis zur Höhe
seiner Hafteinlage wieder zurückzahlen muss.
Wenn einerseits Ausschüttungen in Aussicht gestellt werden und gleichzeitig deutlich gemacht
wird, dass sie aus der Liquidität, also nicht aus
erwirtschafteten Gewinnen stammen, und wenn
andererseits – zur Erhöhung der Attraktivität der
Anlage – steuerliche Verluste (durch die Geltend››
BuB-Monatsbrief • Nr. 5 • Mai 2016
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Wertpapier- und Kapitalmarktrecht
Geschlossene Immobilienfonds – fehlerhafte Anlageberatung
– zur Aufklärungspflicht über das Wiederaufleben der
Kommanditistenhaftung nach § 172 Abs. 4 HGB in einem
Anlagenprospekt
machung von Werbungskosten und Sonderabschreibungen) gewollt sind, dann erschließt sich
jedem verständigen Anleger, dass die Ausschüttungen – jedenfalls für die Startphase, aber auch
bei Ausbleiben des erwarteten wirtschaftlichen
Erfolgs des Projekts – zu Lasten der Deckung der
Hafteinlage gehen und deshalb die Haftung des
Kommanditisten wieder aufleben kann.“ Es dränge sich geradezu auf, „dass ein Kommanditist,
der keinen realen Gewinn entnimmt, sondern sich
durch jährliche Ausschüttungen Haftungskapital
auszahlen lässt, gegenüber den Gesellschaftsgläubigern dafür einstehen muss.“
Der BGH hat in der weiteren Folge noch geprüft,
ob die Entscheidung des Berufungsgerichts aus
anderen Gründen richtig sein könnte. Hierbei hat
der BGH insbesondere noch die Darstellungen
im Prospekt zur Veräußerbarkeit von Fondsbeteiligungen auf dem nicht institutionalisierten
Zweitmarkt geprüft, aber ebenso für hinreichend
betrachtet. Eine Verharmlosung der Prospektangaben durch den Zeugen N konnte der BGH nicht
erkennen, da dieser keine Angaben über den Prospekt hinaus gemacht und allenfalls Angaben aus
dem Prospekt wiederholt habe. [MK]
Martina Kern, UniCredit Bank AG
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Zwangsvollstreckungsrecht
Inhaberschuldverschreibung – Vollstreckung – Vorlage d.
Originals – Sammelverwahrung
Der Gläubiger eines Titels, nach dem der Schuldner gemäß § 797 BGB nur gegen Aushändigung einer Inhaberschuldverschreibung zur Leistung verpflichtet ist, muss für den Erlass
eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses dem Vollstreckungsgericht die Schuldverschreibungen und Zinsscheine im Original vorlegen, auch wenn sich diese in einer Sammelverwahrung befinden.
(BGH, Beschl. v. 7.4.2016, Az. VII ZB 14/15, WM 2016, S. 818 ff.)
Dem Beschluss des BGH lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Gläubigerin betrieb die
Zwangsvollstreckung gegen die Republik A.
aufgrund einer Forderung, die aus von der Republik A. ausgegebenen, sammelverwahrten Inhaberschuldverschreibungen und Zinsscheinen
resultierte. Sie hatte einen rechtskräftigen Titel
erwirkt, aus dem die Schuldnerin verpflichtet
war, an die Gläubigerin 120.358,10 € nebst Zinsen gegen Aushändigung näher bezeichneter
Inhaberschuldverschreibungen und Zinsscheinen zu bezahlen. Zur Durchsetzung ihrer Forderungen hatte die Gläubigerin beim Vollstreckungsgericht beantragt, einen Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss bezüglich angeblicher
Forderungen der Schuldnerin gegen drei Bankinstitute zu erlassen. Die Originale der Inhaberschuldverschreibung hatte die Gläubigerin
im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht vorgelegt. Sie hatte sich darauf beschränkt, eine Depotbestätigung vorzulegen, aus der sich ergibt,
dass die Inhaberschuldverschreibungen dort
verwahrt werden. Sowohl das zuständige Amtsgericht als auch das Beschwerdegericht haben
den Antrag der Gläubigerin zurückgewiesen, da
diese nach Ansicht dieser Instanzen den erforderlichen Nachweis der Inhaberschaft mangels
Vorlage der Inhaberschuldverschreibungen im
Original nicht erbracht haben soll.
tet ist, für den Erlass eines Pfändungs- und
Überweisungsbeschlusses dem Vollstreckungsgericht die Schuldverschreibungen und Zinsscheine im Original vorlegen müsse, auch wenn
sich diese in einer Sammelverwahrung befinden
würden.
Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde
zum BGH führte für die Gläubigerin ebenfalls
nicht zum Erfolg. Der BGH urteilte unter Verweis
auf § 797 BGB im Ergebnis, dass der Gläubiger
eines Titels, nach dem der Schuldner gemäß §
797 BGB nur gegen Aushändigung einer Inhaberschuldverschreibung zur Leistung verpflich-
Diesem Schutzzweck des § 797 BGB werde nur
durch die Vorlage der Inhaberschuldverschreibung im Original Genüge getan. Nur die Pflicht
zur Vorlage der Originalurkunde sei geeignet,
sicherzustellen, dass der Gläubiger tatsächlich
im Besitz der Urkunde sei. Eine (aktuelle) Depotbescheinigung soll entgegen der Auffassung
Unter Rückgriff auf seine bisherige Rechtsprechung hielt der BGH zunächst fest, dass der
Gläubiger für den Erlass eines Pfändungs- und
Überweisungsbeschlusses dem Vollstreckungsgericht neben dem Vollstreckungstitel auch die
Schuldverschreibungen und Zinsscheine vorzulegen habe. Die Vorlage der Inhaberschuldverschreibung sei eine gesetzlich nicht weiter geregelte besondere Vollstreckungsvoraussetzung.
Nach Ansicht des BGH dürfe die Zwangsvollstreckung im Falle der Verpflichtung zur Zahlung
gegen Aushändigung einer Inhaberschuldverschreibung nur beginnen, wenn der Gläubiger
dem Vollstreckungsorgan die Schuldverschreibung vorlegen würde. Daran soll sich auch nicht
etwa dadurch etwas ändern, dass sich die Inhaberschuldverschreibung in Sammelverwahrung
befände. Denn Zweck der Verpflichtung des
Ausstellers zur Leistung nur gegen Aushändigung der Inhaberschuldverschreibung gemäß
§ 797 BGB sei es nun mal, ihn vor mehrfacher
Inanspruchnahme zu schützen.
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BuB-Monatsbrief • Nr. 5 • Mai 2016
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Zwangsvollstreckungsrecht
Inhaberschuldverschreibung – Vollstreckung – Vorlage d.
Originals – Sammelverwahrung
der Gläubigerin nur in geringerem Maße geeignet, den Besitz des Gläubigers nachzuweisen.
Eine solche Depotbescheinigung bezeuge nämlich lediglich, dass der Gläubiger nach Auskunft
eines Dritten in der Lage sei, sich die vorzulegende Urkunde zu verschaffen. Eine Gewähr für
die inhaltliche Richtigkeit dieser Aussage gebe
es nicht. In der Praxis – so der BGH – mag es
unwahrscheinlich sein, dass eine Bank fehlerhafte Depotbescheinigungen erteilen würde;
ausgeschlossen sei dies aber nicht. Zudem bestehe ein – zwar ebenfalls nur geringes, aber
nicht auszuschließendes – Risiko des Verlusts
der Urkunde bei der noch zu erfolgenden Auslieferung an den Gläubiger. Letztlich entspreche
es auch den allgemein anerkannten Grundsätzen des Zwangsvollstreckungsrechts, dass die
zur Vollstreckung erforderlichen Urkunden vom
Gläubiger dem Vollstreckungsorgan vor Beginn
der Zwangsvollstreckung im Original vorgelegt
werden müssen.
Hinweis: Im Fall der Sammelverwahrung ist dem
Vollstreckungsgläubiger mit der Regelung in §
7 Abs. 1 DepotG das Instrument an die Hand
gegeben, sich die Originalurkunde aus der Sammelverwahrung aushändigen zu lassen. [Wu]
Dr. Christian Wulfers, UniCredit Bank AG
BuB-Monatsbrief • Nr. 5 • Mai 2016
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