Stellung

PSG III - Modellkommunen
Stellungnahme zu gravierenden Schwachstellen
im Referentenentwurf
1. Der Referentenentwurf greift die Idee der Modellkommunen auf, übernimmt
Grundüberlegungen und Eckpunkte zu den Modellkommunen aus der Bund-LänderArbeitsgruppe und den Diskussionsrunden unserer Arbeitsgruppe. Das ist positiv zu
würdigen wie auch die vorgesehenen Regelungsmechanismen auf der Landesebene
(Genehmigung) und der kommunalen Ebene (Vertragsabschluss) zwischen
Kommunen und Pflegekassen.
2. Der Referentenentwurf geht defensiv mit dem Konzept der Modellkommunen um.
Dies zeigt sich an der Beschränkung auf den Bereich der Beratung, die eine
integrierte Versorgungs- und Hilfeplanung nur in Ansätzen zulässt. Zudem lässt die
zeitliche Streckung der Modellphase eine politische Aufnahme von Ergebnissen der
Modellkommunen für eine Weiterentwicklung der Pflegeversicherung in weite Ferne
rücken. Die Notwendigkeit auch kurz- und mittelfristig die kommunale
Handlungsebene zu stärken wird auf diese Weise nicht wirklich ernst genommen.
Auch droht ein zeitlicher Zusammenhang der Vorhaben verloren zu gehen und die
Vergleichbarkeit der Ergebnisse dadurch gefährdet zu werden. Insofern wird
vorgeschlagen, den Zeitraum deutlich abzukürzen, in dem Modellvorhaben beantragt
werden können. Die Frist zur Antragstellung sollte auf spätestens 31.12.2019, die der
Durchführung auf spätestens 31.12.2024 und die der Evaluation auf spätestens
31.12.2026 verkürzt werden.
3. Der Referentenentwurf sieht keine Lösung für die Konflikte bei der vertraglichen
Ausgestaltung der jeweiligen Modellkommune vor. Zur Konfliktlösung bei
Vereinbarungen über eine Modellkommune sollte daher die Schiedsstelle nach § 7b
Abs. 7 (neu) angerufen werden können. Dies ist auch notwendig, um
Verfahrensverzögerungen zu unterbinden.
4. Problematisch ist es, dass allein dem Spitzenverband GKV die Aufgabe übertragen
wird, Empfehlungen für die Modellkommunen zu formulieren, die zwar dann der
Zustimmung der Länder und des BMG bedürfen, nicht aber eine Beteiligung der
kommunalen Spitzenverbände vorsehen. Das ist ein Affront gegenüber der zentralen
politischen Intention, die Rolle der Kommunen zu stärken. Die Sozialversicherung
kann nicht, schon gar nicht einseitig, kommunales Handeln steuern. Mit dieser
Regelung würde die Sozialversicherungslogik in den Mittelpunkt gerückt, anstatt die
durch die Modellvorhaben die pflegerische Versorgung insgesamt auf der
kommunalen Ebene zu fördern. Insofern wird dringend vorgeschlagen, entweder auf
die Empfehlungen gänzlich zu verzichten und die erforderlichen Regelungen im
Gesetz darzustellen oder aber eine Vereinbarung der kommunalen Spitzenverbände
mit dem Spitzenverband der GKV vorzusehen, der dann BMG und die Länder
zuzustimmen hätten.
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Stellungnahme zu gravierenden Schwachstellen
im Referentenentwurf
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5. Die Evaluation kann nicht allein in die Hände des GKV-Spitzenverbandes gelegt
werden. Die Evaluation und die Begleitung sowie Auswertung der Ergebnisse ist als
gemeinsame Aufgabe und Zuständigkeit vom GKV-Spitzenverband, dem BMG und
BMFSFJ, den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden mit unabhängiger
Moderation auszugestalten. An dem Finanzierungsmodus der Evaluation ändert sich
dadurch nichts. Es muss aber sichergestellt werden, dass die Evaluation so
ausgerichtet ist und ausgerichtet wird, dass die Effekte bei den Pflegeratsuchenden
auf kommunaler Ebene und auch die politischen Gestaltungsoptionen jenseits der
Sozialversicherungen in den Blick genommen werden.
6. Überhaupt nicht nachvollziehbar sind die Regelungen, die vorsehen, dass 50% der
Modellkommunen unerfahren sein sollen. Will man ernsthaft erproben, wie das in den
Modellkommunen erprobte Zusammenwirken von Kassen und Kommunen als Care
und Case Management seine Wirkung entfaltet, braucht man good practice und keine
bad practice. In den Modellvorhaben der vergangenen Jahrzehnte (Altenhilfestruktur
der Zukunft, Pflegestützpunkte, Landesevaluation von Pflegestützpunkten und
Beratung etc. pp.) wurden hinreichend Erfahrungen über Implementationsprozesse
von Care und Case Managementstrukturen auf der kommunalen Ebene gesammelt.
Diese müssen nicht noch einmal wiederholt werden. Die Regelung erweckt den
Verdacht, dass sie nicht dem Erfolg der Erprobung des Ansatzes der
Modellkommunen dienen soll, sondern dass die Beteiligung von unerfahrenen
Kommunen zum Scheitern beitragen soll, da in einer Anlaufphase mit Start bei Null
nicht alle Kommunen sofort in der Lage sein werden, die Ziele der Stärkung der
kommunalen Handlungsebene zu erreichen.
7. Nach Paragraph neu 123 (5) vorletzter Satz des Referentenentwurfs darf "Der Beitrag
der Pflegekassen den Aufwand nicht übersteigen, welcher bei Erbringung durch sie
selbst entstehen würde." Diese Schutzvorschrift für die Pflegekassen ist nicht
eindeutig und kann daher dahin führen, dass eine unzureichende Beratung in der
Region festgeschrieben wird, oder eine unzureichende Anpassung erreicht wird.
8. Es wird darauf ankommen, gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden und
der Mehrheit der Bundesländer auf eine Änderung des Referentenentwurfes
hinzuwirken. Dabei wird auch die Position des BMFSFJ eine wichtige Rolle spielen,
die mit all ihren Programmen zum demografischen Wandel die kommunale
Handlungsebene und die lokale Politik in den Mittelpunkt rückt.
Prof. Dr. Thomas Klie
Dr. Rolf Hoberg
Gerhard Künzel