Panzer, Pferde, Patrioten. Der unheimliche Reiz

DEUTSCHLANDFUNK
Redaktion Hintergrund Kultur / Hörspiel
Redaktion: Tina Klopp
Feature
Panzer, Pferde, Patrioten
Der unheimliche Reiz von Nazi-Kitsch und -Kriegsgerät
Von Tom Schimmeck
Produktion: DLF 2016
Erzähler: Martin Rentzsch 20:15 Minuten
Sprecherin: Fiona Metscher 2:05 Minuten
Sprecher: Glenn Goltz 3:17 Minuten
Regie: Mathias Kapohl
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- unkorrigiertes Exemplar -
Sendung: Freitag, 20. Mai 2016 - 20.10 - 21.00 Uhr
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Atmo
001 Rangieren
002 Reporter: Bei einer Razzia sind Panzer ins Heikendorfer Villenviertel
gerollt. Ein vermögender Sammler…
003 Bürgermeister: …handelt sich vermutlich um Gerät, dass hier ein
Bürger…
004 Offizier: …Es ist etwas komplizierter, nicht nur wegen des Gewichts,
sondern weil es auch relativ steil runtergeht…
005 Anwalt: Wir werden im Nachhinein sämtliche Rechtsmittel
ausschöpfen, uns dagegen zur Wehr zu setzen…
Musik
Sprecherin
Heikendorf, bei Kiel. Juli 2015.
Atmo
Erzähler
Fast 20 Pioniere der Bundeswehr quälen sich im riesigen Kellertrakt einer
noblen Villa. Mit Rampen, Zugseilen und zwei Bergepanzern. Nach neun
Stunden haben sie einen Panzer vom Typ „Panther“ ans Tageslicht gezerrt,
ein Weltkriegs-Ungetüm: zwei Meter breit, fünf Meter lang, 43
Tonnen schwer. Liebevoll restauriert.
Atmo
O-Ton
008 0:06 Goebbels
Es ist eine Art von stählerner Romantik, die das deutsche Leben wieder
lebenswert gemacht hat.
Erzähler
Eigentlich hatten Polizisten beim Hausherrn, dem Millionär F. nach
Nazikunst gesucht. Waren nur zufällig über das Kriegsgerät gestolpert. Sie
fanden auch Schusswaffen, ein riesige Acht-Achter-Flak von Krupp und
einen sieben Meter langen Torpedo.
Atmo
Erzähler
Waffen, deren Besitz womöglich das Kriegswaffenkontrollgesetz verbiete,
glaubt die Staatsanwaltschaft im nahen Kiel.
O-Ton
010 Bericht 1944
Krieg und Kunst. Selten wohl ist dieser metallische Zweiklang so hell zum
klingen gekommen wie in dieser Schau, die das SS Hauptamt in der Zeit
der härtesten Kampfbewährung gerade nun zum ersten Male…
Ansage
Panzer, Pferde, Patrioten.
Der unheimliche Reiz von Nazi-Kitsch und -Kriegsgerät
Feature von Tom Schimmeck
Atmo
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Sprecherin
Ebernhahn im Westerwald
O-Ton
030
Frau: Radio? Da muss ich Chef… Nee, oder, können sie runter zu dem
gehen. Moment, ich abkassieren nur…
O-Ton
031
Frau: Acht Euro Eintritt bitte
Mann: Oi!
Erzähler
Ein sonniger Samstagmorgen. In der Turnhalle von Ebernhahn findet eine
„Messe für Militärhistorik, Phaleristik, Vexillologie, Uniformen, Militaria,
Helme und Sammlerwaffen“ statt.
Sprecher
Vexillologie – Fahnenkunde
O-Ton
034 Händler
Es ist eine kleine Sucht, die dahintersteckt.
Sprecherin
Phaleristik – Ordenskunde, von lateinisch phalerae - Brustschmuck.
Erzähler
Auf dem überfüllten Parkplatz Autos mit Nummernschildern aus ganz
Deutschland, den Niederlanden, Frankreich.
Atmo
O-Ton
035 Matthias
Kostbarkeiten? Eigentlich sind schon weg. Ja, hier: Das ist ein Säbel aus
den napoleonischen Kriegen.
Erzähler
Hobbyhändler Matthias sieht die Zukunft eher trübe. Es gibt ein
Imageproblem.
O-Ton
036 Matthias
Aaah, wenn die sowas sammeln, dann sind die bestimmt braun. Was
Blödsinn ist, ich kennen kaum einen. Das schreckt auch ein bisschen die
Jüngeren ab. Die denken: Jaa, dann denken sie, ich bin Glatze oder wie
auch immer.
O-Ton
037 Schäfer
Ich bin der Herr Schäfer, ich bin der Vorsitzende vom Geschichtsverein
Siershahn e.V. Wir sind ein kleiner Verein vom Sammlern, die ich sehr
stark für Militärhistorik interessieren…
Erzähler
Herr Schäfer sammelt seit 40 Jahren. Hat auch diese Militaria-Börse hier
mitgegründet.
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O-Ton
038 Schäfer
Also es ist auf keinen Fall so, dass Sammler den Krieg verherrlichen.
Sondern die sehen das durchaus kritisch. Und der Krieg als solches, diese
Machtauseinandersetzung und das Töten von Menschen, das wird also auf
keine Fall irgendwie befürwortet oder als positiv angesehen.
Erzähler
Am Stand des Vereins: Pickelhauben und Stahlhelme, Karabiner,
Gürtelschnallen.
O-Ton
039 Schäfer
Und zum anderen geht natürlich auch von der Uniformierung eine gewisse
Faszination auf die Leute aus. Weil halt eine schicke Uniform irgendwo was
darstellt.
Erzähler
In den Schaukästen viele „Ehrendolche“, die Hakenkreuze mit Stickern
abgeklebt – das Strafgesetzbuch verbietet die Zurschaustellung von NSSymbolen.
O-Ton
040 Schäfer
Also es gibt sicher Leute, auf die das halt auch gerade weil es – in
Anführungsstrichen – „blutbefleckt“ ist, vielleicht einen besonderen Reiz
ausübt. Das kann man nicht ausschließen.
Erzähler
Rechte Glatzen und Altnazis aber seien hier nicht willkommen.
O-Ton
041 Schäfer
Nee, nee, nee. Glücklicherweise sind wir nie ins Visier von solchen Leuten
geraten. Da sind wir aber auch heilfroh, ehrlich gesagt.
Musik/Ton
O-Ton
050 Erwin Guido Kolbenheyer
Geheiligt ist unser Schmerz erst dann, wenn er von dem vollen
Bewusstsein seiner Berufung überstrahlt wird…
Sprecher
Also, wenn’s um die Jäger der verlorenen Schätze des Großdeutschen
Reiches geht, kann ich mich gleich selber melden.
Erzähler
Aus Washington emailt der Kunstjäger Willi Korte, seit Jahrzehnten auf den
Fährten von Raubkunst und Nazischätzen.
Sprecher
Immerhin habe ich Eva Brauns türkisfarbenes Abendkleid, ihre silberne
Toilettengarnitur und einen Teil ihres Sterlingsilberbestecks – alles original
Obersalzberg – heim in die Stadt der Bewegung geführt.
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O-Ton
051 Hitler Das ganze Kunst- und Kulturgestotter von Kubisten, Futuristen,
Dadaisten u.s.w. ist weder rassisch begründet noch volklich erträglich.
Musik
Sprecherin
Bad Dürkheim, Mai 2015
O-Ton
052 SWR TV-Bericht (stark gerafft)
Reporter: …vor Hitlers Neuer Reichskanzlei standen zwei kolossale
Bronzepferde des Bildhauers Josef Thorak. Jetzt stehen sie in Bad
Dürkheim…
Polizeisprecher: Das ist schon ein spektakulärer Fund, zumal über Jahre
nach diesen Sachen gesucht wurde
Experte: Es gibt einen großen Schwarzmarkt mit mafiösen Strukturen…
Erzähler
Sechs Wochen vor der Bergung des Panther-Panzers an der Kieler Förde
durchkämmen Polizisten Adressen in Bayern, Nordrhein-Westfalen,
Rheinland Pfalz, Berlin und Schleswig-Holstein. Der Verdacht: „Hehlerei an
rechtswidrig erlangtem Bundesvermögen“. In Bad Dürkheim entdecken die
Fahnder knapp 100 Tonnen Nazikunst. Josef Thoraks „Schreitende
Pferde“, zwei wuchtige Frauen-Skulpturen von Fritz Klimsch – „Galatea“
und „Olympia“. Außerdem Arno Brekers „Künder“ und die „Berufung“ sowie
drei Riesenreliefs, die er zum Schmucke der "Welthauptstadt Germania"
angefertigt hatte: "Der Rächer", "Der Wächter" und "Kameraden".
O-Ton
053 Radioreporterin: Dann gehen die Tore auf, der Tieflader des THW fährt
aus der Lagerhalle.
O-Ton
054
Frau1: Beeindruckend, aber es haut mich net vom Hocker, muss ich sagen.
Mann1: Ja, das ist ja überlebensgroß!
Frau2: ‘Nen Gruselfaktor hat‘s natürlich, dass es aus der Nazizeit kommt.
Mann2: Sehr schöne Pferde, gewaltig!
Erzähler
Die rechtsradikale Partei „Der III. Weg“ – „national, revolutionär,
sozialistisch“ – und zufällig auch in Bad Dürkheim ansässig, berichtet auf
ihrer Website:
Sprecher
Es herrschte Volksfeststimmung und viele Schaulustige waren angetan von
der NS-Kunst. So auch die anwesenden Aktivisten des „III. Weg“. Die
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Lügenpresse aus Nah und Fern versuchte negative Stimmen einzufangen,
was ihnen aber nur schwer gelang.1
O-Ton
055 DDW 610 1942
Ein Besuch im Staatsatelier Professor Brekers in Berlin-Grunewald Musik
Erzähler
Den Professor hatte ihm Hitler persönlich verliehen. Er stand auf der Liste
der "Gottbegnadeten“ – vom Kriegsdienst befreit.
O-Ton (Forts.)
(0:15) Professor Breker, einer der bedeutendsten Bildhauer des neuen
Deutschland, bei der Arbeit an einem Relief für die Berliner
Soldatenhalle…Musik
Erzähler
Breker bekam Millionen und riesige Ateliers, in denen mit Hochdruck – und
Zwangsarbeitern – herrschaftliche Deko en gros produziert wurde.
O-Ton (Forts.)
(0:34) Die Knieende, eines der jüngsten Werke des Künstlers. Es zeigt die
besondere Kunst des Meisters, den Menschen in seiner natürlichen
Schönheit darzustellen.
O-Ton
056 Breker (1980) Mit der Olympiade begann das Signal meines Aufstiegs.
Das war also mein erster großer Erfolg.
Erzähler
Arno Breker, 45 Jahre später.
Erzähler
Er war der Liebling der NS-Elite, nippte Tee mit Goebbels, ging mit Speer
auf Reisen, bekam Hausbesuch von Himmler, zeigte Hitler das frisch
eroberte Paris. Breker begriff flink, was die Herren wollten.
O-Ton
058 Breker (1980) …Und so hab ich das hingestellt: Als Fackelträger und
als Schwertträger. Und Hitler sah das und war hell begeistert und sagte: Ja,
das ist die Partei und das die Wehrmacht.
Erzähler
In Bad Dürkheim munkelt man, der Unternehmer Rainer W., der all diese
Werke angehäuft hat, soll Mitarbeitern Prämien für männlichen Nachwuchs
versprochen haben.
O-Ton
057 Eugen Hönig
Das Dritte Reich denkt viel zu groß von Kunst und Künstlern, um deren
Wohlergehen dem Zufall zu überlassen.
O-Ton
1
059 Goebbels
Nur geweihte Hände haben das Recht, am Altar der Kunst zu dienen…
Falsche Grammatik im Original
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Musik
Atmo/O-Ton
061 Empfangsdame: Grundsätzlich machen wir das nicht,. Aber wenn sie
kurz sitzen und warten kann ich kurz jemanden holen…
Raumsound, ab und zu fällt eine Tür…
Sprecherin
München, Linprunstraße 16
Erzähler
Eine Glastür, videoüberwacht. Im Auktionshaus Hermann Historica stehen
viele Vitrinen voller Flinten, Lanzen, Helme. Es herrscht kostbare Stille. Die
Firma gibt schmucke Kataloge heraus. Auch online ist die Ware zu
bestaunen. Für den Spezial-Katalog „Deutsche Zeitgeschichte, Orden und
Militaria ab 1919“ allerdings braucht man ein Passwort. Ich bitte darum.
Sprecherin
„Bitte teilen Sie uns bitte noch mit, ob Sie bereits ein Kunde der Hermann
Historica sind oder beabsichtigen zu werden.“
Erzähler
Meine Antwort bleibt eher vage. Doch tags darauf kommt das Passwort:
Sprecherin
„Vielen Dank für Ihre Anfrage! Ihre Daten wurden angelegt! Schöne Grüße
aus München.“
Erzähler
Ich klicke mich durch das Angebot. Ärmelbänder, Feldblusen,
Kragenspiegel, Helme, Kappen, Schirmmützen, die Uniformjacke eines
Obersturmführers der Division „Totenkopf…
Sprecher
„Maßanfertigung aus feldgrauem Gabardine im Schnitt der SS-VT Bluse M
36, …mit Durchlass für die Seitenwaffe… Ärmeladler, schwarze
Kragenspiegel mit silberner Kordeleinfassung und rechtsseitig einem
silbern gestickten Totenkopf.“
Erzähler
Verkauft im November 2015 für 3000 Euro. Die Generalsvariante – mit
Adler, Hakenkreuz und Totenkopf – kam für 9500 Euro unter den Hammer.
Man verrichte, heißt es auf der Website, „unverzichtbare und wichtige
Arbeit“, verantwortungsvoll und mit „größter Sorgfalt“. Leider sehe sich
Hermann Historica gezwungen,
Sprecher
„zu Objekten deutscher Zeitgeschichte keine Pressearbeit oder öffentliche
Verlautbarungen stattfinden zu lassen. Eine Berichterstattung, deren
vornehmstes Ziel es ist, aufsehenerregende Schlagzeilen zu produzieren,
kann diese anspruchsvolle Aufgabe nur behindern.“
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Erzähler
Kein Wunder, dass der Spontanbesuch in der Linprunstraße keine Früchte
trägt.
Atmo/O-Ton
062
Empfangsdame: Ich hab’ gefragt… eigentlich müssten sie schriftlich …
aber sie können uns gerne eine Email schicken. Ok.
Straßensound
Erzähler
Am nächsten Tag: Kein Zugang mehr
Passwort falsch.
Erzähler
Eine Nachfrage bleibt unbeantwortet.
Musik
071 Tür, Kripo-Halle,
Empfangsdame: Ja, Sie möchten sich bitte ’n paar Minuten hinsetzen. Er
ruft mich gleich nochmal zurück.
Sprecherin
Berlin, Tempelhofer Damm
Erzähler
Im Foyer des Kriminalkommissariats hängen betagte Fahndungsaufrufe.
Mord und Menschenraub.
O-Ton
073 Kommissar Allonge
Das ist schon eine sehr verschlossene Welt, auch eine sehr verschlossene
Szene, die sich auch nicht gerne öffnet.
Erzähler
Vierter Stock, Fachdienststelle Kunstdelikte. Kommissar René Allonge war
dabei, als der Panzer sichergestellt wurde.
O-Ton
074 Kommissar Allonge
Das ist ’ne andere Hausnummer. Das sieht man auch als Ermittler nicht
jeden Tag.
O-Ton
075 Allonge
Letztendlich sind wir ja als Polizei darauf aufmerksam geworden, weil diese
Skulpturen wieder verkauft werden sollten, und zwar dann, sag ich mal,
über dunkle Kanäle – das kann man schon so sagen.
Erzähler
Vermutlich war der Besitzer in einer finanziellen Zwangslage. Es hieß: Ein
reicher Mann aus Texas biete acht Millionen für die Pferde. Aber das war
auch nur eine Finte eine Kunstdetektivs aus Holland.
O-Ton
076 Kommissar Allonge
Und dann begann eigentlich ja erst die richtige Arbeit.
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Erzähler
Eine Räuberpistole. Ab 1939 hatten Thoraks Riesenrösser vor der „Neuen
Reichskanzlei“ in der Berliner Wilhelmstraße gestanden.
O-Ton
077 Kommissar Allonge
Das war ein langer Weg.
Erzähler
1943 ließ der Führer die Pferde – aus Furcht vor Bombenschäden – von
Berlin nach Wriezen im Oderbruch schaffen. Dort residierten die
Steinbildhauerwerkstätten Arno Breker. Die Rote Armee brachte die Pferde
dann nach Eberswalde, zusammen mit Skulpturen Brekers. Am Rande des
Sportplatzes ihrer Kaserne befeuerte das Ensemble nun den sowjetischen
Sportsgeist. Bis dort Ende der 80er eine Kunsthistorikerin aus dem Westen
auftauchte – und staunte.
O-Ton
078 Allonge
Dort sind sie um die Wendezeit unter mysteriösen Umständen
verschwunden. Und fortan fehlte jede Spur dieser Kunstwerke.
Sprecherin
Meldung von Polizei und Staatsanwaltschaft Berlin, 20. Mai 2015:
Sprecher
„Nach Ende des Krieges bis 1989 befanden sich die Kunstwerke auf einem
Kasernengelände in Eberswalde, von wo sie 1989 auf bislang nicht
bekannte Art und Weise verschwanden.“
O-Ton
080 Kommissar Allonge
Es ist ja schon ein Husarenstück, dass ein Mensch aus dem ehemaligen
Westen durch die Zeitung erfährt, dass im Osten auf einem
Kasernengelände diese Skulpturen seines verehrten Künstlers stehen und
er jetzt alle Hebel in Bewegung setzt, um sich diese Skulpturen
anzueignen.
Erzähler
Es fanden sich Helfer und Mittelsmänner. Heute weiß man: Es gab einen
Deal zwischen einem gewieften Oldtimerhändler und der glorreichen Roten
Armee. Geld floss, angeblich als Erdbebenhilfe für Armenien getarnt. Die
Nazikunst wurde zersägt, mit Schrott vermengt und über diverse
Grenzposten durch den Eisernen Vorhang geschmuggelt.
Sprecher
„Durch umfangreiche Ermittlungen konnten nunmehr acht Tatverdächtige
im Alter zwischen 64 und 79 Jahren ermittelt werden, die sich in den Besitz
der Skulpturen und Reliefs gebracht haben sollen bzw. einen Weiterverkauf
ausgehandelt haben sollen.“
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Erzähler
Es gibt übrigens noch ein drittes Thorak-Pferd: Es steht vor einem
Landschulheim im oberbayerischen Ising. Thoraks Witwe soll es der Schule
vermacht haben, um Internatsgebühren für ihren Sohn zu begleichen.
Atmo
081 vor dem Museum: Schritte, Möwen Fahrzeuge
O-Ton
082 Audioguide Das Leben an Bord ist nicht immer einfach…
Sprecherin
Hamburg, Speicherstadt
O-Ton
083 Tamm Dieser Bogen, der über alles weggeht, der nimmt sie nachher
gefangen. Also das erste Modell, das ist das gefährlichste.
Erzähler
Peter Tamm ist Sammler.
O-Ton
084 Tamm
Als ich fünf Jahre alt war, schenkte mir meine Mutter ein kleines
Küstenmotorschiff, Klütenewer nannten wir das damals. Und das kostete im
Kinderparadies in der Eppendorfer Landstraße 50 Pfennig.
Erzähler
Das war 1934. Die Sache geriet außer Kontrolle. Stand der Sammlung
heute:
O-Ton
085 Tamm 0:03
38 000 Stück.
Erzähler
Alle im Maßstab 1 zu 1250.
Atmo
086 Schritte, Tamm: Scheiß-Altwerden!
Erzähler
Zwischendurch war Peter Tamm über 30 Jahre lang ein mächtiger Mann im
Springer-Konzern. 1948, sagt er, hatte ich 40 Mark. Axel Springer machte
ihn zum Millionär.
Erzähler
Er hat den Krieg noch erlebt, mit 15 Jahren Leichenberge abgeräumt,
erzählt er, von Phosphor gegrillte Überreste. Er war Seekadett auf der
Gorch Fock.
O-Ton
088 Tamm
Wir ham sie selbst versenkt – vor den Russen.
Erzähler
Am 30. April 1945. Vor Rügen. Seine halbe Schulklasse war 1945 tot.
O-Ton
089 Tamm
Es hätt‘ keine Weltgeschichte gegeben ohne Schiff.
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O-Ton
090 (0:30) Audioguide mono …zählen Blank- und Schusswaffen. Die hier
präsentierte Sammlung dokumentiert die Entwicklung der Handwaffe. In den
Exponaten spiegelt sich eine Kulturgeschichte von gut 3000 Jahren
wieder… Sie reicht vom primitiven Faustkeil bis zur prächtigen Zierwaffe…
O-Ton
091 Tamm Ich halte das Sammeln – egal was – für eine extrem wichtige
Sache der Menschheit überhaupt, um Geschichte zu erhalten. Und
weiterzuentwickeln.
O-Ton
093 Tamm
Es wird dann ne Krankheit. Das Wesentliche für einen Sammler ist nicht
das Thema des Sammelns, sondern Platz.
O-Ton
092 Frau Dr. Müller
Schließen, Tür, Das sind alles Kästen voll Dokumente und hier haben wir
Schiffbaupläne…
Erzähler
Die Stadt Hamburg hat seiner Sammlung 2008 einen Kaispeicher
spendiert, hanseatische Backsteingotik, zehn Böden hoch, top restauriert.
Das Maritime Museum war umstritten. Kritiker fürchteten Militarismus und
Heldenverehrung. Tamm, stockkonservativ und stolz darauf, spricht gern
vom Kampf als „Basis der Natur“.
O-Ton
095 Tamm
Es wird weitergehen, das Morden. Die Waffen sind schon alle erfunden
dafür. Und es wird auch schon fleißig gedroht. Und irgendwann wird es mal
so einen Idioten geben, der auf irgendeinen Knopf drückt. Und dann war‘s
das mit der Menschheit.
Erzähler
Man könne lernen aus der Geschichte, glaubt Tamm. Auch aus zwei
Weltkriegen.
O-Ton
096
Ja, und der dritte steht vor der Tür.
Musik
097
Ob's stürmt oder schneit / Ob die Sonne uns lacht / Der Tag glühend heiß /
Oder eiskalt die Nacht / Bestaubt sind die Gesichter / Doch froh ist unser
Sinn / Ist unser Sinn / Es braust unser Panzer / Im Sturmwind dahin…
Atmo
100 Villenviertel, Vogelgezwitscher
Sprecherin
Heikendorf bei Kiel, April 2016
Erzähler
Der Hardenbergblick, ein Dreiviertel Jahr zuvor Schauplatz der
spektakulären Panzerbergung, ist eine kleine Privatstraße. Acht LuxusAnwesen. Direkt an der Kieler Förde. Klaus-Dieter F., ein Kreditvermittler,
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hat nach Telefonaten, Faxen und Rücksprache mit seinem Anwalt
entschieden, nichts zu sagen. Auch sein Freund Rainer W. in Bad
Dürkheim schweigt. Ebenso die Herren, die einst beim West-Export der
Thorak-Pferde halfen: Der Oldtimer-Händler, mittlerweile im belgischen
Olpe ansässig. Und dessen Kumpel aus Aachen. Die Kieler Staatsanwalt
teilt mit, sie ermittele weiter. Man möge doch im Herbst wieder anrufen.
Erzähler
Aber ein Spaziergang ist gestattet. Das Anwesen wirkt friedlich: Eine rote
Backsteinvilla, ein großer Garten, zum Strand hin eine hohe Mauer. Das
Garagentor ist überdimensional und aus Edelstahl. Panzergerecht. Der
Keller, behaupten Augenzeugen, sei äußerst geräumig. Darin Uniformen,
SS-Zeichen und Hakenkreuze, Teile gesunkener Schlachtschiffe, ein
nachgebauter Führerbunker mit Puppen. Aber das sind nur Gerüchte.
O-Ton
103 Kommissar Allonge
Bei mir ist schon ein recht bedenklicher Eindruck entstanden.
Erzähler
Bekannt ist, dass zwei Mitarbeiter der Wehrtechnischen Dienststelle 41 aus
Trier 2011 den Motor des Panther-Panzers in Heikendorf ausbauten, um
ihn zu restaurieren. 2013 gab es einen Prüflauf in Anwesenheit des stolzen
Besitzers Herrn F.. Im März 2014 bauten die Soldaten den Motor wieder
ein. Fünf Tage lang. Ein Sprecher des Bundesamtes für Ausrüstung, dem
Verteidigungsministerium unterstellt, teilt mit:
Sprecher
„Für die Unterstützungsleistung wurden Herrn F. 28 317 Euro in Rechnung
gestellt und fristgerecht bezahlt.“
Erzähler
Ein Schritt zur Seite - da geben die Bäume im Garten den Blick auf eine
enorme Bronze-Skulptur frei. Brekers „Wehrmacht“. Ein Nackter mit
Schwert, grünlich angelaufen. Der Hüne aus dem „Ehrenhof“ der
Reichskanzlei. Er blickt über die Förde. Er wirkt, als fröre ihn.
Atmo
105 Des Malers Hund bellt
Der ist angeleint, kein Problem…
Sprecherin
Ratzeburg, zwischen Hamburg und Schwerin
O-Ton
106 Maler Wirp
Ja, also ich bin Lukas Wirp, Militärberufsmaler. Ja, und male eben alles
was ansteht: Panzer, Schiffe, Flugzeuge. Erster Weltkrieg, Zweiter
Weltkrieg, Bundeswehr, NVA…
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Erzähler
Wirp, 50 Jahre alt, trägt zur weißen Hose einen beklecksten grünen Kittel.
Außer dem Hund gibt es auch noch eine Katze und eine Milka-Kuh aus
Plastik. Früher war er bei der Lufthansa. Studierte dann Kunst. Malte
Madonnen. Vor 18 Jahren spezialisierte er sich aufs Militär.
O-Ton
107 Wirp
Der erste Auftrag war ein U-Boot. Kunde, Esszimmer. Der wollte ein
Riesen-U-Boot haben, aufgetaucht, mit rückwärtigem Blick in die
Turmeinheit. Und das Ding ist wirklich gut gelungen. Und dann hab ich also
festgestellt, dass ich einen hohen Faible für Eisen und Stahl hab – rostigen.
Erzähler
Im Internet präsentiert er sich als „Handwerker alter Schule“, offeriert
Leinwandreproduktionen ab 86 Euro – „in bester deutscher
Herstellungsqualität“. Motive wie „Angriff im Morgengrauen“ oder „Portrait
Hauptsturmführer Michael Wittmann“. Das ist nur die Zweitverwertung. Auf
der Staffel steht ein Fliegerbild, bestellt von einem Kunden…
O-Ton
108 0:23 Wirp
…dessen Vater dieses Teil geflogen hat. Das ist eine He111, die
zweitletzte Maschine, die Stalingrad verlassen hat. Das hat den Vater von
dem Kunden sehr geprägt. Das Bild ist jetzt ein bisschen…, also
humanisiert, möchte ich mal sagen. Der Vater erzählte in dem Fall, dass er
durch die startenden Soldaten… – äh, durch die wartenden Soldaten
starten musste. So herum. Und das hab ich natürlich jetzt nicht gemalt.
Erzähler
Man sieht einen Bomber im Schnee, mit laufenden Propellern. In der Nähe
Menschen und Schlitten. Der Himmel bedrohlich verhangen. Das Bild heißt:
„Hoffnung“
O-Ton
109 Wirp
Wie gesagt: Es ist noch sehr geschönt gemalt. Weil ich ja nun auch – mmh,
ich sag mal: ein relativ historisch korrekter aber technisch auch fixierter
Militärmaler bin.
Erzähler
Die Kennung muss stimmen.
O-Ton
110 Wirp
Also, ich sag mal so: Es ist steigender Markt, muss man ad 1 sagen: Das
heißt: Das Interesse ist groß.
Erzähler
Ehemalige Panzerfahrer der Bundeswehr ordern bei ihm, auch die der
Nationalen Volksarmee. Die sei sowieso „sehr im Kommen“. Auch Sammler
und Modellbauer.
O-Ton
111 Wirp
Die haben dann so ein Panzermodell gebaut, geben da ihre ganze Liebe
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rein. Das steht dann auf irgendwo auf so einem Sideboard. Und hinten an
der Wand ist noch alles weiß. Dann auch natürlich Angehörige.
O-Ton
112 Wirp
…und dann natürlich der große US-Markt, der englischsprachige Markt. Da
kommen natürlich Sammler. Teilweise als Geldanlage, nach dem Motto:
originalsigniert!
Erzähler
Die Deutschen zahlen weniger.
O-Ton
113 Wirp
Weil die Deutschen das ein bisschen noch – also in letzter Zeit nicht, aber
früher – versteckt machen. Nach dem Motto: Ich kaufe mir eine
Militärgemälde, ich häng‘s auch hin. Aber nur in mein Arbeitszimmer.
Erzähler
Er sei unpolitisch, sagt Wirp, seine Stärke die Sachlichkeit.
O-Ton
114 Wirp
Bei mir steht ein Panzer am Waldrand. Den Panzer gab es. Ob ich ihn male
oder nicht. Ich glaub’, dass ist das. Ich höre von ganz vielen Kunden, dass
die sagen: Absolut sachlich.
Erzähler
Sein Großvater war Sozialdemokrat, erzählt er. Und Soldat. Der hatte keine
Wahl. Trotzdem bleibt der 2. Weltkrieg sein Kerngeschäft.
O-Ton
118 Wirp
Der Gag eigentlich, grad an den WKII-Gemälden, ist, dass die größtenteils
signiert sind. Und zwar handsigniert von Ritterkreuzträgern.
Erzähler
Das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes war ein von Hitler zu Kriegsbeginn
gestifteter Orden. Die Träger wurden zu Helden aufgebaut, hielten
Vorträge, verteilten Autogrammkarten.
O-Ton (Forts.)
Ich hab da über 70 Ritterkreuzträger, die meine Gemälde signiert haben.
Ich denke, da bin ich schon mit führend überhaupt bei solchen Sachen.
Erzähler
Die Leinwand, auf die er jetzt zeigt, trägt so eine Signatur.
O-Ton
122 Wirp
Das ist also Rudolf von Ribbentrop..
Erzähler
Sohn des Reichsaußenministers Joachim von Ribbentrop. Der beim
Nürnberger Kriegsverbrecherprozess als erster am Galgen hing.
O-Ton
123 Wirp
Das ist so die 1a-Signierung, die man heute kriegen kann.
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Erzähler
Rudolf, der es zum SS-Hauptsturmführer brachte, diente unter anderem in
der „Leibstandarte Adolf Hitler“. Später in der Sektkellerei Henkell.
O-Ton
124 Wirp
In dem Fall – also er hat schon vier Gemälde signiert, war er sehr, sehr
zufrieden, hat auch Leinwandreproduktionen als Geschenk bekommen –
sagte der… ja, der Verbindungsmann, den ich da hab, bei der vorletzten
Signatur, ob er denn nicht auch mal mit seinem Rang signieren würde. Und
da sagte er dann, mit 94, mittlerweile 95 Jahren: Ach, ich weiß nicht. OK,
ich mach es einfach mal. Und hat hier also mit Rang und – jetzt kommt‘s –
auch mit Divisionseinheit komplett durchsigniert.
Erzähler
Der Militärmaler lächelt glücklich. Da steht:
Sprecher
Hauptsturmführer Rudolf von Ribbentropp, Leibstandarte Adolf Hitler.
O-Ton
125 Wirp
Und dann sagte er nachher, wie es fertig signiert war: Ach, das hab ich ja
seit Kriegsende noch nie wieder gemacht. Fühlte sich aber sehr gut.
Erzähler
Wirp beeilt sich, die letzten Unterschriften einzusammeln. Die
Ritterkreuzträger sterben weg.
O-Ton
126 Wirp
Das geht manchmal in dem Alter ratzfatz, muss man sagen.
O-Ton
130 Lehrfilm Panzer 1944
Versucht der Gegner, den Vorstoß der Panzer durch Nebel aufzuhalten,
um den Panzervernichtern Gelegenheit zur Heranarbeit zu geben, so ist
der Nebel schnell zu durchfahren.
O-Ton
131 GDK1942 mit Musik
….Der Führer - von Hermann-Joachim Pages, Mussolini – von Josef
Thorak, Die Woge – von Fritz Klimsch, Mutter und Kind – von Josef Thorak,
der Wächter – ein Relief von Arno Breker…
Erzähler
Ab 1937 zeigte die GDK, die Große Deutsche Kunstausstellung, alljährlich
Bilder und Skulpturen, zwischen 1200 und 1800 Exponate.
O-Ton
132 Heinz Wismann Okt 1933
Wir kehren zurück zum Volk, glühend, in einer tief–innerlichen Einkehr zum
Urquell aller Kunst, zu Blut und Boden.
Erzähler
Hitler, Goebbels, Bormann, Speer und über 2800 Privatkäufer deckten sich
hier ein. Allein der Führer gab sieben Millionen Reichsmark aus.
O-Ton
133 Heinz Wismann Okt 1933
Millionen offener Hände recken sich zu uns empor, dass wir sie füllen,
füllen mit dem Werk.
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Atmo
140 Flur / Fotoarchiv
Sprecherin
München, Zentralinstitut für Kunstgeschichte.
Atmo / O-Ton 141 Fotoarchiv
Klingen: Also das ist jetzt die sogenannte NS-Kunstsammlung…
Erzähler
Keine zwei Kilometer entfernt öffnet Stephan Klingen, Leiter der Photothek,
im Keller dunkelgrüne Schuber.
Atmo / O-Ton 142 Klingen
Wir reden hier von ungefähr 12-13000 Aufnahmen.
143 Fotoarchiv
Ja, und es handelt sich um Fotografien…
O-Ton
144 Fuhrmeister
Also wo man auch buddelt und gräbt, kommt man auf Dinge, die den
bisherigen Deutungsrichtungen der Kunstgeschichte widersprechen.
Erzähler
Klingen und Kollege Christian Fuhrmeister beschäftigen sich intensiv mit
Nazikunst. Nicht nur mit den üblichen Verdächtigen.
O-Ton
145 Klingen
Es hilft nichts, die einfach in den Keller zu sperren und so zu tun…
Fuhrmeister und Klingen: Als hätt‘s das nicht gegeben. Genau.
O-Ton
150 Fuhrmeister
Die Vorstellung, es handele sich hier ausschließlich um eine ideologischprogrammatische NS-Kunst, lässt sich nur für einen Bruchteil der Werke
tatsächlich bestätigen. Also der sterbende SA-Mann, Portrait des Führers
und derartige Dinge gibt es, oft auch prominent am Eingang platziert. Dann
folgen aber ganze Enfiladen von Räumen mit Landschaften,
Blumenstillleben, Tierportraits und Genredarstellungen.
O-Ton
151 Hitler 1938
Kraft und Schönheit sind die Fanfaren dieses Zeitalters, Klarheit und Logik
beherrschen das Streben.
O-Ton
152 0:09 Fuhrmeister
Und dann sind wir bei der schwierig zu beantworteten Frage: Wann und
wie ist möglicherweise ein Frühlingszweig faschistisch?
Erzähler
Diese Nazi-Künstler kamen nicht aus dem Nichts,– und verschwanden
auch 1945 nicht einfach. Etliche hatten schon im Münchner Glaspalast
ausgestellt, der 1931 abbrannte. Sie passten sich an. Auch „hinterher“.
Rudolf Bergander etwa, von der DDR mit dem Vaterländischen
Verdienstorden dekoriert, zeigte auf der GDK trommelnde Hitlerjungen.
PPP Seite 17 / 26
O-Ton
153 Klingen
Man findet dieselben Künstler in der Glaspalast-Ausstellung, dann auf den
Großen Deutsche Kunstausstellungen und dann in den
Ausstellungsprojekten der späten 40er, frühen 50er Jahre.
Fuhrmeister: Ja, das läuft einfach durch.
Erzähler
Die zentrale These der Kunsthistoriker: Es gab ihn nicht, den von den
Nazis laut verkündeten Kulturbruch. Stattdessen viel Kitsch und gut
bürgerliche Kontinuität.
O-Ton
157 Fuhrmeister
Erzähler
Ich würde so weit gehen zu sagen: Die Kunstgeschichte hat das von der
NS-Propaganda aufgebaute Bild einer einheitlichen NS-Kunst nur zu gerne
übernommen, weil damit bequeme Schubladen etabliert wurden, die ein
weiteres Nachdenken erfolgreich verhinderten. Und das ist fast immer bis
heute weitgehend noch so.
O-Ton
158 Heinz Wismann Okt 1933
Für uns Künstler hat die Hochzeit des Lebens begonnen.
Dreifacher Jubel
Erzähler
Das Zentralinstitut residiert im ehemaligen „Verwaltungsbau der NSDAP“.
Hier lagerten die Karteikarten der 7,5 Millionen Parteimitglieder . Und nach
dem Krieg von US-Truppen eingesammelte Kunst. Die Eingangshalle steht
jetzt voller Statuen, davor zeichnende Kunststudenten auf Klappstühlen.
Sprecherin
Dorfmark, Lüneburger Heide
Atmo
162 Börse Dorfmark
Mann: Die alten Säcke sind dann weg! Weil wir schon über die 70 sind. Vor
ein paar Jahren wurde noch mehr verkauft. Die Leute hatten auch alle
Geld. Aber die jungen Leute haben das Geld nicht so…
Atmo
163 Börse Dorfmark
Händler-Kunden-Gespräch
…auch das HJ, äh, das BDM hat ne Nummer hinten…
Ich hab das ja schon…
Erzähler
Militariabörse in einer Dorfkneipe. Auf langen Tischreihen die übliche Ware.
Und ein Suppenteller vom Reichsarbeitsdienst.
O-Ton
164 Bastler
Das sind Motorabdeckbleche für einen Antriebsmotor, der einen Jumo
Düsentriebwerk startet, von der ME262, von dem ersten deutschen
PPP Seite 18 / 26
Düsenjäger. Das sind die Blechabdeckungen. Und ich restauriere gerade
den Motor.
Erzähler
Und dort, hübsch poliert, eine Art Werkzeugkasten.
Atmo (Forts.)
(0:15) Feldbesteck. Da ist manche Amputation mit durchgeführt worden.
Erzähler
Funkelnde Sägen, Zangen, ein Beil.
Atmo (Forts.)
(0:26) Hier sind die Skalpelle, sind auch noch scharf wie Sau.
Erzähler
Zwei Händler erörtern die politische Lage.
Atmo/O-Ton
166 Mann 1: Den zeig ich‘s mal. Bei der Wahl stell ich mich diesmal
dahinter und achte mit drauf wie gezählt wird. Nicht, dass da so ein grüner
Bandit sitzt und vergisst andauernd AfD. Das mach ich!…
Erzähler
Alle, die er kenne, sagt der Händler, wählten AfD. Auch seine Söhne und
die fünf Enkel.
O-Ton
167 Erwin Guido Kolbenheyer
Alle diese Worte müssen jetzt schweigen vor diesem einem Worte der
Berufung unseres Volkes: Schutz und Schirm des Abendlandes zu sein.
Atmo/O-Ton
168
Ich hab noch ein paar schwarze Dolche – Waffen-SS, hab ich noch. Die
geb’ ich auch nicht weg. Das Böse wird immer am höchsten gehandelt. Das
Fünffache, Zehnfache. Weil es was böses war. Weil es begehrter ist –
seltener, begehrter – interessant. Naja, es waren ja nun mal so
Eliteeinheiten…
Erzähler
„Die Besten“, sagt er, „sind ja alle weg.“
Der Saal riecht wie ein muffiger Keller.
Atmo
180 Bus
Ansage: Nächste Haltestelle Pinakothek, Stimmen in div. Sprachen
Sprecherin
München, Neue Pinakothek
O-Ton
172 Berichterstatter:…Denn in ihr sollen sich kriegerische und musische
Klänge vereinen, die Einheit zwischen Kunst und Krieg, wie sie heute
tatsächlich besteht, aber auch die Einheit zwischen der Weltanschauung …
O-Ton
181 Kase
Für mich ist das alles nicht Erinnerung, sondern Geschichte. Insofern hab
ich vielleicht einen etwas neutraleren Zugang.
Erzähler
Kurator Oliver Kase hat sich 2015 an einer kleinen Präsentation von
Nazikunst versucht: „GegenKunst“. Eine Versuchsanordnung.
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O-Ton
182 Kase
Also wir sehen zwei monumentale Figuren – eine unbekleidete Frau, einen
unbekleideten Mann. Er steht hinter ihr, sie schmiegt sich rückwärts an ihn,
während sie ihren Kopf an seinen Kopf zurücklegt.
Erzähler
Thoraks „Zwei Menschen“ von 1941. Karara-Marmor.
O-Ton
183 Kase
Was man hier ganz schön sieht: Wir haben am Anfang gedacht, das seien
irgendwelche Beschädigungen, die bei der Aufstellung oder bei der
Produktion entstanden sind. Aber das ist Maschinengewehrbeschuss, also
das sind Einschusslöcher von einer amerikanischen MP.
Erzähler
An der Wand Adolf Zieglers „Die vier Elemente“. Ein Triptychon, das vier
nackte Frauen zeigt – nordisch, blond, makellos.
O-Ton
185 Kase
Die Körper sind identisch. Das ist quasi der Idealkörper mit der Idealbrust.
Erzähler
Das Werk hing nebenan im Führerbau über dem Kamin.
O-Ton
186 Kase
…und auf der ersten Großen Deutschen Kunstausstellung hatte das quasi
die wichtigste Position, im Großen Saal.
Erzähler
Ziegler war Top-Funktionär im Nazi-Kunstsystem. Präsident der
Reichskunstkammer. Dann sank sein Stern. Kurzzeitig saß er wegen
„Defätismus“ in Dachau. Goebbels notierte 1943:
Sprecher
„Schlechter Maler, unfähiger Tropf, feiger Wicht.“
O-Ton
187 Ausstellungsbericht 1944
Soldat: Jeder meiner Kameraden, der diese Bilder sähe, wäre sicher
genauso begeistert wie ich. Sie sind und werden bestimmt Dokumente
bleiben.
O-Ton
188 Kase
Es gab im Vorfeld Bedenken, dass Lieschen Müller in die Ausstellung geht
und sagt: Endlich sieht man mal wieder schön gemalte Menschen und
schön gemalte Körper. Und nicht diesen Kram, den keiner erkennen kann–
also Beckmann und Bacon.
O-Ton
189 Junge Besucherin
Ich find‘s halt langweilig, sagen wir‘s so. Es ist nichts spannendes. Es ist
sehr…, so seichte Kunst. Man geht dran vorbei und denkt aber nicht weiter
darüber nach. Man vergisst es recht schnell wieder.
Erzähler
Die junge Frau dreht sich zum Triptychon "Kreuzigung" von Francis Bacon
um, das Gegengift gegenüber – aufgeplatzte, geschändete Leiber.
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O-Ton
192 Junge Besucherin
Ich find’ sowas viel aufregender.
Erzähler
Auch Max Beckmanns „Versuchung“ muss gegen die NS-Kunst antreten.
Und die Bronzeskulptur „Der neue Mensch“ von Otto Freundlich, 1943 in
Majdanek ermordet. Sie prangte 1937 auf dem Katalog zur Femeschau
„Entartete Kunst“. Organisiert von: Adolf Ziegler. Zieglers Bild, findet Kase,
sei unserem zeitgenössischen Kitsch beunruhigend nah.
O-Ton
194 Kase
Ich glaube, das Bild interessiert uns auch deshalb – oder verstört uns
deshalb, weil es gar nicht so weit weg ist von der Fotografie, die wir aus der
Werbeindustrie heute kennen, aus der ganzen Fitnessindustrie, aus diesen
ganzen Fotos, die auf eine ähnliche Art und Weise prüde und verklemmt
sind, gleichzeitig solche Idealkörper zur Schau stellen.
Musik
O-Ton
200 Goebbels 1938
Der Führer liebt die Künstler, weil er selbst ein Künstler ist.
O-Ton
201 Fuhrmeister
Also Hitler hat als Postkartenmaler sein Geld verdient. Von daher reden wir
von einer Massen- und Serienproduktion mit bekannten Motiven. Und diese
kleinen Blättchen sind künstlerisch, glaube ich, einigermaßen irrelevant.
Erzähler
Hitler geht immer. 1983 druckte der "Stern" sogar seine Tagebücher. Sie
waren gefälscht.
Sprecherin
München, April 2016
O-Ton
252 Korte
Es gibt nichts, keinen ersten Weltkrieg, kein Mauerbau, keine Kuba-Krise,
kein was-auch-immer, was auch nur zusammen annähernd so sexy ist wie
die Nazizeit.
Erzähler
Kunstfahnder Willi Korte ist eben gelandet. Aus Washington. Packt im
Zentralinstitut für Kunstgeschichte Mitbringsel aus: Jelly Beans.
O-Ton
253 Korte
Die Faszination hat, glaube ich, auf der einen Seite etwas zu tun mit dieser
Bewunderung der vermeintlichen Omnipotenz der Nazis.
Erzähler
Korte – Jurist, Politologe und Historiker – sucht seit den 1980er Jahren
Beutekunst. Durchwühlt Archive, befragt Zeitzeugen. Kennt Sammler,
Händler, Schmuggler, Künstler, Diebe. Die USA, spottet er, seien der Top-
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Markt für „tauendjährige Devotionalien“. Selbst bei Weltkriegsteilnehmern
gebe es eine fast schon naive Bewunderung für die Nazis.
O-Ton
255 Korte
da denkt man ja manchmal: Irgendwie scheint der auf der falschen Seite
gekämpft zu haben.
Erzähler
Seine Mutter kam aus Breslau, der Vater floh von Dresden nach Bayern.
Vor dem Krieg besaß er eine Gold- und Silberscheideanstalt, das letzte
Edelmetall vergrub er vor den Russen. Es gab eine Schatzkarte.
O-Ton
256 Korte
Und ich durfte also nie Richtung Osten reisen, weil mein Vater überzeugt
war, man würde mich kidnappen und als Gegenleistung müsste er die
Schatzkarte ausliefern.
Erzähler
Ende 1989 ist er schließlich rüber. Machte sich bei Nacht mit Spaten und
Metalldetektor über ein Wochenendgrundstück bei Pillnitz her.
O-Ton
257 Korte
Es kamen dann ein paar Konservendosen dabei heraus.
O-Ton
258 Korte
Von daher hab ich eine Beziehung zu Dingen, die verloren gegangen sind.
O-Ton
259 Korte
Ich bin nicht unbedingt versessen, es zu finden, aber ich will dann
zumindest die Geschichte zusammensetzen – über den Verlust.
Erzähler
Manchmal schaut er auf die Webseiten der Auktionshäuser.
O-Ton
260 Korte
Die Russen haben die Akten verfeuert, damit’s ihnen warm wird und die
Amerikaner haben die Autographen aus den Akten herausgezogen.
Erzähler
Eine Goebbels-Unterschrift bringt dort 500 bis 1000 Dollar.
O-Ton
261 Korte
Es werden ja nicht nur Autographen verkauft von Goebbels, Himmler,
Göring oder wie sie alle heißen, sondern ja auch Mengele- – sozusagen –
Memorabilia, aus Auschwitz.
Erzähler
Und Hitler – läuft immer besser. In England, den USA, in Frankreich
kommen ständig Bilder, Fotoalben und „persönliche Ausgaben von „Mein
Kampf“ auf den Markt. Hitler boomt.
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O-Ton
262 005: Korte
Die Händler rechtfertigen das dann auch damit, dass sie sagen: Wir haben
auch viel jüdisches Publikum.
Musik
O-Ton
205
Am Wochenende wurde in Nürnberg ein Aquarellbild von Adolf Hitler
versteigert. Für unglaubliche 130 000 Euro…
Sprecherin
Nürnberg, Albrecht-Dürer-Platz
O-Ton
210 Kerstin Weidler im Lift (perfekte Akustik) nur kurz!
Vorsicht, Lichtschranke. Automobile, KFZ, Schmuck, Armbanduhren, da
gibt es Sammler, Gold, Münzen, Pelze, Bücher, Bestecke, moderne…
Erzähler
Das Auktionshaus Weidler ist ein Familienunternehmen. 1700
Quadratmeter, gefüllt mit Porzellan, Möbeln, Nippes.
O-Ton
211 Kerstin Weidler
Ich bin Kerstin Weidler, öffentlich bestellte und vereidigte Auktionatorin, und
arbeite im Auktionshaus Weidler, das meine Eltern gegründet haben.
Erzähler
Sie ist Anfang 30. Hin und wieder hat sie einen Hitler unterm Hammer.
O-Ton
212 Kerstin Weidler
Das erste Bild, das wir in der Versteigerung hatten, war im Jahre 2004. Und
hat schon damals… ja, das Interesse der Kunden war auch in den Medien
sehr breit vertreten dann.
Erzähler
2009 haben die Weidlers wieder zwei Hitler verkauft – "Gehöft" und
"Hofanlage am Fluss". Erzielter Gesamtpreis: 32.000 Euro. Ende 2014 kam
hier ein dritter Schwung auf den Markt. Zur Freude des Auktionshauses.
Und zweier Schwestern aus Hessen.
O-Ton
213 Kerstin Weidler
…nämlich ein Bild, das mit der Originalrechnung der Galerie angeboten
wurde und einen Welthöchstpreis von 130 000 Euro erzielt hatte.
Erzähler
25 Bieter aus neun Ländern steigerten mit.
O-Ton
214 Kerstin Weidler
Es gibt sehr viele Personen, die investieren möchten. Die mal aus der
Weltgeschichte was ganz anderes besitzen möchten.
Erzähler
Im Februar 2016 gab es 28 Hitler in Nürnberg, Motive wie „München
Standesamt“ oder "Burg Neulengbach“, auch ein „Hirsch im Wald“. Alle
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weg. Die Leute, sagt Frau Weidler, legen sich das in den Tresor. Hoffen,
dass es mehr Rendite bringt als das Sparkonto.
O-Ton
217 Kerstin Weidler
Also, wir hatten einen Freiverkauf, der umfasste…
…acht Bilder.
Erzähler
Sie hat schon wieder neue. Holt einen Pappkarton aus einem Lagerraum.
O-Ton
218 Kerstin Weidler
Das ist jetzt ein Bild… die… Blättern … das Haus am Wasserfall. Das hat
jetzt noch ein Gutachten von Professor August Priesack. Er ist Mitredakteur
beim Werkkatalog von Billy S. Price gewesen.
Erzähler
Der Katalog "Adolf Hitler als Maler und Zeichner“ erschien 1983 in der
Schweiz. Darin 800 Werke. Insgesamt könnten es 4000 sein.
O-Ton
219 Kerstin Weidler
Der Maler hat sich nicht auf einen Stil festgelegt.
Erzähler
Sein „Haus am Wasserfall“ zeigt ein Gebäude vor Bergen, mit Wolken,
Wald und Wasserfall.
O-Ton
221 Kerstin Weidler
18 500 Euro.
Erzähler
Die „Wiener Periode“: Hier eine Kirche, Aquarell auf Papier, 1907. Taugt als
Postkarte. Und das Ratzenstadl.
Bringt schon über 10 000 Euro. Wäre es nicht von Hitler, brächte es
höchstens zehn. Die Kundschaft kommt aus dem Nahen Osten, aus
London und New York.
Erzähler
Finden die Käufer Hitler toll?
O-Ton
224 Kerstin Weidler
Nein.
Erzähler
Und Sie?
O-Ton
225 Kerstin Weidler
Wir haben uns insofern damit auseinandergesetzt, dass wir sagen: Die
Bilder sind nun mal da. Wir haben Kunden, die diese Werke abgeben
möchten und denen es dringend daran gelegen ist, sie über unser Haus zu
versteigern. Und demnach haben wir Kunden, die auf der Suche sind,
Bilder dieses Malers zu kaufen, Somit stehen wir dazwischen. Und da
natürlich, auch in der Politik, überall Hinterlassenschaften aus dieser Zeit
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sind, und somit sehen wir es als einen Teil, seinen künstlerischen Nachlass
bearbeiten zu müssen und damit auch zu wollen, weil: Es muss ja einer
auch machen. Und der Schaden, den er versucht hat, der ist natürlich nach
wie vor… unglaublich.
Musik
O-Ton
232 Mann2
Hier ham wer noch ‘n Olympiade-Halskreuz, 2800, Olympiade ’36…
Sprecherin
Ebernhahn, Westerwald.
O-Ton
234 Schäfer(sehr leise) Bevor das nachher veröffentlicht wird, ist da die
Möglichkeit, dass ich da eventuell vorher mal irgendwie…
Erzähler
Die Militariabörse ist in vollem Gang, der Reporter gerade fertig, da kommt
Herr Schäfer mit einer Bitte.
O-Ton
236 dass ich mir das mal anhören kann. Weil ich möcht’ da schon mein OK
zu geben. Das Recht am gesprochenen Wort liegt ja…
Erzähler
Er möchte alle Aufnahmen hören, bevor sie gesendet werden.
O-Ton
237 …dann möcht’ ich sie bitten, die Halle zu verlassen und gehe dann
zum Rechtsanwalt…
O-Ton
238 … ich spreche jetzt als Vorsitzender des Geschichtsvereins…
Erzähler
Das Angebot, ihm seine Äußerungen vorher zu zeigen, kann ihn nicht
umstimmen.
O-Ton
239
…dann gebe ich Ihnen Hausverbot und und und und verbiete Ihnen wirklich
den Bericht … hier irgendwas von der Börse zu berichten. Und wenn sie
dagegen verstoßen, kommt direkt halt Post vom Anwalt…
Erzähler
Die Sache eskaliert. Er will das Aufnahmegerät.
O-Ton
240
Die Anlage jetzt hier, die nehm’ ich jetzt ab Knacken. Ich möchte bitte, dass
Sie mir die Anlage jetzt geben.
Erzähler
Er bekommt sie nicht.
O-Ton
241 Ja, dann hol ich die Polizei jetzt, dass die Polizei ihnen das
beschlagnahmt.
Musik
PPP Seite 25 / 26
Erzähler
Der tollste Erfolg des Kunstjägers Korte: Im Schließfach eines Ex-Leutnants
in Texas hob er den mittelalterlichen Domschatz von Quedlinburg.
O-Ton
264 Korte
Damit wurde ich ja irgendwie zum Held des Vaterlands, weil ich den bösen
Amerikanern einen wertvollen Kulturschatz wieder abluchse und in die
Heimat zurückführe.
Erzähler
Seither melden sich immer wieder alte Kameraden bei ihm, die von
Geheimdepots rund um den Obersalzberg erzählen und heiße Tipps geben
über den Verbleib des Bernsteinzimmers.
O-Ton
265 Korte
Das ist natürlich auch viel Unsinn auch dabei und wilde Phantasie. Aber ich
glaube schon, das man sich an diese Objekte und die Geschichten zu den
Objekten geklammert hat, weil eben alles andere ja nun einem sozusagen
durch die Hände geglitten ist. Man hat ja dummerweise den Krieg nun
verloren.
Erzähler
Den Sammlern, glaubt Korte, geht es eher um die Sinnlichkeit des Relikts.
O-Ton
271 Korte
…dann wollen sie natürlich was anfassen, wo sie sagen: Also gut, das
stand auf dem Kaffeetisch vom Führer.
O-Ton
272 Korte
Und dieser Mythos (lacht) genau: Mythos… ich glaube, da hofft so mancher
Sammler, dass dann auf ihn noch ein bisschen was davon abfällt, indem er
dann Objekte in seinem Umfeld hat, die er… Also man kennt das ja, nicht?:
Wir berühren das dann. Aladins Wunderlampe sozusagen, nicht?
Irgendwas ist damit verbunden, was sonst kein anderer hat.
O-Ton
274 0:04 Korte
Ja, hatte schon die Qualität von Reliquien, würd’ ich mal sagen.
Musik
Basslauf
Erzähler
Wie es der Zufall will, kommt im April 2016 bei Hermann Historica das
Auktionslos 7995 unter den Hammer:
Sprecherin
SS-Ehrendolch M 34 mit Himmler-Widmung. Klinge mit Devisenätzung
"Meine Ehre heißt Treue"… und Widmung "In herzlicher Kameradschaft
Heinrich Himmler". Schwarzer Holzgriff mit eingelegtem Neusilberadler und
emailliertem SS-Emblem.
Sprecher
Für 5 000 Euro
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Erzähler
Wie auch eine Hummerschere Hitlers. Dazu sechs Servietten und ein
Tischdecke des Führers.
Sprecherin
Das Tischtuch aus cremefarbenem Leinen, durchbrochener Zierrand,
reliefiert gestickter Hoheitsadler mit den Initialen Adolf Hitlers "AH".
Erzähler
Schätze aus der Sammlung Wilson, Kansas City. Ebenfalls im Angebot:
Breker, Thorak. Und der Marschallstab des Generalfeldmarschall Erhard
Milch, gespickt mit Adlern und Hakenkreuzen. Zuschlagspreis: 310 000
Euro.
Musik
Zarah Leander Davon geht die Welt nicht unter
O-Ton
016 Goebbels Die deutsche Kunst ist im Begriff, sich zu einer wirklichen
Darstellung leidenschaftlich bewegter Weltanschauung emporzuheben.
Sprecher
Panzer, Pferde, Patrioten.
Der unheimliche Reiz von Nazi-Kitsch und -Kriegsgerät.
Feature von Tom Schimmeck.
Es sprachen: Martin Rentzsch, Fiona Metscher, Glenn Goltz
Ton und Technik: Wolfgang Rixius und Angelika Brochhaus
Regie: Matthias Kapohl
Redaktion: Tina Klopp
Eine Produktion des Deutschlandfunks 2016