Auf zu alten Ufern

US-Operation
AP PHOTO/FERNANDO LLANO
Washington bereitet Intervention
zum Sturz der Regierung Venezuelas
vor. Das Pentagon konzentriert Spezialeinheiten auf einer Militärbasis in
Honduras, die Aktion hat schon einen Namen: »Operation Venezuela
Freedom«. Von Carolus Wimmer
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Schreckenszeit
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In Frankfurt am Main wurde Staatsanwalt Fritz Bauer mit einem
Gedenkstein geehrt
Polen: Behörden gehen mit Festnahmen und Durchsuchungen gegen
Linke und »Prorussen« vor
Die Kontrolle von Studiengängen
wurde privatisiert. Professoren
fordern Rückgängigmachung
Vor 75 Jahren eroberten die deutschen
Faschisten die griechische Insel
Kreta. Von Martin Seckendorf
NATO-Stern über Podgorica
TOMMY DESMET/DPA-BILDFUNK
fortgesetzt: Montenegro wird
EPA/OLIVIER HOSLET/DPA-BILDFUNK
Osterweiterung westlicher Kriegsallianz
29. Mitgliedsstaat. Von Roland Zschächner
Ägyptisches Flugzeug
abgestürzt
Gute Miene zum bösen Spiel: Die Eroberer und der Vertreter der Neuwerbung (5.v.l.) am Donnerstag in Brüssel
U
nd da waren es 29: Am Donnerstag haben die Außenminister der bisher 28 Mitgliedsstaaten der NATO in Brüssel das Protokoll für den Beitritt von Montenegro zur
westlichen Kriegsallianz unterzeichnet.
Der montenegrinische Ministerpräsident Milo Djukanovic war für seine Unterschrift extra angereist. Die ehemalige
jugoslawische Republik kann zukünftig
als Beobachter an allen Sitzungen des
Bündnisses teilnehmen. Bis sie vollständig aufgenommen ist, muss das Dokument noch von allen NATO-Ländern
ratifiziert werden.
Noch vor 17 Jahren war Montenegro
selbst Opfer der NATO-Aggression gegen die damalige Bundesrepublik Jugoslawien gewesen. Am 30. April 1999
bombardierte die Kriegsallianz das
Dorf Marino. Sechs Menschen wurden
damals ermordet und zwölf verletzt.
Mit der Aufnahme des Balkanlands
drängt die NATO weiter Richtung
Osten. Podgorica pflegte lange Zeit gute Beziehungen zu Moskau. Damit ist
es vorerst vorbei. Wenn am 8. und 9.
Juli die NATO-Mitglieder in Warschau
zusammenkommen, um über den weiteren Ausbau der Truppenpräsenz in
Osteuropa – bis zu vier Bataillone sind
im Gespräch – zu beschließen, wird
auch Montenegro mit am Tisch sitzen.
Russland hat die aggressive Einkreisungspolitik bereits mehrfach scharf
kritisiert.
Im September hatte das Parlament in
Podgorica beschlossen, der NATO beizutreten. Seitdem gab es immer wieder
Proteste gegen diese Entscheidung; die
Opposition fordert unter anderem ein
Referendum über die Mitgliedschaft
in dem westlichen Pakt. Doch die Regierung unter der Demokratischen Partei der Sozialisten (DPS) von Premier
Djukanovic hält an einem Beitritt ohne
Befragung der Bevölkerung fest.
Djukanovic war in der Phase der
kriegerischen Zerstörung Jugoslawiens
in Podgorica an die Macht gekommen
– und hält sich bis heute. Das führte
zu einer Jahrzehnte dauernden Stabilität, die der Westen zu schätzen weiß.
In den 90er Jahren sollen Djukanovic
und seine Clique durch Schmuggel und
andere kriminelle Aktivitäten zu Reichtum gekommen sein. Die von ihm gegründete und gelenkte DPS kann als politischer Arme der montenegrinischen
Mafia bezeichnet werden. Die Proteste
der vergangenen Monate richteten sich
deswegen nicht nur gegen den NATOBeitritt, sondern auch gegen das DPSRegime. Auf Druck der EU einigten
sich die Regierung und einige Teile der
Opposition darauf, im Herbst Parlamentswahlen abzuhalten und zunächst
eine Übergangsregierung zu bilden. Am
Donnerstag wurden dafür drei neue Minister in Podgorica vereidigt.
Aus Brüssel waren unterdessen die
bekannten Töne von »Stabilität und Si-
cherheit auf dem westlichen Balkan«
zu vernehmen. Es sei ein »historischer
Tag für die NATO und Montenegro«,
erklärte der Generalsekretär des Kriegspakts, Jens Stoltenberg, am Mittwoch.
»Es handelt sich um einen weiteren
Schritt der erfolgreichen Politik der Erweiterung von NATO und EU.«
Die Bedingung für die NATO-Mitgliedschaft war die militärische und
außenpolitische Unterwerfung Podgoricas unter das Diktat aus Washington.
Bereits Ende Dezember vergangenen
Jahres wurden den Armeen des westlichen Bündnisses weitreichende Befugnisse auf dem montenegrinischen
Territorium zugesichert. Das betrifft
nicht nur Truppentransporte, sondern
auch den Bau von Militärbasen. Damit
kontrolliert die NATO das komplette
nördliche Mittelmeer und damit wichtige Handels- und Versorgungswege von
und nach Europa.
Siehe Kommentar Seite 8
Auf zu alten Ufern
Brasilien auf Rechtskurs. Außenminister José Serra präsentierte politische Leitlinien
B
rasilien möchte international
alte Allianzen erneuern und
wendet Verbündeten aus der
linken Ära den Rücken zu. In einer Rede
während der Zeremonie zur förmlichen
Amtsübernahme stellte der neue Außenminister des größten südamerikanischen Landes seine politischen Leitlinien für Brasiliens Diplomatie vor.
José Serra zählt zu den namhaftesten
Altpolitikern der Mitte-rechts-Partei
PSDB, welche sich am institutionellen
Staatsstreich gegen die derzeit suspendierte Präsidentin Dilma Rousseff von
der Arbeiterpartei (PT) beteiligte.
Als Kern der neuen Außenpolitik
sieht der Chefdiplomat der Interimsregierung von Michel Temer (PMDB)
die Interessen der Nation und ihrer
Ökonomie. Eine wichtige Rolle soll
der Ausweitung von Märkten zukommen. Die auswärtige Politik soll künftig »Brasilien als Ganzem dienen und
nicht mehr den Überzeugungen und
ideologischen Vorlieben einer politischen Partei und der ihrer Alliierten
im Ausland«. Mit traditionellen Partnern in Europa, mit den USA und
Japan ist geplant, enger zusammenzuwirken. Dabei soll die Beseitigung
von Handelshemmnissen vorangetrieben werden. Das regionale Bündnis
ALBA-TCP wurde von Serra nicht
erwähnt. Eine militärpolitische Komponente findet sich bei ihm unter der
Bezeichnung »Schutz des brasilianischen Territoriums«, begründet mit
der Sicherung der Grenzen zur Bekämpfung des Drogenhandels sowie
von Waffen- und Güterschmuggel.
Die Temer-Regierung sucht den
Schulterschluss mit Argentinien, das
kürzlich ebenfalls eine Rechtswende vollzog. Am kommenden Montag
wird Serra nach Argentinien reisen,
um dort Gespräche mit Vertretern
der Regierung von Präsident Mauricio Macri zu führen. Das Treffen
dient vor allem als politisches Signal
beider Seiten. Buenos Aires hatte
unmittelbar nach der Suspendierung
von Rousseff signalisiert, die TemerEquipe als legitim zu behandeln. Ein
direkter Kontakt auf höchster Ebene
steht aber auch hier noch aus. Die
neuen Machthaber in Brasília sind
international, zumindest vor den Kulissen, isoliert. Temers Telefon steht
weiter still.
Peter Steiniger
Kairo. Ein Passagierflugzeug von
Egyptair mit 66 Menschen an Bord
ist am Donnerstag auf dem Flug
von Paris nach Kairo über dem
Mittelmeer abgestürzt. Trümmer
der Maschine sind laut Fernsehberichten südlich der griechischen
Insel Karpathos gefunden worden.
In griechischen Verteidigungskreisen hieß es, zwei Objekte seien
50 Meilen südöstlich jener Stelle
entdeckt worden, wo das Flugzeug
am frühen Donnerstag morgen von
den Radarschirmen verschwunden
sei. Über die Zahl der Todesopfer
sowie die Ursache des Unglücks
bestand zu jW-Redaktionsschluss
noch Unklarheit. Ein Anschlag sei
als Absturzursache wahrscheinlicher als ein technischer Fehler,
erklärte der ägyptische Luftfahrtminister. Auch der Chef des russischen Geheimdienstes hält laut
der Nachrichtenagentur RIA einen
Anschlag für wahrscheinlich.
(dpa/Reuters/jW)
Mehr Frührentner aus
Gesundheitsgründen
Berlin. Von wegen Rente mit 70:
18,4 Prozent der Neurentner des
Jahres 2014 bezogen eine Erwerbsminderungsrente. Das geht aus der
Antwort der Deutschen Rentenversicherung (Bund) auf eine Anfrage
der Linke-Bundestagsabgeordneten
Sabine Zimmermann hervor. Dabei wurden zuletzt 42,1 Prozent
aller Anträge auf Erwerbsminderungsrente abgelehnt. Bei voller
Erwerbsminderung betrugen die
Einkünfte der Betroffenen 2014
im Schnitt 628 Euro, bei teilweiser
Erwerbsminderung 368 Euro. Beginnt die Zahlung wegen Erwerbsminderung vor dem gesetzlich
festgelegten Rentenalter, müssen
Betroffene Abschläge in Kauf
nehmen, pro Monat des »zu frühen« Bezugs sind das 0,3 Prozent,
insgesamt jedoch höchstens 10,8
Prozent. Zimmermann forderte die
Abschaffung der Abschläge.
(dpa/jW)
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