Wir grüßen alle Teilnehmer des 67. Sudetendeutschen Tages in Nürnberg Sudetendeutsche Zeitung Neudeker Heimatbrief Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft Reicenberger Zeitung 155. Jahrgang HEIMATBOTE Jahrgang 68 | Folge 19 | 2,80 EUR · 75 CZK | München, 13. Mai 2016 VOLKSBOTE Postvertriebsstück · Deutsche Post AG · Entgelt bezahlt Sudetendeutsche Verlagsgesellschaft mbH · Hochstraße 8 · D-81669 München · eMail [email protected] B 6543 � Nürnberg–Prag und zurück Unsere Goldene Straße S udetendeutsche Tage in Nürnberg sind immer etwas ganz Besonderes. Schon durch ihre geographische und kulturelle Nähe zu Böhmen, Mähren und Sudetenschlesien übt die alte Reichsstadt an der Pegnitz auf unsere vertriebene Volksgruppe eine tiefe Anziehungskraft aus. Heute nutzen auch immer mehr tschechische Gäste die relativ kurze Distanz zum Nürnberger Messegelände, um bei uns aus den Gemeinsamkeiten, die wir über die Vertreibung hinübergerettet haben, etwas Neues über die eigenen Wurzeln zu erfahren. Diese innere Verbundenheit zwischen den beiden Sprachgruppen der Böhmischen Krone und den gastfreundlichen Franken ist fest in der Geschichte verankert. Ihr stärkster Ausdruck war die Liebe Kaiser Karls IV. zu den Schwesterstädten Prag und Nürnberg, die in dem wechselvollen Leben dieses Europäers eine zentrale Rolle spielten und deren Antlitz er bis heute prägt. Deshalb ist es eine wunderbare Fügung, daß sein 700. Geburtstag auf dieses Pfingstfest fällt, an dem wir an der Pegnitz zum Sudetendeutschen Tag versammelt sind und an der Moldau die gemeinsame bayerisch-böhmische Landesausstellung über diesen Sohn eines Luxemburgers und einer tschechischen Přemyslidin eröffnet wird. Er legte auf einer älteren Handelsstraße die später nach ihm benannte Via Carolina an, deren Kernstück von Prag nach Nürnberg als „Goldene Straße“ bekannt wurde. Mindestens zweiundfünfzigmal reiste er, meist mit großem Gepränge, auf diesem Weg hin und her. Bis der da- Kulturminister Daniel Herman wird beim Sudetendeutschen Tag in Nürnberg für die tschechische Regierung sprechen. mals oberste Repräsentant des la Marksová-Tominová, die auch von Bernd Posselt Abendlandes diese Verbindung am Marienbader Treffen des SuSprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe zu einer sicheren und bequedetendeutschen Rates teilnahm, men politischen und Handelsdie Gedenkrede für das Wiesbaroute ausbaute, hatte es dort vie- Nečas in München war vieler- und sudetendeutsche Aktivisten dener Abkommen, das Sudetenle Übergriffe und Räuberei ge- lei geschehen: Der Freistaat folg- gemeinsam mit der Stadt Brünn, deutsche und Exiltschechen nach geben. Doch konnte seinerzeit te dem Beispiel seines Vierten die in einem Gemeinderatsbe- dem Zweiten Weltkrieg mit dem niemand ahnen, daß im 20. Jahr- Stammes und errichtete in Prag schluß Vertreibung und Kollek- Ziel der Versöhnung und der Behundert Nationalismus, Natio- ein Verbindungsbüro. Die Kul- tivschuld verurteilte, einen Frie- freiung vom Kommunismus abnalsozialismus, Vertreibung, turminister beider Länder schlos- dens- und Lebensmarsch. Da- geschlossen hatten. Kommunismus und EiDa die Sozialministeserner Vorhang trennen rin, die eng mit unsewürden, was seit dem rer bayerischen Schirmherrschaftsministerin Mittelalter spürbar zuEmilia Müller und desammengehörte. eute ist es unsere ren Staatssekretär JoAufgabe, eine neue hannes Hintersberger Goldene Straße zu bauzusammenarbeitet, Soen. Dabei geht es nicht zialdemokratin ist, Vium die endlich fertigzepremier Bělobrádek gestellte Autobahn „Via als Chef der ChristdeCarolina“ und nicht einmokraten fungiert und mal um die überfälliOberbürgermeister Petr ge Verbesserung der Vokřál von Brünn Stellnach wie vor skandalös vertretender Vorsitzenschlechten Zugverbinder der neuen Partei dungen. Auch die WirtANO ist, läßt sich festschaft hat sich längst stellen, daß alle drei wieder ihren Weg geKräfte, die die Koalitibahnt. Die Goldene onsregierung in Prag Straße des 21. Jahrhun- Das Wenzelschloß in Lauf an der Pegnitz im einstigen Neuböhmen an der Goldenen Straße von bilden, aktiv an der VerBild: Rainer Lippert ständigung derts muß jedoch zual- Nürnberg nach Prag. beteiligt lererst die Menschen sind. Dabei werden sie sen unter maßgeblicher Mitwir- mit wandte sich die zweitgrößte ausdrücklich von der von Fürst verbinden. Ein wesentlicher Beitrag dazu kung der Sudetendeutschen ein Kommune der Tschechischen Karl Schwarzenberg gegründekann dieser 67. Sudetendeutsche Kulturabkommen zur Bewah- Republik auf spektakuläre Weise ten Oppositionspartei TOP 09 soTag sein. Zum ersten Mal hatte rung und Fortentwicklung des gegen den berüchtigten Todes- wie von den Grünen unterstützt. eine tschechische Regierung den gemeinsamen Erbes. Die beiden marsch, dem die Brünner Deut- Der Vorsitzende der nationalliMut, uns den Besuch eines ih- Museumsprojekte in Aussig und schen vor 70 Jahren ausgesetzt beralen Oppositionskraft ODS, rer Minister anzukündigen. Kul- München, die sich der sudeten- waren. Petr Fiala, tut dies ebenfalls, wie turminister Daniel Herman, ein deutschen Kultur und GeschichVizepremier Pavel Bělobrádek er in einem Schreiben anläßlich gläubiger Christ, der sich seit te widmen, wurden als Leucht- und sein Stellvertreter im Mini- des Sudetendeutschen Tages Jahrzehnten um Versöhnung turmprojekte miteinander part- steramt, Arnošt Marks, kamen im jetzt in Nürnberg verdeutlichte. in wichtiger Meilenstein und Verständigung verdient ge- nerschaftlich verknüpft. Juli nach München und legten im im Dialogprozeß war AnAls der Stellvertretende Pre- Sudetendeutschen Haus Blumen macht hat, soll ganz offiziell bei der Hauptkundgebung das Wort mierminister der Tschechischen für die Opfer der Vertreibung fang diesen Jahres der offizielergreifen. Wenn das Wirklich- Republik, Pavel Bělobrádek, vor nieder – eine ergreifende Geste, le Besuch des tschechischen Prekeit wird, haben Tschechen und einem Jahr mit einer Videobot- der ich gemeinsam mit Bayerns miers Bohuslav Sobotka bei seiDeutsche, vor allem aber Tsche- schaft die Teilnehmer des 66. Kultusminister Ludwig Spaen- nem bayerischen Kollegen Horst chen und Sudetendeutsche, wie- Sudetendeutschen Tages grüß- le beiwohnen konnte. Im selben Seehofer, bei dem es zu mehreder einen wichtigen Schritt auf- te, glaubte mancher noch, vor ei- Monat stand ich mit heimatver- ren sehr offenen Begegnungen nem baldigen Rückschlag war- bliebenen und heimatvertriebe- mit den sudetendeutschen Reeinander zu getan. eit dem Pfingsttreffen im letz- nen zu müssen. Zur Verblüffung nen Landsleuten sowie der Aus- präsentanten kam. Unmittelbaten Jahr hat die Entwicklung nationalistischer Kräfte sprachen siger Oberbürgermeisterin Věra re Folge dessen ist, daß zahlreides Verhältnisses ein bislang so sich bei einer Internet-Umfrage Nechybová auf der Elbebrücke in che tschechische Politiker dieses nicht vorstellbares Tempo ange- einer der größten tschechischen Aussig, wo wir im Gedenken an Pfingstwochenende nicht nur bei nommen. Als Frucht der beiden Tageszeitungen mehr als 70 Pro- die Sudetendeutschen, die dort der Prager Eröffnung der AusBesuche, die ich mit Horst See- zent der Leser mit einem po- vor 70 Jahren massakriert wor- stellung über Karl IV., sondern hofer, unserem Schirmherrn, in sitiven Votum für dieses Signal den waren, Blumen in den Fluß auch auf dem Sudetendeutschen Böhmen machen konnte, und der aus. Bereits vierzehn Tage nach warfen. Im Hessischen Landtag Tag verbringen, während Horst Gegenvisite des damaligen tsche- Pfingsten 2015 veranstalteten in Wiesbaden hielt die tschechi- Seehofer mit einem Teil der SLchischen Premierministers Petr mehr als tausend tschechische sche Sozialministerin Michae- Führungsspitze umgekehrt nach H E S Prag und wieder zurück nach Nürnberg pendelt. Beide Ereignisse zeigen einer breiten Öffentlichkeit, wie tief wir einander in der Geschichte verbunden waren, wie schmerzlich die Brüche sowie das Unrecht des 20. Jahrhunderts diese Verbindungen zerstört haben und wie fest wir entschlossen sind, trotz nach wie vor vorhandener Probleme einen ehrlichen Dialog zu suchen. Dem entspricht auch unser diesjähriges Motto „Sudetendeutsche und Tschechen – Dialog verpflichtet“. bwohl es noch sehr viel zu tun gibt, soll denen einmal gedankt werden, ohne die sich die jüngsten Entwicklungen nicht hätten anbahnen lassen. Dies sind die mutigen Vorkämpfer auf beiden Seiten, die sich von Nationalisten, auch jenen im jeweils eigenen Lager, niemals haben vom geduldigen Streben nach Ausgleich abbringen lassen. Vertriebene der Erlebnisgeneration, die Augenzeugen von Vertreibungsverbrechen an den eigenen Angehörigen wurden, Tschechen, die unter den Nationalsozialisten litten, Juden wie unser Landsmann Max Mannheimer, der wie durch ein Wunder die Hölle von Auschwitz überlebte, haben auf beeindruckende Weise anderen und insbesondere uns Jüngeren den Weg gewiesen. Unsere Landsmannschaft hat durch intensive Arbeit sowie durch einen zuweilen mühsamen Reformprozeß ihren Anteil geleistet und wird dies weiter tun, damit endlich die jahrzehntelangen Verkrustungen und Verhärtungen durchbrochen werden. Jene, die schon unmittelbar nach Kriegsende dafür gesorgt haben, daß sich unsere Volksgruppe sowohl die Versöhnung als auch den Kampf gegen jedes Unrecht auf die Fahnen schrieb, haben an der neuen Goldenen Straße bereits mitgebaut, als die meisten Menschen sie noch für eine Fata Morgana hielten. Ihr visionärer Mut kann uns heute die Kraft geben, konsequent weiterzugehen. O n Mehr zum Thema auf Seite 2 � Johannes Hintersberger und Bernd Posselt in Böhmen Dialog mit der Volksgruppe Bei ihrer ersten gemeinsamen Böhmen-Fahrt besuchten Staatssekretär Johannes Hintersberger vom bayerischen Schirmherrschaftsministerium und der Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, Bernd Posselt, Zentren der heimatverbliebenen Deutschen im Iser- und Erzgebirge sowie im Egerland. I m Reichenberger Rathaus wurden sie von Oberbürgermeister Tibor Batthyány herzlich und freundschaftlich empfangen. Das Stadtoberhaupt verwies auf die deutsche Kultur und Geschichte der nordböhmischen Metropole, die in deren architektonischem Erbe, aber auch in der lebendigen Zusammenarbeit zwischen deutscher Minderheit, Heimatkreis und der jetzigen tschechischen Mehrheitsbevölkerung zum Ausdruck komme. Er erörterte mit den Besuchern verschiedene Beispiele gelungener grenzüberschreitender Kooperation. Sowohl Hintersberger als auch Batthyány betonten, wie wichtig gerade der Austausch unter den Schulen sei. „Wir müssen die Jugend zusammenführen – das ist ein Schlüssel für den künftigen Erfolg beider Länder. Gemeinsame Kulturveran- staltungen, der Sport und Praktika im jeweils anderen Land können zum engeren Miteinander wesentlich beitragen“, hob Hintersberger hervor. Die hohe Bedeutung der frühen Vernetzung von schulischer und beruflicher Ausbildung war ebenso Thema des Gesprächs zwischen Hintersberger, Batthyány und Posselt wie die Aktivitäten der Sudetendeutschen Landsmannschaft in der Region Reichenberg, die schon unmittelbar nach der Wende vom kürzlich verstorbenen Oskar Böse, damals Heimatkreisbetreuer, und von dem heimatverbliebenen Erwin Reichenberg: Oberbürgermeister Tibor Batthyány (Mitte) empfängt die Gäste im Rathaus: Monika Spalenska, Krista Blaževičová, Erwin Scholz, Bernd Posselt, Johannes Hintersberger, Hans Pieke, Věra Straková und Urd RotheSeeliger. Scholz initiiert worden waren. Alle Gesprächsteilnehmer – unter ihnen die zuständigen Referats- leiter der Stadt Reichenberg, die Führungspersönlichkeiten des Deutsch-Tschechischen Begeg- nungszentrums in Ruppersdorf sowie Urd Rothe-Seeliger und Hans Pieke aus Waldkraiburg, die den Heimatkreis vertraten – sahen in dem im letzten Jahr abgeschlossenen bayerisch-tschechischen Kulturabkommen eine gute Grundlage für eine Intensivierung der kulturellen Kooperationen. Gemeinsam mit dem Sprecher der Volksgruppe besuchte Hintersberger auch das Begegnungszentrum der deutschen Minderheit in Reichenberg und die „Galerie Verständnis“ in Gablonz-Reinowitz. „Die deutsche Lesen Sie weiter auf Seite 3
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