Schattenblick Druckausgabe

Neueste tagesaktuelle Berichte ... Interviews ... Kommentare ... Meinungen .... Textbeiträge ... Dokumente ...
MA-Verlag
Elektronische Zeitung Schattenblick
Freitag, 13. Mai 2016
BÜRGER / REPORT
Heiße Nebel, kalte Dämpfe ...
TTIP Nein danke - Innovativverwertung humaner Ressourcen ... (2)
'Eyes Wide Open' von Barbara Schmidt­Rohr
oder wie ich in der Dunkelheit Farben, nicht aber ihre Schönheit fand
Solidarität mit dem Globalen Süden
Demonstration gegen TTIP am 23.
April 2016 in Hannover
Uraufführung und Premiere am 11.05.2016 auf Kampnagel in Hamburg
(SB) ­ Wo Wirtschaft und Banken mit
Steuermitteln vor dem Zusammen- "Hereinspaziert, gleich hier. Kommt rein, ihr könnt es ruhig berühren.
bruch gerettet und die Krisenstaaten Schmeckt ihr es? Könnt ihr es riechen? Willkommen in meiner Welt."
der europäischen Peripherie mit Hilfe von Schuldendiktaten der deutschen Hegemonie unterworfen werden, bleibt wenig Geld für die Befriedung innerer Widersprüche übrig. Das Zeitalter der Klassenkompromisse, die jeden Versuch, aus der
kapitalistischen Eigentumsordnung
auszubrechen, verhindern sollten, ist
vorbei. Das alleinige Übrigbleiben
der kapitalistischen Staatenwelt hat
die Durchsetzung einer Weltwirtschaftsordnung begünstigt, in der das
steile, zwischen Nord und Süd respektive West und Ost verlaufende
Produktivitätsgefälle dauerhaft festgeschrieben werden soll ... (Seite 3)
SPORT / BOXEN
Unspektakulär, aber effizient
Kubrat Pulew zeigt Dereck Chisoras
Grenzen auf
Kubrat Pulew hat sich wie
erwartet den vakanten Titel des
Europameisters im Schwergewicht
gesichert. Der 35jährige Bulgare aus
dem Team Sauerland setzte sich in
der Hamburger Barclaycard Arena
mit 2:1 Wertungen gegen den drei
Jahre jüngeren Briten Dereck
Chisora durch, der ebenfalls bei
Sauerland Event unter ... (S. 14)
(SB) ­
Foto: © 2016 by Jens Hasenberg
So oder so ähnlich hätte es wohl
geklungen, wenn die ersten Minuten der Premiere zu 'Eyes Wide
Open' von den Darstellern kommentiert worden wären. Was an anderen Theaterabenden der Einlass
ist, versetzt einen hier sofort und
recht unvorbereitet mitten hinein in
die Performance. Durch einen Seiteneingang geht es für das Publikum direkt und ohne Worte auf die
Bühne der K1, des kleinsten Theaters auf Kampnagel. Ebenfalls direkt und etwas unvorbereitet trifft
einen hier der bedrückende Anruch
einer Apokalypse. Oder sind es
doch einfach nur ein paar merkwürdige Gebilde, in Nebel getaucht? Etwas irritiert ist man außerdem von der Gruppe Kinder, die
da im Zuschauerraum zusammensitzt. Sie reden. Man kann sie jedoch nicht verstehen. Eine Kunstsprache? Oder doch Portugiesisch?
Nein, da war doch ein deutsches
Wort zu hören? 'Kennt wohl irgendwer hier diese Sprache?',
schießt es mir noch durch den
Kopf, als die Jungen und Mädchen
unvermittelt aufstehen und die
Bühne betreten, die wir allerdings
noch nicht verlassen hatten.
Elektronische Zeitung Schattenblick
Wie sich herausstellt, wird das an
diesem Abend auch nicht geschehen.
Die Choreografin Barbara SchmidtRohr hat hier mit ihren jungen Darstellern ein kleines Universum erschaffen, das direkt von hinten durch
die Brust ins Auge führt und einen
als Zuschauer in einem ständigen
Zustand gleichzeitiger verlassener
Unsicherheit und leichter Überforderung verweilen lässt.
Wir werden Zeuge von kleinen Ritualen und Spielen. Merkwürdige
Pflanzen aus Rauch werden gegossen und möglicherweise ein Feuer
gemacht? Ganz bald jedoch werden
wir von den Kindern auf Bänke verfrachtet, die sie aus dem Foyer herein- und auf die Bühne tragen. Zugleich oder auch danach sind sie
auch schon mit ihren Tablets beschäftigt, die sich überall auf der
Bühne liegend finden.
Und dann, unversehens, bekommen
wir - das Publikum - Steine in die
Hand gedrückt. Die sollen wohl an
unseren Sitznachbarn weitergereicht
werden.
Genauso unvermittelt, wie wir mit
den Steinen umgehen mussten, treffen wir nun wohl, gemeinsam mit
den Kindern, auf ein Licht oben
rechts im Zuschauerraum. Es erscheinen zwei Tänzer, so schillernd
und skurril kommen sie daher, als
wären sie Giraffen, die das Studio 54
gerade verlassen, um einer altägyptischen Zeremonie beizuwohnen.
Die Kinder filmen mit den Tablets.
Und während ich noch merke, wie
auch diese Erscheinung sich wie zufällig ganz logisch in das Konglomerat des Abends einfügt, finde ich
mich auch schon draußen wieder, im
Foyer.
Aber Moment - ich möchte doch sehen, was vor mir geschieht, bin jedoch zu konzentriert auf die Weitergabe meiner Steine, von denen ich
auf einmal ganz viele in der Hand
habe.
Hinausbegleitet wurde ich von einem
der Kinder, die, wie aus der Zukunft
Noch damit beschäftigt, diese kommend, uns für eine Stunde direkt
Gleichzeitigkeit zu bewältigen, hal- in ihre und unsere Gegenwart entte ich auf einmal selbst ein Tablet in führt haben.
der Hand.
Ist das Bambi, was da läuft?
Die Kinder gehen durch die Reihen.
Jetzt ist es nicht mehr Bambi.
Die Kinder legen uns ihre warmen
Hände auf Schultern und Arme.
Was läuft da? Die Bilder werden
immer schneller.
Ich sehe auf. Ein Junge hat ein Kaninchen auf dem Arm. Was hat das
Kaninchen mit all dem zu tun? Und
ist das überhaupt die Chronologie
der Dinge, wie ich sie hier berichte?
Seite 2
Foto: © 2016
by Judith Hilgenstöhler
Barbara Schmidt-Rohr ist Kuratorin,
Choreografin, Dramaturgin. In ihrer
Rolle als Choreografin und Dramaturgin hat sie hier eine Performance
erschaffen, die uns die klebrige Dunkelheit schmecken lässt, welche übrig bleibt, wenn man das Tempo und
die Gewalten, denen die Kinder heute und in der Zukunft ausgesetzt sind,
einmal auf Pause stellt.
Weitere Aufführungen gibt es am
Donnerstag, den 12.05.2016 um
19:00 Uhr, Freitag, den 13.05.2016
um 19:00 Uhr und Samstag, den
14.05.2016 um 20:00 Uhr.
http://www.schattenblick.de/
infopool/theater/report/
trpb0070.html
Liste der neuesten und
tagesaktuellen Nachrichten ... Kommentare ... Interviews ...
Reportagen ... Textbeiträge ... Dokumente ...
Tips und Veranstaltungen ...
vom 12. Mai 2016
http://www.schattenblick.de/
infopool/infopool.html
www.schattenblick.de
Fr, 13. Mai 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
BÜRGER / REPORT / BERICHT
TTIP Nein danke - Innovativverwertung humaner Ressourcen ... (2)
Solidarität mit dem Globalen Süden
Demonstration gegen TTIP am 23. April 2016 in Hannover
(SB) ­ Wo Wirtschaft und Banken mit
Steuermitteln vor dem Zusammenbruch gerettet und die Krisenstaaten
der europäischen Peripherie mit Hilfe von Schuldendiktaten der deutschen Hegemonie unterworfen werden, bleibt wenig Geld für die Befriedung innerer Widersprüche übrig. Das Zeitalter der Klassenkompromisse, die jeden Versuch, aus der
kapitalistischen Eigentumsordnung
auszubrechen, verhindern sollten, ist
vorbei. Das alleinige Übrigbleiben
der kapitalistischen Staatenwelt hat
die Durchsetzung einer Weltwirtschaftsordnung begünstigt, in der das
steile, zwischen Nord und Süd respektive West und Ost verlaufende
Produktivitätsgefälle dauerhaft festgeschrieben werden soll. Dies nicht
nur zugunsten dadurch prosperierender Investoren und Unternehmer,
sondern auch zur Befriedung einer
lohnabhängigen Bevölkerung, der
keine nennenswerten Zuwächse
mehr in Aussicht gestellt werden,
während die Angst vor dem sozialen
Absturz weiter wächst.
Abstiegsängste und der Blick auf das
soziale Elend in den Ländern des Südens resultieren in der EU wie in der
Bundesrepublik in einem Aufschwung nationalistischer und rassistischer Ideologien wie niemals seit
der Befreiung vom deutschen Faschismus zuvor. Die Staatsangehörigkeit entscheidet darüber, ob der
Mensch ein langes Leben in gesicherten Verhältnissen führt oder ein
kurzes Dasein voller Schmerz und
Angst erleidet. Anderen nicht die
gleichen Lebenschancen zuzubilligen, über die man selbst verfügt,
wird legitimiert durch die NationaliFr, 13. Mai 2016
tät und verteidigt durch deren chauvinistische Überhöhung. Der gegen
Muslime gerichtete Rassismus bietet
in seiner kulturalistischen Frontstellung denn auch allen Anlaß zur Gefahr einer kriegerischen Eskalation,
wie seine ideologische Grundlegung
durch den US-amerikanischen Regierungsberater Bill Clintons, Samuel Huntington, in dem Bestseller
"Kampf der Kulturen" 1997 verrät:
Wenn Nordamerika und Europa ih­
re moralischen Grundlagen erneu­
ern, auf ihre kulturelle Gemeinsam­
keit bauen und Formen einer engen
wirtschaftlichen und politischen In­
tegration entwickeln, die ergänzend
neben ihre Sicherheitszusammenar­
beit in der NATO treten, könnten sie
eine dritte, euroamerikanische Pha­
se des wirtschaftlichen Wohlstands
und politischen Einfluß stiften. Eine
sinnvolle politische Integration wür­
de in einem gewissen Umfang ein
Gegengewicht zum relativen Rück­
gang des westlichen Anteils an Be­
völkerung, Sozialprodukt und militä­
rischem Potential der Welt bilden
und in den Augen von Führungsper­
sönlichkeiten anderer Kulturen die
Macht des Westens erneuern. 'Das
Bündnis aus EU und NAFTA könnte
in einer geballten Handelsmacht dem
Rest der Welt die Bedingungen dik­
tieren', mahnte Ministerpräsident
Mahathir die Asiaten. Ob der Westen
politisch und wirtschaftlich zusam­
menfindet, hängt jedoch überwie­
gend davon ab, ob die USA ihre Iden­
tität als westliche Nation bekräftigen
und es als ihre globale Rolle definie­
ren, die Führungsnation der westli­
chen Kultur zu sein. (Huntington,
"Kampf der Kulturen", S. 506f). [1]
www.schattenblick.de
Foto: © 2016 by Schattenblick
TTIP und CETA entsprächen dem
von Mahathir befürchteten "Bündnis
aus EU und NAFTA", was belegt,
von welch großer, weit über bloße
Handelsinteressen hinausgehender
Bedeutung dieses transatlantische
Projekt ist. Dem einen solidarischen
Umgang mit Flüchtlingen und den
Ländern des Globalen Südens entgegenzuhalten verlangt, aktive Kritik
an einer Politik gegenüber anderen
Bevölkerungen zu üben, die in der
kapitalistischen Globalisierung nach
wie vor auf den Begriff des Imperialismus gebracht werden kann. Darin
findet auch die unter TTIP-Kritikern
vielzitierte Macht der Konzerne und
Banken ihren allerdings nicht gegen
staatliche Souveränität gerichteten,
sondern diese zu beiderseitigem
Nutzen weiterentwickelnden Platz:
"Der Imperialismus ist der Kapi­
talismus auf jener Entwicklungsstu­
fe, wo die Herrschaft der Monopole
und des Finanzkapitals sich heraus­
gebildet, der Kapitalexport hervor­
ragende Bedeutung gewonnen, die
Aufteilung der Welt durch die inter­
nationalen Trusts begonnen hat und
die Aufteilung des gesamten Territo­
riums der Erde durch die größten
kapitalistischen Länder abgeschlos­
sen ist."[2]
Seite 3
Elektronische Zeitung Schattenblick
Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft
bäuerliche Landwirtschaft e.V.
(AbL)
Die weitgehend vollendete territoriale Aufteilung der Welt läßt moderne
Formen der Aneignung hervortreten,
die den Bevölkerungen des Südens
auch die letzten Lebensressourcen
entziehen. Die Patentierung von Bioorganismen und andere Formen der
Inwertsetzung von Natur als Biodiversitäts-Offsets und Emissionszertifikate sind Ergebnisse der manifesten
Krise des Kapitals, niemals genügend
neue Anlagemöglichkeiten finden zu
können, um seinen fiktiven Charakter
zu kompensieren. Auch aus diesem
Grund werden arbeitsfreie Formen der
Kapitalverwertung wie Urheberrechte, Lizenzgebühren und Wertpapiere
aller Art als handelbare Güter durch
Freihandelsabkommen geschützt.
Verschärft wird das Nord-Süd-Verhältnis durch den Klimawandel, den
die hochentwickelten Staaten Westeuropas und Nordamerikas weit überproportional zu verantworten haben,
so daß ihnen eine dementsprechende
Bringschuld gegenüber dem Globalen
Süden angelastet werden kann.
Wir leben in sehr bewegten Zei­
ten. Wir dürfen nie vergessen, daß
über 30 Millionen Menschen zur
Zeit auf der Flucht sind. Sie fliehen
vor Krieg, vor Armut, vor Hunger,
und ich finde es unerträglich, wenn
Rassisten meinen, auf dem Rücken
dieser schwachen Menschen ihre
Suppe kochen zu können. Deshalb:
Keinen Fußbreit für rassistische
Äußerungen hier auf dieser Veran­
staltung! Ein Bauer hat auf seinem
Banner geschrieben: '60 Millionen
Menschen auf der Flucht. Politiker,
habt ihr immer noch nicht verstan­
den: Stoppt die Freihandelsabkom­
men!' (...)
Dieses Verhältnis auch nur anzuer- Einstimmung mit Dota Kehr
kennen und damit einzugestehen, daß Fotos: © 2016 by Schattenblick
man zu politischen wie ökonomischen
Maßnahmen der Kompensation verpflichtet ist, gehört nicht zu den Stär- Stimmen gegen CETA und TTIP ken deutschen und europäischen Re- Auftaktkundgebung
gierungshandelns. Um handelspolitisch abzusichern, was innenpolitisch
im Argen liegt, muß die Bevölkerung
von der Aussicht überzeugt werden,
daß ihr Überleben wesentlich vom nationalökonomischen Erfolg am Weltmarkt abhängt. Dies zu schaffen ist in
einem Land, dessen Eliten von der
Krise des Kapitals bislang profitiert
haben, trotz allen lautstarken Widerstands nicht aussichtslos. Um so
wichtiger ist die internationale Solidarität insbesondere mit den Bevölkerungen im Globalen Süden.
Aus diesem Grund hat das NordSüd-Thema in den Reden, die am 23.
April auf der Bühne des Anti-TTIPBündnisses in Hannover gehalten
wurden und die an dieser Stelle auszugsweise wiedergegeben werden,
besonderen Stellenwert erhalten.
Seite 4
Georg Janßen
auf der Treckerdemonstration
Foto: © 2016 by Schattenblick
www.schattenblick.de
Foto: © 2016
by Schattenblick
Unser Platz als
kritische Bauern­
organisationen, als
Arbeitsgemein­
schaft bäuerliche
Landwirtschaft
und als Agrar­
bündnis Nieder­
sachsen ist der
Platz Seite an Seite
mit Gewerkschaf­
tern, mit Kultur­
schaffenden, mit
Umweltschützern,
Tierschützern, mit
Verbraucherschüt­
zern, mit Dritte­Welt­Organisatio­
nen. Gerade die Länder des Südens
sollen die Verlierer sein. Auch das
Fr, 13. Mai 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
dürfen wir nicht zulassen. Wir müs­
sen eine internationale Solidarität
gerade auch mit den ärmeren Län­
dern haben. Deshalb ist es richtig,
wenn ein Bauer auf seinem Banner
geschrieben hat: 'Unsere Ställe, die
können wir alleine ausmisten. CETA
und TTIP, das schaffen wir nur ge­
meinsam.' Um mit der bäuerlichen
Notgemeinschaft im Wendland zu
sprechen: Niemals Aufgeben!
Hanni Gramann
Foto: © 2016 by Schattenblick
Hanni Gramann, Attac
Maritta Strasser: Auch die Linken
spielen eine wichtige Rolle bei der
Sperrminorität im Bundesrat. Wer­
den denn auch die Landesregierun­
gen mit linker Beteiligung in Bran­
denburg und Thüringen an unserer
Seite stehen?
Tobias Pflüger: In Brandenburg
und Thüringen, das ist besprochen
innerhalb Der Linken, da werden je­
weils die Linken für ein Nein zu TTIP
und CETA stimmen und das wird zu
einer Enthaltung, sprich de facto zu
einer Gegenstimme im Bundesrat
führen. Was mir sehr wichtig ist, Si­
mone Peter ist ja leider der Antwort
gerade ausgewichen. Ich komme aus
Baden­Württemberg und weiß, daß
dort Winfried Kretschmann derzeit
vorhat, diesem Abkommen zuzustim­
men. Liebe Freundinnen und Freun­
de, ich glaube, wir müssen von hier
aus nicht nur einen Appell an Ange­
la Merkel und Sigmar Gabriel geben,
sondern auch an Winfried Kretsch­
mann: Sag Nein zu TTIP und CETA!
Simone Peter: Ich finde es unfair,
daß das hier für Populismus genutzt
wird. Campact hat vor den Wahlen
die drei Landesregierungen abge­
fragt, Baden­Württemberg, Rhein­
land­Pfalz, Sachsen­Anhalt. Die
Antwort war ganz klar und eindeu­
tig, es gibt diese Beschlußlagen in
diesen drei Landesverbänden und
deswegen: Nein zu CETA und TTIP.
Und das werden wir auch deutlich
machen in den nächsten Monaten.
Da müßt ihr den Druck von der Stra­
ße erhöhen, aber wir Grüne stehen
zu unserem Wort, liebe Freundinnen
und Freunde.
Schiedsgerichte, regulatorische Ko­
operation, vorläufige Anwendung ­
TTIP und CETA ­ das sind Wunsch­
konzerte für Konzerne und Investoren.
Marktkonforme Demokratie ­ da
machen wir nicht mit.
Wir streiten für eine grundlegende
Wende in der Handels­ und Wirt­
schaftspolitik, für ein demokratiekon­
formes Wirtschaftssystem, in dem
Profitinteressen von Konzernen bei­
seitegestellt werden und die Bedürf­
nisse von Menschen, Menschenrech­
te, Umwelt und Demokratie an die er­
ste Stelle gerückt werden. Dafür ste­
hen wir!
Matthias Miersch,
Ernst­Christoph Stolper
Foto: © 2016 by Schattenblick
Tobias Pflüger, Maritta Strasser,
Simone Peter
Foto: © 2016 by Schattenblick
Ernst­Christoph Stolper: Matthi­
as Miersch, Sie haben sich persön­
lich klar und sehr deutlich gegen
Parteientalk mit Die Linke,
Bündnis 90/Die Grünen, SPD
Matthias Miersch (SPD), Ernst­
Christoph Stolper (Moderation), To­
bias Pflüger (Die Linke), Maritta
Strasser (Moderation), Simone Peter
(Bündnis 90/Die Grünen)
Foto: © 2016 by Schattenblick
Fr, 13. Mai 2016
www.schattenblick.de
Seite 5
Elektronische Zeitung Schattenblick
einen Beschluß des Rates zur vorläu­
figen Anwendung von CETA ausge­
sprochen. An dieser Stelle auch noch
einmal an Sie persönlich einen be­
sonderen Dank dafür. Ich finde es
auch ein bißchen unfair, wenn man
diejenigen ausbuht, die hierher kom­
men und die auf unserer Seite eher
stehen, das sollte man bei anderen
tun. Dafür insofern erst einmal Dan­
ke, aber auch die Frage, wie verhin­
dern wir das tatsächlich?
Matthias Miersch: Es ist ganz klar,
ich finde, daß kein deutscher Minister
im europäischen Rat ohne ein Votum
des Deutschen Bundestages für eine
vorläufige Inkraftsetzung stimmen
kann. Das wäre eine Mißachtung des
nationalen Parlaments, und nationa­
le Interessen sind bei diesem Abkom­
men allemal berührt. Insofern, glau­
be ich, brauchen wir noch viele, viele
dieser Demonstrationen, um auch den
letzten zu überzeugen, daß hier sehr
viel auf dem Spiel steht. Ich verspre­
che mir davon, daß die Europäische
Union selbst zur Einsicht kommt, daß
man nicht mit dem Kopf durch die
Wand kann, man wird genau das Ge­
genteil erreichen. Man muß die Leute
mitnehmen, man muß diskutieren,
aber man kann nicht vorläufig in
Kraft setzen und Fakten schaffen. Das
wäre alles andere als demokratisch.
Minou Mehdizadeh Baghbani
Ich bin jetzt 17 Jahre alt, und, sagen wir mal, ich habe noch 70 Jahre
zu leben. Ich werde nicht zulassen,
daß über meinen Kopf hinweg entschieden wird, in welchen Verhältnissen ich in dieser Zeit lebe.
Wiebke Fischer
Foto: © 2016 by Schattenblick
Wiebke Fischer, BUNDjugend
Niedersachsen
Meine Botschaft an Merkel und
Obama ist: Intransparenz ist kein
Wert, den wir lernen wollen. Wir for­
dern: Transparente Verhandlungen
und eine Politik, die uns Jugendli­
chen nicht die Zukunft verbaut.
Lyonel Frey­Schaaber
Foto: © 2016 by Schattenblick
Lyonel Frey-Schaaber, Naturfreundejugend Deutschlands
Minou Mehdizadeh Baghbani
Foto: © 2016 by Schattenblick
Dieser schon bestehende Neoko­
lonialismus, der durch die Abkom­
men noch einmal zunehmen wird, ist
mit der Grund für Umweltzerstörun­
gen gigantischen Ausmaßes, Kriege
und Verelendung. Der jetzige Neoko­
lonialismus ist der Fluchtgrund für
sehr viele der Menschen, die ihre
Heimat verlassen müssen. Einige
wenige dieser Menschen, die wir zur
Flucht gezwungen haben, suchen bei
uns Zuflucht. Und wir sollten diese
Menschen willkommen heißen, denn
es ist unsere Wirtschaft und unsere
Politik, die ihre Lebensgrundlagen
zerstört. (...)
Foto: © 2016 by Schattenblick
Gemeinsamer Auftritt des Jugendbündnisses
Foto: © 2016 by Schattenblick
Seite 6
Öffnet die Grenzen für Menschen,
nicht für Waffen oder andere Waren!
www.schattenblick.de
Fr, 13. Mai 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
Und so, wie diese Menschen versu­
chen, die Grenzen zu überwinden,
sollten wir versuchen, dieses System
zu überwinden, das diese Grenzen
überhaupt benötigt. Das System, das
zu Hunger, Leid und Ausbeutung
führt, welches Armut braucht und
Kriege benötigt und verursacht. Das
System, das Grenzen benötigt, um
sich abzuschotten, das Freihandels­
abkommen wie TTIP hervorbringt.
Dieses System hat einen Namen, Ka­
pitalismus, und genau diesen gilt es
zu bekämpfen. Denn sogenannte
Freihandelsabkommen können nicht
isoliert betrachtet werden, und Kri­
tik an ihnen muß konsequenterweise
antikapitalistisch sein.
eines solidarischen Europas. Gemein­
sam sagen wir nein zu diesem ekelhaf­
ten Sumpf rund um AfD, Pegida und
den Nazis in Nadelstreifen. Wir sind
nicht braun, wir sind bunt.
Und jetzt laßt uns gemeinsam Ba­
rack Obama, Angela Merkel und Sig­
mar Gabriel klarmachen: Wer TTIP
und CETA sät, der wird Sturm ernten.
Unser aller Proteststurm ­ los geht's!
Foto: © 2016 by Schattenblick
Christoph Bautz
Foto: © 2016 by Schattenblick
Christoph Bautz, Geschäftsführender Vorstand Campact e.V.
Unsere Bewegung ist vielfältig, ja
hier demonstrieren Gewerkschafter
zusammen mit Unternehmern, hier
demonstrieren Bäuerinnen und Bau­
ern zusammen mit Tierrechtlern, hier
protestieren Mitglieder der Linkspar­
tei zusammen mit Konservativen, die
um die Zukunft ihrer Kommunen
fürchten. Diese Vielfalt halten wir aus,
diese Vielfalt macht uns aus, und nur
in dieser Vielfalt werden wir TTIP und
CETA besiegen.
Aber eins zum Schluß: An einer
Stelle zeigen wir klare Kante, und das
ist gegen rechts. Wer mit TTIP und
CETA sein nationalistisches Süppchen
kochen will und antiamerikanische
Ressentiments schürt, der ist hier
falsch. Hier demonstrieren die Freun­
de der Bürger Amerikas, die Freunde
Fr, 13. Mai 2016
Musikalischer Empfang mit der
Gruppe Rainer von Vielen
Foto: © 2016 by Schattenblick
Stimmen gegen CETA und TTIP Abschlußkundgebung
Lori Wallach, Direktorin Global
Trade Watch bei Public Citizen
Der geheime Verhandlungsprozeß
mit 500 Wirtschaftsunternehmen, die
eine offizielle Beraterfunktion haben
und der bei NAFTA und TPP zum
Zuge kam, ist derselbe Prozeß, der
TTIP vorantreibt.
TTIP mag noch geheim sein, aber
wir können alle den Text von TPP
studieren, das Freihandelsabkom­
men mit den asiatischen und latein­
amerikanischen Staaten. Es ist eine
Vorschau auf kommende Attraktio­
nen, und das ist eine furchterregen­
de Angelegenheit.
Warum ist Präsident Obamas gesamte politische Basis gegen seine Freihandelsabkommen? Seht euch TPP
an. Es geht weiter als alle vorherigen
Abkommen, was die Rechte der
Agroindustrie und Biotechbranche
zur Durchsetzung von Gentechnik
betrifft. Es hat schlechtere Regeln für
den Datenschutz der Verbraucher, es
bedroht die Politik, die den Klimawandel verhindern soll, mehr als alle früheren Freihandelsabkommen,
die waren schon nicht gut.
Und es ist sehr wichtig zu wissen,
daß die US-Konzerneliten sich nicht
mit weniger zufriedengeben werden
bei TTIP, als sie bei TPP erhalten haben."
Foto: © 2016 by Schattenblick
Michael Müller - Bundesvorsitzender NaturFreunde Deutschland
Lori Wallach
Foto: © 2016 by Schattenblick
www.schattenblick.de
Es ist in einer Welt, die so rasant
zusammenwächst, nicht möglich,
Seite 7
Elektronische Zeitung Schattenblick
Handelsabkommen zu machen, die
im Grunde genommen zu Lasten der
Dritten Welt gehen. Das ist ein Skan­
dal. Die Freihandelsabkommen sind
aus meiner Sicht nichts anderes als
die Verlängerung der Ideologie des
Neoliberalismus, der seit den achtzi­
ger Jahren die Kräfteverhältnisse in
unserer Gesellschaft zu Lasten von
Sozialstaat und Demokratie ver­
schiebt. Das wurde möglich, weil die
Politik schon lange nicht mehr ge­
staltet, sondern sich angepaßt hat an
die Zwänge vor allem der Interessen
der Märkte und der Banken.
TTIP, CETA und TiSA sind eine
Ideologie (...). Wir wollen eine sozia­
le und ökologische Alternative, auch
gegen die schreckliche AfD, die aus
dem Versagen der Politik nationali­
stische Stimmungen schürt.
die Straße gehen, es geht um mehr
als die Standards in sozialen Dienste
und Kultur in den Städten.
Deswegen sind wir heute hier, und
ich frage: Wer soll hier eigentlich
das Sagen haben in Deutschland und
in Europa? Es geht um den Wider­
stand gegen die Herrschaft von mul­
tinationalen Konzernen über unsere
Rechte als Demokraten. Und dieser
Widerstand war noch nie so wichtig
wie heute. Was wir heute erleben, ist
ein Höhepunkt in diesem neolibera­
len Durchmarsch, den wir jetzt seit
über zwei Jahrzehnten erleben müs­
sen in Deutschland und Europa.
Ulrich Schneider
Foto: © 2016 by Schattenblick
Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes
Sanya Reid Smith
Foto: © 2016 by Schattenblick
Deutschland ist nicht in erster Li­
nie Wirtschaftsstandort, Deutsch­
land ist vor allem Lebensstandort.
Sanya Reid Smith, Third World
Network
Was wir hier seit dem letzten Jahr
bei TTIP erleben, ist wahrscheinlich
das größte zivilgesellschaftliche
Bündnis, daß es in der Bundesrepu­
blik je gegeben hat. Vom BUND über
Attac, Kulturrat, Gewerkschaften,
viele Sozialverbände und andere bis
hin zu den Landwirten. Es ist ein Rie­
senbündnis geworden, weil es hier
um mehr geht als um gesunde Ernäh­
rung, die ist schon wichtig genug, um
Arbeiterinteressen, und allein diese
wären es schon wert, daß 90.000 auf
Die Freihandelsabkommen CETA
und TTIP betreffen nicht nur Euro­
pa, Kanada und die USA, sie bedro­
hen auch alle Entwicklungsländer.
Wir wissen, daß die EU­Kommission
CETA und TTIP auf Entwicklungs­
länder wie Mexiko und Chile anwen­
den wird. Sie sind schlimm genug für
die Menschen hier, aber noch
schlimmer für die Entwicklungslän­
der. Beispielsweise sieht CETA eine
strikte Regulierung öffentlicher
Dienstleistungen vor. Sind neue Ge­
setze geplant oder sollen geltende
Seite 8
www.schattenblick.de
geändert werden, kann das verhin­
dert werden. Das ist noch schlimmer
für Entwicklungsländer, weil sie
nicht all die erforderlichen Gesetze
haben, die sie bräuchten, wie etwa
gegen Luftverschmutzung. Die CE­
TA­Vorgaben für öffentliche Dienst­
leistung sehen vor, daß Regierungen
daran gehindert werden, die Preise
beispielsweise für Strom zu senken,
um sie erschwinglich zu halten.
Schon heute sind diese Länder kaum
in der Lage, Strom für Gebühren be­
reitzustellen, die sich alle Menschen
leisten können. Sie brauchen Regie­
rungen, die in der Lage sind, bezahl­
bare Gebühren zu ermöglichen, doch
CETA kann das verhindern. CETA
kann zudem hohe Steuern oder Li­
zenzgebühren verhindern wie etwa
für Zigarettengeschäfte, um den Ta­
bakkonsum zu reduzieren. (...)
CETA betrifft aber nicht nur die
öffentlichen Dienstleistungen, son­
dern sieht auch langfristige Mono­
pole auf Arzneimittel vor. Diese kön­
nen 500.000 Dollar für jeden Pati­
enten in jedem Jahr seines Lebens
kosten. Das will die EU Patienten in
Entwicklungsländern wie Mexiko
oder Chile aufbürden, die für die
meisten Menschen hier und um so
mehr in Entwicklungsländern unbe­
zahlbar sind. Das ist eine Schande!
Damit nicht genug, will die EU­
Kommission die Konditionen von
TTIP und CETA zum Modell ihrer
Verhandlungen mit anderen Ent­
wicklungsländern und sogar Stan­
dard der WTO für 160 Länder ma­
chen. ISDS hat erfolgreich die Ge­
setze in den Industriestaaten und den
Entwicklungsländern erodiert: Ge­
sundheitswesen, Steuerrecht, Anti­
Korruptionsgesetze, Umweltgesetze
gehen verloren. Jetzt greifen die In­
vestoren die Verbote von Fracking,
Gesundheitswarnungen auf Zigaret­
tenpackungen, den deutschen Atom­
ausstieg an und sie könnten sogar
eure Buchpreisbindung angreifen.
Wenn Regierungen bei solchen Kla­
gen verlieren, müssen sie Milliarden
von Dollars bezahlen. Entwick­
lungsländern können sich das noch
Fr, 13. Mai 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
viel weniger leisten. Als Ecuador die
Klage verlor, mußte es dem Ölkon­
zern, der die Gesetze des Landes ge­
brochen hatte, 2,4 Milliarden Dollar
zahlen, was soviel wie der halbe Ge­
sundheitsetat war. Dasselbe hat die
EU gerade mit Vietnam in einem Frei­
handelsabkommen ausgehandelt, das
nun durch das EU­Parlament ratifi­
ziert werden soll. In Vietnam leben 43
Prozent der Bevölkerung von weniger
als 2 Dollar am Tag und können noch
nicht einmal ihre Medikamente be­
zahlen. Wie können sie sich ein Frei­
handelsabkommen mit der EU wie
TTIP oder CETA leisten, das bereits
beschlossen ist und die Parlamente
durchlaufen soll? Diese CETA­Aufla­
gen und ISDS­Bestimmungen, welche
die EU mit Entwicklungsländern in
Asien, Lateinamerika, Afrika und im
pazifischen Raum aushandelt, wür­
den, wenn sie Eingang in die WTO
finden, die ärmsten Länder der Welt
betreffen, in denen die Menschen von
weniger als 250 Dollar im Jahr leben.
Eylem Gün
Foto: © 2016 by Schattenblick
Eylem Gün, Bundesvorstand Föderation der Demokratischen Arbeitervereine (DIDF)
Fr, 13. Mai 2016
Liebe Freundinnen und Freunde,
täglich erreichen uns neue Nachrich­
ten über humanitäre Katastrophen der
Geflüchteten. Längst ist das Mittel­
meer zum Massengrab für die Flüch­
tenden geworden. Mit Zäunen ver­
sucht man sie von uns wegzuhalten.
Durch das Abkommen mit dem türki­
schen selbsternannten Sultan Erdo­
gan, der Presse und Menschenrechte
im eigenen Land mißachtet, werden
sie von Griechenland in die Türkei
abgeschoben. Mit einem neuen Inte­
grationsgesetz wird den Geflüchteten
das Leben hier schwer gemacht. Die
Rechten haben es sich zur Aufgabe
gemacht, gegen Geflüchtete vorzuge­
hen. Jahrelang wurde durch die Pres­
se und durch regierende Parteien or­
dentlich Stimmung gegen Menschen
mit Migrationshintergrund und Ge­
flüchtete gemacht. Rassistische Orga­
nisationen und Parteien nutzen diese
Stimmung nun für sich. Sie versuchen,
Vorurteile und Ängste gegen Men­
schen mit anderer nationalen Her­
kunft und Religion zu schüren. Auch
wenn Politik und Medien Rassismus
längst salonfähig gemacht haben, um
soziale und politische Fehler und Pro­
bleme zu kaschieren, können wir das
Problem nur lösen, wenn wir die
Fluchtursachen bekämpfen.
Was hat die Migrationsbewegung
mit den Freihandelsabkommen zu
tun? Wir reden hier von Menschen,
die ihre Heimat, Familie und Bekann­
ten hinter sich lassen, um in ein bes­
seres Leben zu fliehen. Dabei setzen
sie sogar ihr Leben aufs Spiel. Ja, vie­
le Menschen fliehen vor den Kriegen
in ihren Ländern. Diese Kriege wer­
den jedoch geführt, um wirtschaftli­
che und politische Interessen in Re­
gionen wie dem Nahen Osten, Afrika,
aber auch an den Grenzen der EU ab­
zusichern. Dazu gehören die Gewin­
nung neuer Absatz­ und Investions­
märkte sowie die Sicherung der Zu­
fuhr von Ressourcen wie Öl, Gas und
Uran. Und alle diese Einmischungen
in andere Länder haben dieselben
Motive: Profite für Banken und Kon­
zerne. Das Spiel mit Freihandelsab­
kommen ist dasselbe Prinzip, nur oh­
www.schattenblick.de
ne die Waffe in der Hand. Die Konzer­
ne, Profiteure werden Mensch, Roh­
stoffe und Umwelt weiter ausbeuten,
die Umwelt zerstören, Wälder abhol­
zen, Meere leerfischen, Arten und die
Vielfalt zerstören, solange sie dadurch
noch mehr Profit bekommen. Das
nämlich sind die einzigen Werte, die
dieses System kennt. Es liegt an uns,
das zu stoppen, indem wir unsere
Kräfte bündeln und uns zusam­
menschließen, um die Macht der Ban­
ken und Konzerne zu zerschlagen und
Menschlichkeit, Solidarität, Vielfalt
und eine lebenswerte Zukunft für uns
und unsere Kinder zu schaffen. Die
Zerstörung der Umwelt, die Ausbeu­
tung der Natur und der Menschen
auch auf anderen Kontinenten im In­
teresse von Konzernen kombiniert mit
der Durchsetzung der westlichen In­
teressen mit Stellvertreterkriegen
überall in der Welt hat die Migrati­
onsbewegung nach Europa ausgelöst.
Durch das Freihandelsabkommen
werden sich die Fluchtursachen nur
noch weiter verstärken. Sigmar Ga­
briel sagte es: Dieses Abkommen soll
weltweite Maßstäbe setzen für den
Güteraustausch mit jetzt schon mehr
als 1,5 Milliarden Dollar täglich über
den Atlantik. Was sind das für Maß­
stäbe, von denen da die Rede ist? Das
sind Maßstäbe, um kleinere, ökono­
misch schwächere Länder kaputtzu­
wirtschaften und die europäische und
amerikanische Wirtschaft zu stärken.
Allein Kenia verliert nach Einschät­
zungen eines heimischen Wirtschafts­
instituts durch das Abkommen weit
über 100 Millionen Euro jährlich ­
Geld, das für den Aufbau der eigenen
Wirtschaft fehlen wird. Neue Steuern
auf Exportgüter in die EU werden
durch das Abkommen verboten. Die
Ausbeutung und der Hunger in Afrika
werden dadurch weiter verschärft. Ja,
Menschen können auch aus ökonomi­
schen Gründen aus ihren Ländern
fliehen. Sie fliehen vor Hunger, Armut
und Elend ­ was bleibt ihnen denn an­
deres übrig! Dann reden sie von den
ökonomischen Geflüchteten, denen sie
die Existenzgrundlage unter den Füßen
wegziehen und sagen, daß sie hier
Seite 9
Elektronische Zeitung Schattenblick
nichts verloren haben? Wir wollen freie
Menschen statt freie Märkte! Liebe
Freundinnen und Freunde, TTIP und
CETA Nein Danke! Auch so gibt es
schon zu viele Freihandelsabkommen,
die das Leben der Menschen erschwe­
ren. Von hier aus erteilen wir nicht nur
TTIP eine Abfuhr, sondern sagen auch:
Nicht Geflüchtete, sondern Fluchtursa­
chen bekämpfen! Freihandelsabkom­
men stoppen!
BERICHT/082: TTIP Nein danke Kurze Halbwertzeiten ... (SB)
BERICHT/083: TTIP Nein danke Innovativverwertung humaner Ressourcen ... (1) (SB)
SCHACH - SPHINX
Vorkämpferinnen
der
Chancengleichheit
INTERVIEW/113: TTIP Nein danke
- unaufgeregt und skeptisch ...
(SB) ­ Die deutschen Schachdamen
Lori Wallach im Gespräch (SB)
spielen international zwar weder die
INTERVIEW/114: TTIP Nein danke erste noch die zweite Geige, hin und
- neoglobal konsequent ... Ulrich wieder glücken ihnen dennoch einige beachtenswerte Erfolge. Eine
engagierte Streiterin ist beispielsweise Petra Feustel, die nicht nur
aufTurniere wegen Meistergraden
und Pokalen geht, sondern auch als
Vorkämpferin in der Gleichbehandlung von Mann und Frau im
Schachspiel verdienstvolle Arbeit
leistet. Auch ihre Erfolge können
sich sehen lassen. Im rumänischen
Timisoara zum Beispiel belegte sie
in einem starkbesetzten Turnier
hinter Tatjana Lematschko, Dana
Terescenco-Nutu, Hanna ErenskaRadzweska gemeinsam mit der Ungarin Tünde Csonkics den geteilten
4. und 5. Platz. Wesentlich besser
schnitt sie zum 100jährigen Jubiläum des Davoser Schachklubs im
Bunde mit ihren Kolleginnen
Fischdick, Hedke, Vokralova und
Foto: © 2016 by Schattenblick
Schneider im Gespräch (SB)
ab. Mit vier Punkten aus fünf
INTERVIEW/115: TTIP Nein danke Späte
half sie entscheidend mit,
- Nagel am Sarg ... Georg Janßen Partien
daß
das
deutsche Team im SechsAnmerkungen:
im Gespräch (SB)
länderturnier
nach Ungarn, aber vor
INTERVIEW/116: TTIP Nein danke Schweden, Holland,
der Schweiz
[1] entnommen aus Wolfram
- alte Fronten, neue Gräben ... To- und Österreich auf dem
zweiten
Pfreundschuh: Der politische Exor- bias Pflüger im Gespräch (SB)
Platz
landete.
Wie
schwer
Frauzismus im 'Kampf der Kulturen'
INTERVIEW/117: TTIP Nein danke en haben, neben Familie undesBeruf
http://kulturkritik.net/index_all- Lücken schließen ... Sefariye Ek- auch schachlichen Interessen nachgem.php?code=pfrwol100
si und Abdurrazzak Yayar im Ge- zugehen, darüber verliert man
spräch (SB)
heute noch selten ein Wort.
[2] W. I. Lenin: Der Imperialismus als INTERVIEW/118: TTIP Nein danke selbst
Schützenhilfe
vom DSB kommt nur
höchstes Stadium des Kapitalismus. - Rock von unten ... Rainer von sporadisch und
meist aus Sicht
Gemeinverständlicher Abriß. 6. Aufl. Vielen im Gespräch (SB)
Vorstellungen heraus.
Dietz Verlag, Berlin 1962, S. 94f.
INTERVIEW/119: TTIP Nein danke männlicher
Das
heutige
der Sphinx ist
- Bündnis breit und Augen weit ... einer anderenRätsel
Vorkämpferin
gewidWiebke Koepsell im Gespräch (SB) met, nämlich Anni Laakmann,
die
Demonstration gegen TTIP
mit
den
schwarzen
Steinen
einen
in Hannover im Schattenblick
http://www.schattenblick.de/
glänzenden Sieg errang, nachdem
www.schattenblick.de → INFO­
infopool/buerger/report/
sich ihre Kontrahentin Tagnon mit
POOL → BUERGER → REPORT:
brrb0084.html
zuletzt 1.Sf3xe5 einen Schnitzer
geleistet hatte. Also, Wanderer, was
BERICHT/080: TTIP Nein danke hatte Weiß übersehen?
Demo auf dem Nebengleis ... (SB)
Seite 10
www.schattenblick.de
Fr, 13. Mai 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
POLITIK / SOZIALES / FRAGEN
Internationale Presseagentur Pressenza ­ Büro Berlin
Fadumo Korn: eine mutige Frau gegen
weibliche Genitalbeschneidung
von Milena Rampoldi, 10. Mai 2016
Fadumo
Korn ist Vorsitzende des Vereins Nala e.V. und Dolmetscherin in München. Sie hat FGM (female genital
mutilation, weibliche Genitalverstümmelung) selbst erfahren und hat
über ihre Erfahrungen das mutige
Buch mit dem Titel "Geboren im
großen Regen" geschrieben. Das
Schlimmste, was man einer Frau antun kann, ist die Beschneidung bzw.
Genitalverstümmelung.
Heute
kämpft Fadumo gegen dieses grausame Verbrechen. Der Kampf gegen
FGM ein Kampf, der uns alle als gesamte Gesellschaft weltweit betrifft.
Der Mut von Frauen wie Fadumo,
darüber zu sprechen und die Schmerzen so klar zu beschreiben, kann
FGM aufhalten.
Leverkusen ­ 10.05.2016.
Tagnon - Laakmann
Luzern 1978
Auflösung des letzten
Sphinx­Rätsels:
Tartakower handhabte die Stellung
souverän und bereits nach 1.Df3-g3!
Sb8-a6 - 1...Sb8-d7 2.Le5-d6 De7d8 3.Th1-f1 Sg8-e7 4.Ld6-c7 - 2.0-0
Lc8-d7 3.Le5-d6 De7-d8 4.Dg3-f4
verging Mieses alle Lust am Spiel.
http://www.schattenblick.de/
infopool/schach/schach/
sph05834.html
Hinweis: SPORT / BOXEN
Stoff für Sternstunden
Vorschau auf ausgewählte
Profikämpfe
der kommenden Wochen
7. Mai: Saul Alvarez
gegen Amir Khan bis
11. Juli: Sergej Kowaljow
gegen Isaac Chilemba
http://www.schattenblick.de/
infopool/sport/boxen/
sbxm1952.html
Fr, 13. Mai 2016
Milena Rampoldi: Sie haben FGM
selbst erlebt. Wie haben Sie den
Schritt zur Sprache und zum Kampf
gegen FGM geschafft?
Fadumo Korn: Ich habe mehr als 35
Jahre gebraucht, um zu verstehen,
dass nur die Betroffenen wie ich etwas gegen FGM tun können. Daher
habe ich mich 1999 im Januar dazu
entschlossen, erstmals an die Öffentlichkeit zu gehen, um zu zeigen, dass
wir keine Märchengestalten sind,
sondern real existierende Menschen,
die zwar keine Klitoris mehr haben,
aber ansonsten kampfbereit sind. Mit
meiner eigenen Geschichte und mit
meinem eigenen Schicksal habe ich
für großen Wirbel in Deutschland
gesorgt. Es war nicht leicht, da ich
ein Kind im Schulalter hatte, aber da
mein Mann voll zu mir stand und
www.schattenblick.de
mich immer wieder ermutigte, habe
ich den Kampf aufnehmen können.
Milena Rampoldi:Welche sind die
schlimmsten Folgen von FGM für
die Frau?
Fadumo Korn: Die Schmerzen,
wenn wir unsere Regelblutung bekommen. Das sind unvorstellbare
Schmerzen. Es ist so, als würde ein
wildes Tier in deinem Unterleib
wühlen. Dann kommen die Schmerzen beim Wasserlassen und beim Geschlechtsverkehr. Das Schlimmste ist
aber die Geburt, wenn die zugenähte
Scheide regelrecht zerreißt und der
Kopfdes Kindes alles mitreißt. Wenn
du dann den Urin nicht mehr halten
kannst, wenn du nichts empfindest,
wenn du mit deinem Mann intim
wirst. Oder wenn Mädchen bei der
Beschneidung verbluten und sterben.
Manche Frauen werden durch die
Verletzungen unfruchtbar, bekommen keine Kinder. Dann haben sie
ein doppeltes Schicksal. Was eine
Frau schön und rein machen sollte,
macht sie zu einer "Außenseiterin",
denn ohne Kinder ist eine Somalierin
nichts wert.
Milena Rampoldi: Warum muss
FGM heute in Europa zum Thema
gemacht werden?
Fadumo Korn: Weil die Europäer
immer noch nicht verstanden haben,
dass die Beschneidung (Genitalverstümmlung) nicht nur eine afrikanische Angelegenheit bzw. ein afrikanisches Problem ist. Diese Tradition gelangt nämlich durch die Migration in
die ganze Welt und auch nach Europa.
Seite 11
Elektronische Zeitung Schattenblick
Milena Rampoldi: Der Kampf gegen FGM ist ein wichtiger Kampf
des islamischen Feminismus?
Warum schließen sich aber wenige
diesem Kampf an?
Fadumo Korn: Die Muslime sind
im Grunde genommen nicht in der
Lage, das FGM-Tabu zu brechen.
Denn es wird unter Muslimen nicht
offen über FGM gesprochen. Das hat
selbstverständlich auch damit zu tun,
dass man nicht öffentlich über Sexualität spricht. Der islamische Feminismus hätte hier große Chancen,
innerhalb der Religion offen und öffentlich über dieses Thema zu sprechen. Außerdem hängt es damit zusammen, dass es die Genitalverstümmelung nicht nur in muslimischen
Ländern gibt. Denn diese Tradition
wird auch in Ländern praktiziert, die
nicht islamisch geprägt sind.
Milena Rampoldi: Wie können wir
in den Ländern, die denen FGM noch
zum Alltag gehört, die Massen mobilisieren und das Thema enttabuisieren?
Fadumo Korn: Man muss die Muslime dazu bringen, Sturm gegen
FGM zu laufen. Man muss ihnen sagen, dass der Mensch es dreist gewagt hat, die perfekte Schöpfung Allahs zu verändern. Und das ist eine
große Sünde. Der Mensch ist großartig. In Koran 95:4 heißt es: "Wir
haben den Menschen in bester Form
erschaffen". Ist denn der Mensch so
großartig, dass er meint, Allah habe
einen Fehler begangen, als er ihn erschuf? Genau das macht der Mensch
mit der Genitalverstümmelung. Der
Mensch erhebt sich über Allah und
meint, er könnte die einmalige
Schöpfung Allahs verbessern.
Milena Rampoldi: Bitte erzählen
Sie uns von Ihrem Buch.
Fadumo Korn: Anbei ein Auszug
aus meinem Buch:
Bis zu meinem 8. Geburtstag kannte
ich kein festes Zuhause. Ich zog als
Seite 12
glückliches kleines Nomadenmäd­
chen mit meiner Familie und unse­
rem Vieh durch Somalia, immer dort­
hin, wo es gerade Futter für die Tie­
re gab. Das war nicht immer lustig,
nein, das war oft sogar extrem an­
strengend, denn wir waren manch­
mal tagelang unterwegs. Seit ich vier
Jahre alt war musste ich unsere ge­
samte Schafherde versorgen. Und
ich war ein eigensinniges Kind. Als
ich einmal auf einem Basar ein schö­
nes Tuch entdeckte und es nicht be­
kam, hielt ich vor Wut so lange die
Luft an, bis ich in Ohnmacht fiel.
Daraufhin kaufte mein Vater das
Tuch. Aber als ich sieben Jahre alt
wurde änderte sich alles ...
Der große Tag eines somalischen
Nomadenmädchens
Endlich war der große Tag gekom­
men. Ich hatte es schon kaum noch
erwarten können, denn heute ­ end­
lich ­ sollte ich eine Frau werden.
Wie versprochen hatte ich schon am
Morgen ein wunderschönes Tuch,
einen Spiegel und herrliche Sanda­
len geschenkt bekommen. Ein so
schönes Tuch darf nicht schmutzig
werden und so band ich es nicht um,
sondern klemmte es zusammengelegt
unter den Arm und schritt stolz hin­
ter den anderen Mädchen auf dem
Pfad hinaus aus dem Dorf.
Auf dem Weg zitterten mir vor Aufre­
gung die Knie. Als ich dann die alte
Frau sah, die schwer gebeugt zum
Lager unter der Schirmakazie kam,
packte mich plötzlich Entsetzten. Ich
sah zu, wie sie mit zitternden Händen
ein Tuch ausbreitete und darauf
einen Beutel mit Asche, eine Dose
mit klebriger Paste, einige Akazien­
dornen und eine halbe Rasierklinge
legte. Meine Mutter deutete auf den
Platz vor ihr, ich sollte dort Platz
nehmen und dann hörte ich noch:
"Sei ein artiges Kind, mach mir kei­
ne Schande und schrei nicht."
Jetzt geschah alles ganz schnell.
Meine Tante und meine Mutter hiel­
ten mich fest und in meinem Kopf ex­
www.schattenblick.de
plodierte ein unsagbarer Schmerz ­
ein Schmerz, den ich auch nach über
30 Jahren noch immer deutlich
nachfühlen kann. Er hat nur ein Gu­
tes, dass er die Ohnmacht bringt.
Nach dem ersten Schnitt war ich
nicht mehr ansprechbar, hab nicht
mehr gefühlt, was noch getan, ge­
schnitten und zusammengenäht wur­
de. Aber beim Aufwachen waren
meine Beine von Knöchel bis Hüfte
fest umwickelt. Ich sollte mich nicht
bewegen, damit die Wunde verheilen
kann. Alles tat weh und dann erst be­
gann die eigentliche Tortur. Nur ein
stecknadelgroßes Loch soll bleiben,
damit Urin und Blut abfließen kön­
nen. Bei mir blieb nicht einmal das
und so wurde am nächsten Tag die
Prozedur wiederholt und ein Stück
der Naht wieder geöffnet. Wahr­
scheinlich dadurch hat sich die Wun­
de entzündete. Wochenlang hatte ich
hohes Fieber, die Wunde eiterte. Und
während ich mit dem Tod rang, kauf­
te meine Mutter sogar schon ein Lei­
chentuch.
Ich starb nicht. Aber ich konnte auch
nicht mehr umherspringen wie frü­
her, ich konnte meiner Familie nicht
mehr helfen und was noch schlimmer
war, ich konnte ihr bei ihren Mär­
schen durch die Wüste nicht mehr
folgen. Sie schickten mich zu meinem
Onkel, der ein Haus in Mogadischu
hatte und der andere Teil meines Le­
bens begann. Zum ersten Mal sah ich
Autos, hörte Radio. Später durfte ich
auch zur Schule gehen. Aber richtig
gesund wurde ich nicht. Ich bekam
zusätzlich Rheuma, wahrscheinlich
eine Folge der schlimmen Infektion.
Und als die Ärzte in Mogadischu
nicht mehr weiter wissen, schickt
mich mein Onkel zunächst nach Ita­
lien und später nach Deutschland.
Seit 1979 lebe ich jetzt in München ­
der dritte Teil meines Lebens. Aber
noch heute habe ich gesundheitliche
Probleme, die sich eindeutig auf die
Beschneidung zurückführen lassen.
Ärzten in Somalia und in Europa
verdanke ich, dass ich heute ein
glückliches Familienleben mit mei­
Fr, 13. Mai 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
nem Mann und meinem Sohn führen
kann.
Meiner Mutter habe ich längst ver­
ziehen, sie wollte nur das Beste für
mich und konnte dem Druck der Ge­
meinschaft nicht ausweichen. Aber
der Beschneiderin, die so alt, zitte­
rig, fast blind war und die ihren Be­
ruf daher schon längst hätte nicht
mehr ausführen dürfen, habe ich bis
heute nicht verziehen.
Wie das Buch entstanden ist, möchte
ich Ihnen auch noch gerne sagen. Das
Buch entstand in der Not. Mein Mann
Walter hatte sich 2003 das Genick angebrochen und drohte, behindert zu
werden. Und da ich Angst hatte, den
Verstand zu verlieren vor lauter Sorge, habe ich das Buch geschrieben.
Dass es dann ein solcher Knaller
wird, hatte ich nicht ahnen können.
und interreligiösen Dialog Promosaik.
Dr. phil. Milena Rampoldi ist freie www.promosaik.com
Schriftstellerin, Buchübersetzerin
und Menschenrechtlerin. 1973 in
Bozen geboren, hat sie nach ihrem Der Text steht unter der Lizenz CreaStudium in Theologie, Pädagogik tive Commons 4.0
und Orientalistik ihren Doktortitel http://creativecommons.org/licenmit einer Arbeit über arabische Di- ses/by/4.0/
daktik des Korans in Wien erhal*
ten. Neben ihrer Tätigkeit als
Sprachlehrerin und Übersetzerin
beschäftigt sie sich seit Jahren mit Quelle:
der islamischen Geschichte und Internationale Presseagentur
Religion aus einem politischen und Pressenza - Büro Berlin
humanitären Standpunkt, mit Fe- Johanna Heuveling
minismus und Menschenrechten E-Mail:
und mit der Geschichte des Mittle- [email protected]
ren Ostens und Afrikas. Sie wurde Internet: www.pressenza.com/de
verschiedentlich publiziert, mehrheitlich in der deutschen Sprache.
http://www.schattenblick.de/
Sie ist auch die treibende Kraft hininfopool/politik/soziales/
ter dem Verein für interkulturellen
psf00021.html
Über die Autorin
POLITIK / AUSLAND / LATEINAMERIKA
poonal ­ Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen
Brasilien - Vizepräsident will nach Amtsenthebung
der Präsidentin Brasiliens Wirtschaft umkrempeln
von Andreas Behn
Michel Temer
Foto: By Licurgo.miranda [CC BY­SA
4.0 (http://creativecommons.org/licen­
ses/by­sa/4.0)], via Wikimedia Commons
Fr, 13. Mai 2016
(Rio de Janeiro, 11. Mai 2016, npl)
­ Noch ist Michel Temer nicht Präsident Brasiliens, doch bastelt er bereits fleißig an einem neuen Kabinett und plädiert für eine Kehrtwende in der Wirtschaftspolitik. Der Vizepräsident hofft, schon am 11. Mai
De Facto-Interimspräsident zu werden, da der Senat an diesem Tag
endgültig über die Aufnahme eines
Amtsenthebungsverfahrens abstimmen wollte. Das erwartete Ja-Votum würde Präsidentin Dilma
Rousseff für bis zu 180 Tage suspendieren und Temer, dessen Zentrumspartei PMDB erst im März
mit der Regierung brach, mit allen
Vollmachten des höchsten Staatsamts ausstatten.
www.schattenblick.de
Gewerkschaften fürchten Rückschritte bei Arbeitsrechten
Seit Wochen protestieren Gewerkschaften, soziale Bewegungen und
Unterstützer*innen der noch regierenden Arbeiterpartei PT gegen die
Amtsenthebung. Für sie handelt es
sich um einen Staatsstreich, mit dem
die Opposition mit Unterstützung
von Medien, Unternehmerverbänden
und Teilen von Justiz und Polizei eine gewählte Regierung aus dem Amt
treibt. Und sie befürchten, dass Arbeiterrechte und Sozialmaßnahmen
abrupt zurückgestutzt werden.
Laut Vagner Freitas, Präsident des
Gewerkschaftsdachverbands CUT,
Seite 13
Elektronische Zeitung Schattenblick
wird die neue Rechtsregierung "die
Lohnzuwächse der vergangenen Jahre und viele Rechte der arbeitstätigen
Bevölkerung rückgängig" machen.
"Aufgrund der materiellen Besserstellung der Arbeiter unter Rousseff
und davor unter Ex-Präsident Lula
wird der Präsidentin jetzt der Prozess
gemacht", betonte Freitas am 1. Mai.
Auch PT-Präsident Rui Falcão griff
Vizepräsident Temer scharf an und
bezeichnete ihn als "Verräter". Dessen geplantes Wirtschaftsprogramm
kritisierte Falcão als "gefährlichen
Rückschritt".
Sparmaßnahmen, Senkung der
Lohnkosten und Erleichterungen
für Unternehmen
Für den wichtigen Job des künftigen
Finanzministers wird der frühere
Zentralbank-Chef Henrique Meirelles gehandelt. Das Dringendste sei,
das Vertrauen von Investor*innen
und Konsument*innen in die nationale Wirtschaft zurückzugewinnen,
erklärte Meirelles am Montag. "Eine
der ersten Maßnahmen wird die Begrenzung der öffentlichen Ausgaben
sein", so der Ministerkandidat. Die
jüngste Erhöhung der Sozialhilfe
"Bolsa familia" müsse eingehend geprüft werden, ergänzte Meirelles.
Temer selbst hat nach einem Treffen
mit Unternehmensvertreter*innen bereits zugesagt, dass er von Steuererhöhungen zur Sanierung des Haushalts absehen werde. Das Rezept zur
Krisenüberwindung enthält die bekannten neoliberalen Instrumente:
Sparmaßnahmen, Senkung der Lohnkosten und Erleichterungen für Unternehmen. Letzteres umfasst auch die
Wiederaufnahme von Privatisierungen und einen vereinfachten Zugang
zur Ausbeutung von Bodenschätzen
auch für Privatinvestoren. Die Gewerkschafter*innen besorgt vor allem
eine Änderung bei den Konzessionsvergaben zur Erschließung der gigantischen Offshore-Erdölreserven im
sogenannten Presal (unter der Salzschicht im Meeresboden).
Seite 14
Brasiliens Wirtschaft schrumpft
Besonders umstritten ist die Ankündigung von Temers Partei, die derzeitige gesetzlich vorgeschriebene prozentuale Koppelung der Ausgaben für
Bildung und Gesundheit an das Bruttoinlandsprodukt bzw. regionale Etats
aufzuheben. Auch eine Rentenreform, die insbesondere Geringverdiener*innen, die schon früh ins Arbeitsleben einsteigen mussten, benachteiligt, steht auf dem Programm.
SPORT / BOXEN
Unspektakulär,
aber effizient
Kubrat Pulew zeigt Dereck
Chisoras Grenzen auf
(SB) ­ Kubrat Pulew hat sich wie er-
wartet den vakanten Titel des Europameisters im Schwergewicht gesichert. Der 35jährige Bulgare aus
dem Team Sauerland setzte sich in
der Hamburger Barclaycard Arena
mit 2:1 Wertungen gegen den drei
Jahre jüngeren Briten Dereck Chisora durch, der ebenfalls bei Sauerland
Event unter Vertrag steht. Während
zwei Punktrichter (116:112 und
118:110) denselben Kampf wie die
Zuschauer gesehen hatten, stellt sich
beim dritten (115:113 für Chisora)
die bange Frage, wie eine derartige
Fehleinschätzung möglich ist. Der
an Nummer zwei der IBF-Rangliste
und beim WBC als Dritter geführte
Pulew baute seine Bilanz auf 23 Siege und eine Niederlage aus, für den
Briten stehen nun 25 gewonnene
und sechs verlorene Auftritte zu Buche.
Unbestritten ist nur, dass etwas getan
werden muss. 2015 schrumpfte die
Wirtschaft Brasiliens um 3,5 Prozent, die Prognose für 2016 ist ähnlich düster. Die Inflation liegt bei
rund zehn Prozent, die Arbeitslosigkeit kletterte vergangenen Monat auf
10,9 Prozent, nachdem sie Ende
2014 noch bei 6,5 Prozent lag. Für
die Opposition ist allein Rousseffs
Politik Schuld an der ernsten Lage:
Zu hohe Staatsausgaben insbesondere im sozialen Bereich, zu wenig Investitionsanreize und zu viele Auflagen bei Großprojekten. Die Regierung hingegen macht die internationale Krise mit sinkender Nachfrage
nach Rohstoffen und die Blockadepolitik des Kongresses für die desa- Der mit 1,94 m immerhin elf Zentimeter größere Bulgare nutzte seine
ströse Lage verantwortlich.
Reichweitenvorteile sehr effektiv
aus, um den Kampf mit einem starURL des Artikels:
https://www.npla.de/poonal/vize- ken Jab und der Rechten zu dominieren. Chisora hatte sichtlich Problepraesident-will-nach-amtsenthebung-der-praesidentin-brasiliens- me, nahe genug an den Gegner heranzukommen, und wenn ihm das
wirtschaft-umkrempeln/
doch gelang, klammerte ihn Pulew
sofort. Der Brite schlug zwar auch
*
dann noch weiter, erzielte dabei aber
Quelle:
poonal - Pressedienst lateinamerika- keine nennenswerte Wirkung. Als er
sich gegen Ende der vierten Runde
nischer Nachrichtenagenturen
Herausgeber: Nachrichtenpool La- an den Seilen festsetzen ließ, verpaßte ihm der Bulgare mehrere hefteinamerika e.V.
tige Schläge. Im folgenden DurchKöpenicker Straße 187/188,
gang kam Pulew dann mit einer über
10997 Berlin
die Deckung gezogenen Rechten
Telefon: 030/789 913 61
durch. In der sechsten Runde hatte
E-Mail: [email protected]
der Brite eine gute Szene, als er den
Internet: http://www.npla.de
Gegner mit einer Rechten erschütterte. Der Bulgare vermied jedoch
http://www.schattenblick.de/
weitere Treffer und überstand die
infopool/politik/ausland/
Zeit bis zur Pause.
pala1569.html
www.schattenblick.de
Fr, 13. Mai 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
Von der Hälfte des Kampfes an wirkte Chisora frustriert und legte sich in
einer Szene mit dem Ringrichter an,
bei dem er sich über nicht geahndete Kopfstöße des Kontrahenten beklagte. Ab der neunten Runde wurde
der Brite zusehends schwächer und
zog sich immer häufiger an die Seile zurück, wo ihn Pulew mit Schlägen eindeckte. Chisora wirkte nun
müde und schien des öfteren Pausen
einzulegen, um sich zu erholen.
Möglicherweise resignierte er aber
auch, weil er kein Mittel fand, dem
Kontrahenten gefährlich zu werden.
Sein Gesicht war deutlich von dem
ständigen Jab des Bulgaren gezeichnet, und nachdem sich bereits früher
im Kampf eine Schwellung an seinem linken Auge herausgebildet hatte, war ab der zehnten Runde auch
die Sicht auf der rechten Seite zunehmend eingeschränkt. [1]
Dereck Chisora und Kubrat Pulew
sind beide schon einmal in Titelkämpfen gegen die Klitschkos gescheitert. Der Brite verlor 2012 einstimmig nach Punkten gegen den damaligen WBC-Champion Vitali
Klitschko, worauf der Bulgare 2014
im Kampf um den IBF-Titel in der
fünften Runde an Wladimir Klitschko scheiterte. Schlaflose Nächte
dürfte Pulew trotz seines souverän
erzielten Erfolgs in Hamburg keinem
der aktuellen Weltmeister bereiten.
Tyson Fury saß aus unerfindlichen
Gründen am Ring, wohl um sich seinen Landsmann Chisora anzusehen,
der schon zweimal gegen ihn verloren hat. [2]
Dessen Aussichten sind nach der
Niederlage gegen Pulew erheblich
gesunken, zumal er 2012 auch gegen
den ehemaligen WBA-Champion
David Haye den kürzeren gezogen
hat. Chisora hatte zuletzt zwar fünf
Auftritte in Folge gewonnen, sich dabei aber keine hochklassigen Kontrahenten zur Brust genommen. Dies
bescherte ihm den Kampf gegen den
Bulgaren, der ihm nun in aller Deutlichkeit seine Grenzen aufgezeigt hat.
Anmerkungen:
[1] http://www.boxingnews24.com/2016/05/pulev-decisions-chisora/#more-209666
[2] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/15484081/kubrat-pulevdefeats-dereck-chisora-closeanthony-joshua-world-title-figh
http://www.schattenblick.de/
infopool/sport/boxen/
sbxm1956.html
Während der Gürtel des Europameisters, den beide Akteure in der Vergangenheit schon einmal in ihren
Besitz gebracht hatten, eher eine
UMWELT / REPORT / INTERVIEW
Beigabe ist, hat Kubrat Pulew dank
dieses solide und effizient herausgeboxten Erfolgs seine Aussichten verBrokdorf, Memorial und Mahnung bessert, beim Verband IBF einen Tinicht nur Schönheitsfehler ...
telkampf gegen den Weltmeister AnDr. Karsten Hinrichsen im Gespräch
thony Joshua zu bekommen. Das
Duell in Hamburg war eine Voraus30 Jahre Tschernobyl ­ Brokdorf abschalten
scheidung, deren Sieger im nächsten
Schritt gegen den Neuseeländer Jo4. Protest­ und Kulturmeile am Akw Brokdorf am 24. April 2016
seph Parker oder den aus Kamerun
stammenden Franzosen Carlos TaKarsten Hinrichsen über die Milch seiner einstigen Viertel Kuh, die
kam antreten soll, die am 21. Mai in
Auckland aufeinandertreffen. Sollte vernachlässigten Gefahren beim Rückbau von Atomkraftwerken und einen
rätselhaften Krebscluster in Hauptwindrichtung des Akw Brokdorf
sich Pulew erneut durchsetzen, was
erheblich schwerer als gegen Chisora sein dürfte, kann er sich mit dem (SB) ­ Die Bundesregierung hat ent- Mitstreiterinnen und Mitstreiter geamtierenden Champion messen.
schieden, daß spätestens bis Ende gen die zivile wie militärische An2022 alle Atomkraftwerke in wendung der Atomenergie am 24.
Ob Anthony Joshua dann immer noch Deutschland abgeschaltet werden. April 2016 beim Akw Brokdorf verIBF-Weltmeister ist, muß sich natür- Das Akw Brokdorf im Kreis Stein- anstaltet haben:
lich erst erweisen, zumal er es am 25. burg, Schleswig-Holstein, soll ein
Juni in London mit Dominic Breazea- Jahr früher vom Netz gehen. Warum "Die russischen Aufsichtsbehörden
le zu tun bekommt. Der US-Amerika- es trotz dieser Aussichten gute Grün- sagen, durch die Tschernobyl-Kataner gilt indessen als vergleichsweise de dafür gibt, einen sofortigen Atom- strophe sind möglicherweise
leichte Aufgabe bei der ersten freiwil- ausstieg zu fordern, erklärte Dr. Kar- 150.000 bis 200.000 Tote in ganz
ligen Titelverteidigung des IBF-Welt- sten Hinrichsen in seiner Eröff- Europa zu verzeichnen. Wenn ich
meisters, der sich dabei sicher nicht nungsansprache auf der 4. Protest- solche Zahlen höre, dann wird mir
die Butter vom Brot nehmen läßt.
und Kulturmeile, die er und andere immer ganz mulmig, denn alle in
Fr, 13. Mai 2016
www.schattenblick.de
Seite 15
Elektronische Zeitung Schattenblick
Deutschland lebenden Personen
wohnen in der Nähe eines Atomkraftwerks. Und die Strahlung, die
bei einem Super-GAU frei wird, hört
ja nicht in zehn Kilometern auf und
auch nicht in 200 Kilometern, sondern kann sich möglicherweise erneut wieder weltweit ausbreiten.
Deshalb ist unser Widerstand nach
wie vor erforderlich. Jede Stunde
Betrieb des Akw Brokdorf kann in
die Katastrophe führen. Abschalten sofort!"
Dr. Karsten Hinrichsen
Foto: © 2016 by Schattenblick
Auch nach Jahrzehnten des Widerstands gegen die Atomenergie im allgemeinen und das Akw Brokdorf im
besonderen hat die Entschiedenheit,
mit der der pensionierte Meteorologe Dr. Karsten Hinrichsen sein Ziel
verfolgt, nicht nachgelassen. Der Betreiber der Website brokdorf-akut.de
wohnt direkt hinter dem Elbdeich,
nur 1,5 Kilometer vom Akw Brokdorf entfernt, und kann daher sehr
gut nachempfinden, wie sich die
Menschen in der 50.000-EinwohnerStadt Prypjat am 26. April 1986 gefühlt haben müssen, als sie Feuer und
Rauch aus dem Akw Tschernobyl
aufsteigen sahen, die Feuerwehr ausrückte, Fernbusse die Stadt nicht
mehr verließen und die Stadtreinigung aus unerfindlichen Gründen die
Straßen mit viel Wasser gesäubert
hatte, aber sie einen Tag lang ungeSeite 16
schützt dem radioaktiven Fallout teressante Aspekte deutlich gemacht.
ausgeliefert waren, bevor sie evaku- So haben die Anwälte der Gegenseiiert wurden. [1]
te gesagt: "Der platzt doch!" Damit
wollten sie zum Ausdruck bringen,
Ein solches Ereignis wie in Tscher- daß ich mehr Milch trinke als den
nobyl ist in Deutschland nicht gänz- Empfehlungen der deutschen Gelich ausgeschlossen, ein Restrisiko sellschaft für Ernährung entspricht.
bleibt, auch wenn der ukrainische Zu Milch und allen anderen NahReaktortyp ein anderer ist, als er rungsmitteln sind nämlich Normhierzulande verwendet wird. Aber werte formuliert worden. Wenn man
bei den schweren Atomkatastrophen ein bestimmtes Nahrungsmittel in
beispielsweise von Windscale einer Menge zu sich nimmt, die in(1957), Majak (1957), Three Mile Is- nerhalb der Norm bleibt, und die
land (1979), Tschernobyl (1986) und Nahrung auch nicht ausschließlich
Fukushima (2011) waren auch nicht regional produziert wurde, ist man
immer die gleichen Reaktortypen be- geschützt. Aber die Nahrung, die reteiligt, und keiner der Betreiber die- gional produziert wird und beispielsser Anlagen hat vor dem Unfall ein- weise aus der Nähe einer Industriegeräumt, daß sein Meiler eigentlich anlage oder eines Atomkraftwerks
extrem unsicher sei und abgeschaltet stammt, ist höher belastet und gegehöre. Alle sind von der Sicherheit fährlicher und sollte deshalb nicht in
ihrer Anlagen ausgegangen, bis sie größeren Mengen verzehrt werden.
und Millionen Menschen rund um Diese Auffassung kann man aus dem
den Globus eines Schlechteren be- Urteil herleiten.
lehrt wurden.
SB: Wäre die Vorstellung übertrieNach Abschluß der 4. Protest- und ben, daß die Milch, die hier in der
Kulturmeile ergab sich für den Nähe des Akw Brokdorf produziert
Schattenblick die Gelegenheit, mit wird, gezielt mit der Milch aus andeKarsten Hinrichsen ein längeres Ge- ren Regionen vermischt wird, um
spräch zu führen:
dadurch die radioaktive Belastung
unter den Grenzwerten zu halten?
Schattenblick (SB): Karsten, du hast
gegen die Betriebsgenehmigung des
Akw Brokdorf geklagt. Womit begründest du deine Klage?
Dr. Karsten Hinrichsen (KH): Ich begründe das sowohl mit der Gefährlichkeit des Akws im Normalbetrieb
als auch durch jederzeit mögliche
Unfälle. Hinsichtlich des Normalbetriebs habe ich insbesondere meine
Ernährungsweise angeführt, die damals aus viel Milch bestand. Ich war
Besitzer einer Viertel Kuh und habe
nachzuweisen versucht, daß die
Milch der Kühe oberhalb der Grenzwerte für radioaktive Stoffe wie zum
Beispiel Jod belastet ist, da die Kühe aufWiesen grasen, aufdie das Jod
aus dem Schornstein des Akw fällt.
Ich habe meine Klage nicht durchgebracht, der Prozeß hat aber einige inwww.schattenblick.de
KH: Zumindest wird das so praktiziert. Früher besaß fast jedes Dorf in
der Wilstermarsch eine eigene
Meierei. Die Meiereien sind alle
eingegangen. Wir vermuten, daß einer der Gründe für die Bildung größerer Molkereien darin bestand, die
Milch aus verschiedenen Regionen
miteinander vermischen zu können.
Das ist ja heute gang und gäbe. Ein
Landwirt hier aus der Region berichtete mir einmal, daß die zwischen Brunsbüttel und Brokdorf mit
dem Milchwagen eingesammelte
Milch am höchsten von ganz
Schleswig-Holstein mit Schadstoffen belastetet ist. Womit nicht unbedingt radioaktive Stoffe gemeint
sind. Wir haben in Brunsbüttel ein
großes Gebiet mit Industrieanlagen,
aus deren Schornsteinen eben auch
chemische Schadstoffe emittiert
werden.
Fr, 13. Mai 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
SB: In der Bevölkerung scheint die
Ansicht verbreitet zu sein, daß man
ja doch nichts gegen große Unternehmen wie die Betreiber von Akws
ausrichten kann. Wie sind deine Erfahrungen aus der Anti-Atom-Bewegung: Kann ein einzelner mit Klagen
etwas ausrichten?
KH: Ich glaube nicht. Auch unsere
Gerichtsbarkeit ist Teil der Gesellschaft und Demokratie, und wenn
dann einer, der nicht von Teilen der
Bevölkerung unterstützt wird, etwas
ausrichten will, werden sich die
Richter nicht die Finger schmutzig
machen wollen und sicherlich gute
Gründe finden, um so eine Klage abzubügeln. Es sei denn, es handelt
sich um einen Richter, wie wir ihn
einmal am damaligen Oberverwaltungsgericht von Schleswig-Holstein
in Lüneburg hatten. Der Richter war
an dem Thema Plutonium und der
Endlagerproblematik interessiert,
wurde aber versetzt, nachdem die
Anwälte der Akw-Betreiber eingewendet hatten, er sei parteiisch, was
vom Gericht stattgegeben wurde.
Ich glaube, daß Prozesse zu führen
nicht die Hauptaktivität der AntiAkw-Bewegung sein sollte, und bin
der Meinung, daß das ganze Klavier
der Möglichkeiten gespielt werden
muß, von Einzelaktionen bis zu Aktionen mit vielen wie beispielsweise
Demonstrationen. Ein Aspekt ist
eben auch die Hoffnung, über ein
Gericht seine Wünsche umsetzen zu
können.
SB: Das Akw Brunsbüttel soll demnächst zurückgebaut werden, das
Akw Brokdorf ist in fünf, sechs Jahren an der Reihe. Worin siehst du die
größten Gefahren beim Rückbau?
KH: Ich mache das an dem Genehmigungsantrag und an der, wie zu
befürchten ist, Genehmigung für den
Rückbau fest. Im Reaktordruckbehälter des Akw Brunsbüttel liegen
gut 500 Brennelemente. Die sollen in
ein Zwischenlager. Vattenfall als Betreiber hat ein neues Zwischenlager
Fr, 13. Mai 2016
"Es gibt für das Freimessen nur
einen Begünstigten, das ist der Akw­
Betreiber." (Karsten Hinrichsen)
Foto: © 2016 by Schattenblick
messen werden. Betriebe, Entsorgungsunternehmen, aber auch Privatpersonen können dann zum Akw
fahren und anfragen, ob sie beispielsweise Beton oder Mutterboden
haben oder ob sie das Gras abernten
dürfen. Das wird dann freigegeben,
ohne daß darüber eine Dokumentation angelegt wird, so daß hinterher
niemand mehr weiß, wer was genommen hat und wo es wieder eingesetzt wurde. Das sehe ich alles in
allem als das größte Problem an. Es
werden radioaktive Stoffe in die
Umgebung entlassen und beaufschlagen dort Menschen, Tiere, Umwelt und Nahrungsmittelprodukte
gering, aber immerhin nachweisbar
radioaktiv.
beantragt, weil dem alten Lager die
Betriebsgenehmigung entzogen wurde. Die Brennelemente sollen vor Ort
in Castorbehältern zwischengelagert
werden, bis es dann irgendwann einmal ein Endlager für hochradioaktive Stoffe gibt.
Die Behörde und die Betreiber verweisen auf die geltende Verordnung
Weiter gibt es Materialien, insbeson- und darauf, daß die Strahlenbeladere diejenigen, die in der Nähe des stung durch die freigemessenen
Reaktordruckbehälters der Neutro- Stoffe unterhalb von einem Prozent
nenstrahlung ausgesetzt waren, die derjenigen, die durch die natürliche
mehr oder weniger hoch radioaktiv Radioaktivität verursacht wird, liebelastet sind. Die sollen in ein eige- gen muß. In Deutschland sind durch
nes Zwischenlager nur für diese die natürliche Radioaktivität etwa
Stoffe. Die Betreiber, Behörden, Po- 15.000 Tote als Folge von Krebs und
litiker und vielleicht auch wir hoffen, anderen Krankheiten zu beklagen.
daß es demnächst ein Endlager dafür Ein Prozent davon wären immer
gibt, das soll der Schacht Konrad noch 150, wenn die Radioaktivität
sein. Allerdings ist mittlerweile klar, aus dem freigemessenen Material
daß das viel zu klein ist, insbesonde- über Deutschland gleichverteilt würre wenn die Fässer aus der Asse ge- de. Davon ist selbstverständlich
borgen werden und auch noch dort nicht auszugehen, was bedeutet, daß
eingelagert werden sollen.
sich die Zahl der betroffenen Personen nochmals deutlich verringert.
Darüber hinaus gibt es vergleichsweise gering belastete Materialien: Dennoch ist das problematisch, da
Beton, Stahl, Kabel, Setzsteine, Öle, bei der Festlegung dieser GrenzwerIsolationsmaterialien und so weiter. te nicht berücksichtigt wird, daß
Für diese Materialien liegen seit selbst offizielle Stellen die Gefähr2001 Freigabegrenzwerte vor, das lichkeit von radioaktiver Strahlung
heißt, wenn die Aktivität unterhalb heute ungefähr um einen Faktor zehn
dieser Werte bleibt, können die Ma- höher einschätzen als damals, als die
terialien freigemessen werden. Dann Strahlenschutzverordnung in Kraft
dürfen sie auf Deponien, in Müllver- getreten ist. Zudem heißt es darin:
brennungsanlagen oder in Stahl- Die Strahlenbelastung sollte so geschmelzen als konventionelle Schad- ring wie irgend möglich sein. Das
stoffe "entsorgt" werden.
gilt auch weiterhin für alle möglichen Tätigkeiten mit radioaktiven
Manche Materialien, für die noch- Stoffen, aber bei den freigemessenen
mals geringere Grenzwerte gelten, ist das Minimierungsgebot außer
dürfen sogar uneingeschränkt freige- Kraft gesetzt.
www.schattenblick.de
Seite 17
Elektronische Zeitung Schattenblick
Ich halte das für völlig überflüssig,
weil die Materialien auf dem Gelände liegen, die meisten davon sogar im
Reaktorgebäude und im Maschinenhaus - warum will man sie da rausnehmen und in der Umgebung verteilen? Würde es einen Super-GAU
oder einen anderen Störfall geben,
dann müßten die Leute fliehen und
Vater Staat würde versuchen, möglichst viel von diesen freigesetzten
Stoffen wieder einsammeln, damit
eines Tages Menschen in den kontaminierten Gebieten leben könnten.
Und wir sind so bekloppt und setzen
Radionuklide mutwillig frei!
Diese Freimessung ärgert mich besonders. Daß man die Brennstäbe
herausholt und die Materialien, die
hoch kontaminiert sind, dann in ein
Zwischenlager bringt, um sie von
dort aus in ein Endlager zu befördern, finde ich unklug und unnötig
kostenintensiv. Warum läßt man das
Material nicht vor Ort? Man würde
zwar die Gebäude entkernen, weil
jetzt noch die Fachkenntnis vorhanden ist und man weiß, wo man vorsichtig sein muß und wie man da herankommt. Aber dann würde man sie
dort 30 Jahre lang liegen lassen. Die
kurzlebigen Nuklide wären dann ein
Stück weit zerstrahlt, so daß auch die
Beim Freimessen gibt es nur einen Mannschaft, die das entsorgen muß,
Begünstigten, das ist der Akw-Be- weniger belastet würde.
treiber. Das Material müßte ja in Fässern oder Containern gelagert wer- Der Betreiber darfauch Material, das
den, was das Endlagervolumen erhö- nicht so sehr hoch kontaminiert ist,
hen würde. Er braucht also weniger dekontaminieren, indem er mit
Container und weniger Endlagervo- Schrubben, Sägen, Fräsen oder dem
lumen - das ist eine reine Subventi- Einsatz von Chemikalien insbesonon für die Betreiber. Diese freige- dere die Nuklide von der Oberfläche
messenen Materialien gelten dann dieser Materialien freiputzt. Damit
nach dem Gesetz als ganz normaler bin ich einverstanden, weil die AlterAbfall und werden nach dem Kreis- native, die Anlagenteile ohne Delaufwirtschaftsgesetz behandelt. kontamination zu zersägen, auf eine
Auch wenn die zusätzliche Strahlen- stärkere Belastung hinausliefe.
belastung noch so gering wird, es widerspricht den Prinzipien der Strah- SB: Bei Räumarbeiten im japanilenminimierung.
schen Akw Fukushima Daiichi wurden mitunter radioaktive StaubwolSB: Zumal sich Strahlung addiert. ken freigesetzt, die kilometerweit
Wenn man von "ein Prozent der na- vom Wind davongetragen wurden.
türlichen Strahlung" spricht, dann Wie schätzt du die Staub- und Gaswäre das die natürliche Strahlung als entwicklung beim Rückbau deut100 Prozent plus zusätzlich ein Pro- scher Akws ein?
zent oben drauf.
KH: Beim Rückbau werden radioakKH: Genau, die natürliche Strahlung tive Aerosole mobilisiert, die unter
fällt ja nicht weg. Meiner Ansicht anderem über einen Schornstein abnach kann man sowieso nicht mehr gegeben werden. Die verfügen zwar
vertreten, daß das freigemessene über Filter, aber die können nicht alMaterial nur zu einer Strahlenbela- les zurückhalten. Das Problem ist
stung in Höhe von einem Prozent der folgendes: Die Betreiber haben für
natürlichen Strahlung führt. Wenn den Rückbau die gleichen Emissiman neuere Risikobewertungen her- onswerte beantragt wie ursprünglich
anzieht, dann käme man womöglich für die Erlangung der Betriebsgenehaufein zehnmal so hohes Risiko, und migung. Die Werte wurden damals
wer weiß, wie die Risikoeinschät- durch ein Aktivitätsflußschema bezung in zwanzig Jahren aussieht. gründet. So eine Rechnung ist fragDann aber sind die Materialien be- würdig, aber für den Rückbau hat
reits verteilt worden.
man nicht einmal eine eigene RechSeite 18
www.schattenblick.de
nung aufgestellt, sondern man hat
einfach die alten, viel zu hohen Werte aus den Betriebsgenehmigungen
übernommen.
Es gibt ein weiteres Problem: Die
Emissionen, die laut den Betriebsgenehmigungen erlaubt sind, verteilen
sich über das Jahr und werden vom
Wind mal hierhin, mal dahin getragen. Die Emissionsfahnen verschmieren sich sozusagen über die
ganze Umgebung und verstrahlen
dann die Einzelperson natürlich
längst nicht so stark, als wenn die
ganze genehmigte Jahresemission
auf einmal auf einer Wiese oder in
einem Vorgarten landet, wie es beim
Rückbau geschehen könnte. Das ist
einer der Gründe, weshalb ich sage,
daß der Rückbau für die Bevölkerung zu einer höheren Strahlenbelastung führen wird als der - Gott sei
Dank - einigermaßen glimpflich verlaufene Betrieb hier in Deutschland.
SB: Kann es bei den freigemessenen
und in Umlauf gebrachten Materialien zu Aufkonzentrationen von Radionukliden kommen, beispielsweise über eine Kette wie Mutterboden
- Gras - Kühe - Milch?
KH: Ja, man versucht, das zu begrenzen. Bei den uneingeschränkt
freigemessenen Stoffen kann man
das letztlich nicht verhindern. Es soll
darauf geachtet werden, daß nicht
nur die Freigabewerte unterschritten
werden, sondern auch der Freisetzungspfad eingehalten wird. Das
heißt beispielsweise, daß Müllfahrer,
die 20 Tonnen pro Fuhre vom Akw
zur Mülldeponie fahren, das nur zehn
Stunden im Jahr machen dürfen, falls
pro Jahr nur 100 Tonnen freigemessen werden. Das heißt, ein Fahrer
darf pro Jahr nur fünf Fuhren machen, und jede Fuhre darf nicht länger als zwei Stunden dauern. Die
Einhaltung dieser zeitlichen Begrenzung haben die Beamten der Atomaufsichtsbehörde auf einer Veranstaltung im Bildungszentrum für Natur, Umwelt und ländliche Räume in
Flintbek so erklärt: "Wir wissen ja,
Fr, 13. Mai 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
daß die Deponien ganz in der Nähe
sind." Daraufhin meinten ein paar
schlaue Leute auf unserer Seite:
"Und was ist, wenn die Fahrer auf
der Autobahn in einen Stau geraten?"
Darauf die Beamten: "Dann lassen
wir ein zweites Fahrzeug hinterherfahren, in dem noch ein weiterer
Fahrer sitzt." (lacht) So etwas Realitätsfremdes kann man sich überhaupt
nicht vorstellen! Von solchen Beispielen gibt es zahlreiche.
Die Ortschaft Wewelsfleth an der Stör
(am oberen Bildrand) liegt in Haupt­
windrichtung des Akw Brokdorf
Foto: Ra Boe/Wikipedia, freigegeben
als CC­BY­SA­3.0 (de) [http://crea­
tivecommons.org/licenses/by­
sa/3.0/de/legalcode],
Link des Originalfotos:
https://commons.wikimedia.org/wi­
ki/File:Luftaufnahmen_Nordseekue­
ste_2012­05­by­RaBoe­434.jpg
SB: In der Nähe und in Hauptwindrichtung des Akw Brokdorf liegt die Gemeinde Wewelsfleth. Laut dem schleswig-holsteinischen Krebsregister hat es
hier eine deutlich erhöhte Krebsrate gegeben, was auch schon einmal untersucht wurde. Sind dazu Folgeuntersuchungen geplant, nachdem die Ursache
der höheren Rate an bestimmten Krebsarten nicht festgestellt werden konnte?
KH: Nein, die Landesregierung war
sowieso von Anfang an der Meinung,
Fr, 13. Mai 2016
daß man überhaupt nichts untersuchen muß, weil es keinen Störfall im
Akw gab und es deshalb gar nicht sein
kann, daß der Krebs vom Akw Brokdorf ausgelöst wurde. Der Betreiber
hat ins selbe Horn gestoßen, und in
den ersten Verlautbarungen hatte es in
etwa geheißen: Die Leute in Wewelsfleth rauchen und saufen zuviel.
gen folgen. Allerdings hatte das
Bundesamt für Strahlenschutz detaillierte Forschungen abgelehnt,
weil die Fallzahlen für die einzelnen
Krebsarten zu gering seien.
SB: Hintergrund der Frage ist auch
die KiKK-Studie [2], die ja vor kurzem zu einem gewissen schriftlichen
Disput zwischen dir und dem Leiter
Nach sieben Jahren - sieben Jahren des Akw Brokdorf geführt hat. Vor
hintereinander! - hatte sich die An- rund zehn Jahren war in einer epidemiologischen Untersuchung des
Deutschen Kinderkrebsregisters
festgestellt worden, daß im Umkreis
von fünf Kilometern um deutsche
Kernkraftwerke eine deutlich erhöhte Leukämie-Rate unter Kindern bis
zum Alter von fünf Jahren zu beobachten ist. Die Ursache konnte nicht
ermittelt werden. Aber es wird anscheinend auch nicht weiter an der
Frage geforscht. [3]
zahl der Krebsneuerkrankungen wieder dahingehend normalisiert, daß
sie im Landesdurchschnitt zu liegen
kam. Hinsichtlich der Erhöhung der
Krebsrate war noch von den Behörden argumentiert worden, daß die
Zeit viel zu kurz sei, daraus könne
man nichts schließen. Aber kaum
war die Krebsrate wieder runter, sagten die gleichen Leute: Seht ihr, ist
doch alles in Ordnung!
KH: Wie so eine Nachfolgestudie
aussehen sollte, weiß ich zwar nicht.
Aber man müßte es begrüßen, wenn
dazu eine neue Studie mit gleichem
Aufwand durchgeführt würde, um
die statistische Sicherheit noch zu
erhöhen.
SB: Zumal in der Europäischen Union eigentlich das Vorsorgeprinzip
gilt: Wenn der Verdacht aufkommt,
daß eine Substanz der Bevölkerung
schadet, muß man Abstand davon
nehmen, die Substanz in Umlauf zu
bringen. Bei Akws besteht der Verdacht, sie seien krebserregend, deswegen wurde die KiKK-Studie
durchgeführt, auch wenn sie im Ergebnis den Verdacht nicht bestätigen
SB: Sollte es nicht eigentlich die konnte. Aber die Auffälligkeit gibt es
Funktion eines Krebsregisters sein, immer noch.
im ersten Schritt festzustellen, in
welchen Gebieten höhere Krebsraten KH: So eine Forderung würde ich
verzeichnet werden, aber im zweiten unterstützen. Eine Beweisführung
Schritt dann herauszufinden, woran über epidemiologische Studien ist
es liegt und wie man es abstellen mit hundertprozentiger Sicherheit
nicht möglich. Aber wenn bei den 17
kann?
Atomkraftwerken in Deutschland
KH: Ja, so steht es in der Aufgaben- dieser Effekt aufgetaucht ist, halte
beschreibung des Krebsregisters. ich die Wahrscheinlichkeit für verWenn es signifikante Unterschiede gleichsweise gering, daß es ein angibt, müssen weitere Untersuchun- deres Agens gibt, einen schädlichen
www.schattenblick.de
Seite 19
Elektronische Zeitung Schattenblick
Stoff, der merkwürdigerweise an al- bereits seit 30, 40 Jahren in den Kavernen des Akw Brunsbüttel stattfinlen Atomkraftwerken auftaucht.
det. Wir wissen zu wenig, wie die
SB: Vor kurzem hat die Bergung von Bergung durchgeführt wird, und sind
durchgerosteten Fässern mit Atom- darüber nicht sehr glücklich.
müll im Akw Brunsbüttel begonnen.
Bilder zeigen, daß die Gebinde teil- SB: Vielen Dank, Karsten, für das
weise völlig zerstört sind und ausein- Gespräch.
[3] Der Physiker Dr. Alfred Körblein, durch dessen Berechnungen
letztlich jene KiKK-Studie angeregt
worden war, erklärte im dritten Teil
eines Interviews mit dem Schattenblick, warum sich das Gefahrenbewußtsein für Niedrigstrahlung noch
nicht allgemein in Wissenschaft und
Politik durchgesetzt hat.
http://schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0212.html
Bisher zur 4. Protest­ und Kultur­
meile im Schattenblick unter
INFOPOOL → UMWELT →
REPORT erschienen:
BERICHT/114: Brokdorf, Memorial und Mahnung - ein dünner Faden
... (SB)
http://schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0114.html
anderfallen. Wie hat man sich so eine Bergung vorzustellen?
KH: Wo es geht, werden die Fässer
mit speziellen Greifern, die das ganze Faß umschließen und auch von
unterwärts stützen, bewegt. Wenn so
ein Faß herausgehoben wurde, wird
der Inhalt entweder direkt in ein anderes Faß gestellt oder umgefüllt
oder erst noch getrocknet. Ist der Inhalt trocken genug, wird er mit einer
Pulverumsauganlage in Container
umgefüllt. Die Genehmigung, die die
Behörde dafür erteilt hat, liegt uns
nicht vor, sondern nur die Presseerklärung dazu. Und darin rühmt sich
die Behörde damit, daß sie den Betreiber so weit geknebelt hat, daß die
Materialien nur eine Restfeuchte von
20 Prozent enthalten dürfen. Wir haben daraufhin eine Anfrage gestellt,
man möge uns erklären, ob das ausreicht. Denn da laufen Prozesse ab,
bei denen möglicherweise die Restfeuchte austritt und der gleiche Prozeß wieder von vorne losgeht, wie er
Seite 20
Akw Brokdorf ­ Repräsentant einer
Technologie, die wie eine Festung
gesichert wird
Foto: © 2016 by Schattenblick
INTERVIEW/217: Brokdorf, Memorial und Mahnung - wer A sagt ...
Dirk Seifert im Gespräch (SB)
http://schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0217.html
http://www.schattenblick.de/
infopool/umwelt/report/
umri0218.html
Anmerkungen:
[1] Eindrücklich geschildert wurden
diese Ereignisse von Tatjana Semenchuk, einer ehemaligen Einwohnerin
Prypjats, auf dem Internationalen
IPPNW-Kongreß "5 Jahre Leben mit
Fukushima - 30 Jahre Leben mit
Tschernobyl", der vom 26. bis 28.
Februar 2016 in der Urania, Berlin,
veranstaltet und vom Schattenblick
durch eine Reihe von Berichten und
Interviews, unter anderem mit jener
Tschernobyl-Betroffenen, nachbereitet wurde:
http://schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0208.html
[2] https://doris.bfs.de/jspui/bitstream/
urn:nbn:de:0221-20100317939/4/
BfS_2007_KiKK-Studie.pdf
www.schattenblick.de
Hinweis: UMWELT
Aktivisten blockieren
Kohlehafen von Newcastle
Break Free from Fossil Fuels
2016 ­ Zum Beispiel Australien
Fortsetzung der
weltweiten Kampagne
zum Abschied von fossilen
Energieträgern
http://www.schattenblick.de/
infopool/umwelt/redakt/
umkl­587.html
Fr, 13. Mai 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
Fr, 13. Mai 2016
www.schattenblick.de
Seite 21
Elektronische Zeitung Schattenblick
______I n h a l t______________________________________Ausgabe 1823 / Freitag, den 13. Mai 2016____
THEATER UND TANZ - REPORT
BÜRGER - REPORT
SCHACH-SPHINX
POLITIK - SOZIALES
POLITIK - AUSLAND
SPORT - BOXEN
UMWELT - REPORT
VERANSTALTUNGEN
DIENSTE - WETTER
Heiße Nebel, kalte Dämpfe ...
TTIP Nein danke - Innovativverwertung humaner Ressourcen ... (2)(SB)
Vorkämpferinnen der Chancengleichheit
Fadumo Korn - Eine mutige Frau gegen weibliche Genitalbeschneidung (Pressenza)
Vizepräsident will nach Amtsenthebung der Präsidentin Brasiliens Wirtschaft ... (poonal)
Unspektakulär, aber effizient
Brokdorf, Memorial und Mahnung - nicht nur Schönheitsfehler ... Dr. Karsten Hinrichsen
Programm im Juni - Komm du
Und morgen, den 13. Mai 2016
Seite
Seite
Seite
Seite
Seite
Seite
Seite
Seite
Seite
1
3
10
11
13
14
15
21
22
DIENSTE / WETTER / AUSSICHTEN
Und morgen, den 13. Mai 2016
+++ Vorhersage für den 13.05.2016 bis zum 14.05.2016 +++
© 2016 by Schattenblick
IMPRESSUM
Der Wind frischt heute etwas auf,
Jean sieht die schweren Wolkenfelder,
doch wird es mehr im Tageslauf,
erkennt der grüne Wettermelder.
Elektronische Zeitung Schattenblick
Diensteanbieter: MA-Verlag Helmut Barthel, e.K.
Verantwortlicher Ansprechpartner: Helmut Barthel, Dorfstraße 41, 25795 Stelle-Wittenwurth
Elektronische Postadresse: [email protected]
Telefonnummer: 04837/90 26 98
Registergericht: Amtsgericht Pinneberg / HRA 1221 ME
Journalistisch-redaktionelle Verantwortung (V.i.S.d.P.): Helmut Barthel, Dorfstraße 41, 25795 Stelle-Wittenwurth
Inhaltlich Verantwortlicher gemäß § 10 Absatz 3 MDStV: Helmut Barthel, Dorfstraße 41, 25795 Stelle-Wittenwurth
ISSN 2190-6963
Urheberschutz und Nutzung: Der Urheber räumt Ihnen ganz konkret das Nutzungsrecht ein, sich eine private Kopie für persönliche
Zwecke anzufertigen. Nicht berechtigt sind Sie dagegen, die Materialien zu verändern und / oder weiter zu geben oder gar selbst zu
veröffentlichen. Nachdruck und Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Wenn nicht
ausdrücklich anders vermerkt, liegen die Urheberrechte für Bild und Text bei: Helmut Barthel
Haftung: Die Inhalte dieses Newsletters wurden sorgfältig geprüft und nach bestem Wissen erstellt. Bei der Wiedergabe und Verarbeitung
der publizierten Informationen können jedoch Fehler nie mit hundertprozentiger Sicherheit ausgeschlossen werden.
Seite 22
www.schattenblick.de
Fr, 13. Mai 2016