** FREITAG, 13. MAI 2016 KUNDENSERVICE 0 8 0 0 / 9 3 5 8 5 3 7 ** D 2,50 EURO B Zippert zappt KOMMENTAR Ö THEMEN POLITIK Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff muss die Macht abgeben Kommentar Seite 3, Seite 7 SPORT Ralf Rangnicks Plan für RB Leipzig in der Bundesliga Interview Seite 18 WISSEN Was Waldbrände und Klimawandel verbindet Seite 20 FEUILLETON Warum der Chef des Deutschen Historischen Museums gehen muss Auf dem Donaudampfer SASCHA LEHNARTZ D DPA/FRANZISKA KRAUFMANN; REUTERS/ADRIANO MACHADO sterreich wird demnächst von einem Bahnchef regiert, und da stellt sich die Frage, wann Rüdiger Grube in Deutschland Angela Merkel ablöst. Obwohl Deutschland mit Anregungen aus dem kotelettförmigen Nachbarland traditionell vorsichtig sein muss, spricht einiges für die Idee, einen Bahnchef zum Kanzler zu wählen. Wer einen so unübersichtlichen und unberechenbaren Konzern wie die Bahn halbwegs lenken kann, dürfte eigentlich mit dem Unternehmen Deutschland keine Schwierigkeiten haben. Ein Bahnchef weiß, wann er wen aufs Abstellgleis schieben muss und wann das Land Gute-Laune-Tickets braucht. Er weiß, dass hier nicht jeder das Recht auf einen bequemen Sitzplatz hat und sich die Wagenreihung jederzeit ändern kann. Darüber hinaus wäre ein Bahnchef idealer Partner für den Modelleisenbahnfreak Seehofer. Falls Grube nicht antreten will, könnte man es mit Hartmut Mehdorn probieren, der gerade nicht ausgelastet ist. Für ihn spricht, dass er in einer Zeit, in der viele Menschen Angst vor offenen Grenzen haben, den Hauptstadtflughafen vor einer Öffnung bewahrt hat. Nr. 111 Die Kretschmann-Show Er betete für Merkel, er lobte die CSU, er hielt Distanz zur Bundespartei: Winfried Kretschmann hat im Wahlkampf alle Register des Landesväterlichen gezogen. Und der Supergrüne machte am Donnerstag so weiter: Küsst seine Frau vor Kameras, spielt rührend mit dem Enkel und weiß auch sonst, wie man die Mehrheit eines Bundeslandes beglückt, das über Jahrzehnte unionsregiert war. Bei der Bestätigung im Amt erhielt der 67-Jährige zehn Stimmen mehr als nötig – aber auch sechs weniger, als diese einmalige grün-schwarze Regierung im Landtag hält. Und die CDU? Seite 4 Die übt jetzt den Juniorpartner in Stuttgart. Papst kann sich Frauen in Kirchenämtern vorstellen Eine Kommission soll klären, ob es künftig weibliche Diakone geben darf. Franziskus zeigt erneut, dass er für Überraschungen gut ist: Selbst ein Vatikansprecher nennt den Vorstoß „spontan“ A us heiterem Himmel hat Papst Franziskus angekündigt, die Zulassung von Frauen zum Amt des Ständigen Diakons prüfen zu lassen. Der Vatikan soll demnach eine Kommission mit Kirchenhistorikern einrichten, um grundlegend zu untersuchen, welche Rolle Frauen in der Vergangenheit in der Kirche gespielt haben. Daraus könnten sich dann Reformmöglichkeiten für die Zukunft ergeben, hieß es. Das mag zunächst noch vage klingen. Aber nach katholischen Maßstäben ist diese Nachricht schon jetzt eine Sensation. Priester knapp werden, setzen viele Bistümer immer stärker auf sogenannte Ständige Diakone, also hauptberufliche Diakone. Sie dürfen verheiratet sein, erhalten aber dennoch eine Weihe und dürfen typisch priesterliche Aufgaben wahrnehmen: Wenn dieses Amt tatsächlich den Frauen geöffnet würde, sä- VON LUCAS WIEGELMANN Denn die Teilhabe von Frauen in der katholischen Kirche ist bisher, allen Lippenbekenntnissen der Amtskirche zum Trotz, immer noch marginal. Es gibt bis heute Gemeinden, in denen der Pfarrer nicht einmal Mädchen als Messdiener am Altar sehen will. Das Amt des Diakons ist in letzter Zeit immer wichtiger geworden: Weil gerade in Europa in vielen Ländern die he man demnächst Frauen Kinder taufen oder kirchliche Beerdigungen leiten – ein gewaltiger Schritt der Kirche Richtung Gleichberechtigung der Frauen, der bisher völlig undenkbar schien. Wenn eine päpstliche Kommission in die Kirchengeschichte zurückschaute, würde sie kaum umhinkönnen, die Möglichkeit von Diakoninnen zuzugeben. In vergangenen Jahrhunderten hat die Kirche viele Formen der Mitbestimmung für Frauen gekannt, ohne dass das noch groß im Bewusstsein ist. Der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf hat erst 2015 in seinem Buch „Krypta“ nachgewiesen, dass Frauen in einigen Gegenden sogar ähnliche Vollmachten hatten wie Bischöfe. „In der Tradition und Geschichte der katholischen Kirche liegen zahlreiche Möglichkeiten bereit, die – kreativ angewendet – das Gesicht der Kirche entscheidend verändern könnten, ohne dadurch ihre Katholizität infrage zu stellen“, schreibt Wolf. Dass Franziskus eine Reformidee sozusagen im Vorbeigehen aufgreift, über die Theologen zuvor jahrzehntelang gestritten haben, kann man an sich schon als Überrumpelung der Kurie empfin- Die Aufgaben der Diakone in der katholischen Kirche Diakone stehen in der katholischen Hierarchie eine Stufe unter dem Priester. Sie übernehmen Aufgaben im liturgischen Dienst, etwa die Mitwirkung bei der Messfeier, und sind seelsorgerisch tätig. Seit der Erneuerung des Amtes in den 60er-Jahren können auch verheiratete Männer zum Diakon geweiht werden. Ständige Diakone dürfen das Taufsakrament spenden und predigen, nicht aber die Messfeier leiten oder die Beichte abnehmen. den, die Revolution eigentlich nicht gewohnt ist, eher Evolution, wenn überhaupt. Besonders bedeutsam ist aber die Art und Weise, wie Franziskus die Nachricht veröffentlicht hat: Er hat sie nicht in feierlichem Dekret mit Goldkordel ausgefertigt, er hat sie auch nicht im Rahmen einer Kardinalsversammlung bekannt gegeben. Er hat sie als Erstes Frauen mitgeteilt, einer Versammlung von Oberinnen, also Ordensleiterinnen aus aller Welt. Wie „Radio Vatikan“ berichtet, hätten die Oberinnen die Sache mit den Diakoninnen selbst vorgeschlagen – der Papst legt also auch noch Wert darauf, dass er auf Wünsche von außen eingehen will. Vatikansprecher Federico Lombardi sagte, es sei zu früh, um Aussagen über die genauen Absichten des Papstes zu machen; es habe sich um eine spontane Äußerung von Franziskus gehandelt. Als „sehr gutes Zeichen“ wertet das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) die Äußerungen des Papstes. Vizepräsidentin Claudia Lücking-Michel nannte sie „vor dem Hintergrund unserer bislang eher bescheidenen Erfahrungen geradezu sensationell“. ie beliebteste Führungskraft, die in der österreichischen Sprache beheimatet ist, ist bekanntlich der Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitän. Daran hat man sich nun in Wien möglicherweise erinnert. Nach allem, was am Donnerstag aus der österreichischen Hauptstadt kolportiert wurde, soll der bisherige Steuermann der staatlichen Eisenbahngesellschaft Österreichs, Christian Kern, in Kürze Nachfolger des zurückgetretenen Bundeskanzlers Werner Faymann werden. Der 50 Jahre alte Vorstandsvorsitzende der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) soll Faymann darüber hinaus auch als Vorsitzender der SPÖ beerben. Damit ist sein Aufgabenprofil relativ klar umrissen: Er soll das im Zuge der Flüchtlingskrise ins Trudeln geratene österreichische Staatsschiff wieder auf Kurs bringen und zugleich die akut vom Absaufen bedrohte Sozialdemokratie der Alpenrepublik wieder flottkriegen. Zu beneiden ist er um diese Schwarzenegger-Aufgabe nicht. Aber zuzutrauen wäre es Kern, dem der Ruf vorauseilt, zu jener rar gewordenen Spezies Manager zu gehören, der man das Adjektiv „smart“ noch anhängen mag. An Selbstbewusstsein mangelt es dem Sozialdemokraten, der aus dem Wiener Arbeiterbezirk Simmering stammt, jedenfalls nicht. Er durchlief eine für österreichische Verhältnisse nicht untypische Karriere, die ihn über diverse Partei- und Staatsbetriebsposten an die Spitze der ÖBB führte. Seit 2010 leitet er den Betrieb, der mit rund 40.000 Mitarbeitern etwa fünf Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet. Dabei bewies er in dem traditionell stark von Gewerkschaftsinteressen beeinflussten Unternehmen Verhandlungsgeschick und Modernisierungswillen. Respekt verdiente sich Kern auch bei der logistischen Bewältigung der Flüchtlingskrise, bei der die ÖBB eine zentrale Rolle spielten. Mit der Alltagsebene der größten innenpolitischen Herausforderung für die österreichische Politik dürfte Kern daher vertrauter sein als viele seiner Politikerkollegen. Ob ihm das dabei helfen wird, einer großen Koalition mit der ÖVP Halt zu geben, die eben wegen der Flüchtlingskrise unter erheblichen Druck von rechts geraten ist, muss sich nun zeigen. Faymann hatte mit seinem Rechtsschwenk in der Flüchtlingsfrage die Unterstützung der SPÖ-Linken verloren. Kerns erste Aufgabe als neuer CEO der SPÖ und der Österreich AG wird nun darin bestehen, den Laden zusammenzuhalten. Sonst dürften bald Neuwahlen ins Haus stehen. Und der übernächste smart dreinschauende Bundeskanzler in Wien heißt dann möglicherweise Heinz-Christian Strache. [email protected] Seite 21 Der 1,9-Sekunden-Test DAX Im Minus Hyperloop soll eines Tages mit Schallgeschwindigkeit Passagiere befördern. Nun wurde in Nevada der Antrieb ausprobiert Seite 15 Dax Schluss Euro EZB-Kurs Punkte US-$ 9862,12 –1,13% ↘ Dow Jones 17.40 Uhr 1,1389 17.665,64 –0,17% ↘ –0,26% ↘ Punkte ANZEIGE Las Vegas County Jail – Auf der dunklen Seite der Glitzermetropole Heute um 21.05 Uhr Wir twittern Diskutieren live aus dem Sie mit uns Newsroom: auf Facebook: twitter.com/welt facebook.com/welt „Die Welt“ digital Lesen Sie „Die Welt“ digital auf allen Kanälen – mit der „Welt“-App auf dem Smartphone oder Tablet. Attraktive Angebote finden Sie auf welt.de/digital oder auch mit den neuesten Tablets auf welt.de/bundle N ach 1,9 Sekunden war alles vorbei. In der Nähe von Las Vegas sauste ein kleines Metallgestell über eine mehrere Hundert Meter lange Teststrecke, um dann vom Wüstensand abgebremst zu werden. Es war der erste, relativ kleine praktische Fahrversuch für das futuristische Röhrenzug-Projekt Hyperloop. Der Testschlitten erreichte eine Geschwindigkeit von mehr als 160 Kilometern pro Stunde und war damit noch weit vom anvisierten Zukunftstempo von bis zu 1220 Stundenkilometern entfernt. VON GERHARD HEGMANN Ohnehin fehlten dem Testaufbau die eigentlichen technischen Herausforderungen für den visionären Hightechzug. Es gab noch keine Röhre, in der künftig einmal ein Hyperloop in einem Fastvakuum sausen soll, und noch keine Kapsel, in der dann Passagiere oder Fracht transportiert werden. Beobachter des Versuchs im US- Bundesstaat Nevada sehen den Test daher auch als Werbeaktion der Start-up-Firma Hyperloop One. Inzwischen hat die Firma 80 Millionen Dollar an Risikokapital in der Kasse, kann also weiter entwickeln. Zu den Finanziers gehören beispielsweise die französische Bahngesellschaft SNCF oder ein Risikokapitalfonds von General Electric. Hyperloop-One-Firmenchef Rob Lloyd feierte den Versuch jedenfalls als großen Erfolg: „Wir sind heute der Verwirklichung von Hyperloop einen Schritt näher gekommen“, sagte der ehemalige Manager des US-Netzwerkkonzerns Cisco. Hyperloop werde voraussichtlich schneller als erwartet die Zugbranche revolutionieren. Nach bisherigen Ankündigungen soll etwa 2020 die Technik einsatzbereit sein. Die 2014 gegründete Firma mit inzwischen etwa 160 Beschäftigten greift die Menschen-Rohrpostidee des Milliardärs Elon Musk auf. Der 44jährige Multiunternehmer, der an der Spitze des Raumfahrtunternehmens SpaceX und der Elektroautofirma Tesla steht, hatte 2013 einen superschnellen Röhrenzug als Alternative für Hochgeschwindig- keitszüge auf herkömmlichen Gleisen vorgeschlagen. Innerhalb einer halben Stunde sollen Passagiere die 650 Kilometer lange Strecke zwischen Los Angeles und San Francisco zurücklegen können. Hyperloop soll gegen die etablierten Hersteller von Hochgeschwindigkeitszügen wie etwa Siemens antreten. Im Unterschied zu vielen Projekten ist Musk aber nicht selbst am Hyperloop-Projekt beteiligt. Er fördert das Projekt als offene Technologieplattform. Andere Firmen sollen in einem Wettbewerb seine Grundidee weiterentwickeln und umsetzen. Das Projekt wird international aufmerksam verfolgt. Hyperloop One nennt inzwischen renommierte Firmen als Partner. Darunter die Deutsche Bahn mit deren Ingenieursparte DB Engineering & Consulting, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG oder die Schweizer Amberg-Gruppe. Nach der jetzigen eher kleinen Testfahrt bei Las Vegas soll es wahrscheinlich noch vor Jahresende einen Test in einer rund drei Kilometer langen Röhre mit höheren Geschwindigkeiten geben. Dafür laufen bereits die Bauarbeiten. DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410 Täglich weltweit in über 130 Ländern verbreitet. Pflichtblatt an allen deutschen Wertpapierbörsen. Telefon: 030 / 2 59 10 Fax 030 / 259 17 16 06 E-Mail: [email protected] Anzeigen: 030 / 58 58 90 Fax 030 / 58 58 91 E-Mail [email protected] Kundenservice: DIE WELT, Brieffach 2440, 10867 Berlin Telefon: 0800 / 9 35 85 37 Fax: 0800 / 9 35 87 37 E-Mail [email protected] A 3,20 & / B 3,20 & / CH 5,00 CHF / CZ 95 CZK / CY 3,40 & / DK 25 DKR / E 3,20 & / I.C. 3,20 & / F 3,20 & / GB 3,00 GBP / GR 3,40 & / I 3,20 & / IRL 3,20 & / L 3,20 & / MLT 3,20 & / NL 3,20 & / P 3,20 & (Cont.) / PL 15 PLN / SK 3,20 € + ISSN 0173-8437 111-19 ZKZ 7109
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