UNGESCHEHENE GESCHICHTE UND IHRE ERINNERUNGSKULTURELLE DIMENSION Kontrafaktische historische Narrative zwischen Literatur und Geschichte in Ost und West Der Workshop will kontrafaktische historische Narrative aus vergleichend literatur-, medien- und geschichtswissenschaftlicher Perspektive hinsichtlich ihrer Funktion als konstituierende und dynamisierende Elemente von Erinnerungskulturen untersuchen. Ein besonderer Akzent liegt dabei auf den postsozialistischen Kulturen Osteuropas. Der Workshop geht von der Annahme aus, dass sich die Relevanz kontrafaktischer Alternativwelten in Geschichte, Literatur und anderen Medien nicht auf fiktions- und erkenntnistheoretische Aspekte beschränkt. Kontrafaktische Alternativwelten sollen insbesondere als Artikulationen bestimmter Erinnerungskulturen untersucht werden. Hier geht es aus literaturund medienwissenschaftlich vergleichender Perspektive und im interdisziplinären Austausch mit der Geschichtswissenschaft darum, die hohe Ambivalenz des Kontrafaktischen zu verhandeln, deren narrative und argumentative Strategien zu analysieren sowie Bedingungen zu untersuchen, unter denen kontrafaktische Szenarien entstehen. Das Kontrafaktische kann (offiziell) ‚Ungeschehenes’ geschehen machen, kann Geschichte (er)finden, Verhandlungsspielräume erweitern. Genauso gut scheint es dazu in der Lage, der Teleologie offizieller Geschichtspolitik in die Hände zu spielen und deren Hyperrealismus und Monumentalismus in kontrafaktischen Allegorien plausibel zu machen. Kontrafaktisches Denken ist zwar ein Anthropologikum, literarische und historische kontrafaktische Gedankenexperimente sind aber kulturell bedingt und keinesfalls immer möglich: Die sowjetische Kultur beispielsweise verzichtet weitgehend auf das Kontrafaktische, weil die historiosophischen, historiographischen und literarischen Bedingungen dafür fehlen.
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