Fusionskontrolle: Kommission untersagt geplante

Europäische Kommission - Pressemitteilung
Fusionskontrolle: Kommission untersagt geplante Übernahme von Telefónica
UK durch Hutchison
Brüssel, 11. Mai 2016
Die Kommission hat die geplante Übernahme von O2 durch Hutchison nach der EUFusionskontrollverordnung unterbunden. Sie hatte erhebliche Bedenken, dass die
Übernahme zu weniger Auswahl und höheren Preisen für die Mobilfunkkunden im
Vereinigten Königreich geführt und der Innovation im Mobilfunksektor geschadet hätte.
Dem heutigen Beschluss ging eine eingehende Untersuchung des Geschäfts durch die Kommission
voraus, mit dem „O2“ von Telefónica UK und „Three“ von Hutchison 3G UK zu einem neuen
Marktführer auf dem britischen Mobilfunkmarkt zusammengeschlossen worden wären. Durch die
Übernahme wäre ein wichtiger Wettbewerber wegfallen, so dass nur noch zwei Mobilfunknetzbetreiber,
nämlich Vodafone und Everything Everywhere (EE) von BT, mit dem zusammengeschlossenen
Unternehmen konkurriert hätten. Der erheblich verringerte Wettbewerb auf dem Markt hätte
wahrscheinlich höhere Preise für Mobilfunkdienste im Vereinigten Königreich und weniger Auswahl für
die Verbraucher zur Folge gehabt. Die Übernahme dürfte auch den Ausbau der
Mobilfunknetzinfrastruktur im Vereinigten Königreich behindert und sich damit negativ auf die Qualität
der Dienstleistungen für die britischen Verbraucher ausgewirkt haben. Zudem hätte sich die Zahl der
Mobilfunknetzbetreiber verringert, die bereit sind, in ihren Netzen andere Mobilfunkbetreiber zu
bedienen.
Die von Hutchison vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen konnten die durch die Übernahme
aufgeworfenen ernsthaften Bedenken nicht ausräumen.
Die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager erklärte hierzu: „Wir
wollen einen Mobilfunksektor mit funktionierendem Wettbewerb, damit die Verbraucher innovative
Mobilfunkdienste zu fairen Preisen und eine hohe Netzqualität genießen können. Die EUFusionskontrolle soll verhindern, dass der Wettbewerb zulasten von Verbrauchern und Unternehmen
durch Zusammenschlüsse geschwächt wird.
Hutchison O2 zu den geplanten Bedingungen übernehmen zu lassen, hätte den britischen Verbrauchern
und dem britischen Mobilfunksektor geschadet. Wir hatten starke Bedenken, dass die Verbraucher bei
der Suche nach einem passenden Mobilfunkpaket weniger Auswahl gehabt und mehr hätten zahlen
müssen als ohne die Übernahme. Auch die Innovation und der Ausbau der Netzinfrastruktur im
Vereinigten Königreich wären behindert worden, was insbesondere auf sich schnell verändernden
Märkten ein ernstes Problem darstellt. Die von Hutchison angebotenen Abhilfemaßnahmen waren nicht
ausreichend, um dies zu verhindern.“
Der britische Mobilfunkmarkt
Der britische Mobilfunkmarkt ist derzeit von Wettbewerb geprägt – die Mobilfunk-Endkundenpreise
gehören zu den niedrigsten in der gesamten EU. Das Vereinigte Königreich ist auch eines der Länder in
der EU, in denen die Einführung der 4G-Technologie und die Nutzung von 4G-Diensten am weitesten
fortgeschritten sind.
Zurzeit gibt es dort vier Mobilfunknetzbetreiber: EE (die Mobilfunksparte von BT), O2 (Telefónica),
Vodafone und Three (Hutchison).
EE und Three haben ihre Netze in ein Joint Venture („Mobile Broadband Network Limited“ – MBNL)
eingebracht. Im Gegenzug haben Vodafone und O2 ihre Netze unter der Bezeichnung „Beacon“
zusammengelegt. Auf diese Weise können EE/Three und Vodafone/O2 die Kosten für den Ausbau ihrer
Netze teilen, sie konkurrieren aber weiterhin miteinander um Endkunden.
Neben den vier Mobilfunknetzbetreibern sind auf dem britischen Mobilfunk-Endkundenmarkt mehrere
„virtuelle“ Mobilfunkbetreiber tätig, z. B. Virgin Media, Talk Talk und iD (Dixons Carphone). Diese
virtuellen Mobilfunkbetreiber besitzen keine eigenen Netze, über die sie Mobilfunkdienste für britische
Verbraucher erbringen, sondern haben mit einem der Mobilfunknetzbetreiber Vereinbarungen
getroffen, nach denen dieser ihnen gegen Vorleistungsentgelte Zugang zu seinem Netz gewährt.
Die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission
Die Kommission hatte erhebliche Bedenken, dass die Übernahme den Wettbewerb auf dem Markt
verringert, die Entwicklung der Mobilfunknetzinfrastruktur im Vereinigten Königreich behindert und die
Konkurrenzfähigkeit der virtuellen Mobilfunkbetreiber beeinträchtigt hätte.
1. Höhere Preise und geringere Auswahl und Qualität für die Verbraucher als Folge von
weniger Wettbewerb: Die Übernahme hätte den Wettbewerb zwischen zwei starken Anbietern
auf dem britischen Mobilfunkmarkt ausgeschaltet. Three ist als letztes Unternehmen in diesen
Markt eingetreten und stellt dort eine wichtige Triebkraft für den Wettbewerb dar. O2 hat mit
seinem hohem Markenwert und Ansehen eine starke Stellung inne. Das Unternehmen ist nach
Einnahmen der zweitgrößte und nach Abonnentenzahl der größte Mobilfunkbetreiber (bei
Einbeziehung seines Anteils am Joint Venture Tesco Mobile). Zusammen wären Three und O2 mit
einem Anteil von mehr als 40 % der Marktführer. Sie hätten daher einen wesentlich geringeren
Anreiz, mit Vodafone und EE zu konkurrieren. Dies hätte eine geringere Auswahl und Qualität
der Dienstleistungen für die britischen Verbraucher zur Folge gehabt. Die Prüfung der
Kommission ergab auch, dass die Mobilfunk-Endkundenpreise aller britischen Anbieter im Falle
der Übernahme höher gewesen wären als ohne sie.
2. Behinderung der künftigen Entwicklung der gesamten Mobilfunknetzinfrastruktur im
Vereinigten Königreich: Das zusammengeschlossene Unternehmen wäre an beiden
Vereinbarungen über die gemeinsame Nutzung der Netze (MBNL und Beacon) beteiligt gewesen.
Es hätte einen vollständigen Überblick über die Pläne der beiden verbleibenden Wettbewerber,
Vodafone und EE, für ihre Netze gehabt. Seine Beteiligung an beiden Netzen hätte EE und
Vodafone geschwächt und die künftige Entwicklung der Mobilfunkinfrastruktur im
Vereinigten Königreich beispielsweise hinsichtlich der Einführung der nächsten
Technologiegeneration (5G) zum Nachteil der britischen Verbraucher und Unternehmen
behindert.
3. Verringerung der Zahl der Mobilfunknetzbetreiber, die tatsächlich bereit sind, virtuelle
Mobilfunkbetreiber zu bedienen: Durch die Übernahme hätte sich die Zahl der
Mobilfunknetzbetreiber verringert, die bereit sind, in ihren Netzen andere Mobilfunkbetreiber zu
bedienen. Virtuelle Mobilfunkbetreiber sind auf Zugang zur Infrastruktur angewiesen, um
Mobilfunkdienste für Verbraucher erbringen zu können. Eine geringere Zahl von
Mobilfunknetzbetreibern hätte die Position künftiger und bestehender virtueller
Mobilfunkbetreiber bei der Aushandlung günstiger Zugangsbedingungen auf der
Vorleistungsebene geschwächt.
Die Infografiken sind hier in hoher Auflösung abrufbar.
Vorgeschlagene Abhilfemaßnahmen
Um die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission auszuräumen, bot Hutchison
Abhilfemaßnahmen an, die jedoch nicht ausreichten, um diese Bedenken zu beseitigen.
Kurz gesagt hätten die vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen die strukturellen Probleme nicht
gelöst, die durch die Störung der bestehenden Vereinbarungen über die gemeinsame
Netznutzung im Vereinigten Königreich entstanden wären. Sie hätten auch keinen Ausgleich für
den infolge der Übernahme geschwächten Wettbewerb auf den Mobilfunk-Endkunden- und Vorleistungsmärkten schaffen können.Darüber hinaus waren die wirksame Umsetzung und
Kontrolle der weitgehend verhaltensbezogenen Maßnahmen mit erheblicher Unsicherheit
verbunden, unter anderem weil ihre genaue Festlegung schwierig war und einige von der Zustimmung
anderer abhingen:
- Zum ersten Punkt der Bedenken der Kommission (Ausschaltung des Wettbewerbs zwischen Three
und O2) schlug Hutchison eine Reihe von Maßnahmen vor, mit denen die Entwicklung der
bestehenden virtuellen Mobilfunkbetreiber gefördert bzw. der Markteintritt neuer Anbieter
unterstützt werden sollte, darunter
o die Gewährung des Zugangs zu einem Teil seiner Netzkapazitäten für einen oder zwei virtuelle
Mobilfunkbetreiber,
o die Veräußerung der Anteile von O2 am Joint Venture Tesco Mobile und das Angebot einer
Vorleistungsvereinbarung über einen Teil seiner Netzkapazitäten für Tesco Mobile,
o
das Angebot einer Vorleistungsvereinbarung über einen Teil seiner Netzkapazitäten für Virgin Media.
Auch im Falle der Annahme dieser Angebote wären die virtuellen Mobilfunkbetreiber wirtschaftlich
und technisch von dem zusammengeschlossenen Unternehmen abhängig gewesen und hätten
nur begrenzte Möglichkeiten oder einen begrenzten Anreiz gehabt, ihr Angebot etwa in Bezug auf die
Netzqualität zu differenzieren.
- Zum zweiten Punkt der Bedenken der Kommission (Vereinbarungen über die gemeinsame
Netznutzung im Vereinigten Königreich) bot Hutchison verhaltensbezogene Abhilfemaßnahmen an,
deren wirksame Umsetzung und Kontrolle schwierig gewesen wären. Ihre jeweilige
Beteiligung an den beiden Vereinbarungen über die gemeinsame Nutzung der Netze (MBNL und
Beacon) hätten Three und O2 behalten.
- Zum dritten Punkt der Bedenken der Kommission (Auswirkungen der Übernahme auf die
virtuellen Mobilfunkbetreiber) bot Hutchison eine Reihe verhaltensbezogener Abhilfemaßnahmen
an, mit denen den virtuellen Mobilfunkbetreibern Zugang zu 4G- und künftigen Technologien
gewährt werden sollte. Diese Maßnahmen waren für die virtuellen Mobilfunkbetreiber kommerziell
uninteressant und mit erheblicher Unsicherheit in Bezug auf ihre wirksame Umsetzung
verbunden.
Abschließend gelangte die Kommission zu dem Ergebnis, dass die wahrscheinlichen negativen
Auswirkungen der Übernahme auf Preise, Qualität der Dienstleistungen und Netzinnovation im
britischen Mobilfunksektor durch die vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen nicht hätten verhindert
werden können und untersagte daher den geplanten Zusammenschluss, um die Kunden und
Unternehmen im Vereinigten Königreich zu schützen.
Fusionskontrollvorschriften und -verfahren
Hintergrundinformationen zum britischen Mobilfunkmarkt und zur Vorgehensweise der Kommission bei
der Prüfung von Zusammenschlüssen im Mobilfunksektor finden Sie im Factsheet.
Die Kommission hat die Aufgabe, Fusionen und Übernahmen von Unternehmen zu prüfen, deren
Umsatz bestimmte Schwellenwerte übersteigt (vgl. Artikel 1 der Fusionskontrollverordnung), und
Zusammenschlüsse zu untersagen, die den wirksamen Wettbewerb im gesamten Europäischen
Wirtschaftsraum (EWR) oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindern würden.
Der weitaus größte Teil der angemeldeten Zusammenschlüsse ist wettbewerbsrechtlich unbedenklich
und wird nach einer Standardprüfung genehmigt. Nach der Anmeldung muss die Kommission in der
Regel innerhalb von 25 Arbeitstagen entscheiden, ob sie den Zusammenschluss im Vorprüfverfahren
(Phase I) genehmigt oder ein eingehendes Prüfverfahren (Phase II) einleitet. Derzeit laufen drei
eingehende Prüfverfahren (Phase II). Sie betreffen
- die geplante Übernahme von Arianespace durch Airbus Safran Launchers (ASL) (Frist für den
Beschluss: 10. August 2016)
- das geplante Joint Venture für das Telekommunikationsgeschäft von Hutchison und VimpelCom in
Italien (Frist für den Beschluss: 18. August 2016)
- die geplante Übernahme des griechischen Gasfernleitungsnetz-Betreibers DESFA durch die
staatliche aserbaidschanische Mineralölgesellschaft SOCAR
Weitere Informationen zu dieser Wettbewerbssache werden auf der Website der GD Wettbewerb im
öffentlich zugänglichen Register unter der Nummer M.7612 veröffentlicht.
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