1. Einleitung Die Erfassung von Organisationskultur ist in der Regel immer dann angebracht, wenn in einer Organisation schwerwiegende Probleme vorhanden sind oder eine neue strategische Ausrichtung im Rahmen von Fusionen, Zusammenlegungen von Organisationseinheiten, „Joint Ventures“ oder Partnerschaften fällig ist. Dabei stellt sich rasch die Frage, wie die Kultur erfasst werden kann. Dafür kommen, je nach zugrunde liegendem Verständnis der Kultur, unterschiedliche Verfahren in Frage. Edgar Schein (2002, 2003) kritisiert vor allem die Fragebogenmethode, von der er überzeugt ist, dass sie lediglich die kulturellen Artefakte sowie Einstellungen, Werte und Verhalten aufdecken kann. Die impliziten kollektiven Annahmen (Grundprämissen), die in einer Organisation herrschen, können die Fragebögen jedoch nicht erfassen. Nach Schein besitzt jedes Unternehmen ein solch einzigartiges Profil kultureller Annahmen, welche es bei der Diagnose der Organisationskultur zu entdecken gilt. Auch andere Autoren gehen mit Schein einig, dass die bislang in der empirischen Organisationsforschung und -beratung vorherrschenden quantitativ- standardisierten Erhebungs- und Auswertungsmethoden für die Analyse von Unternehmenskulturen ungeeignet sind. Kolbeck und Nicolai (1996) sehen sogar die Gefahr der Trivialisierung der Organisationskultur, wenn lediglich eine Erfassung der sichtbaren und quantitativ messbaren Phänomene erfolgt. Es ist allgemein bekannt, Organisationswirklichkeit dass die Erschliessung der Mitarbeitenden als der gemeinsamen Ausdruck der Organisationskultur, eine schwierige Aufgabe darstellt. Klimecki und Probst (1990) sind der Meinung es bedürfe Verfahren, die den Prozessen der kommunikativen Vermittlung und der kollektiven Interpretation gerecht werden. Sie schlagen daher interpretative und interaktive Verfahren der Kulturanalyse vor. Kolbeck und Nicolai (1996) sehen in der neueren Systemtheorie eine Chance für dieses Methodendilemma. Vertritt man eine systemisch- konstruktivistische Sichtweise der Organisationskultur, ist es nahe liegend, eine qualitativ interpretative und eben auch systemische Methode zu wählen. Aus persönlichen Erfahrungen mit Familienaufstellungen wurde mir der Bezug zwischen einem systemisch-konstruktivistischen Verständnis der Organisationskultur und der Methode der Systemischen Aufstellungen augenfällig. Erstens wird in den Systemischen Aufstellungen, gleich wie bei den Theorien zur Organisationskultur, von der Annahme ausgegangen, dass Organisationen Systeme sind, die sich grundsätzlich erhalten und weiterentwickeln wollen. Daher gibt es in einer Organisation ein teils explizites, teils implizites Wissen darüber, was ihr Überleben sichert und was es gefährdet. Aufstellungen scheinen eine Methode zu sein, die den Zugang zu diesem impliziten Wissen ermöglicht und rasch und effizient zentrale Zusammenhänge und Dynamiken im System erkennen lassen. Organisationskultur wird oft als aktives, lebendiges Phänomen gesehen, mittels dessen Menschen die Welt, in der sie arbeiten, erschaffen und immer wieder neu entstehen lassen. Aufstellungen nehmen ein solches Verständnis der Kultur auf, indem sie im Aufstellungsprozess eine gemeinsame zeit- und kontextabhängige Organisationswirklichkeit konstruieren, welche gleichzeitig einem stetigen Wandel unterzogen ist. Aufstellungen im organisationalen Kontext entwickelten sich Ende der 90er Jahre. Die Methode ist somit jünger, als es die Blütezeit der Organisationskultur-Forschung in den 80er und anfangs der 90er Jahre war. Der Bezug zwischen dem Konzept der Organisationskultur und den Aufstellungen als mögliche Methode zur Diagnose und Bearbeitung der Organisationskultur wurde daher bis anhin noch nicht geschaffen. Das vorliegende Fachbuch verfügt über einen ausführlichen Theorieteil zu den Themen Organisationskultur und Systemische Aufstellungen. Im Theorieteil wird einerseits das Konzept der Organisationskultur näher beschrieben. Es wird erklärt, was sie bedeutet und beinhaltet, welche kulturtheoretischen Ansätze und Modelle existieren und wie sie diagnostiziert werden kann. Andererseits wird die Methode der Systemischen Aufstellungen ausführlich dargestellt. Der Fokus liegt dabei auf der Arbeit von Mathias Varga von Kibéd und Insa Sparrer (2002). Es wird erklärt, wie Aufstellungen ablaufen, wo und wie sie in Organisationen angewendet werden, wie deren Funktionsweise erklärt wird, wie und woraus sie sich entwickelt haben und welche Fragen auch heuten noch unbeantwortet sind.
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