1 hr2-kultur, Zuspruch am Morgen, Dienstag, 3. Mai 2016 Diakon Uwe Groß, kath. Kirche in Wiesbaden Worte wie Brot Es gibt Worte, die sind für mich so wichtig wie Brot. So wichtig wie das tägliche Brot, also alles, was ich zum Leben so brauche: Nahrung, Wohnung, Menschen, die mich lieben. Worte wie Brot sind für mich zum Beispiel die Worte des Vaterunseres. Es vergeht kaum ein Tag in meinem Leben, an dem ich nicht still oder im Gottesdienst die Worte des Vaterunsers spreche. Nicht immer bewusst. Ich reflektiere auch nicht jeden Satz beim Beten durch. Manchmal sage ich es einfach so innerlich daher. Dann ist dieses Gebet für mich wie ein Geländer an dem ich mich festhalten kann. Ich denke auch an Situationen in meinem Leben, in denen ich traurig war: Zum Beispiel als mir eine Freundin erzählt, dass sie Lungenkrebs hat. Sie ist 52 und weiß nicht, wie lange sie noch zum Leben hat. Ich war sprachlos. Aber was mir durch den Kopf geschossen ist, das war ein Gebet für sie: das Vaterunser. Ich habe es auch schon erlebt, wenn es Streit gab und ich nicht weiterwusste. Ich musste die Situation einfach aushalten. Dann hab ich für mich still das Vaterunser gebetet. Ich denke aber auch an schöne Erlebnisse: Im Januar waren wir mit der Familie Skifahren: Als ich oben auf 3000 Meter stand, die verschneite Bergwelt vor mir gesehen habe, und wusste: Ich kann jetzt eine Woche Ski fahren, da war ich total happy und hab einfach das Vaterunser gebetet. Ich denke auch an lange Autofahrten: da kommen mir oft ganz viele Gedanken und vor allem eins: Dankbarkeit für mein Leben. Dann bete ich einfach mal innerlich das Vaterunser. Das Vaterunser ist für mich ein tolles Gebet, es wird nie langweilig, nie abgelutscht. Es birgt für mich immer neue tiefe Gedanken. Worte wie Brot: Es gibt für mich noch andere, zum Beispiel der Psalm 23: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ Vor ein paar Jahren ist er mir nahe gekommen. Er erzählt davon, dass es manchmal knüppeldick im Leben kommt: „muss ich auch wandern im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir- du deckst mir den Tisch vor den Augen meiner Feinde“ – so heißt es dort. Ich war der Meinung: Das ist geistiges Brot - die Schüler mussten ihn auswendig lernen und ich habe es bei der Gelegenheit auch endlich getan. Schon oft hatte ich den Psalm vorher gelesen. Aber damals habe ich gespürt: Das ist geistiges Brot. Worte wie Brot, die muss man auswendig können, damit sie da sind, wenn man sie braucht. Besonders wenn mir die Worte fehlen, wenn meine Gedanken konfus sind, wenn ich keinen Satz auf die Reihe kriege, dann helfen mir diese Worte, die Brot für mich sind. Zum Nachhören als Podcast: http://www.hr-online.de/website/radio/hr2/index.jsp?rubrik=22644
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