Größenwahn PICTURE-ALLIANCE / AKG-IMAGES Am 22. Juni 1941 überfiel die Wehrmacht die Sowjetunion. Die Nazis planten die Invasion als Bestandteil ihrer verbrecherischen Weltherrschaftspläne. Im Osten wollten sie ein Kolonialimperium errichten. Von Kurt Pätzold SEITEN 12/13 GEGRÜNDET 1947 · FREITAG, 6. MAI 2016 · NR. 105 · 1,50 EURO (DE), 1,70 EURO (AT), 2,20 CHF (CH) · PVST A11002 · ENTGELT BEZAHLT WWW.JUNGEWELT.DE Gegensätzliche Interessen Umgeleitetes Geld Begehrte Gebiete Unerforschter Widerstand 3 5 7 15 Nebenkläger im NSU-Prozess reden nach drei Jahren Verfahren von mangelnder Aufklärung Die sogenannte Griechenland-Hilfe kam überwiegend bei Banken, aber nicht im Staatshaushalt an Russland empfängt Japans Premiermi- Ausstellung in Berlin porträtiert sowjenister Abe. Tokio will Inselgruppe tische Militärmedizinerinnen im zurück. Von Reinhard Lauterbach Frauen-KZ Ravensbrück Geschenk für Erdogan REUTERS/UMIT BEKTAS Trotz Krieg, Unterdrückung und Zensur: EU-Kommission empfiehlt Visafreiheit für Türkei. Von Peter Schaber AP PHOTO/AKIN CELIKTAS D ie EU-Kommission hat am Mittwoch die Aufhebung der Visumpflicht für türkische Bürger empfohlen und damit eine Kernforderung Ankaras aufgegriffen. Zudem will die Behörde EU-Staaten, die sich gegen eine Umverteilung von Flüchtlingen sperren, hohe Ausgleichszahlungen aufdrücken. Die Bundesregierung begrüßte beide Initiativen, Kritik kam von der Opposition und aus Osteuropa. Lediglich fünf von 72 Auflagen habe die Türkei gegenwärtig noch umzusetzen, erklärte der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans. Das Land habe »eindrucksvolle Fortschritte« gemacht und werde sämtliche gesetzten Kriterien erfüllen, falls es das Reformtempo halte. Zieldatum für die visafreie Einreise ist Ende Juni, zuvor müssten aber die EU-Staaten und das Europaparlament zustimmen. Die Türkei wertete die Empfehlung der EU-Kommission als Erfolg. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gab sich am Mittwoch optimistisch, dass das Land die verbleibenden Hürden nimmt: »Ich glaube, dass (...) eine realistische Chance besteht, dass auch die noch offenen Punkte erfüllt werden.« Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) lehnte dagegen im Kölner Stadtanzeiger die Visumfreiheit ab. Er erinnerte an die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Grundrechte in der Türkei sind gesichert: 1. Mai auf dem Taksim-Platz in Istanbul Kurden und Türken am Ostersonntag in Aschaffenburg: »Wir wollen solche Konflikte nicht in unserem Land haben.« Ähnlich äußerte sich die AfD. Die Linke-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht kritisierte: »Die Visafreiheit und die Beschleunigung der EU-Beitrittsverhandlungen sind der Preis für Merkels unwürdige Kungelei mit dem Despoten Erdogan.« Zu den von Ankara einzuhaltenden Minimalstandards gehören dem EU-Bericht zufolge auch »Grundrechte«. Hier attestierte Brüssel trotz des Kriegs Ankaras gegen die kurdische Bevölkerung im Osten der Türkei, trotz Zensur und der Inhaftierung von Journalisten schon im März, dass »viele der Voraussetzungen erfüllt wurden«. Nachbesserungen, heißt es nun, seien bei der Korruptionsbekämpfung, den »Antiterrorgesetzen«, dem Datenschutz sowie der Kooperation mit der EU-Polizeibehörde Europol und der EU-Justiz erforderlich. Heftigen Gegenwind lösten die ebenfalls am Mittwoch von der EU-Kommission vorgestellten Reformvorschläge für das europäische Asylsystem, das sogenannte DublinAbkommen, bei osteuropäischen EUStaaten aus. Polens Außenminister Witold Waszczykowski erklärte: »Ich frage mich, ob es ein ernstgemeinter Vorschlag ist, denn es hört sich nach einem Aprilscherz an.« Sein ungarischer Kollege Péter Szijjártó sprach von »Erpressung«. Tschechiens Außenminister Lubomír Zaorálek kritisierte: »Etwas vorzulegen, was uns trennt, hilft niemandem.« Auch die Slowakei lehnt die Pläne ab. Länder, in denen viele Menschen Schutz suchen, sollen nach dem Willen der EU-Kommission künftig automatisch entlastet werden. Die Grundregel des Dublin-Systems, wonach in erster Linie jener Staat für Asylanträge zuständig ist, in dem Migranten den Boden der EU betreten, soll zwar erhalten bleiben. Für jedes Land würde aber künftig ein Anteil an der Zahl aller Asylbewerber in Europa errechnet, der sich aus Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft ergibt. Werde dieser Richtwert um mehr als die Hälfte überschritten, würden neue Asylbewerber künftig an andere europäische Staaten weitergeleitet. Diese könnten sich zwar weigern, müssten dann aber Ländern, die sich an die geplante Regelung halten, 250.000 Euro pro Flüchtling zahlen. Siehe Kommentar Seite 8 Weitere Eskalation nach Pfingsten IG Metall will in Tarifkonflikt Streiks ausweiten. Unternehmer fordern Ausstiegsklausel M it 24-Stunden-Streiks in mehreren hundert Betrieben Nordrhein-Westfalens will die IG Metall ihren Forderungen im laufenden Tarifkonflikt Nachdruck verleihen. Sollte sich die Konzernseite nicht bewegen, »werden wir nach Pfingsten diese Stufe zünden«, sagte NRW-Bezirksleiter Knut Giesler am Donnerstag gegenüber dpa. Im Moment liefen »sehr konkrete Planungen für NRW und andere Gewerkschaftsbezirke, abgestimmt mit dem Frankfurter Vorstand«. Wenn bis Pfingsten keine Einigung gefunden sei, könnten die Ta- Türkei: Ahmet Davutoglu gibt Amt auf gesstreiks vom 18. Mai an starten, so Giesler. Diese würden die Unternehmen noch wesentlich schärfer treffen als die bisherigen Warnstreiks. Vor Christi Himmelfahrt hatte die Gewerkschaft ihre Proteste in der Metall- und Elektroindustrie noch einmal intensiviert. Bundesweit ließen am Mittwoch rund 83.000 Beschäftigte aus 470 Betrieben die Arbeit zeitweise ruhen, wie der Gewerkschaftsvorstand in Frankfurt mitteilte. Seit Freitag vergangener Woche summiert sich damit die Zahl der Teilnehmer auf 328.000. Die Kapitalseite will in der Tarifaus- einandersetzung Sonderrechte durchsetzen. Der angepeilte Abschluss müsse auch eine »differenzierende Wettbewerbskomponente« enthalten, erklärte der Hauptgeschäftsführer des regionalen Arbeitgeberverbandes Metall NRW, Luitwin Mallmann, der Rheinischen Post am Donnerstag. Das bedeutet, dass es Unternehmen in bestimmten Fällen erlaubt sein soll, von dem getroffenen Abschluss abzuweichen. Dann, »wenn 30 Prozent der Unternehmen keine oder nur unbedeutende Gewinne erwirtschaften«, so Mallmann. »Diese Komponente ist für uns keine Streich- Forderung.« Das Tarifgebiet NRW, »das so viele Mittelständler vereinigt wie kein anderes in der Republik«, sei »ein guter Austragungsort für dieses Thema«. Die Verhandlungen sollen in der vierten Runde als erstes im Südwesten am kommenden Mittwoch wieder aufgenommen werden. Der IG-MetallLandesbezirksvorsitzende Roman Zitzelsberger erklärte am vergangenen Mittwoch: »Jetzt haben sie die Wahl: Entweder wir finden vor Pfingsten eine Lösung, oder es eskaliert weiter. Die IG Metall kann beides.« Simon Zeise Istanbul. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu gibt seine Ämter als Partei- und Regierungschef auf. Davutoglu kündigte am Donnerstag in Ankara einen Sonderparteitag der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP in zweieinhalb Wochen an, bei dem er nicht mehr für deren Vorsitz kandidieren werde. Das bedeutet auch, dass er danach nicht mehr Regierungschef sein wird. Davutoglu versuchte den Eindruck zu zerstreuen, sein Rücktritt sei auf einen Konflikt mit Präsident Recep Tayyip Erdogan zurückzuführen. »Ich werde die Loyalitätsbeziehung zu unserem Präsidenten bis zu meinem letzten Atemzug weiterführen«, erklärte er. »Seine Familienehre ist meine Familienehre.« Zahlreiche Medien hatten hingegen wiederholt über eine wachsende Unzufriedenheit Erdogans mit Davutoglus Partei- und Regierungspolitik berichtet.(dpa/jW) Staat nimmt fünf Milliarden Euro mehr ein Berlin. Die Frühjahrsprognose des Arbeitskreises Steuerschätzung geht von fünf Milliarden Euro mehr Einnahmen aus, als die Herbstschätzung im vergangenen November ergeben hatte. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte am Mittwoch bei der Präsentation in Berlin, Bund, Länder und Gemeinden seien finanziell gut aufgestellt. »Die Steuerschätzung bestärkt uns darin, dass wir die aktuell großen Herausforderungen ohne neue Schulden bewältigen können.« Zusätzliche Spielräume für Ausgaben ergäben sich für den Bund aus der Steuerschätzung nicht, so Schäuble. Der Arbeitskreis Steuerschätzung geht davon aus, dass der Staat von 2016 bis einschließlich 2020 42,4 Milliarden Euro mehr in die Kassen bekommen wird als bisher gedacht. Die Vorhersagen des Gremiums dienen als Grundlage bei der Erstellung aller öffentlichen Haushalte. (Reuters/jW) wird herausgegeben von 1.828 Genossinnen und Genossen (Stand 15.4.2016) n www.jungewelt.de/lpg
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