HandelsblattNr. 086 vom 04.05.2016 Seite 014 Unternehmen & Märkte NORBERT STEINER „Wir müssen dicke Bretter bohren“ Der Chef des Rohstoffkonzerns K+S über Aktionärskritik, die Suche nach einem Ankerinvestor und Vorwürfe bei der Abfallbeseitigung. N orbert Steiner steht eine aufregende Woche bevor. Am kommenden Mittwoch muss sich der Chef des Düngemittelproduzenten K+S auf der Hauptversammlung den Aktionären stellen. Und die sind unzufrieden, denn seit dem Übernahmeversuch von Potash hat der Konzern kräftig an Wert verloren. Es ist nicht das einzige Problem des K+S-Chefs. In der Kasseler Zentrale treffen wir aber einen gelassen wirkenden Vorstandsvorsitzenden, der Zuversicht demonstriert. Herr Steiner, der Aktienkurs von K+S hat sich seit Sommer 2015 fast halbiert. Auf der Hauptversammlung werden Sie dafür viel Kritik einstecken müssen. Wir sind darauf eingestellt, dass sich einige Aktionäre kritisch äußern werden. Aber man muss sehen, dass in den letzten Monaten besonders die Aktien von Rohstoffunternehmen unter Druck standen. Auch der Düngemittelsektor hat an der Börse Federn lassen müssen. Diesem Trend konnten auch wir uns nicht entziehen. Dennoch hat sich die K+S-Aktie von den Tiefständen im Februar schon wieder deutlich erholt. Andere Aktionäre werfen Ihnen vor, dass Sie mit der Ablehnung des Übernahmevorschlags von Potash den Eigentümern keinen guten Dienst erwiesen haben. Was entgegnen Sie denen? Ich werde gerne wiederholen, dass wir diesen Vorschlag sorgfältig geprüft haben und zurückweisen mussten. Letztlich aber hat sich Potash zurückgezogen. Wenn man uns also vorwerfen will, dass wir eine Übernahme unmöglich gemacht haben, so kann ich nur sagen: Potash war der handelnde Akteur und nicht wir. Aber die Kanadier haben den Rückzug ja unter anderem auch mit Ihrem Widerstand begründet. Wir haben immer gesagt, dass wir eine Übernahme nicht blockieren. Das können wir gar nicht. Denn Potash hätte ja grundsätzlich die Möglichkeit gehabt, mit einem offiziellen Übernahmeangebot die Aktionäre von K+S entscheiden zu lassen. Das haben sie nicht getan. Ich glaube, dass letztlich das sich abschwächende Marktumfeld der entscheidende Grund für den Rückzug gewesen ist. Die Bewertung durch Potash von 41 Euro pro Aktie war Ihnen zu niedrig. Jüngst haben Sie gesagt, dass Sie heute zu einer strukturell ähnlichen Einschätzung kommen würden – und das bei einem aktuellen Kurs von 22 Euro. Ich habe bewusst „strukturell“ gesagt. Wir würden auch heute wieder prüfen, wie viel unser neues Legacy-Kaliwerk in Kanada wert wäre, wie viel das Salzgeschäft und inwieweit diese Bewertung im Aktienkurs enthalten ist. Und Sie würden dann zu einer niedrigeren Bewertung von K+S kommen? Ich spekuliere jetzt nicht, auf welchen Wert wir dann kämen. Aber der derzeitige Aktienkurs spiegelt den Wert von Legacy nicht wider? Stimmt. Ich bin sehr unzufrieden damit, dass die meisten Analysten den Wert in ihren Langfristbetrachtungen nicht einbezogen haben. Dabei laufen wir mit Siebenmeilenstiefeln auf die Fertigstellung von Legacy in Kanada zu. Wir werden eine Punktlandung beim Zeitplan und beim Budget machen. Noch vor Ende dieses Jahres werden wir dort die erste Tonne Kali produzieren. Wir können nur immer wieder die Chancen von Legacy betonen, aber wir müssen hier wirklich sehr dicke Bretter bohren. K+S wird mit Legacy in eine neue Dimension vorstoßen: Wir erhalten Zugang zu hochwertigen Ressourcen für Generationen, und wir werden unsere durchschnittlichen Produktionskosten deutlich senken können. Die Finanzmärkte schauen bei ihrer Beurteilung von K+S vor allem auf den Kalipreis. Der ist in den vergangenen Monaten gesunken, und es gibt keine Signale, dass es wieder aufwärtsgeht. Nach unseren Beobachtungen haben wir in Europa derzeit eine stabile Preissituation, und in Brasilien ist es mittlerweile seit Wochen ähnlich. Wir sehen im Moment also nicht, dass die Preise weiter sinken werden. Der Boden dürfte erreicht sein. Leider schauen viele auch häufig nur auf den Rohstoff Kali und übersehen unser Salzgeschäft sowie die Stärken unserer Spezialprodukte. Wir sind viel breiter aufgestellt als die meisten unserer Wettbewerber und wegen unseres Europageschäfts auch weniger stark abhängig von den Entwicklungen auf dem globalen Kalimarkt. Dennoch: Es gibt die Meinung im Markt, dass Legacy mit seinen neuen Kapazitäten dafür sorgen wird, dass der Kalipreis nach unten geht. Schließlich gibt es derzeit schon Überkapazitäten. Es ist eines der schönsten Märchen, die wir im Moment hören, dass wir sozusagen das Fass zum Überlaufen bringen. Tatsächlich haben wir unsere Produktion in den letzten Jahren schon um fast eine Million Tonnen Ware zurückgenommen und werden voraussichtlich um 2020 herum unser Werk Sigmundshall bei Hannover wegen Erschöpfung der Rohstoffvorkommen schließen. Mit Legacy werden wir in den nächsten Jahren dann statt derzeit rund drei etwas über vier Millionen Tonnen Standardkali produzieren. Potash beispielsweise hat eine Kapazität von rund 15 Millionen Tonnen. Wir sind nach wie vor ein kleiner Spieler im Markt. Alle anderen Anbieter haben im Vergleich zu uns weitaus mehr Kapazitäten aufgebaut. Eine Übernahme von K+S steht weiterhin im Raum. Warum suchen Sie sich keinen Ankeraktionär, der Sie schützt? Wir schauen uns um und führen auch Gespräche. Aber es ist nicht so, dass wir nur noch damit beschäftigt wären, einen Ankeraktionär zu suchen. Das Thema ist auch nicht so trivial: Die Interessen müssen ja zusammenpassen. © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected]. Und wer käme infrage? In unserem Geschäft denkt man in langfristigen Zyklen. Ein Ankeraktionär müsste also auch einen langfristigen Horizont haben. Die Zwei-Säulen-Strategie und auch die Legacy-Mine in Kanada sind Ihre Babys. Wenn Sie im nächsten Jahr ausscheiden, bekommen Sie die Blütezeit des Projekts gar nicht mehr mit. Wollen Sie vielleicht doch noch mal verlängern? Bergbau ist nicht eines Mannes Sache. Entscheidungen waren und sind bei uns immer ein Gemeinschaftswerk. Wir haben das Legacy-Projekt erworben, weil unsere Kaliproduktion hier in Deutschland endlich ist. Wir können und wollen an der Werra bis etwa 2060 produzieren. Legacy öffnet uns ein Fenster, das über 2060 hinausgeht. Ich hatte mich 2015 dafür entschieden, den Vertrag nur um zwei Jahre zu verlängern, bis Legacy zum Laufen kommt. Wenn ich die Blütezeit im Amt erleben wollte, um bei dem Bild zu bleiben, müsste ich als Urgroßvater noch bei K+S arbeiten. Behörden zur Versenkung von Salzabwässern in der Gerstunger Mulde in Thüringen erteilt haben, rechtmäßig waren und sind. Die fortlaufende Prüfung durch eine externe Kanzlei im Auftrag des Unternehmens hat dies bestätigt. Es drohen Ihrer Ansicht nach auch keine Strafzahlungen? Es gibt keine Anhaltspunkte für strafbares Verhalten. Deswegen sahen und sehen wir vor diesem Hintergrund keine Notwendigkeit, finanzielle Vorsorge – beispielsweise in Form von Rückstellungen – zu treffen. Wäre K+S-Finanzchef Burkhard Lohr eine Wahl, die Sie begrüßen würden? Diese Entscheidung ist Sache unseres Aufsichtsrats. Laut Medienberichten soll K+S bei einem anderen Genehmigungsverfahren Behördenakten beeinflusst haben. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf? Sie können davon ausgehen, dass die Behörden die Herren ihrer eigenen Akten sind. Wenn wir im Einzelfall sagen, dass Akten mit Betriebsgeheimnissen nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollen, dann ist das sicher auch nur verständlich. Dass jetzt interne Schreiben auf krummen Wegen an zwei Medien gelangt sind und daraus auch zitiert wird, ist schlicht unanständig, weil es den Schutzraum unseres Unternehmens verletzt. Und wenn das Ganze dann in Häppchen an die Öffentlichkeit gebracht wird, ohne den Gesamtzusammenhang darzustellen, dann ist das aus meiner Sicht schon ein starkes Stück. Gegen Sie und andere Manager ist Anklage erhoben worden wegen angeblich illegaler Versenkung von Salzabwässern. Was sagen Sie dazu? Wir sind unverändert der Überzeugung, dass die Genehmigungen, die uns die Aber die Berichte über die internen Vermerke werfen schon Fragen auf, ob sich die Beteiligten korrekt verhalten haben. Wir werden uns zu dem Thema nicht weiter öffentlich äußern, sondern nur dort Stellung nehmen, wo es hingehört: Was muss Ihr Nachfolger mitbringen? Er muss ein guter und authentischer Manager sein. VITA NORBERT STEINER Der Manager Der 61-Jährige ist seit Juli 2007 Vorstandsvorsitzender des Dax-Konzerns K+S. Der studierte Jurist startete seine berufliche Laufbahn bei BASF. Für K+S arbeitet Steiner seit mehr als zwanzig Jahren. Mit der Hauptversammlung im nächsten Jahr wird Steiner aus seinem Amt ausscheiden. Das Unternehmen K+S hat zwei Geschäftsfelder: Kali- und Magnesiumdüngemittel sowie Salz. 2015 setzte K+S mit rund 14 300 Mitarbeitern insgesamt 4,2 Milliarden Euro um. Der operative Gewinn stieg um 22 Prozent auf 782 Millionen Euro. Traditionell sorgt das margenstärkere Kaligeschäft für den größeren Gewinnbeitrag. gegenüber dem Landgericht Meiningen. Wir arbeiten derzeit an unserer Stellungnahme zur Anklage. Nach deren Vorlage wird das Gericht prüfen, ob das Hauptverfahren zu eröffnen ist. Wenn das Hauptverfahren eröffnet werden sollte, wie werden Sie dann persönlich reagieren? Nun lassen Sie uns doch erst einmal abwarten, wie das Gericht entscheiden wird. Ich halte es lieber mit den Fakten als mit Spekulationen. Gut, dann beschäftigen wir uns mit dem Faktum der eingeschränkten Versenkerlaubnis in Hessen. Wenn die Einschränkung nicht wieder aufgehoben wird, wie stark belastet das Ihr Ergebnis? Wir hatten deswegen ja schon ein paar Tage Kurzarbeit. Es ist möglich, dass die Norbert Steiner: „Ein Ankeraktionär müsste einen langfristigen Horizont haben.“ Werra in den nächsten Monaten zeitweise wieder zu wenig Wasser führt, so dass wir erneut die Produktion herunterfahren müssen. Wir können nur bei ausreichender Wasserführung die Salzabwässer vollständig über die Werra entsorgen, da wir Grenzwerte einhalten müssen. Momentan versuchen wir, möglichst viel im Voraus zu produzieren, um dann aus Lagerbeständen liefern zu können. So wollen wir die Auswirkungen möglichst gering halten und setzen auf eine erweiterte Versenkerlaubnis im Sommer. Bleibt es denn bei Ihrem Ziel, im Jahr 2020 ein Ebitda von 1,6 Milliarden Euro zu verdienen? Ja, auch wenn es ambitionierter geworden ist. Aber wir alle bei K+S arbeiten engagiert auf das Ziel hin, und ich bin zuversichtlich, dass wir es auch schaffen können. Mit Legacy, unserer „Salz 2020“-Wachstumsstrategie und unserer anhaltenden Kostendisziplin machen wir die K+S Gruppe im weltweiten Wettbewerb robuster und stärken die Zukunftsfähigkeit unseres Unternehmens. K+S bleibt ein Unternehmen mit sehr guten Perspektiven. Herr Steiner, vielen Dank für das Interview. Die Fragen stellten Maike Telgheder und Bert Fröndhoff.
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