Eine faire und nachhaltige gemeinsame Asylpolitik

Europäische Kommission - Pressemitteilung
Eine faire und nachhaltige gemeinsame Asylpolitik verwirklichen
Brüssel, 4. Mai 2016
Eine faire und nachhaltige gemeinsame Asylpolitik verwirklichen
Die Kommission hat heute Vorschläge zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems
vorgelegt. Das Verfahren zur Aufteilung der Asylbewerber unter den Mitgliedstaaten soll damit
gerechter, effizienter und dauerhafter werden. Keine Änderung ist im Hinblick auf den Grundsatz
vorgesehen, dass Asylbewerber ihren Asylantrag in dem Land stellen müssen, in dem sie erstmal EUBoden betreten, sofern sie nicht über Familienangehörige in einem anderen EU-Land verfügen.
Allerdings soll eine Lastenteilung gewährleisten, dass kein Mitgliedstaat auf sich alleine gestellt bleibt,
wenn sein Asylsystem durch einen unverhältnismäßig hohen Wanderungsdruck auf die Probe gestellt
wird. Die heutigen Kommissionsvorschläge sehen auch die Umwandlung des Europäischen
Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) in eine vollumfängliche EU-Asylagentur vor, um ihrer
erweiterten Rolle im neuen Asylsystem Rechnung zu tragen, sowie den Ausbau der FingerabdruckDatenbank Eurodac, um die Handhabung des Asylsystems zu verbessern und das Vorgehen gegen
irreguläre Migration zu erleichtern.
Der Erste Vizepräsident, Frans Timmermans, erklärte dazu: „Um die Migration besser zu steuern,
müssen wir mehrgleisig vorgehen. Wir müssen unsere Außengrenzen wirksamer kontrollieren,
intensiver mit Drittländern zusammenarbeiten, dem Menschenschmuggel Einhalt gebieten und
Flüchtlinge direkt in der EU neu ansiedeln. Wir wissen, dass weiterhin Menschen über unsere Grenzen
kommen und um Asyl nachsuchen werden. Wir müssen dafür sorgen, dass die, die Schutz benötigen,
ihn auch erhalten. Wie haben in der Krise aber auch miterlebt, wie einige wenige Mitgliedstaaten
aufgrund der Schwächen unseres gegenwärtigen Systems massiv unter Druck geraten sind. Unser
Asylsystem war für solche Situationen nicht vorgesehen. Wir können uns nicht vor unserer
Verantwortung davonstehlen: Wenn ein Mitgliedstaat stark belastet ist, muss die EU Solidarität zeigen
und eine faire Lastenteilung gewährleisten. Das wollen wir mit unseren heutigen Vorschlägen
erreichen.“
Dimitris Avramopoulos, Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft, äußerte sich wie folgt:
„Wenn die gegenwärtige Flüchtlingskrise eine Lehre für uns bereit hält, dann die, dass der Status Quo
unseres Gemeinsamen Europäischen Asylsystems nicht die Lösung ist. Die Zeit ist reif für ein
reformiertes, gerechteres System mit gemeinsamen Regeln und einer faireren Lastenteilung. Mit der
vorgeschlagenen Reform des Dublin-Systems, dem Ausbau von Eurodac und der Umwandlung des
EASO in eine echte europäische Asylagentur machen wir heute einen großen Schritt in die richtige
Richtung. Wir schaffen auf europäischer Ebene die erforderlichen Instrumente und Strukturen für ein
umfassendes, zukunftsfähiges System. Wir werden jetzt intensiv mit dem Europäischen Parlament und
den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, damit unsere Vorschläge so rasch wie möglich Wirklichkeit
werden.“
Die heutigen Vorschläge sind Teil eines ersten Vorschlagspakets zur Umsetzung der umfassenden
Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, die die Kommission in ihrer Mitteilung vom
6. April 2016 skizziert hatte. Dieses Reformpaket stellt die mittelfristige Reaktion auf künftige
Migrationsherausforderungen dar. In der Zwischenzeit gelten die bestehenden Dublin-Regeln und die
Umverteilungsbeschlüsse weiter und werden von der Kommission umfassend durchgesetzt.
Reform des Dublin-Systems
Die EU-Vorschriften, die die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für Asylanträge regeln (das
sogenannte Dublin-System) waren nicht dafür vorgesehen, eine nachhaltige EU-weite Lastenteilung
und eine zeitnahe Bearbeitung von Asylanträgen zu gewährleisten. Mit den heutigen Vorschlägen soll
das Dublin-System transparenter und wirkungsvoller werden und auch ein Verfahren für Situationen
bieten, in denen die Asylsysteme einzelner Mitgliedstaaten unter besonderen Druck geraten. Das neue
System soll gerechter, aber auch krisenfester sein. Mit seiner Hilfe wird rasch feststehen, welcher
Mitgliedstaat für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist. Ferner wird es den Schutz gefährdeter
Asylbewerber gewährleisten und die Anreize zur Sekundärmigration (das sogenannte Asylshopping)
verringern.
Zu den Neuerungen zählen:
- Ein gerechteres System, das auf dem Grundsatz der Solidarität fußt: Dies wird durch einen
Korrekturmechanismus (Fairness-Mechanismus) für die Zuteilung von Asylbewerbern in die Praxis
umgesetzt. So wird automatisch festgestellt, wenn das Asylbewerberaufkommen in einzelnen
Ländern gemessen an ihrer Größe und ihrem relativen Wohlstand unverhältnismäßige Ausmaße
annimmt. Steigt das Asylbewerberaufkommen auf das Anderthalbfache eines auf dieser Grundlage
berechneten Schwellenwerts, werden alle weiteren neuen Asylbewerber (ungeachtet ihrer
Staatsangehörigkeit) nach einer Prüfung ihres Antrags auf Zulässigkeit auf die übrigen EUMitgliedstaaten verteilt, bis das Asylbewerberaufkommen wieder unter den betreffenden
Schwellenwert sinkt. Ein Mitgliedstaat hat auch die Möglichkeit, vorübergehend nicht an dem
Umverteilungsmechanismus teilzunehmen. In diesem Fall zahlt er einen Solidarbeitrag von
250 000 EUR pro Person an den Mitgliedstaat, der an seiner Stelle einen ihm nach dem
Fairnessmechanismus zugedachten Asylbewerber übernimmt.
- Neuansiedlungen werden berücksichtigt: Der Fairnessmechanismus berücksichtigt das
Engagement jener Mitgliedstaaten, die sich an der unmittelbaren Neuansiedlung von
Schutzbedürftigen aus Drittländern beteiligen. Damit wird die Bedeutung der Bemühungen um die
Schaffung legaler und sicherer Wege nach Europa anerkannt.
- Ein effizienteres System: Die Fristen für die Stellung und Beantwortung von
Umverteilungsersuchen und die Durchführung der Umverteilung von Asylbewerbern zwischen den
Mitgliedstaaten werden verkürzt und Zuständigkeitsübertragungen werden aufgehoben.
- Anreize gegen einen Missbrauch und gegen Sekundärmigration schaffen: klarer
formulierte Rechtspflichten für Asylbewerber wie die Pflicht zum Verbleib in dem für ihren Antrag
zuständigen Mitgliedstaat, räumliche Beschränkung für den Erhalt materieller Leistungen und
angemessene Konsequenzen bei Zuwiderhandlungen.
- Schutz der Interessen der Asylbewerber: bessere Garantien für unbegleitete Minderjährige
und eine ausgewogene Erweiterung des Begriffs der Familienangehörigen.
Gemäß den Protokollen zum AEUV-Vertrag wirken das Vereinigte Königreich und Irland nicht an diesen
Maßnahmen mit, sondern bestimmen nach freiem Ermessen über das Ausmaß ihrer Beteiligung. Wenn
sie sich nicht an den Maßnahmen beteiligen, gelten für sie entsprechend den Verträgen die
bestehenden Vorschriften weiter.
Stärkung des Eurodac-Systems
Um die Umsetzung des reformierten Dublin-Systems in die Praxis zu unterstützen, schlägt die
Kommission eine Anpassung und Konsolidierung des Eurodac-Systemsvor. Zudem soll es für weitere
Zwecke wie die Erleichterung von Rückführungen und die Bekämpfung irregulärer Migration geöffnet
werden. Mit dem Vorschlag wird der Geltungsbereich der Eurodac-Verordnung ausgeweitet, um den
Mitgliedstaaten die Speicherung und Abfrage der Daten von Drittstaatlern und Staatenlosen zu
gestatten, die keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben und sich illegal in der EU
aufhalten. Dies soll die Feststellung der Identität dieser Personen für die Zwecke der Rückführung und
Rückübernahme ermöglichen. Ferner soll – im Einklang mit den geltenden Datenschutzvorschriften –
die Speicherung zusätzlicher Angaben zur Person erlaubt werden, wie Name, Geburtsdatum,
Staatsangehörigkeit, Personalien oder Reisedokumente und Lichtbilder. Dank der zusätzlichen
Informationen, die das System bereithalten wird, können die Einwanderungs- und Asylbehörden
irreguläre Drittausländer oder Asylbewerber leichter identifizieren, ohne bei anderen Mitgliedstaaten im
Einzelfall um diese Informationen nachsuchen zu müssen, wie das bislang der Fall ist.
Schaffung einer Asylagentur der Europäischen Union
Der Vorschlag sieht auch die Umwandlung des Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO)
in eine vollumfängliche EU-Asylagentur mit einem erweiterten Mandat und erheblich weiter gefassten
Aufgaben vor, um die strukturellen Schwächen anzugehen, die bei der Anwendung des EU-Asylsystems
zutage getreten sind.
Eine der Hauptaufgaben der Agentur wird die Handhabung des Schwellenwerts sein, auf dem der
Fairnessmechanismus des neuen Dublin-Systems zur Umverteilung von Asylbewerbern fußt. Darüber
hinaus soll sie eine EU-weit einheitlichere Beurteilung von Anträgen auf internationalen Schutz und
eine engere praktische Zusammenarbeit sowie einen intensiveren Informationsaustausch der
Mitgliedstaaten gewährleisten, und das Unionsrecht und hohe Standards bei Asylverfahren,
Aufnahmebedingungen und der Gewährung von Schutz fördern.
Analog zu den Vorschlägen der Kommission zur Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache
vom 15. Dezember 2015 sollen auch Rolle und Aufgaben der Asylagentur in Bezug auf die operative
und technische Unterstützung ausgeweitet werden. So soll die Agentur die Befugnis erhalten,
Unterstützungsteams für Asylfragen aus einer Einsatzreserve von mindestens 500 Sachverständigen
aus den Mitgliedstaaten und eigenen abgestellten Sachverständigen zu entsenden, und operative und
technische Unterstützung zu leisten, wenn die Asyl- und Aufnahmesysteme eines Mitgliedstaats durch
eine außergewöhnlich hohe Zahl dringender Asylanträge übermäßig belastet sind und unter Druck
geraten.
Hintergrund
Am 6. April 2016 gab die Europäische Kommission mit der Veröffentlichung einer Mitteilung den
Startschuss für die Erneuerung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Die Mitteilung enthielt
folgende Punkte:
- Optionen für eine faire, nachhaltige Verteilung von Asylbewerbern auf die Mitgliedstaaten,
- eine weitere Vereinheitlichung der Asylverfahren und -normen, um europaweit gleiche
Bedingungen für Asylbewerber zu schaffen und auf diese Weise die Anreize für irreguläre
Sekundärbewegungen zu vermindern,
- sowie eine Stärkung des Mandats des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO).
Das heutige Vorschlagspaket stellt den ersten wichtigen Schrit in diesem Erneuerungsprozess dar. Als
zweiten Schritt plant die Kommission Gesetzgebungsvorschläge zur Reform der Asylverfahrens- und
der Anerkennungsrichtlinie sowie der Richtlinie über Aufnahmebedingungen. Damit würde ein
umfassendes Reformpaket für sämtliche Komponenten des EU-Asylsystems auf dem Tisch liegen.
Am 13. Mai 2015 hat die Europäische Kommission in der Europäischen Migrationsagenda eine
weitreichende Strategie vorgeschlagen, um zum einen die unmittelbare Krise zu bewältigen und zum
anderen der EU die erforderlichen Instrumente an die Hand zu geben, um mittel- und langfristig durch
die Migration aufgeworfene Fragen in den Bereichen irreguläre Migration, Grenzen, Asyl und legale
Zuwanderung besser zu lösen.
Drei Maßnahmenpakete zur Umsetzung der Agenda wurden bereits am 27. Mai 2015, am 9. September
2015 und am 15. Dezember 2015 angenommen.
Weitere Informationen
Fragen und Antworten: Reformierung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems
HINTERGRUNDINFORMATIONEN: Reform des Dublin-Systems
Verordnung zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die
Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten
Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung)
Verordnung über die Asylagentur der Europäischen Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG)
Nr. 439/2010,
Annex
Verordnung über die Einrichtung von EURODAC (Neufassung)
Mitteilung: Reformierung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und Erleichterung legaler Wege
nach Europa
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